Presseschau vom 13. Oktober 2017 – Der Freitag interviewt die Münchner Regisseurin Anta Helena Recke zu ihrem Remake von Anna-Sophie Mahlers "Mittelreich" an den Kammerspielen

Prinzip Schwarzkopie

Prinzip Schwarzkopie

13. Oktober 2017. "Meine Ausgangsfrage war: Wie kann ich im Theater die durchschlagende Desillusionierung erfahrbar machen, die man hat, wenn man zum ersten Mal versteht, dass man weiß ist? Wie kann ich etwas sichtbar machen, das so unsichtbar ist wie Whiteness?", erklärt Anta Helena Recke im Interview mit Matthias Dell im Freitag (13.10.2017) ihre Re-Inszenierung von Anna-Sophie Mahlers erfolgreicher Bierbichler-Uraufführung "Mittelreich" mit ausschließlich schwarzen Darsteller*innen. "Wenn Du das, was ist, zeigen willst, musst Du es noch mal herstellen, aber dabei eine Sache verändern: die Abweichung in der Wiederholung. Damit man die Sache selbst sehen kann."

Es gehe ihr nicht um die Inszenierung von Mahler, nicht um die Geschichte von Bierbichler, letztlich nicht um die Kammerspiele oder das Theater, so Recke. "Das sind halt Medien, anhand derer ich hoffentlich zeigen kann, wie Wahrnehmung funktioniert – in Abhängigkeit davon, als was für eine Person man gelabelt wird und sich in der Gesellschaft bewegen muss. Und dass es ein Privileg ist, ganz viele Dinge nicht zu sehen."

Es sei jedoch schwer, "diese persönliche Ebene wegzukriegen, wenn man das so macht, wie ich es mache. Wenn ich mir exemplarisch etwas nehme und das benutze, um die Struktur darin zu markieren, dann habe ich das Problem, dass das, was ich mir nehme, sich natürlich auch persönlich gemeint fühlt." Das stehe der eigentlichen Auseinandersetzung oft im Weg.

Überdies gebe es sowieso "nur ganz wenige Institutionen und Menschen in Machtpositionen, die wirklich Lust haben, sich fundamental zu hinterfragen, ein echtes Interesse daran, sich zu verändern". Im Theaterbetrieb sehe das dann so aus, dass es in den Ensembles größerer Städte "heute immer jemanden mit einem türkischen Namen" gebe. "Aber wirklich braune Leute? Die gibt es eigentlich nicht. Außer am Gorki-Theater und Ballhaus Naunynstraße in Berlin natürlich. Aber das muss dann auch so heißen und als postmigrantisch gelabelt werden."

Sie würde sich wünschen, so Anta Helena Recke, "dass die Intendanten dieses Landes mich jetzt mindestens zwei, drei Jahre lang an ihre Theater einladen und Stücke kopieren lassen. Nicht unbedingt immer nur mit Schwarzen, sondern auch mit extrem dicken Frauen oder asiatischen Deutschen, es gibt viele Möglichkeiten der Sichtbarmachung." Abschließen würde sie den Arbeitszyklus am liebsten mit einem Tatort. "Der Tatort ist für Deutschland, was 'Mittelreich' für Theater-München ist. Wenn Sonntag um 20.15 Uhr eine Schwarzkopie von mir von einem Tatort läuft, dann kann ich damit aufhören."

(sd)

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