Flammen für die Bastille

Paris, 18. Oktober 2017. Der russische Aktionskünstler Pjotr Pawlenski hat in Paris eine Filiale der französischen Nationalbank am Platz der Bastille in Brand gesetzt. Das meldet u.a. die taz (17.10.2017). Mit seinem Brandanschlag wolle Pawlenski Frankreich an seine revolutionäre Geschichte erinnern. Der Ort der Bank am Bastille-Platz sei entsprechend symbolisch aufzufassen. "Die Bastille wurde vom aufständischen Volk als Symbol des Despotismus und der Macht gestürmt. Am selben Ort ist ein neuer Herd der Versklavung entstanden, die Bank", zitiert die taz aus einem Manifest, das Pawlenski zu seiner Aktion veröffentlicht habe.

Pawlenski wurde noch am Tatort von der Polizei wegen Sachbeschädigung festgenommen und inzwischen, wie der WDR berichtet, in die Psychiatrie überstellt. Der Aktionskünstler, der aus Angst vor Repressalien aus Russland nach Paris geflohen war, ist in der Vergangenheit mehrfach durch radikale Performances aufgefallen. Aus Protest gegen die Inhaftierung der Künstlerinnen von Pussy Riot in Russland nähte er sich 2012 den Mund zu; 2013 nagelte er sich am Hodensack auf den Roten Platz, als Zeichen gegen Korruption. Im November 2015 setzte er das Hauptportal des russischen Geheimdienstes FSB in Moskau in Brand.

Im Januar 2016 waren Pawlenski von der Schauspielerin Alina Slonina vom Moskauer teatr.doc sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden. Um einer drohenden bis zu zehnjährigen Lagerstrafe zu entgehen, begab sich Pawlenski, der die Vorwürfe bestritt, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Oksana Schalygina und ihren Kindern ins Asyl nach Frankreich.

(taz.de / wdr.de / FAZ / chr)

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Kommentare  
Pawlenski-Aktion in Paris: genial
wahrhaft politisch unabhängig und deshalb interessant

Die gesellschaftliche Funktion der Kunst ist es ja, vermeintliche Gewissheiten in Frage zu stellen, den Kern einer Sache hinter der äußeren Hülle sichtbar zu machen, unlogische, paradoxe Bezüge zwischen scheinbar unzusammenhängenden Dingen herzustellen, die dann doch mehr gemein haben, als man vorher gedacht hat. Die Kunst und der Diskurs über Kunst ist eben ein Mittel (neben anderen) zur Selbstreflexion und Selbsterkenntnis einer Gesellschaft.

Auch die vermeintliche Wiederholung ist perfekt: denn es ist eben keine Duplizierung.
Pawlenski studiert (und zeigt uns) die Wirkung eines gleichen Objekts (Brandstiftung) vor unterschiedlichen Hintergründen: FSB in Moskau vs. Bank de France in Paris.

Und jeder kann sehen: die Unterschiede in der Bewertung sind frappierend.
Das ist eben wahre Kunst, welche Augen öffnet.
Genial.
Pawlenski-Aktion in Paris: moralische wie ästhetische Bewertung
Ich verstehe nichts von Kunst oder Genialität, aber etwas von Sprache. Und "Brandstiftung" ist kein Objekt, sondern eine aus einem Objekt "Brand" und einem passiven, subtantivierten Verb "stiften" zu "Stiftung" zusammengesetztes Substantiv. Durch den Vorgang wird eine Handlung, nämlich einen "Brand stiften", im Sinne von bewusst zu einem Zweck anlegen, objektiviert, in dem Fall um sie sie moralisch unangreifbar zu machen.
Es besteht ein Unterschied zwischen einem Objekt, also einem Substantiv und der zusammengesetzten Substantivierung aus einem substantivierten Verb und einem objektivierten Substantiv.
Im grammatischen Vorgang der Sprachwahl verbirgt sich die Moral des Sprechers/Schreibers.
Jeder kann sehen: die moralische wie ästhetische Bewertung, die sich durch unterschiedlichen Bericht über ein und denselben Vorgang (Kunst-Aktion) an den Lesenden über Grammatik vermittelt, kann frappierend unterschiedlich sein...
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