Ein Sitz bleibt frei

von Verena Großkreutz

Stuttgart, 22. Oktober 2017. Wer ist die böse Hexe, die Hänsel und Gretel ins Knusperhäuschen lockt? Der ausbeutende Kapitalismus und seine Verführungen? Das gutgenährte, von schlechtem Wohlstandsgewissen geplagte Publikum, das den beiden afrikanischen, aus armen Verhältnissen stammenden Kindern am Ende frenetisch zujubelt? Oder gar der Regisseur selbst, der authentische Armut ins bürgerliche Opernhaus bringen will und dabei im Namen der Kunst eine gewisse Art von Voyeurismus und Kulturschock-Menschenversuch in Kauf nimmt?

In der Premiere von Engelberg Humperdincks romantischer Märchenoper "Hänsel und Gretel" in der Staatsoper Stuttgart bleibt die Frage, wer die Hexe ist, offen. Die Inszenierung, die "ein Märchen von Hoffnung und Not" erzählen will, ist schließlich noch lange nicht fertig. Der Regisseur Kirill Serebrennikov sitzt weiterhin in Moskau mit Fesseln an den Füßen im Hausarrest und darf mit niemandem als seinem Anwalt kommunizieren.

Nach Dreharbeiten verhaftet

Derart zum Schweigen gebracht, konnte er bisher nur einen Aspekt seiner geplanten Inszenierung realisieren: einen Stummfilm, der zu 80 Prozent fertig gestellt ist und der die Live-Inszenierung der Märchenoper kontrapunktieren soll. Für den Dreh war er im April dieses Jahres mit dem Team der Staatsoper in Ruanda. Die beiden Hauptrollen castete man aus der armen Bevölkerungsschicht: die vierzehnjährige Ariane Gatesi spielt Gretel und David Niyomugabo, 13 Jahre alt, Hänsel.

Zurück in seiner Heimat wurde Serebrennikov im August verhaftet – wegen angeblicher Veruntreuung von Staatsgeldern, was ganz offensichtlich der politischen Einschüchterung dienen soll. Weswegen nun die Bühnenbild- und Kostümentwürfe des Allrounders in der Schublade liegen. Denn die Realisierung seiner Inszenierung bleibt ihm vorbehalten – sobald er frei ist, wird er sie fertigstellen. So hofft das Haus.

HaenselundGretel 560 Filmstill2 uKirill Serebrennikov in Ruanda © Thomas Aurin

Daher bleibt in der Premiere ein Platz im Stuttgarter Opernhaus symbolisch leer. Einige aus dem Opernteam tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Free Kirill". Der Schock angesichts der Ereignisse sitzt allen Beteiligten noch immer in den Knochen. Ein Schock, den die Staatsoper durch ein umfangreiches Rahmenprogramm kompensiert und eben auch durch die Premiere einer völlig unfertigen Inszenierung. Aber das ist gut so. Ein Zeichen gegen das Unrecht.

Kommentar statt Darstellung

Das Staatsorchester in der Leitung von Georg Fritzsch ist auf der Bühne vor der Leinwand platziert, als Filmorchester hat es möglichst bildsynchron zu spielen. Vorne auf der Bühne übernehmen sechs Solist*innen in legerer Alltagskleidung lebendig und stimmgewaltig, aber mehr kommentierend als darstellend die Gesangsparts. Manko des Abends: Weil man auf eine Übertitelung verzichtet hat und vom gesungenen Text so gut wie nichts verständlich ist, kann man den Zusammenhang zwischen Gesungenem und Film nur erahnen.

Richtig was los ist an der Rampe erst in der großen Hexenszene, wenn die Filmbilder fehlen. Dann kommen schwarz Maskierte auf die Bühne und bedrängen die Hänsel-und-Gretel-Sängerinnen, Nebelrauch wird in den Raum geblasen, Feuerschein erleuchtet die Wände, und Tenor Daniel Kluge als Knusperhexe berserkert über die Bühne, mit anarchisch rauem Timbre, seinen Hexenbesen als Rockgitarre schlagend.

haenselundgretel1 560 Thomas Aurin uDie große Hexenszene: mit Nebel und Feuer
© Thomas Aurin
Dass Hänsel und Gretel im Film von zwei Kindern aus Ruanda gespielt werden, einem der ärmsten Länder der Welt, hat Methode. Es sei ein "Albtraum, wenn dicke Sängerinnen vom Hunger sängen", sagte Serebrennikow in Hinblick auf traditionelle Aufführungen der Humperdinck-Oper. Der Mann ist ein Genie der Opern-Aktualisierung. "Wir leben in einem Kriegszustand", schreibt er im Programmheft. Das liege "an Armut, an Hunger" und daran, "dass ein Teil der Welt sehr reich ist und ein anderer, viel größerer, sehr arm". Das sei sehr gefährlich.

Er warnt vor der Abschottung. Die Erde sei zu klein, um sich von anderen zu isolieren. "Denn die anderen werden kommen und uns alles über ihr Leben erzählen." Das sei keine apokalyptische Vorstellung, keine Katastrophe, sondern schlichtweg "die Realität". Dass er sich für diese Botschaft gerade die nach Mozarts "Zauberflöte" am häufigsten gespielte Oper der Deutschen mit ihrem heimeligen Märchensujet, ihren Kinderliedern und ihrer wagnernden Süßlichkeit ausgesucht hat, ist – was ihre Held*innen, hungernde, durch die Welt irrende Kinder angeht – so genial wie naheliegend. Zumal Humperdinck seine Oper 1893 schrieb, als Ruanda unter deutscher Kolonialherrschaft stand. Womit sich der Kreis schließt.

HaenselundGretel 5600 Filmstill uStandbild aus dem Film: Die Kinder Ariane Gatesi (Gretel) und David Niyomugabo (Hänsel)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Film zeigt ästhetische Bilder von großer Dynamik: etwa wenn die Kinder in der engen Hütte ausgelassen Sonnenfleckenfangen spielen, wenn Hänsel sein selbstgebasteltes Fußballknäuel herumkickt und dazu "Brüderlein, komm tanz mit mir" erklingt, wenn die Kinder von der Mutter verjagt werden, weil sie statt Körbe zu flechten auf Bäume kletterten. Sie landen schließlich nicht im Wald, sondern in der Stadt, wo sie verzweifelt versuchen, vorbeirasende Autos zum Halten zu bewegen.

Schlaraffenland Stuttgart

Dann die Sandmann-Traumsequenz, die sie an einen merkwürdigen Ort katapultiert: den Stuttgarter Flughafen. Weiter geht es in die Königstraße. Statt der Hexe locken hier Süßwarenschlaraffenländer und Shoppingparadiese, bis die beiden schüchtern das prunkvolle Opernhaus betreten. Und während sie oben von der Leinwand auf die Bühne blicken, wird dort die böse Hexe besiegt und der quirlige Kinderchor sorgt für gute Stimmung.

Ein Work in Progress, ein Versuch, mit der deprimierenden Situation umzugehen. Unbehagen hier wie dort: Was wird mit Serebrennikov? Aber vor allem auch: Was wird aus Ariane Gatesi und David Niyomugabo, die aus der Armut Ruandas für kurze Zeit ins Rampenlicht eines deutschen Opernhauses kamen, wo das Publikum ihnen stehend applaudierte? Haben sie derzeit eine reelle Chance, ihrer Armut zu entkommen?

 

Hänsel und Gretel
von Engelbert Humperdinck
Libretto nach der Dichtung von Adelheid Wette
Ein Märchen über Hoffnung und Not
erzählt von Kirill Serebrennikov
Musikalische Leitung: Georg Fritzsch, Dramaturgie: Ann-Christine Mecke, Video: Ilya Shagalov, Licht: Reinhard Traub, Kinderchor: Christoph Heil.
Produktionsteam des Films:
Regie: Kirill Serebrennikov, Kamera: Denis Klebeev, Schnitt: Ilya Shagalov, Filmdramaturgie: Ann-Christine Mecke, Produzent: Márk Szilágyi.
Gesangsensemble auf der Bühne: Michael Ebbecke, Irmgard Vilsmaier, Diana Haller, Esther Dierkes, Daniel Kluge, Aoife Gibney, Kinderchor der Oper Stuttgart; Staatsorchester Stuttgart.
Darsteller*innen im Film: Ariane Gatesi, David Niyomugabo, Isaie Karinda, Chantal Kayizerwa, Jean Paul Nduwayezu, Hope Azeda, Celestin Nyagatare, Rose Murekatate, Emanuel Habumuremyi.
Dauer: 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause

www.oper-stuttgart.de

 

Kritikenrundschau

"Zu sehen ist ein richtiges, wichtiges politisches Statement. Eine schlüssige Inszenierung ist es nicht", heißt es in der Kritik von Susanne Benda in den Stuttgarter Nachrichten (24.10.2017). Man erlebt einen Abend, "der etwas versucht, das weder gelingen kann noch überhaupt sollte: nämlich ein schlüssiges Musiktheater-Erlebnis zu bieten und gleichzeitig auch keines – um das Fehlen des Regisseurs deutlich zu machen." Bis zum Ende werde die Aufführung, auch wenn man es sichtlich zu vermeiden suchte, durchtränkt mit einem gewissen Betroffenheitspathos. "Es war einmal ein Märchen": So beginnen die Sätze, mit denen sich die Sänger vorstellen, "so installieren sie jene Distanz der Ausführenden zu den von ihnen gespielten Figuren, die für das epische Theater typisch ist, und so rücken sich die Darsteller in Distanz zu dem, was jetzt wie eine Inszenierung in Anführungszeichen wirkt."

Von vorneherein war klar, dass es um weit mehr geht, als um eine gewöhnliche Opernpremiere: "noch vor dem ersten Ton hat die Sache ein kulturpolitisches und gesamtgesellschaftliches Gewicht bekommen, der keine Inszenierung, und wäre sie noch so geschlossen und gelungen, genügen könnte", schreibt Mirko Weber in der Stuttgarter Zeitung (24.10.2017). Aus dieser Not versuche die Stuttgarter Oper eine Tugend zu machen: "Sie kombiniert die komplette musikalische Fassung Humperdincks mit dem vorliegenden filmischen Material von Serebrennikow und einer fragmentarisierten Personenregie". Auf sich alleine gestellt bieten die "quasi-dokumentarischen Bilder eine irritierende Bandbreite".

Der Fall Serebrennikow habe eine neuartige Form der kollektiven Opernregie erzwungen, so Reinhard J. Brembeck in der Süddeutschen Zeitung (24.10.2017). Die wird in Stuttgart zwar nicht aus zwingenden künstlerischen Überlegungen, sondern aus politischer Notwendigkeit geübt. "Das Ergebnis, und das verwundert wenig, ist auch nicht gelungen. Von einem solchen Erstling sollte man auch nicht mehr erwarten." Der Abend laufe auf eine konzertante Opernaufführung hinaus. Fazit: "So einfach würde es sich der Theatermaniac Serebrennikow, wäre er nur endlich in Stuttgart, garantiert nicht machen. Er würde ein subtileres Zusammenspiel zwischen Bühne und Film bieten."

"Statt die unvollendete Inszenierung behelfsmässig zusammenzuflicken oder ganz abzublasen, beweist man in Stuttgart den Mut zur Lücke", schreibt dagegen Marco Frei in der NZZ (24.10.2017). Es werden nur die Teile gezeigt, die von Serebrennikow vollendet und freigegeben wurden, und "dies ist ein Stummfilm, der fast vollständig vorliegt". Die Solisten schenken den Darstellern im Film ihren Gesang, und das Staatsorchester Stuttgart steuern unter Georg Fritzsch gewissermassen den Soundtrack bei. Fazit: "Ein über weite Strecken berührender, aufwühlender Theaterabend (...) Ein fesselndes 'Märchen von Hoffnung und Not', überdies ein 'work in progress'. Sobald Serebrennikow freikommt, soll die Inszenierung vollendet werden."

Als "zwiespältige Geschichte" empfindet Judith von Sternburg diese Unternehmung in der Frankfurter Rundschau (25.10.2017). Man merke dem Abend seine "Unfertigkeit" an. Hätte Serebrennikov noch Hand anlegen können, wäre das Ergebnis "hoffentlich weit von dem entfernt gewesen", was "jetzt gezeigt wird", mutmaßt die Kritikerin. Ungut sei etwa das Verhältnis von Film zu Bühnenarbeit eingerichtet: Dass die Aufmerksamkeit "fast permanent von den Leinwandbildern weggelockt wird – obwohl die Sänger so tun, als seien sie Zuschauer des Films, aber dann reißt es sie wieder weg –, grenzt versehentlich ans Zynische. Die Afrikaner werden zu stummem, teils rätselhaftem Beiwerk, die Wirkung dürfte dabei das Gegenteil dessen sein, was Serebrennikov vorschwebte."

Kommentare  
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Sozialkritik?
Im Stuttgarter mehrfach ausgezeichneten Opernhaus gab es (22.10.) Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck. Als Regisseur war Kirill Serebrennikov vorgesehen, aber der sitzt in Moskau, wie man hier in der Zeitung immer wieder lesen konnte, zu Unrecht im Gefängnis zu Hause.
Das war die hervorragende PR, und die Spannung blieb bis fast zuletzt, was denn nun zu sehen sein wird – ohne Regisseur.
Als ich in die Oper kam, hörte ich nur einen Satz der obligatorischen Einführung, dass Hänsel und Gretel nicht sozialkritisch wären; hätte mich doch auch gewundert in der Stuttgarter „Hochkultur“.
Freilich, da die Deutschen gerne für die Freiheit in anderen Ländern kämpfen, und der Kampf für die Freiheit in Russland hat eine mindestens hundertjährige Tradition bei uns, wurden schonmal T-Shirts gedruckt, der Maî­t­re de Plai­sir der Oper trug höchstpersönlich auch eines unter seinem Anzugskittel; das stand: Free Willi oder war es Free Killi oder Free Kirilli; konnte ich nicht richtig erkennen.
Video im Theater und in der Oper ist schon eine weitverbreitete Plage, jetzt gab es den Film in der Oper vom abwesenden Regisseur gedreht. Mir war der Zusammenhang nicht klar, was Schwarze und schwarze Kinder, die so in der Gegend herumtollen, ausreißen und sich verlaufen mit Hänsel und Gretel zu tun haben, wurde aber von der klugen Dame neben mir aufgeklärt, dass der Film sehr wohl was mit der Handlung zu tun habe, nämlich die schwarzen Kinder Hänsel und Gretel werden vom westlichen Konsum angezogen, dem System, das nun die Hexe sei. Also doch schärfste Sozial- bzw. Gesellschaftskritik?! Muss ich wohl übersehen haben, bei der affirmativen Reaktion des Publikums auch nicht wirklich vorstellbar; freilich waren die gezeigten Süß-Waren und Torten von einer Anziehungskraft, dass hier keine wirkliche Kritik aufkommen konnte, oder eben nur: Kuchen für alle. Was freilich eine völlig berechtigte Forderung wäre, bei uns freilich eher umgekehrt zu lesen, weniger Kuchen für viele wäre für diese besser.
Aber auch in der Oper sind die Häppchen rar, denn sofort waren die Pausentischchen ausverkauft, und man musste sich in der Schlange wieder mit den Vordränglern herumärgern. (Die FDP ist wieder da.) Ohnehin war die Pause zu kurz! Am Ende kamen Massen von weißen Kindern auf die Bühne, deren Eltern saßen neben, vor und hinter mir, und wie die kluge Dame vorausgesehen hatte, die beiden schwarzen Kinder, die Protagonisten des Films, kamen auch noch auf die Bühne. Da war kein Halten mehr. Ach wie war das schön.
Das tiefschwarz-hellstgrüne Premieren-Publikum war ganz hingerissen! Welch ein Glück aber, dass unser Oberbürgermeister nicht hier war, bzw. dessen geschätzter Tübinger Kollege, der kriminelle Ausländer schneller abschieben will, denn dabei handelt es sich doch bei den kleinen schwarzen Kindern, die gestohlen hatten und zumindest im Märchen einen grausamen Mord begehen. Nun, vielleicht verlassen die schwarzen Kinder die Oper ja vorsichtshalber durch den Hinterausgang…
Man langt sich an den Kopf, was dieses Publikum alles beklatscht; freilich, nun durften sie ja auch ein bisschen für die Freiheit in Russland hinstehen – zum Applaus.
Hänsel und Gretel, Stuttgart: klug + bescheiden
Ich habe eine sehr kluge, bescheidene und gleichzeitig sinnliche Lösung erlebt, dieses überraschende Filmmaterial von Kirill Serebrennikov, das auf ein sehr visionäres Inszenierungskonzept hinweist (das zu sehen uns allen ja unter den vieldiskutierten Umständen verwehrt wurde), in einer großen und überzeugenden Kollektivleistung des Stuttgarter Opernhauses auf die Bühne bringen kann. Wie bitter, dass Ihnen, Herr Buchhalter, das Serviceniveau der Pausenbewirtung so zu Herzen gegangen ist, vielleicht wäre sonst noch ein wenig Platz darin gewesen, um sich von der Aufführung berühren zu lassen...
Hänsel und Gretel, Stuttgart: gegenwärtig
Es war ein besonderer und bewegender Abend, bei dem Kirill Serebrennikov gerade wegen seiner erzwungenen Abwesenheit sehr gegenwärtig war. Die Leitung der Stuttgarter Oper hat genau das Richtige getan, indem sie nicht zur Tagesordnung übergegangen ist, sondern die Aufmerksamkeit auf das Unrecht lenkt, das gerade in Russland passiert. Man hat es geschafft, den Zuschauern einen packenden Abend zu bieten und gleichzeitig zu zeigen, dass es sich um eine unfertige Inszenierung handelt. Sicher war der Jubel des Publikums auch eine Solidaritätsäußerung, was die Leistung der Mitwirkenden aber in keiner Weise schmälert. Es bleibt zu hoffen, dass Serebrennikov bald Gelegenheit haben wird, seine Arbeit zu vollenden, wenn auch die Chancen angesichts der Verhältnisse in Russland eher schlecht stehen dürften. Zum Beitrag von Herrn Buchhalter möchte ich nur sagen: Nomen est omen...
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Häppchen
#2 Aber solch ein Pausenbewirtungsniveau muss einem doch zu Herzen gehen! Andernorts bekommt man Häppchen oder Brez'n und an der Stuttgarter Oper Tischchen- da beißt man sich doch die Zähne dran aus oder hungert sich mitten im Reichtum zu Tode! - da muss ich Hans Buchhalter wirklich einmal in Schutz nehmen!

Hat sich denn Serebrennikow zu dem Abend geäußert?
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Ignoranz
Laut FAZ müssen die Kinder-Darsteller aus Ruanda nicht der "Armut entkommen", sondern gehören zu Ruandas Mittelstand und wurden mittels Kostüm zu den armen Strassenkindern gemacht, die dann dem Stuttgarter Opernpublikum (in Abendrobe) vorgeführt wurden. Bezeichnenderweise wollten die Kinder lieber Reiche spielen, vielleicht weil sie - wie viele Afrikaner - genug davon haben im europäischen Medien- und Kulturzirkus immer nur auf Armut reduziert zu werden. Auch wenn Ihre Kritik Ruanda als eines der ärmsten Länder der Welt bezeichnet, greifen Sie tief in die Klischeekiste, die regelmässig hervorgeholt wird, wenn von Afrika die Rede ist. Arm an was? Und arm im Vergleich zu wem? Zu seinen Nachbarn bestimmt nicht, Ruanda gehört zu den Ländern Afrikas, in denen Wirtschaft und Wohlstand am schnellsten wächst, in dem im letzten Jahrzehnt eine neue Mittelschicht entstanden ist, zu dem unter anderem auch die beiden Kinder gehören, die nun dem Publikum als "arme Afrikaner" verkauft werden. Ob im Rahmen der Inszenierung ein differenzierteres Bild entsteht, mag ich nicht zu beurteilen. Allemal entsteht der Eindruck, dass auch da - wie in Ihrer Kritik - vor allem die immergleiche Moralkeule geschwungen wird, die mehr von unserer Ignoranz und Scheinheiligkeit erzählt als von einer anderen Lebenswirklichkeit.
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Optimismus des Willens
Herr Bechtel, zur Beantwortung Ihrer Fragen empfehle ich die eben erschienene DVD "Jean Ziegler - Der Optimismus des Willens".
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Infos aus dem Making-of-Film
Lieber Herr Bechtel,
im Making-of-Dokumentarfilm zur Produktion, der am 19. November um 11 Uhr im SWR gesendet wird und den ich im Rahmen einer Pressekonferenz zur Premiere vorab sehen konnte, wird berichtet, dass die beiden Hauptdarsteller*innen in armen Schichten Ruandas gecastet wurden. Die Mutter des Hänsel-Darstellers David Niyomugabo sagte im Interview, ihr Mann sei verhaftet worden, ohne die Hilfe von Verwandten sei es ihr unmöglich, ihre Kinder durchzubringen. (Selbst in Deutschland liegt das Armutsrisiko bei alleinerziehenden Müttern und ihren Kindern bei über 40 Prozent.) Mit freundlichen Grüßen Verena Großkreutz
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Solidarität in Russland?
" Die Moskauer Theaterkritikerin Marina Davydowa sagte, dass es zwar Unterstützerbriefe russischer Prominenter für Serebrennikow gebe. Eine solche Protestaktion wie in Stuttgart oder etwa Massenaktionen aber nicht. Insofern laufe die Solidarität in Russland ins Leere. Serebrennikow lebe in seiner etwa 40 Quadratmeter großen Wohnung "in totaler Isolation".

https://www.swr.de/swraktuell/bw/premiere-mit-protest/-/id=1622/did=20504122/nid=1622/3yqe3p/index.html
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Chapeau
dank an christian gampert und den swr-kultur für diesen beitrag.
chapeau für unabhängigen journalismus:
https://www.swr.de/swr2/kultur-info/oper-suttgart-serebrennikov-haensel-und-gretel/-/id=9597116/did=20506676/nid=9597116/bfy9jx/index.html
Hänsel und Gretel, Stuttgart: Link
http://www.heraldextra.com/news/national/government-and-politics/russian-court-keeps-theater-director-under-house-arrest/article_0f08fe20-bd33-5bd4-9462-1614544e87cb.html
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