Presseschau vom 16. November 2017 – Volksbühnen-Intendant Chris Dercon im NZZ-Interview
Dies ist kein Theater?
Dies ist kein Theater?
16. November 2017. Über seine Gegner und Kritiker, über Kontinuität an der Volksbühne, eine Instrumentalisierung durch die Kulturpolitik und von ihm gemachte Fehler spricht der neue Volksbühnen-Intendant Chris Dercon im themenoffenen Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung.
Nicht mehr unternommen zu haben, um mit Castorf, Pollesch, Fritsch oder Marthaler ins Gespräch zu kommen, bezeichnet Dercon als einen seiner größten Fehler: "Es war falsch, so oft an Politiksitzungen teilgenommen zu haben, ich hätte besser jeden Tag an der Tür von Castorf geklingelt. Ich hätte unbedingt dafür sorgen müssen, dass ich das Alte mit dem Neuen verbinde."
Verbrannte Erde?
Volksbühnen-Regisseure wie René Pollesch oder Herbert Fritsch hätten Dercons "Liebe nicht erwidert", so Interviewerin Daniele Muscionico: "Für mich war die grösste Enttäuschung, dass Pollesch sich abgewandt hat", so Dercon. "Die noch grössere Enttäuschung war, dass es uns nicht gelang, einige Stücke von Castorf, Marthaler, Pollesch und Fritsch in unser Repertoire zu übernehmen. Wir haben bei null angefangen, verbrannte Erde. Kein deutsches Theater musste je bei null wiederbeginnen – ausser 1946."
Gefragt, ob er sich als "Kriegsgeschädigter" verstehe, antwortet Dercon: "Nein, ein Krieg ist ein Krieg. Ein Theaterkrieg ist nur Theater." Was "nur" heiße, ob er nicht um Inhalte gekämpft habe, will Muscionico wissen. Dercon antwortet: "Wenn man ins Theater geht, ist man ein Gläubiger. Man glaubt an einen Regisseur, an ein Stück. Man kommt zu einer Messe." Als "Glaubenskrieger" aber sehe er sich nicht. Er habe eine Vision, sei "ein Moderator von Veränderungen" und glaube an "gewisse Kunstformen", allerdings "nicht im Sinne eines Fans".
Eiszeit aufwärmen
Als "Passeur" oder Zwischenhändler im Derrida’schen Sinne interessiere ihn, was zwischen den Künsten passiere, lässt Dercon wissen: "Was mich nicht interessiert, ist der Kitsch vom Gesamtkunstwerk und der Kitsch von Interdisziplinarität." An der Volksbühne werde etwas Neues entstehen: "Wir leben in einer sozialen, ökonomischen und politischen Eiszeit, und das Theater hat die Mittel, sie aufzuwärmen." Dabei knüpfe er an die Tradition des Hauses an. "Die Volksbühne ist die Geschichte von hundert Jahren Radikalität und von Neubefragung der Konventionen, und wir stehen für Kontinuität."
Auf Muscionicos Nachfrage – "Sie diskreditieren Ihre Kritiker, indem Sie diese als Fans abtun, sich selber aber nennen Sie einen Visionär" – entgegnet Dercon, er könne seine Gegner nicht ernst nehmen, weil sie ihn "als Projektionsfläche für alles Mögliche betrachtet" und vorverurteilt hätten. Kritik hingegen schätze er und nehme etwa die Frage ernst, ob er an der Volksbühne ein Repertoire und ein Ensemble aufbauen könne, so der Intendant auf zweimalige Nachfrage.
Kulturpolitik versus Kunstfreiheit
Mit "Jupp!" antwortet Dercon auf Muscionicos Äußerung, dass er vom Regierenden Bürgermeister Berlins, Michael Müller, im Regen stehen gelassen worden sei und vom Kultursenator Klaus Lederer öffentlich infrage gestellt wurde. "Die Frage ist doch: Was machen wir hier? Machen wir in Berlin Politik oder linke Kulturpolitik? Und was heisst das für die Kunstfreiheit?" Die Kunst dürfe ihre Freiheit nicht aufgeben: "Wenn passiert, was in Ungarn geschieht, oder in Polen, in Russland – oder ein Stück weit in Berlin –, dann wird es gefährlich", so Dercon. "Aber vergessen Sie nicht: Belgien ist die Wiege des Surrealismus: 'Ceci n’est pas une pipe.' Für die Volksbühne heisst das: 'Ceci n’est pas un théâtre?' Mit Fragezeichen!"
(Neue Zürcher Zeitung / eph)
Die Nachtkritik zur Volksbühnen-Eröffnung mit einem Beckett-Dreiteiler und Situationen von Tino Sehgal ist hier zu lesen.
Eine kommentierte Presseschau fasste im September 2017 den Stand der Debatte um die Volksbühne zusammen.
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Als Peymann damals angefangen hat, hat er bekanntlich nur den 'Ui' übernommen, Ostermeier an der Schaubühne genauso tabula rasa gemacht wie Langhoff und Hilje am Gorki. Und auch Castorf hat 92, wenn ich mich nicht schwer irre, bei Null angefangen (und selbst seine eigenen Alt-Arbeiten wie die 'Räuber' und das 'Trunkene Schiff' erst später als Wiederaufnahmen gezeigt). Und trotzdem hatten die alle nach ein paar Wochen, wenn nicht sogar nur Tagen einen echten Spielplan!
Alle von Ihnen genannten haben in mehr oder minder großem Umfang Inszenierungen ihrer alten Häuser mitgebracht und rauf und runter gespielt um damit ein Repertoire zu haben.
(Schaubühne die Baracken und SSHamburg Sachen, Peymann Burgtheater Stuff und Gorki Ballhaus und Erpulat Erzeugnisse von anderen Häusern). Also bei Null anfangen würde ich das nun wirklich nicht nennen.
Diese Aussage ist schlicht unwahr und zeigt wie wenig Kenntnis Herr Dercon von der (deutschen) Theatergeschichte hat.
In the history of German theater, the world, the universe...
Dercon the only genius since aristoteles, since Shakespeare or Goethe
Universalgenie
Castorf hat damals meines Wissens gar nichts mitgebracht, Langhoff auch nur ein bis zwei Produktionen aus dem Ballhaus. Einzig bei Ostermeier war es wohl mehr. Peymann hat wenig übernommen, aber, zugegeben, seine Assistenten alte eigene Arbeiten gleichsam als Repetitorium nachinszenieren lassen. Alle haben es aber geschafft, in einem Kraftakt innerhalb weniger Wochen eine zweistellige Zahl neuer Inszenierungen zu produzieren und damit, vor allem, einen Eindruck davon zu geben, wer man ist, was man vorhat, was von dem Ensemble zu erwarten ist. Kurz: Neugier auf mehr zu machen.
Naja! Machen Sie sich überhaupt keine Sorgen, nachdem sich Dercon vor kurzem bei einem Geschäftstreffen als "guter Führer" beschrieb, stehen die Postmigranten schon in den Startlöchern die/das Volk/sbühne zu übernehmen und irgendwer wird sie schon Ledern.
So unwissend darf man nicht sein. Das Interview ist auch unerträglich. Hoffentlich endet das bald.
ich kann es nicht gut verstehen, wie sie "unerträgliches" immer wieder freiwllig ertragen
wahrscheinlich ist es eine art (gesellschaftliche) gewöhnungsübung, die an immer mehr orten zu sehen ist, denn für mich ist die liste der "schweren erträglichkeiten" schon sooo lang und präsent und verödet mein lebensgefühl ... jedoch ohne hoffnung auf ein ende - eher mit der befürchtung der gewöhnung und notgedrungenen teilhabe daran ...
wie @martin baucks schrieb: dercon nennt sich selbst einen "guten führer", bezeichnet zusammengekaufte produktionen der letzten jahre als "premiere", spricht von einem "mäusezirkus", in dem er jetzt arbeitet, verkündet, dass "sozial-media" mit demokratie nichts zu tun hat ...
wollen sie, so wie dercon, dass der widerspruch und gegenwind dazu aufhört? ich möchte, dass die unerträglichkeiten aufhören - zumindest jedoch möchte ich sie als genau diese äußern und benennen ... und ja, das IST öde!!! ... wie die "mühen der ebenen" von denen brecht sprach - die luftigen "höhen eines führers vom mäusezirkus" sehen aus meiner perspektive sehr sehr lächerlich aus ...
Lieber Olaf, sie bringen meine Stimmung auf den Punkt. Es ist mittlerweile eine Agonie diesem großsprecherischen Dilletantismus zuzusehen. Meine letzte Hoffnung ist jetzt der Kennedy-Abend. Danach gehen wahrscheinlich die letzten Lichter aus und ich muß nun jahrelang einen Bogen um den Rosa-Luxemburg-Platz machen.
Welche (mittelbaren) Zuwendungen haben Sie bisher erhalten?
Mir persönlich genügt als Stellungnahme die Bestellung der Intendanz für die VB nach Ablauf der Vertragszeit von Chris Dercon. Demokratie geht nun einmal so. Und mir genügt als Stellungnahme eines Kultur- und Europa-Senators auch, wenn er am Abend nach so einem offenen Brief z.B. einfach in dieses Theater geht und sich dort zeigt oder angelegentlich über die Arbeit eines Mannes spricht, der in deutsch-türkischen Kulturbeziehungen scheinbar einiges Gute geleistet und bewirkt hat, wie er von Insidern des Kulturbetriebes erfahren hätte. Und zwar öffentlich spricht, BEVOR dieser verhaftet worden ist.
Er verstehe die Wut. Er werde sich an den Vertrag halten. Aber "nun muss es sich in der Praxis beweisen."
@17 https://www.freitag.de/autoren/jaugstein/ich-verstehe-die-wut
Aber in welcher Praxis? Wirtschaftlichkeit? Wahrnehmung durch Fachleute oder Presse? Und wenn sich Dercons Konzept nicht "beweist"? Gilt dann der Vertrag plötzlich nicht mehr? Oder nicht mehr für 5 Jahre? Kurz: Wenn Dercon nicht von sich aus verzichtet oder mit sich Reden läßt, wird wohl von Lederer aus eher nichts passieren.
Dies bedeutet (für mich und ich denke für viele andere auch): Es gibt bereits ein z.B.in Berlin bereits ein Haus (oder mehrere) mit Profil z.B. des HAU. Dercon hat nicht den Auftrag für eine zweite solche Institution mit Tanz/Gastspiel-Fokus erhalten, sondern für eine Ensemble/Repertoire-Bühne.
Zweiter Punkt: Momentan werden Teile des Budgets in Video-Produktionen für die Website gepumpt. Die Subventionen etc. sehen aber den Betrieb einer BÜHNE vor (mit Menschen, live, was auch immer auf ihr passiert.. Dies gewährleistet z.B. Spielgeld für Schauspieler an den (mehreren..) Aufführungen, Arbeit für Bühnentechniker und Personal - dies fordert eben ein... Repertoire!)
Das alles hat NICHTS mit Einmischung in freie Kunstausübung zu tun!
Hier geht es immerhin um ein Theater, das wirklich weltweit für seinen einzigartigen Charakter, sein Ensemble, Subversion und Haltung bekannt war. Leute, die kein Wort Deutsch sprechen, zogen sich 5 Stunden Castorf (und nicht nur) rein. Ich glaube, dass man hier doch von einem Glücksfall sprechen kann. Ich (persönlich) bezweifle auch, dass sich sonst irgendwo die Belegschaft eines Theaters (Technik, Admin, etc.) so sehr mit einem Haus identifiziert.
Jetzt muss doch eingeräumt werden können an diesem Punkt (siehe quasi ..alle Zeitungen), dass mit der vorgestellten Programmplanung und auch ersten Eindrücken viele Leute - sagen wir mal - besorgt sind, dass hier etwas wirklich etwas einzigartiges endgültig verloren geht, Das ist doch wirklich ein verdammt hoher Preis, für das was wir da gerade zu sehen (oder eben nicht zu sehen - kleiner Verweis auf Thema Schließtage) bekommen.
Ja, es kommen noch Premieren, aber die Richtung, in die sich das ganze entwickeln wird, ist doch jetzt kristallklar zu sehen.
Der Kern der Diskussion sollte sein: Warum konnte Dercon sein tolles Programm, also seine Idee von neuer Kulturinstitution mit Tanz, Film und Performance nicht an einem anderen Ort umsetzen? Warum gerade die Volksbühne?
Glücklicherweise gibt es Menschen, die eine Petition unterschrieben, ihre Meinung (ja, zum Teil auch berechtigte Wut) an dieser Entscheidung verbreiten.
Eine Gesellschaft, in der so eine Entscheidung ihre ersten effektiven Eindrücke "brav" angenommen werden ist doch hundert Mal schlimmer als Intervention des Staates in die Kunst!!
Der Vertrag wird nur einseitig vom Kultursenator eingehalten. Da liegt das Problem. - Der Direktor des "Mäusezirkus" verschwendet keine Sekunde an die Idee seinen Vertrag zu erfüllen.
Er ist der Trump der Theaterlandschaft und befeuert ständig seine eigene Krise, um überleben zu können. Ohne diese Krise findet er nicht statt.
wenn dercon und seine programmdirektorin dann fertig sind, wird es wichtig sein, ein umsetzbares, nachhaltiges konzept für die volksbühne bereit zu haben und sie dann v.a. nicht über verkaufte sitze und einladungen nach manchester u.a. festivals zu definieren.. dercon wird ja unter umständen unter dem wirtschaftlichen aspekt leider erfolg präsentieren/zusammenwürfeln..
ich glaube, Lederer macht das sowieso schon im Hintergrund. In der Zwischenzeit wäre es für Leute wie Pollesch, Kuttner, Paoli etc. ratsam, einerseits an die Zukunft zu denken (3-5 Jahre vergehen schneller als man glaubt..) und sich andererseits die Frage zu stellen, wie man jetzt schon ..einzelne.. gute Punkte der Volksbühne an andere Theater übertragen könnte (damit die nicht nur Castorf-Inszenierungen bestellen, sondern breiter denken sich mal intern zu analysieren). Angefangen von der Solidarität der Mitarbeiter.. viele Theater hätten so eine "Volksbühne-inspired" Kur bitter bitter nötig.
Klar, einfach nur meckern über status quo bringt jetzt nichts (is aber trotzdem wichtig)
Ob Dercon wirklich solange durchhält?! Ich habe meine Zweifel. Es sieht doch eher nach einer Implosion und einem schnellen Zusammenbruch aus. Aber so oder so, man muss nach vorne an die Zukunft denken, da haben sie vollkommen recht, und Dercon wird wohl nicht mehr lange Teil dieser Volksbühnenzukunft sein.
Festivaleinladungen sind super, so lange die Stücke auch regulär im eigenen Haus gespielt werden....
ein gefährlicher trend, wenn man ernsthafte und notwendige Diskussionen mit falschen Rückschlüssen und Pauschalisierungen vermischt
Allein Produktionsmittel werden im Ausland weitaus strikter national vergeben als das in Deutschland der Fall ist.
Was bedeutet eine Kulturpolitik unter einer rechtsnationalen Regierung (Flandern (!), Polen, Ungarn, Schweiz etc).
Wer bekommt aus welchen Gründen Einladungen, kann überhaupt eine Karriere aufbauen (bevor er/sie international agieren kann), wer kann auf eine instutionelle Stellung hoffen, wer wird überhaupt in den Zeitungen besprochen, und wer fehlt.
(Mir fallen auf Anhieb zig Beispiele von Menschen jeglicher Nationalität ein die in Deutschland prominente Anstellungen im Kultur-/ Theaterbetrieb bekommen haben. Da ist Luft nach oben drin, klar, aber erstmal ist das toll und mit Blick auf andere Länder beileibe nicht selbstverständlich.)
Wie stehen Sie zu Ausstellungen die mit "Kunst aus China" oder "Junge Kunst aus Mexico" etc. betitelt sind. Zu Marketingausdrücken wie YBA (Young British Artists) oder Neue Leipziger Schule.
Haben Sie Assoziationen bei dem Begriff "französische Philosophie", an wen denken Sie da, welches Jahrhundert; beziehen Sie alle frankophonen Philosophen ein; ist der Begriff an sich hinfällig, weil eine Le Pen in Frankreich spukt. Hat das eine etwas mit dem anderen zu tun.
Um die Einteilung in Nationalstaaten zu überwinden (gerne) muß man erstmal verstehen wo das im Kulturbetrieb, in jedem Land, eine Rolle spielt; und dass diese Einteilung nicht automatisch feindlich gesinnter Nationalismus ist.
Wenn alle Stricke reissen können Sie ja noch immer "Nazi" schreien. Dann tun Sie es aber bitte auch bei allen oben genannten Beispielen.
https://medium.com/@katikrause/an-interview-with-chris-dercon-the-controversial-new-director-of-the-berliner-volksb%C3%BChne-about-ecac451f05e3
Zitat des Tyler-Brule-Fans Dercon (von Juni 2017!): “Oh yes, private sponsors! High treason! Of course, Berlin! There were are again! We know better, we are the best. But it will change. As soon as we start, the lamentations will be gone. Maybe they still want to occupy the Volksbühne, I don’t know, because Berliners are well organised. Everybody is curious what we’re going to do. I’m curious if they’re going to occupy the Volksbühne.”
ich habe mich gerade durch das etwas diffuse interview gequält, das sie verlinkt haben ...
"I say, Watch out! I’m a Scientologist. So I got the main editor of a major newspaper saying, You’ve got to stop fucking over my journalists. Now they are researching it. I like to do these kinds of games. I have to take it with humour, right?"
"Boris Charmatz is saying that he’s a dancer but he’s creating human architecture in the first place."
“I mean, Berlin is now getting into the paper cup problem. If you look at the paper cup problem, it’s one big purgatory, hell."
so ein peinliches interview hab ich selten gelesen - ihn als intendanten der vb ernst zu nehmen gelingt mir einfach nicht - wie schaffen das nur andere?
Danke für den Link hier. Ich bin immer wieder erstaunt, wie entspannt Chris Dercon an seine Arbeit geht. Er ist Theaterleiter. Das Interview fand im Sommer statt. Man sollte doch meinen, dass die Menge der Arbeit und die Probleme, die damals absehbar waren und inzwischen für jeden evident sind, zu einer intensiven und extensiven Arbeitsbelastung führen müssten. Es ist ein neuer Beruf für ihn. Oliver Reese kennt diesen Beruf und gab vor seinem Dienstantritt im BE mehrfach zu, dass das eine aufregende Sache ist. Von Chris Dercon habe ich auch nach der blamablen Eröffnung kein Wort gehört oder gelesen, dass mir den Eindruck vermitteln würde, es hier mit einem authentischen Menschen zu tun zu haben. Es sind immer die anderen schuld. Er scheint niemals in Betriebstemperatur zu kommen. Er prahlt noch mit seinem relaxten Lebensstil, als ob er gerade in Rente gegangen wäre. Irgendwann erzählte er, er würde jetzt Arabisch lernen. Gern sitzt er auch in Wettbewerbsjurys. Gegen Hobbies ist ja nichts einzuwenden, aber wenn der Spielplan der Volksbühne so leer ist wie jetzt, und die Ergebnisse so mau, dann sollte sich der Kulturausschuss überlegen, ob er sich so auf die Rolle schieben lässt. Es ist schon alles gesagt worden und keine Besserung in Sicht.
https://www.ndr.de/kultur/Ein-Theaterabend-mit-Sophie-Rois,interviewrois100.html
"Sie sind seit 25 Jahren Ensemblemitglied an der Volksbühne. Die Ära Castorf ist vorbei, es gibt einen neuen Intendanten, Chris Dercon. Es gab viel Protest gegen diese Personalie. Sie waren auch unter denen, die gesagt haben: Ein Wechsel an der Spitze ist an sich nicht das Problem, aber die Art und Weise, wie es passiert ist. Was ist Ihre Kritik?
Rois: Ich finde einen Wechsel in der Leitung nach 25 Jahren absolut legitim. Es gibt keinen Grund, sich da an etwas festzukrallen. Der ganze Vorgang, die Art des Wechsels, war höchst unseriös. Der Staatssekretär Tim Renner war ein unseriöser Kulturpolitiker. Denn die Strukturen dieses Hauses, die sich über eine lange Zeit aufgebaut haben, werden nicht benötigt. Ich meine nicht das künstlerische Personal, um die muss man sich überhaupt keine Sorgen machen. Aber wir haben riesige Werkstätten, Schneidereien, die sehr gut funktionieren, die Leute sind hoch kompetent - und sie werden nicht gebraucht, weil so gut wie alles eingekauft wird. Wir haben Hochsaison, und es hat in diesem riesigen Haus in Berlin Mitte noch nichts stattgefunden.
Dass der neue Intendant diese Werkstätten nicht zu nutzen weiß und sie nicht braucht, das hätte man sich vorher überlegen müssen. Ich kann ihm nicht vorwerfen, dass der Mann anders arbeitet - das ist sein gutes Recht. Aber dazu hätte er nicht dieses Haus gebraucht, und darüber hätte man vorher sprechen müssen. Das sind hunderte von Mitarbeitern, die nichts zu tun haben. Wenn das lange genug andauert, entsteht ein Schaden, der sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Die ganze Diskussion ist immer falsch geführt worden. Ob man Herrn Castorf gut findet oder ob Herr Dercon eine Chance kriegen soll - das ging vollkommen an der eigentlichen Probelmatik vorbei."
"Ob man Herrn Castorf gut findet oder ob Herr Dercon eine Chance kriegen soll - das ging vollkommen an der eigentlichen Probelmatik vorbei."
nach dem "offiziellen" stand der dinge hat ja dercon vor allem einen VERTRAG bekommen (in der politik heißt dies wohl "auftrag" (der wähler) und bedeutet in der praxis, dass völlig sachfremde menschen ein sachgebiet verantworten sollen, in dem die sache selbst einer politischen machtagenda folgt).
Martin Wuttke: "Mein ganzes Bühnenleben lang sind alle Sachen eigentlich durch Begegnungen zwischen Künstlern zustande gekommen. Es war selten nötig, dass ein Kulturmanager mich mit einem anderen Künstler zusammenbringen musste.Ich habe neulich im Vorfeld eine „Durch die Nacht“-Sendung mit Chris Dercon und Matthias Lilienthal gesehen. Da wird einem eigentlich ganz klar, wer da an welcher Strippe zieht und welche Interessen hinter dieser Personalie stecken."
" Was Renner zur Rechtfertigung von Dercon sagt, klingt ja in der Tat wie ein Echo des ehemaligen Volksbühnen-Chefdramaturgen Matthias Lilienthal, der jetzt Intendant der Münchner Kammerspiele wird."
https://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article140418261/Ich-war-nicht-tot-Und-weit-davon-entfernt.html
"Die Berufung eines metierfremden Kurators an das Theater, das über eines der legendärsten Ensembles der Welt verfügt, hat symbolische Bedeutung.
Dercons Stolz darauf, mit seinem provokativen Kunstangebot bei den Reichen so beliebt zu sein, ist nicht zu übersehen. Verwunderlich ist dieser Erfolg nicht. Für Radical Chic zahlt der Kunstmarkt gerne hohe Preise.
Interessanter ist Dercons missglückter Versuch, das Geheimnis neoliberaler Kunst zu verbergen. Die linke, radikale Pose funktioniert lediglich als Aufmerksamkeitsverstärker. Kein Wunder, dass die hundertjährige Geschichte der proletarischen Volksbühne der Traum dieses postmodernen Kurators ist. Ein Lippenbekenntnis bleibt jedes Herunterbeten ihrer Geschichte, wenn zugleich die Zerschlagung ihrer Strukturen als notwendige Innovation gefeiert wird.
Wessen Beruf darin besteht, die unterschiedlichsten Energien und Phantasien geschmeidig zu vernetzen, der agiert als reaktionsschnelle Servicekraft des Betriebs in der Aufmerksamkeitsökonomie des Marktes.
Dass die regierenden Herren Müller und Renner Neulinge im Theatergetriebe sind, ist offensichtlich. Dass sie dann aber eine so weitreichende Entscheidung ohne öffentliche Diskussion allein mit ihrer Amtsmacht durchsetzen, ist bitter. Dass sie den Vorschlag, wenigstens eine Expertenkommission zu befragen, mit der Behauptung zurückweisen, eine solche habe man nur nötig, wenn man selbst keine Ideen hat, ist arrogant.
Eine Idee hatten die beiden, aber sie wissen nicht, was sie bedeutet. Sie und ihr Kurator folgen wie einem pawlowschen Reflex dem Motto der Postmoderne: Wir haben nichts zu sagen, aber das sieht sehr schön aus."
https://www.tip-berlin.de/wird-die-volksbuhne-ein-neoliberales-theater/
ps. ob sie nicht wissen, was ihre "idee" bedeutet, oder ob es ganz genau ihre politische "idee" war, die castorfschen ensemble-ideen als "erneuerungswürdig" zu diffamieren und einer "kulturellen treuhand-verwaltung" in ihren sinne anzuvertrauen, dass wissen sie nur selbst. ihr aus meiner sicht verantwortungslose umgang - ihre taten - sind jedenfalls für mich eine klare antwort darauf und bis jetzt durch NICHTS widerlegt.
ist dies ein fall für investigative kulturjournalisten um die interessen der KUNST zu vertreten?
(...)
Und wo bleiben die investigativen Journalisten, wenn es darum ginge, z.B. einmal die möglicherweise sehr fragwürdige Geschichte mit dem im Mai 2017 dann doch noch bewilligten Lotto-Antrag vom Herbst 2016 zu untersuchen? 500.000 ist doch eine nicht unerhebliche Summe.
Das stimmt leider. Es befeuert aber auch Dercon kräftig diese Art der Diskussion. Er benennt Einwände gegen ihn, die er als lächerlich zurückweisen kann. Viele Journalisten scheinen das nicht zu durchschauen. Die Gefahren für die Strukturen der Volksbühne, dadurch, dass Dercon die Abteilungen der Gewerke zwar öffentlich lobpreist, aber nicht willens und in der Lage ist, sie für die Produktion von künstlerischen Werten angemessen einzusetzen, werden dann nicht wahrgenommen. Aber für die Produktion von Theaterkunst sind sie entwickelt worden und werden sie bezahlt. Noch. Und hier ist der Punkt, wo die Freiheit der Kunst bedroht ist. Nicht durch Zensur, sondern durch Vernachlässigung. Diese Strukturen sind gemacht worden, um kraftvolles, aktuelles Theater zu machen. Jeden Tag! Der Kulturausschuss wäre in der Lage zu intervenieren. Ich bitte die nachtkritik-Redaktion, diesen Appell nicht wieder zu streichen. Die Mitglieder des Kulturausschusses müssen handeln. Es muss nur eine/r anfangen.
das alles lenkt vom eigentlichen problem ab.
Hier nun ein weiteres Interview mit Dercon
https://www.ndr.de/ndrkultur/sendungen/klassik_a_la_carte/Chris-Dercon-uebernimmt-Leitung-der-Volksbuehne,sendung716150.html
"Was er tatsächlich vor hat während seiner Intendanz und wie er der massiven Kritik begegnet, darüber spricht Chris Dercon bei "Klassik à la carte" mit Katja Weise."
Es ist einfach nicht zu leugnen- die meisten Menschen wollen Namen um sich haben, sich damit schmücken - das Ergebnis sehen wir jetzt bei den vielen Diskussionen / Anfeindungen und wahrlich entstandenen Problemen...!
Es kann doch nicht sein, dass ein Haus mit einem laufenden Spielbetrieb leer steht und eine Art Festivalbetrieb daraus gemacht wird / werden soll...
Wo ist derjenige, der endlich mal die Reißleine zieht?!
(Werter Kommentator,
für uns unüberprüfbare oder nur sehr aufwendig recherchierbare Tatsachenbehauptungen können wir hier im Kommentarbereich nicht veröffentlichen.
Mit besten Grüßen, Anne Peter / Redaktion)