Der Substanzwechsel unserer Theatersysteme

von Thomas Oberender

Berlin, 23. November 2017.

I. Das dichotomische Schema von exklusiven und kooperativen Produzenten

Freies Theater ist eine Spielart des Ensemble-Theaters, das aus verschiedenen Gründen andere Arbeitsbedingungen sucht und oft auch andere Werkformen schafft, als sie in den aufs Repertoire hin arbeitenden Strukturen möglich sind. Das macht die Hochleistungsbetriebe der Repertoire-Theater nicht per se altmodisch, langweilig oder überflüssig, sie sind ein kostbares Weltkulturerbe, das für viele Künstler*innen beispielhaft gute und komplexe Arbeitsbedingungen bereithält, aber genauso, wie dieses System seine Vorzüge hat, trifft es auch auf große Herausforderungen, auf die andere Akteure und Strukturen zum Teil besser reagieren können.

Ich möchte nachfolgend ein grobes Schema entwerfen, um die zwei dominierenden Produktionskulturen der darstellenden Künste in Deutschland im idealtypischen Kontrast zu kennzeichnen. In diesem Schema stehen die traditionellen Stadt-, Staats- und Landestheater auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Strukturen des Freien Theaters, die freie Kompanien, Produktionshäuser und Festivals umfassen, verbunden mit der sich stetig vergrößernden Metastruktur der Stiftungen und Fonds, Produktionsbüros und Agenturen. Vernachlässigt werden die Strukturen des Privatbesitzes und des Neuen Zirkus bzw. Varieté.

Die "stehenden" Häuser des traditionellen Stadttheaters produzieren exklusiv für ein Publikum vor Ort. Meist sind es mittelständische Betriebe, die mit einem festen Ensemble an rund 270 Abenden Aufführungen zeigen. Wer hier arbeitet, muss die Spielregeln, Schichten und Verwaltungsvorschriften des Repertoirebetriebs beachten. Wer hier arbeitet, malert nicht so gern selbst und beschäftigt sich auch weniger mit Antragstellungen und Abrechnungen. Es gibt einen für diese Häuser markanten Künstlertypus, der nur produktiv wird, wenn er von diesen organisatorischen Aufgaben befreit ist; und es gibt einen anderen Typus, der sich vor der Betriebsmonotonie routiniert arbeitender Einrichtungen fürchtet. Im Gegensatz zu diesen Großbetrieben stehen die Kleinstbetriebe der Freien Szene. Man könnte sagen, dass hier Künstler nicht nur der künstlerische Motor, sondern auch in hohem Maß die Gestalter des produzierenden Systems selbst sein können und sein müssen. Die Priorität liegt hier auf Seiten der Kunst, das System folgt ihr, eine Haltung, die langsam auch wieder in den modernen Stadttheatern Raum greift.

Romeoundjulia 560 ThomasAurin uStadttheater interpretieren das künstlerische Erbe: Hier Shakespeares "Romeo und Julia" in der Bochumer Inszenierung von Marius von Mayenburg 2017 © Thomas Aurin

Exklusiv produzierende Betriebe sind traditionelle Institutionen. Kooperativ produzierende Kompanien sind Projekte unserer Zeit. Die traditionellen Institutionen sind als Interpretenbetriebe gegründet worden, als Orte, die immer wieder die überlieferte und zeitgenössische Literatur neu betrachten, deuten und verlebendigen. Kooperative Strukturen sind oft weniger auf die Interpretation von bestehender Literatur hin orientiert als auf die Erarbeitung originaler szenischer Werke, die tendenziell auf der Suche nach einer neuen Sprache, nach anderen Werkformen sind. Diese Kultur der Kreation erzeugt vor allem Singularitäten, Stücke, die nicht unbedingt nachspielbar sind. Es ist eine Kultur der Darbietung, bei der die Urheber*innen der Werke sehr oft auch ihre Darsteller*innen sind.

Dieses 'Erbe der Interpretation', wie man es in Umkehrung zur Tatsache der 'Interpretation des Erbes' nennen könnte, bringt an den festen Häusern mit sich, dass jenes hier beheimatete Spektrum der Interpret*innen in der Regel stärker durch traditionellere Konzepte von Kultur, Heimat, Nation auf Seiten der dramatischen Literatur geprägt wird – anders übrigens als in der Musik, wo international durchmischte Orchester die Regel sind.

Im Freien Theater gibt es eine stärkere Präsenz anderer Akteur*innen. Da es heute nicht mehr nur darum geht, was auf unseren Bühnen repräsentiert wird, sondern auch, wer etwas repräsentiert, ist das Freie Theater oft dichter dran an der gesellschaftlich gelebten Realität einer multikulturellen und multiethnischen Stadtbevölkerung, obgleich auch jedes unserer exklusiv produzierenden Häuser jederzeit in der Lage wäre, die Zusammenstellung seines Ensembles entsprechend anderer Hintergründe und Eigenschaften zu verändern.

Exklusiv produzierende Betriebe erzeugen Aufführungen und um sie herum eine beeindruckende Korona sie begleitender und kontrastierender Veranstaltungen – z.B. Vermittlungsprogramme, Kooperationen mit anderen Institutionen wie Universitäten oder Festivals und Medienpartnern. Sie organisieren Programm, Diskurs, Party und Kommunikation aus einer Hand. Das ist für Freie Produzenten sehr viel schwieriger zu leisten.

Exklusiv produzierende Häuser können und müssen bislang ein Repertoire aufbauen, was für freie Produzenten wegen der Lagerflächen und diversen Teams sehr schwierig ist; genauso können exklusive Produzenten leichter ein eigenes Publikum aufbauen, das sich mit ihnen gemeinsam entwickelt und verbindet, etwas, das bei Tourproduktionen sehr viel mehr Zeit braucht. In Belgien und den Niederlande, wo autonome Gruppen viel intensiver reisen müssen, weil sie kein eigenes Theater haben, entsteht ein Stammpublikum erst durch die regelmäßige Präsenz über Jahre hinweg – TG Stan zum Beispiel hat Fans in Leuven, Antwerpen, Gent, Amsterdam, Paris oder Lissabon, weil diese Kompanie dort jede Spielzeit von den gleichen Veranstaltern eingeladen wird. Die kommerziellen Tourneetheater in Deutschland, die keine langfristig arbeitenden Kompanien bilden, arbeiten daher in der Regel gerne mit Fernsehstars in zentralen Rollen, um so das Publikum zu binden.

Testament 560 Doro Tuch xDie Freie Szene interpretiert das Erbe der Interpretation: Hier She She Pop mit ihrem "King Lear"-Kommentar nach Shakespeare, "Testament" 2010 am HAU Berlin © Doro Tuch

Neben den 143 öffentlich geförderten Theaterunternehmen der exklusiven Produzenten und den Mikrostrukturen der Freien Produzenten entstand in den letzten Jahrzehnten eine landesweite Struktur von Institutionen neuen Typs, darunter das Berliner HAU, der Mousonturm in Frankfurt, die Berliner Sophiensäle, Kampnagel Hamburg oder das FFT Düsseldorf, die alle ebenfalls kontinuierlich einen Spielplan anbieten. Diese programmbildende Struktur kommt ohne stehende Ensembles aus. Neben den Produktionshäusern ist sie in vielen inzwischen zu Institutionen gewordenen Festivals verankert. Sie basiert überwiegend auf der Arbeit der Freien Szene, also vor allem der Arbeit von Kompanien und Freien Künstlern, gelegentlich aber auch auf Stücken aus dem Repertoire der fixen Strukturen.

Deshalb muss man im Vergleich beider Sphären auf die gravierenden Unterschiede im Bereich der Ressourcen, der Sozialleistungen und Bezahlung hinweisen – hier besteht nach wie vor die Tendenz, dass das Risiko im Bereich der freien Produzenten ganz auf Seiten der kleinunternehmerischen Künstler*innen und ihrer Kompagnons verlagert wird, etwas, das an den festen Häusern nur die Autor*innen betrifft, denn hier ist es nur ihr Einkommen, das von den Einnahmen direkt abhängt.

Hier das dichotomische Schema von traditioneller Struktur vs. Freier Szene in einer vorläufigen Übersicht:

Produktion:
exklusiv – kooperativ
Förderung:
Haus – Produzent
Distribution:
Haus am Heimatort – Tour über Festivals und Institutionen neuen Typs
Künstler*innen:
Angestellte – Unternehmer*innen
Ensemble:
Hausensemble – Projektensemble
Institution:
Kunst folgt Struktur – Struktur folgt Kunst
Werkform:
Interpretation – Kreation
Darsteller*innen:
Interpret*innen – Urheber*innen
Budget:
mehrjährig fix geförderte Institution – temporär gefördertes Werk
Evaluierung:
periodisch - ständig
Werdegang:
"Hocharbeiten" - Selbstermächtigung
Spielbetrieb:
Repertoire – En Suite
Vermittlungsprogramme und Diskurs:
selbst gestaltet – von Veranstalter*innen organisiert

 

 

II. Vorzeichen der Hybridisierung

So hilfreich dieses dichotomische Schema ist, die Wirklichkeit hält sich längst nicht mehr daran – die Sphären diffundieren und das liegt, wenn man demografische oder kulturpolitische Gründe ausblendet, aus meiner Sicht an folgenden Entwicklungen:

Interweaving zeigt sich darin, dass sich im letzten Jahrzehnt ein (System-)Wandel von einem hermetischen, starren Theatersystem hin zu einem konnektiven, fluiden System vollzogen hat, der von der Freien Szene und Festivals vorangetrieben auch die Stadttheater ergriffen hat, denn auch diese exklusiven Produzenten verstehen sich zunehmend als Orte eines ganzheitlichen, polyperspektivischen Aufarbeitens von gesellschaftlichen Themen. Das Prinzip des "Interweaving" rückt die Vernetzung und Verflechtung unterschiedlicher Kulturen, ihrer spezifischen Identitäten und sozialen Situation in den Vordergrund, was die Institutionen stärker öffnet und hybridisiert. Damit verbunden sind Auseinandersetzungen mit Themen wie Gender, Diversity und Postkolonialismus, die nicht mehr der interessante Nebenaspekt künstlerischer Arbeit sind, sondern geradezu unerlässlich eine Bekenntnissituation zu Wertefragen erzeugen. Der Kanon ist heute nicht mehr eine dynamische Shortlist von Werken, sondern von ständig evaluierten Werten. Ihre Verhandlung prägt die Spielpläne und Spielformen mehr als die Tradition des gelernten Handwerks und der adorierten Meistertexte.

mittelreich2017 3 560 c judith buss uReflexion auf die Diversität der Gesellschaft: Anta Helena Reckes 2017er Rekonstruktion der Münchner "Mittelreich"-Inszenierung von 2015, mit rein schwarzer Besetzung © Judith Buss

Der letzte Bundestagswahlkampf zeigte, dass die entscheidenden Debatten nicht um Fragen der Verteilungs- oder Chancengerechtigkeit geführt wurden, so sehr dies auch angezeigt wäre, sondern um Fragen wie Identität und Heimat – letztlich also um Fragen der Kultur. Und so ist es nun die Kunst, die – die Tendenz des Interweaving verdeutlicht dies – zur zentralen "Arena einer Wertegemeinschaft" (Hanno Rauterberg, "Was treibt die Gesellschaft auseinander? Woher rührt der Erfolg der Populisten?", Zeit Nr.43/2017, S.57), eines "Neuen Mittelstandes" wird. Die wütende Debatte um die neue Hängung der DDR-Kunst im Dresdner Albertinum zeigt, wie überpräsent heute identitäre Reflexe werden, die gar nicht mehr über ästhetische Fragen in Streit geraten, sondern von Formfragen unberührt sofort über die Kunst als Träger von Werten debattieren. Nie war Kunst politischer seit 1989 als jetzt.

Internationalisierung wurde zum Normalzustand im Sinne eines nicht mehr einseitig begriffenen Kulturtransfers, sondern als kollaborative Arbeitspraxis. "The West and the rest" war die Grundhaltung eines Kulturbetriebs, der die westliche Kultur für "universell" hielt und die nicht-westliche in irgendeiner Weise für spezifisch oder besonders. Aus dieser Haltung heraus konnte man es trotzdem mit allem sehr gut meinen, aber hat doch Rassismus reproduziert. Das ändert sich langsam. Was Deutschland ist, wird zunehmend weniger identitär begründet, durch den Verweis auf eine blonde, weiße und christliche Tradition, sondern reflektiert sich als im Wandel begriffen und zentriert sich durch öffentlich verhandelte Werte wie unsere Erinnerungskultur, eine Geschichte der Solidarität und Diversität der Regionen. Zu der Veränderung der deutschen Theaterlandschaft zählt, dass es keinen selbstverständlichen Bezugsrahmen "Deutschland" oder "Deutsche Erfahrung" mehr gibt. Die "kooperative Sphäre" der Netzwerkproduzenten beruht längst sehr stark auf staatenübergreifenden Kooperationen und der Denk- und Fühlweise von Digital Nativs.

Die Institutionen neuen Typs, die diese Transformation in den letzten Jahren vorangetrieben haben, werden sich in Zukunft nicht nur immer weniger als bloßes Theater, sondern auch im weniger als "deutsches" Theater verstehen. Das Produzieren in transnationalen Netzwerken ist heute in Deutschland keine Seltenheit mehr und selbst exklusive Produktionen, die nicht auf Tour gehen, haben Produktionsprozesse, die oft kaum mehr 6 Wochen an einem Ort proben, manchmal nicht mal mehr in einem Land. Entsprechend sind nun in den folgenden Jahren die Produktionsbedingungen anzupassen. Es fehlt eine gute Infrastruktur für internationales Produzieren, selbst die EU- Töpfe sind zu behäbig, auf Output angelegt und oft mit zu viel bürokratischem Aufwand verbunden.

Get Deutsch2 560 Ute Langkafel Maifoto uNeue deutsche Wirklichkeit: Necati Öziris "get deutsch or die tryin'" am Maxim Gorki Theater Berlin 2017 © Ute Langkafel / Maifoto

Und wesentlich ist zugleich natürlich auch der Substanzwechsel, der sich innerhalb dieser fluider werdenden Institutionen und Produktionszellen vollzieht. Mit dem Wegfall des gemeinsamen Bezugsraums Stadt / Staat fällt nicht zuletzt auch die gemeinsame "Sprache" als Rezeptionsraum weg – die Sprache stammt aus einem neuen, oft globalen kulturellen Schatz, wie ihn soziale Netzwerke, Spiele, corporealities, gescriptete Sprachen und Räume im analogen und virtuellen Raum hervorbringen. Das führt zu einer Veränderung der Gewichtung vom Text als Sprache in der Kunst. Autorenschaft bedeutet heute etwas Anderes. Das Verständnis von Repertoire hat sich längst verändert: Ein Repertoire ist heute das Angebot an Geschichten, Themen und ästhetische Formen, die uns auf einer Bühne angeboten werden. Es besteht nicht mehr hauptsächlich aus den Neuinterpretationen von Klassikern und Uraufführungen, sondern umfasst viele andere Formen von Theater, die oft hybride sind und unter dem Einfluss von anderen Kunstformen entstehen: Tanz, digitaler Kunst, immersiven Formaten oder Zirkus. Dieser Substanzwechsel prägt die Freie Szene genauso wie inzwischen auch das Stadttheater.

 

III. Zehn Vorschläge für die Förderung der darstellenden Künste durch den Bund

Meinen Anregungen für eine kulturpolitische Initiative des Bundes im Bereich der Performing Arts möchte ich folgende Prämisse voranstellen: Es geht, wenn man über künstlerische Arbeiten aus der eher kooperativ produzierenden Sphäre unserer Theaterlandschaft spricht, um Phänomene unserer aktuellen Hochkultur, nicht um interessante Phänomene der "Alternativkultur", sondern um die Werke von Künstlern, die heute im Ausland oft an erster Stelle stehen, wenn man über die zeitgenössische Theaterkunst aus Deutschland spricht. Rimini Protokoll ist heute in Brasilien bekannter als Michael Thalheimer und produziert inzwischen gelegentlich auch teurer. Wir sprechen außerdem zu viel von Kulturförderung und dabei erscheint nur selten das Wort Kunst. Angesichts der immer größeren und systemerhaltenden Rolle der Projektförderung wird über künstlerische Projekte zunehmend von Jurys und Gremien entschieden, doch sind bislang nur sehr selten Künstler*innen in diesen Jurys und Gremien vertreten.

Hinzu kommt, dass wir, die hier im Saal über die Zukunft dieser hybriden Systeme der zeitgenössischen Theaterkunst nachdenken, fast alle "Analog Nativs" sind und einen Kulturwandel erleben, der neue Werk- und Erzählformen mit sich bringt, die sich allesamt eher mit originalen Werken verbinden, Werken, die nicht mehr auf einen vorher festliegenden Text verweisen, sondern auf ein Patchwork von Quellen, die oft erst bei den Proben eine Form finden. Dazu zählt das Entstehen neuer Plattformen wie nachtkritik.de oder Werkformen, die wie Plattformen funktionieren, deren Angebote also nicht mehr nur auf Konsum ausgerichtet sind, sondern auf Prosumenten im Sinne von Alvin Tofler, die mitproduzieren, was sie zugleich konsumieren – jede Arbeit von Tino Sehgal funktioniert so, auch jedes Stück von SIGNA oder machina eX. Michael Schindhelm nannte diese sich um die Erfahrungswelten von Games und sozialen Netzwerken erweiternde Sphäre dieses neuen kulturellen Schatzes "Kulturplasma" und dieses muss heute mit den bestehenden "Kulturlandschaften" der traditionellen Institutionen zusammengedacht werden, wenn man sie entwickeln möchte. Hier also zehn Vorschläge, was da interessant sein könnte:

1) Künstler statt Häuser fördern: Künstler, die Geld mitbringen, sind selbstbewusstere Künstler und in der Lage, viele der für sie notwendigen Bedingungen auch selber durchzusetzen. Künstlerförderung sollte verschiedene Ebenen haben und ein größeres Segment der langfristigen Förderung widmen. Die Kompanie ist das Projekt, nicht das Werk. Einer solchen Künstlerförderung entspräche das Modell des Vertrauensgeldes – vergleichbare Förderstrukturen kennt man aus skandinavischen Ländern und aus Belgien, wo nicht die Entstehung eines Werkes gefördert wird, sondern die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit einer produktiven Konstellation von Künstlern.

2.) Denkzeit-Kurse: Was im Bereich der darstellenden Künste fehlt, sind kontinuierlich stattfindende Labs, etwas wie die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik – mit Lectures, Panels, Think Tanks und selbstorganisierten Open Space-Projekten. Ein anderes Beispiel wären die Experiments in Art and Technology (E.A.T.), eine non-profit Organisation, die 1967 gegründet wurde, um die Verbindungen zwischen Künstlern und Ingenieuren zu fördern. Ihr voraus ging die Zusammenarbeit der Künstler Robert Rauschenberg und Robert Whitman mit den Ingenieuren Billy Klüver und Fred Waldhauer, die gemeinsam die legendären 9 Evenings: Theatre and Engineering veranstaltet hatten – eine Serie von Performances und Wissenschaftlerpräsentationen, die aus der Kollaboration von 10 New Yorker Künstlern und 30 Wissenschaftlern im Bereich neuer Technologien der Bell Telephone Laboratories entstanden. Warum nicht eine Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut und den Live-Art-Künsten fördern, die ein eigenes Schaufenster auf der Documenta bekommt?

3.) Förderung der Kulturmanager: Wer trainiert eigentlich die Trainer? Weiterbildungsangebote für Kulturpolitiker durch den Bund könnten ein wichtiger Agent des Wandels sein – so die Einladung von lokalen, regionalen Kulturpolitikern zu einem von einer Jury kuratierten Programm, das anlässlich progressiver Formate ausgewählter Festivals und Häuser zur moderierten Diskussion mit den Machern einlädt. Partner könnten die KSB, das HKW oder ZKM sein. Es gab immer wieder Wellen großer Erneuerungen, etwa in Deutschland in den 70er Jahren um die Kompanien von Pina Bausch oder Peter Stein, in den 80ern um Nele Hertling und Ivan Nagel, Orte wie das TAT, Kampnagel und FFT in den 90ern oder die großen Festivalgründungen wie die Ruhrtriennale in den Nullerjahren. Aber es gehörten immer auch jene Kulturpolitiker dazu, die den Managern und Künstlern halfen, diese neuen Strukturen zu etablieren, bzw. die solche Strukturen vorausgeahnt und ihnen den Weg gebahnt haben.

4) Konversions-Studie: Viele Häuser, die heute als Repertoire-Betriebe funktionieren, werden sich über kurz oder lang nach neuen Freiräumen sehnen, die nur entstehen, wenn sie dieses Repertoire-System modifizieren. Eine Alternative ist z.B. die Mischung aus einem en suite-Betrieb mit kleinerem Ensemble und vielfarbigem Programmsegment als einladende Bühne. Welche Verschiebungen innerhalb betrieblicher Strukturen hat das zur Folge? Der Bund könnte diesen Wandel progressiv gestalten, indem er für diese neu entstehenden Strukturen ein Konzept für die Förderung des bundesländerübergreifenden Tourens von Produktionen entwickelt, das in kleiner Form im Modell der Landestheater vorgeformt ist.

5) Pilotinstitutionen: Wenn Institutionen progressive Modelle entwickeln, sollte der Bund diese als Pilotbetriebe unterstützen und sich so ein Cluster zukunftsweisender Häuser oder Kompanien quer über das Bundesgebiet schaffen. Damit wird nicht eine bestimmte Ästhetik belohnt, sondern die exzeptionelle Arbeit im Bereich von Konzept und innovativer Durchführung. Landesweit sind Betriebe mit solch einer außerordentlichen Expertise bereits vorhanden – man kann sie für Förderung von Kulturpolitikerinnen und Einrichtung von Denkräumen nutzen. Es gibt das ZKM, das Schauspiel Dortmund, PACT-Zollverein, Milo Raus International Institut of Political Murder (IIPM), die Bürgerbühne Dresden, Münchner Kammerspiele oder das Theater an der Parkaue, die neue Formate, Kooperationsformen und Residenzen fördern, und davon könnte es weit mehr geben. Modellinstitutionen erkennt man daran, dass sie vor allem das stattfinden lassen, was ins bestehende Aufführungssystem zwischen Repertoire-Theater und Festivalbetrieb nicht hineinpasst. Es gibt solche inspirierenden Institute neuen Typs auch im Ausland: NO99 in Tallinn, Vooruit und Campo in Gent, das Theátre des Amandiers in Nanterre von Philippe Quesne oder das Theater Rotterdam.

6) Big Scale Project: Freie Szene produziert fast immer in kleinen Formen. Eine lohnende Aufgabe, gerade angesichts unserer Tradition großer Häuser, könnte in einem bundesweiten Fond zur Förderung großformatiger Stücke oder Formate fürs große Haus sein. Hier könnte zum Beispiel auch der oft international vernetzte Neue Zirkus wichtige Impulse in der Zusammenarbeit mit lokalen Infrastrukturen setzen. In Ländern mit einer dominanten Koproduktionsszene sieht man oft, dass junge Theatermacherinnen und Kompanien nicht für die große Bühne arbeiten wollen oder es gar nicht (mehr) können. Diese Entwicklung gilt es in Deutschland zu vermeiden. Das Handwerk, mit großen Räumen umzugehen, ist kompliziert und braucht auch außerhalb der großen Theaterinstitutionen die Möglichkeit, sich dieses Metier anzueignen und sich in ihm zu entwickeln. Es ist wichtig, Formate zu unterstützen, die für nur einen Zuschauer gleichzeitig gedacht sind, oder für kleine Gruppen von fünf oder fünfzehn Menschen, aber genauso wichtig ist es, in die Entwicklung von neuartigen Produktionen für tausend Zuschauer zu investieren.

7) Upgrade: Digitale Technologien verändern nicht nur die Erzählweisen der Postinternet-Generation, sondern auch die Mittel und Techniken des Erzählens. Wer schult Video- und Tontechniker*innen von Stadt- und Staatstheatern genauso wie aus der Freien Szene hinsichtlich der sich rasant entwickelnden neuen Geräte und Software und fördert den Austausch von lokal vorhandenem Knowhow? Eine solche Akademie hat Kay Voges vor einiger Zeit angeregt und dieser Digital Turn des Theaters ist nicht nur die Sache eines Bundeslandes.

8) Netzwerkförderung: Wie man Institutionen fördern kann, wissen wir halbwegs. Aber wie kann man Netzwerke fördern? Netzwerke beruhen auf Austausch. Wenn die Künstlerförderung auf absehbare Zeit eine Sache der einzelnen Bundesländer bleibt, könnte der Bund Kooperationen zwischen den Bundesländern fördern: Die jüngst auf den Weg gebrachte Koalition der Produktionshäuser verbindet sechs Spielstätten ist ein zukunftweisendes und notwendiges Projekt. Die KSB hat mit ihren Pilotprogrammen "Tanzplan", "Heimspiel" und "Doppelpass" Akzente gesetzt, die nun von der Projektphase in eine kontinuierliche Netzwerkförderung überführt werden sollten. Dafür scheint mir ein Reisefond sinnvoll, der abgerufen werden kann, wenn eine Produktion z.B. an drei innerdeutschen und einem internationalen Ort zu sehen ist – vergleichbar der Unterstützung, die das Goethe Institut Produktionen gewährt, die ins Ausland eingeladen werden. Netzwerkförderung könnte auch heißen, einfach das Vorhandensein von Räumen zu fördern, die bewusst "offen" gehalten werden – das meint die oben genannten Denkräume, aber Probenräume für Labs, die nicht sofort zu Ergebnissen führen müssen – z.B. als Residenzräume an den erwähnten Pilotinstitutionen oder an den Institutionen neuen Typs. Zur Netzwerkförderung würde ich zudem auch eine Plattform wie das Impulse-Festival zählen, das speziell koproduzierte Arbeiten sichtbar macht, zu denen zukünftig vielleicht auch Koproduktionen mit Stadttheatern und Arbeiten des Neuen Zirkus zählen werden.

9) (St)Art Up: Frei produzierende Künstler*innen sind Kleinunternehmer*innen. Projektgelder decken die Bürokosten ab, die Produktionskosten und, in wenigen Fällen, auch eine selbst organisierte Altersvorsorge. Gibt es im Bereich der Wirtschaftsförderung von Start Ups nicht unterstützende Modelle und gesetzliche Regelungen, die auch für die Förderung freier Kunstproduzenten hilfreich wären? Die o.g. Netzwerkförderung sollte eine solche Unterstützung von Kleinunternehmen, die in der föderalen Struktur überregional wirken, unbedingt mit beinhalten. In Belgien gibt es z.B. ein sogenanntes "Künstlerstatut", das professionell arbeitenden Künstlern, die nicht von den Projektgeldern leben können, die Möglichkeit bietet, sich um ein steuerrechtliches Statut zu bewerben, das ihnen ein Monatsgehalt sichert.

10.) Next Generation: Im Bereich des künstlerischen Nachwuchses besteht ein krasses Missverhältnis zwischen den Etats, die erfreulicher Weise für kulturelle Bildung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Verfügung gestellt werden und den Etats von Nachwuchsfestivals wie Freischwimmer, Junge Hunde oder dem Theatertreffen der Jugend. Zudem fehlt ein HAU für den Bereich des Kinder- und Jugendtheaters – laut ASSITEJ gibt es in Deutschland 80 professionelle Akteure im Kinder- und Jugendtheater, die kein eigenes Haus haben.

Ich hoffe, dass diese zehn Vorschläge der anstehenden Debatte zur Stärkung der kooperativen Produzenten und Institutionen in der Bundesrepublik einen Impuls geben können und sie sind natürlich unvollständig und unfertig. Aber ich habe mich doch bemüht, für die sich abzeichnenden Wandlungsprozesse innerhalb unserer sehr hoch entwickelten Theaterkultur ein paar neue Begriffsfelder zu schaffen und die klassischen Denkschemata von "frei" und "institutionell" zu lockern. Mir ist bewusst, dass die Landeshoheit der Kulturförderung in der Bundesrepublik ein hohes Gut ist und dennoch glaube ich, dass die Schaffung eines Staatsministeriums für Kultur und Medien im Kanzleramt auch der Tatsache Rechnung trägt, dass es überregionale Entwicklungspotenziale gibt, die lokal sehr positive Effekte zeigen können. Daher achte ich die föderalen Rahmenbedingungen, aber bin zugleich überzeugt, dass eine nationale Kulturpolitik als strategische Weichenstellung ihnen nicht zuwider läuft, sondern ähnlich wie das Kulturgutschutzgesetz, das ein historisches Erbe sichert, durch die oben skizzierten Punkten in der Lage ist, ein solches Erbe als das Entstehen von Neuem zu fördern.

 

Der Vortrag wurde am 6. November 2017 auf dem Bundesforum vom Bündnis der Freien Darstellenden Künste am Podewil Berlin gehalten.

 

thomas oberender140 magdalena lepka presse uThomas Oberender, 1966 in Jena geboren, ist Autor und Dramaturg und Intendant der Berliner Festspiele.

Foto: Magdalena Lepka

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Kommentare  
Oberender zu Bundesförderung: Kreativität und Kunst
Schöne Hoffnung... alles durchfördern... Aber wirklich Neues entsteht nur im unkontrollierten Raum und nicht im kontrollierten.
Das ist gewiss ein Dilemma für die KünstlerInnen/WissenschaftlerInnen UND für die Gesellschaft mit ihren förderalen Strukturen.
Allerdings ein unverzichtbares Dilemma, ein notwendiges.

Michael Thalheimer muss in Brasilien nicht bekannter sein als Rimini Protokoll. Und es muss k ü n s t l e r i s c h auch gar nichts heißen, wenn Rimini Protokoll in Brasilien echt bekannt ist. Es KANN, aber es muss nicht.
Thomas Oberender vermag oft sehr gut und schlüssig zu reden und oft kann er dadurch Impulse geben, die aber immer sehr schnell in Erstarrung führen... - Ich weiß z.B. wirklich nicht, warum er Kunst und Kreativität durch diametrale Entgegensetzung gleichwertig behandeln will. Was, wenn man dem Beispiel folgt, viele folgen gern seinem Beispiel, in Wirklichkeit sowohl Kreativität als auch Kunstausübung abwertet.
JEDER Mensch ist mehr oder weniger kreativ. Das ist ein Trieb und eine Notwendigkeit, um sein Überleben zu sichern. Die vom Selbsterhaltungstrieb bestimmte Anpassungsleistung an seine aktuellen Lebensbedingungen erzeugt diese Kreativität.
Aber nicht jede Kreativität produziert notwendig Kunst. Kunst wird eventuell nicht oder sogar selten zweckfrei produziert, aber sie erzeugt IMMER bei ihrer Wahrnehmung ein Gefühl von temporär zweckfreier Ästhetik.
Das tut Kreativität per se nicht.
Es gibt eigentlich keine Künstler, die nicht kreativ wären.
Aber es gibt sehr viele Kreative, die trotz ihrer eingesetzten und geförderten Kreativität keine Kunst hervorbringen.
Oberender zu Bundesförderung: Übersetzung
"Damit verbunden sind Auseinandersetzungen mit Themen wie Gender, Diversity und Postkolonialismus, die nicht mehr der interessante Nebenaspekt künstlerischer Arbeit sind, sondern geradezu unerlässlich eine Bekenntnissituation zu Wertefragen erzeugen."

Frei Übersetzt: Gefördert wird, wer sich mit Gender, Diversity und Postkolonialismus auseinandersetzt? Oder wer mit diesen "Themen" verbundene "Werte" bekenntnishaft affirmiert? Ist mit der "unerlässlich" zu erzeugenden "Bekenntnissituation" mehr und besseres gemeint als Agitation und Propaganda für Gender, Diversity und Postkolonialismus? Steckt hinter diesen vornehm verschwurbelten Sätzen mehr als ein postmodern verpacktes "Sag mir, wo du stehst!"?
Oberender zu Bundesförderung: Literaturveganer
#3: Für Kunstliebhaber nicht auszudenken, wenn Sie sich auch noch als Übersetzer für richtige Literatur betätigen würden! Und dazu noch an selbst ausgesuchter und ohne Förderung! Die Literaturverganer würden sich vermutlich vor Freude kaum fassen können!
Oberender zu Bundesförderung: was Kunst ist
Der Vorschlag von Thomas Oberender zeichnet sich doch vor allem dadurch aus, dass er keine Ahnung davon hat, was Kunst ist, sondern nur, wie sie aussieht.
Oberender zu Bundesförderung: Bekenntnis vor Talent?
Lieber Venator, Oberender redet von dem Übergriff der "Förderkunst" auf die eigentliche Theaterkunst, bei der die Verhandlungen über evaluierten Werte über der eigentlichen Befähigung zur Kunst stehen. Kurz gesagt: Der Glaube, das Gebet, das Bekenntnis steht exklusiv über dem Talent.
Oberender zu Bundesförderung: Romantik + FDP
Sehr mühsam, bei virtuos vorgetragenen Formulierungen zum Kern vorzudringen.
Hier nur zwei Punkte: 1. die Idealisierung des benelux- Modell ist fahrlässig! Warum eigentlich inszenieren simons, perceval, van hove, Wunderbaum etc. lieber in New York, London, Bochum, Halle oder Hamburg als in der Heimat? 2. es ist völliger Unsinn zu behaupten, im Stadttheater folge die Kunst der Struktur, in der freien Szene dagegen die Struktur der Kunst. In beiden Fällen sind die Regeln knallhart: Stadttheater produziert die februarpremiere verlässlich, freie Szene erstellt eine Produktion zu präzisen Bedingungen als tourneeproduktion, die vorab von Veranstaltern gebucht wird. Kampnagel, hau etc sind im Kern abspielstätten eines tourneetheaterbetriebs. Der ökonomische Aufwand berechnet sich an den Tourneerouten, die Inhalte müssen so sein, dass sie auf Tour an wechselnden gastspielorten wenigstens zwei Vorstellungen vor Ort beliefern können. Danach Weiterreise, Hotel etc.
Gegen beide Systeme ist nichts einzuwenden, zu glauben, das das eine „freier“ sei und bessere Kunst produziere als das andere, ist allerdings pure Romantik, Unsinn.
Falls damit aber die verächtlichmachung sozialer sicherungsdtrukturen gemeint sein sollte, hat er recht: in den Institutionen herrscht der Sozialstaat, in der freien Szene die Struktur der FDP.
Oberender sollte seine Institution verlassen und sich selbst auf die von ihm idealisierte freie Wildbahn begeben. Oder sich einfach mal mit Praktikern zusammen setzen anstatt herum zu Schwurbeln, was das Zeug hält.
Oberender zu Bundesförderung: Weichkissen-Freiheit
@6
Guter Vorschlag!
Sowieso interessant, dass diejenigen mit den sozial am Allerallerbesten abgesicherten Posten, die sogar in die Rente so weich fallen, dass sie sich die Matratzen und Kissen aussuchen können, auf denen sie liegen wollen, diese Personen reden am Allerallermeisten von der freien Wildbahn und dem Abenteuer freisein in der freien Szene mit grenzenloser Freiheitserfahrung der Freifreifreiseinheit, jetzt Metametaontologisch!
Oberender zu Bundesförderung: Doppelmoral
Dass der Intendant einer der teuersten Bundeseinrichtungen für Kultur so schwärmerisch über die Freiheiten des Kunstprekariats schwadroniert, ist von so absurder Doppelmoral, dass ich hinter der Person "Oberender" eher eine Aktion des Zentrums für politische Schönheit vermute. Oder wie kann ich sonst verstehen, dass jemand über Botho Strauß promoviert, feinsinnige Gespräche mit Peter Handke führt, den Chefdramaturgen für Matthias Hartmann macht, nun die Berliner Festspiele leitet und zugleich!!! solche Vorträge hält. Als Beitrag zur Doppelmoral des Kunstmarktes und seiner Macher, eine tolle Aktion. Als Grundlage für eine Diskussion über das Verhältnis von Freier Szene und Stadttheater ein klarer Fall von Bullshit im Sinne der klassischen Definition: prätentiöses Sprechen, das jede konkrete Auseinandersetzung verhindern will.
Oberender zu Bundesförderung: nicht das ZPS
#Nein, liebe/r Carolin, das muss eine andere Künstlergruppe sein dann, eine geheime vielleicht? - ZfPS hätte sich schon gleich nach dem Vortrag dazu bekannt und mit dem gelungenen Konzept bereits die nächste Förderung beantragt, es muss ja nach Höckes Brandt-Installation auch noch irgendwie weitergehn, oder?
Oberender zu Bundesförderung: Bullshit?
"The West and the rest" war die Grundhaltung eines Kulturbetriebs, der die westliche Kultur für "universell" hielt und die nicht-westliche in irgendeiner Weise für spezifisch oder besonders. Aus dieser Haltung heraus konnte man es trotzdem mit allem sehr gut meinen, aber hat doch Rassismus reproduziert.
Das ändert sich langsam. Was Deutschland ist, wird zunehmend weniger identitär begründet, durch den Verweis auf eine blonde, weiße und christliche Tradition, sondern reflektiert sich als im Wandel begriffen und zentriert sich durch öffentlich verhandelte Werte wie unsere Erinnerungskultur, eine Geschichte der Solidarität und Diversität der Regionen. "

Reproduziert also der universelle Anspruch der westlichen Aufklärung Rassismus? Wer außer den Identitären begründet deutsche Kultur "identitär" durch eine, wie bitte?, "blonde" Tradition? Wer außer Björn Höcke will Erinnerungskultur "verhandeln", O. meint wohl "im öffentlichen Diskurs ausgehandelt"? Was soll, einen Halbsatz darauf, die angebliche "Diversität" von Regionen? Ist das bayrische "mia san mia" gemeint?
Sein rhetorischer Kniff ist, die eigenen ideologischen Präferenzen zum Konsens zu erklären und ihre Durchsetzung als objektive Notwendikeit hinzustellen. Das ist Jargon der Eigentlichkeit oder wie Carolin treffend feststellt "Bullshit".
Und ja, lieber Martin Baucks, es geht um die Domestizierung der Kunst durch Ideologie.
Oberender zu Bundesförderung: Event-Sparte
eine zusammenfassung der kunverhinderndernden, interessanten, kreativ-idee-terroristen-interessen. hilfe. ich kann doch nix dafür, dass leute keine künstler sind. können die nicht in einer sparte "event-kultur" seperat und getrennt vom theater, da sie doch eh die "verwandlung" und das spiel so hassen- gefördert werden?
Oberender zu Bundesförderung: Häuser und Kunst
Künstler statt Häuser ist eine schöne Devise. Schaffen wir also die Berliner Festspiele mit ihren Millionen ab und geben das Geld direkt den Künstlern. Dann kann Oberender total immersiv erleben, wie das so ist, wenn man keine Gage mehr bekommt. Er wird Unterschlupf finden bei Botho Strauß im mecklenburgischen Garten oder bei tasso oder bei Peter Handke in Paris.
Seit Jahrzehnten sind es die „Häuser“, die diese Kunst ermöglichen. Ohne sie gäb es sie nicht. Alles andere ist Selbstverleugnung. Wovon lebt die Kunst? Von den Künstlern und ihren Häusern.
Oberender zu Bundesförderung: schwer erträgliche Diskrepanz
Es heißt ja: alles, das vor dem 'Aber' steht, kann man getrost vergessen... ich versuche es mal trotzdem.

Der Text ist ein lesens- und überdenkenswürdiger Beitrag, sowohl wegen seiner Herleitung, als auch wegen seiner Vorschläge zur Verbesserung der erkannten Defizite. Alle 10 Vorschläge erscheinen mir sinnvoll und diskussionswürdig, und ich hätte fast Lust, mich daran mal abzuarbeiten, weil man diese vorgegebene Struktur gut als Ausgangsbasis für eine notwendige Debatte nutzen kann. Vielen Dank!

Aber: Herr Oberender ist ja nicht (nur) Publizist, sondern ein eigener Akteur mit erheblichen Möglichkeiten. Und insofern finde ich die Diskrepanz zwischen den Vorschlägen und den für mich wahrnehmbaren Handlungen schwer erträglich. Wären nicht gerade die Punkte 2) Denkzeitkurse (Experimentalräume), 5) Pilotinstitutionen und 8) Netzwerkförderung, ggfs. auch 7) Upgrade in Berlin Themen für die Festspiele, für das finanziell großzügigst ausgestattete Programm Immersion? Ich sehe da nichts, weiß aber, daß seit Jahren entsprechende Vorschläge herangetragen werden.

Herr Oberender stellt sich ja mit seinem Statement hier der Debatte. Es wäre schön, wenn sie dann auch geführt würde. Soviel erstmal, später vielleicht mehr?
Oberender zu Bundesförderung: Kommunen und Länder?
Ich stimme im Grundes allen Pros und auch den vielen Contras zu - so divers kann man sicherlich über die Vorschläg von O. nachdenken, muß es sogar. Und nu zum "Aber". O. formuliert seine Vorschläge unter der Überschrift " Förderung durch den Bund", also ein sehr spezielles Segment und macht Vorschläge, wo der Bund sich verstärkt einbringen könnte, nicht darüber, wo er kommunale und regionale Stukturen ersetzen soll. Ich verstehe das additiv. Freilich ist zu Fragen, ob chronisch klamme Kommunen und Bundesländer das dann ähnlich sehen. Da wäre dann die Politik gefragt ....
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