Presseschau vom 22. November 2017 – Die Berliner Zeitung über Förderungerechtigkeit in den performativen Künsten
Nicht genug zu preisen
Nicht genug zu preisen
Berlin, 22. November 2017. Warum gelten Zirkus, Varieté und auch Musical als nicht förderungswürdig?, fragt Birgit Walter in der Berliner Zeitung. "Die Tänzerin in der letzten 'Schwanensee'-Reihe gilt unbenommen als Künstlerin, nicht aber der singende, tanzende Alleskönner, der mit grandiosen Kunststücken das gesamte Parkett verzaubert."
Nun würde aber erstmals das interdisziplinäre Künstlerinnen-Kollektiv Still Hungry für ein Zirkus-Stück über "Regretting Motherhood" gefördert, außerdem adeln die Berliner Festspiele mit ihrem Circus-Schwerpunkt das Genre als Hochkultur, weil der "zeitgenössische Circus heute selbst avantgardistisch und intensiv reflektiert wirkt", wie Festspiel-Chef Thomas Oberender schreibt, sich zu einem "progressiven Medium entwickelte, das Techniken des Theaters und Elemente des Tanzes oder der Videokunst in sich aufnahm".
Während Staatstheater "ungestört Neues wagen können mit öffentlichem Geld", hätten Akrobaten, Zirkus- oder Varieté-Gruppen "bis heute keine Chance auf Fördermittel aus der freien Szene", obwohl sie neben den Tänzern am gnadenlosesten ihre Körper peinigten. Deshalb müssten sich Unterhaltungsbühnen "bei Strafe ihres Untergangs" am Publikum orientieren, was "notgedrungen zu künstlerischer Sparsamkeit" führe. Ausnahmen bestätigten die Regel, etwa die Zirkus-/Varieté-Produktionen "Soap" und "Der helle Wahnsinn" von Markus Pabst.
Wohin ausgrenzende Subventionierung führe, sehe man laut Walter beim Musical: Anders als Österreich, woher die einzigen international erfolgreichen deutschsprachigen Musicals kommen, überlasse Deutschland das ganze spannende Genre allein dem Kommerz. Wenn diese Politik der Ausgrenzung einiger Künste sich jetzt ändere, "wenn Fördermittel zum ersten Mal an eine Artistengruppe fließen, kann man den Schritt gar nicht genug preisen".
(geka)
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