Podcast - Rückblick auf die wichtigsten Theaterdebatten des Jahres 2017
Dercons Volksbühne, Sexismus und ein Denkmal für Björn Höcke
14. Dezember 2017. War es ein gutes oder schlechtes Jahr für das deutschsprachige Theater? Auf jeden Fall war es an Debatten reich. Die Kontroverse um die Volksbühne und ihren neuen Leiter Chris Dercon kochte in der Theaterwelt gleich mehrmals auf voller Flamme hoch (zuletzt in einer Intendanten-Elefantenrunde Anfang Dezember in der Berliner Akademie der Künste).
Im Sommer löste Dramatikerin Darja Stocker eine Debatte um Sexismus im Theaterbetrieb aus, die vor dem Hintergrund der wenig später bekannt werdenden sexuellen Übergriffen des Harvey Weinstein in den USA, der sich anschließenden weltweiten MeToo-Welle und der zeitgleich erfolgenden Gründung des Vereins "Pro Quote Bühne" plötzlich in einen größeren Kontext gerückt schien. Immer wieder wurden die Arbeitsbedingungen im Stadttheater in Frage gestellt, nicht nur von Initiativen wie dem Ensemble-Netzwerk. Im November schließlich errichtete das Zentrum für politische Schönheit ein Mahnmal vor Björn Höckes Wohnhaus und polarisierte damit weit über das Feuilleton hinaus.
Im Podcast sprechen nachkritik.de-Redakteurin Elena Philipp und Susanne Burkhardt, Redakteurin der wöchentlichen Theater-Sendung "Rang 1" auf Deutschlandfunk Kultur, über die Theaterdebatten des Jahres.
Ein Podcast in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur.
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Überhaupt freut an dem Podcast: Das Hineinlauschen in eine zutiefst in Theaterbetrieb des Jahres eingearbeitete, kritisch begleitende Zuschauerposition, hochkompetent bei beiden Frauen! Sodass es ein Vergnügen ist, ihren Argumenten in alle Richtungen eines Für und Wider zu folgen und sich selbst in den eigenen Ansichten zu prüfen, zu festigen, zu korrigieren...
Und auch ein Vergnügen ist so, bisher Unbeachtetes zu entdecken an Oberflächen, die einen das Jahr über erfreut haben: u.a. Khuons nochmalig zu hörender Ausbruch in der Elefantenrunde der ADK zum Beispiel. Das war überraschend und auch schön vielleicht für alle, die ihn kennen. Aber hinter seinem Ausbruch liegt auch ein Schweigen, das eines Präsidenten des DBV "Die Lüge ist das, was uns stört, wenn man das von der Politik so wollte, dann hätte man das auch sagen sollen." - Aber was dann? Nein, mich stört nicht nur die Lüge daran. Politiker lügen zu Zwecken. Von jeher. Sie werden es immer tun. Das kann man wissen. Dann kann man sie zeitiger hindern, auf Lügen zu bauen nach ihrem Willen, der einen geistigen Überbau der Gesellschaft als Staatsauftrag aus dem Auge verloren hat -bewusst oder unbewusst ist gleich.
Mich stört, dass es diesen Willen zur Umstrukturierung an der Theater-Stelle überhaupt gab, der vertuscht wurde.
Mich stört, dass es darüber keine Klage von und in Khuon gab, die da doch ebenfalls hätte ausbrechen müssen, wäre sie vorhanden gewesen... Keine Klage über den politisch eingeleiteten Systemwechsel als Präsident des DBV, und auch keine als Intendant eines der anderen großen Berliner Theater, obwohl die KollegInnen links und rechts neben ihm saßen. Und auch keine Klage von ihnen, dass hier doch eine Klage ihr Thema verfehlt. Das Thema der generellen Verantwortung von IntendantInnen für Stellenerhalt von Schauspielern und Künstlern und Arbeitsplatzerhalt für hochqualifizierte und hochspezialisierte Handwerker mit theaterspezifischem Kunst-Verständnis. Das Thema also der speziellen Arbeitsmoral von IntendantInnen innerhalb eines Betriebes, der dem Staatshaushalt gewiss unbequem ist. Doch ist eben dies seine Aufgabe! Und der Betrieb erhält sich nicht einfach von allein, weil das alles so tolle Ensembles sind! - das ist eine romantische Vorstellung, die Khuon da propagiert. Dass er sie hat, ist sympathisch, dass er sie so propagiert, sollte nicht unwidersprochen bleiben. Und es ist vieles eine Frage der Bezahlung, aber durchaus nicht alles!
Selbstverständlich kann ein Haus individuelle 2-Rollen/Jahr-Verträge machen. Aber doch bitte nur eines, dass ein Repertoire hat, das wirklich sehr lange bestehen bleibt, mit VIELEN Inszenierungen, wie etwa die Schaubühne es aufzuweisen hat. Wenn das Repertoire im Wesentlichen schneller wechselt und überhaupt nur aus 3 oder höchstens 4 Dauerbrennern als Stammrepertoire besteht ist das immer noch ein solides Repertoire-Theater, aber es wird als Ensemble-Theater gesprengt, wenn dann auch 2-Rollen/Jahr-Verträge gewährt werden, weil die Schauspieler drehen wollen - und als Theater-Werbeträger auch sollen? - Das ist doch durchaus eine zu hinterfragende geläufig gewordene Praxis. Das wäre doch durchaus eine öffentliche Diskussion in der ADK wert...
ein sehr peinliches jahr ... in dem khuon und rois wie lichtgestalten ihre zeichen setzten - aber auch kennedy/dercon dazu eine "alternative für theater" angeboten haben ... die, wie im podcast erwähnt, schon viele früh erahnt hatten und zu massiven inhaltlichen debatten geführt haben ... in einem scheinbar politisch luftleeren raum, der jedoch diesen sturm angeblasen hat.
vielleicht belebt er ja die kunst und fegt sie nicht weg, um dem beliebig-vertauschbaren kommerz platz zu schaffen. jedoch wird dies auch selbstverständlich mit beobachtungen von der "spur des geldes" von statten gehen - zumindest sophie rois hat sich da klar positioniert ... und macht weiter kunst - wie auch der von der politik aktiv geschmähte castorf ... und beide haben zum glück kein interesse sich von "pro qoute" und "mee too"-debatten dabei (ab)lenken zu lassen, denn sie wissen: mit KUNST hat dies nix zu tun und nur der wollen sie sich zur verfügung stellen ...