Über das Theater und seinen Wunsch, politisch zu sein - Ein Vortrag der Schriftstellerin Sibylle Berg
Was sagt uns das, das sogenannte Politische?
18. Dezember 2017. "Wenn wir mit der Auswahl der Stücke alte Geschlechter-Stereotype wiederholen und Machtstrukturen akzeptieren, die im Kern den Backlash der konservativ-rechten Werte in Europa abbilden? Wie können wir dann behaupten, wir machten politisches Theater?" Fragt Schriftstellerin Sibylle Berg in ihrem Vortrag vor dem Bühnenverein.
Von Sibylle Berg
Was sagt uns das, das sogenannte Politische?
von Sibylle Berg
Meine lieben Damen und Herren,
Ich beschränke mich auf das Sprech-Theater, denn meine Opernkenntnisse sind trotz eines mich verstörenden Besuchs in Bayreuth sehr limitiert. Wie ich höre, geht es den Opernhäusern aber Gold, und mir ist kein Aufruf bekannt, der von der Oper eine explizit politische Haltung einfordert. Musik halt.
Den nachdrücklichen Ruf nach einer stärkeren politischen Haltung in der Literatur, vermutlich war Theater mitgemeint, formulierte vor langem Günter Grass. Er sei, so er selbst, der einzige explizit politische Künstler Deutschlands, und er meinte damit irgendwas mit der SPD und gegen Israel sein. Grass' Ruf nach einer politischen Haltung blieb – über sein Ableben hinaus – eine wunderbare Tradition.
Einmal im Jahr, von einem imaginären Brecht/Weill-Stück begleitet, erfolgt die mediale Grassfeiertags-Frage nach dem Politischen, gesellschaftlich Relevantem in der Kunst. Also: Wie politisch ist die Kunst, ist sie politisch genug, warum ist sie nicht politischer, und wenn doch was dann? Was das meint, ist klar: Wir wissen nicht weiter und delegieren Probleme, die auf der weltfressenden Struktur des Neoliberalismus basieren, in einen Bereich, der weitgehend ohne ernsthaften Einfluss ist. Theater tut keinem weh. Literatur: dito.
Statt sich zu fragen, wie sinnvoll ist unser politisches System, wie politisch sind Banken und Firmen, statt zu überlegen, ob der Straßenkampf ein legitimes Mittel ist, dem immer stärker werdenden Faschismus in Europa und vielen anderen Teilen der Welt zu begegnen, wird eine Scheindebatte ausgetragen auf einem Gebiet, das politische Zustände noch nie geändert hat.
Jedes Jahr nach der medialen und theaterinternen Debatte darüber, wie Theater in gesellschaftspolitische Prozesse eingreifen können und sollen, nachdem sich die Kulturschaffenden in Podiumsdiskussionen darin bestätigt haben, dass die Kunst politischer werden muss – trinken alle eine Weißweinschorle.
"Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen" von Sibylle Berg, 2013 am Berliner Gorki Theater von Sebastian Nübling uraufgeführt. © Thomas Aurin
Nun ist es für mein vollkommen unterinformiertes Empfinden nicht so, dass es keine politisch relevanten Inszenierungen gäbe.
Es gibt eigentlich wenig anderes.
"Wir sind total politisch", schwebt in Neonleuchtschrift über den meisten deutschsprachigen Häusern.
Und das funktioniert meist so:
Die Theaterleitung erstellt einen Spielplan, der sich an einem angenommenen Mehrheitsgeschmack des Theaterpublikums orientiert. Der angenommene Geschmack des Theaterpublikums besteht aus Bekanntem. Was zum Mitmurmeln. Zum Kopfnicken. Aber politisch.
Darum entscheidet man sich doch besser nicht für eines der explizit politischen Stücke noch lebender Autorinnen und Autoren, denn das Risiko, dass die Krise, die darin verhandelt wird, in der nächsten Spielzeit überholt ist, scheint zu hoch. Aber vielleicht machen wir trotzdem was Modernes – in der Kammer, in Klammern: 30 Plätze.
Da die Krise der permanente Zustand der Welt ist, könnte man im Großen Haus doch lieber einen Klassiker zeigen. Einen, sagen wir, Shakespeare, den man einfach in einem jeweiligen Kriegs- und Konfliktgebiet ansiedelt. Hurra. Klassiker! Gut. Abgemacht.
Was tut man nicht alles für die Kunst
Ein Jahr nach der Entscheidung, etwas Bekanntes zeitgemäß neu zu inszenieren, was ja immer auch eine krasse Provokation bedeutet, reisen die ungefähr 15 aktuellen Starregisseure von einem Theater zum anderen und schrubben nacheinander politische Inszenierungen der immer gleichen Autoren weg, die dem jeweils fast aktuellen außen- oder innenpolitischen Thema angepasst werden.
Ich habe in letzter Zeit – erwähnte ich schon meine absolute Subjektivität? – drei Stücke mit echten Flüchtlingen gesehen, die entweder echte Flüchtlingsprobleme verhandelten oder einen auf die Flüchtlingsprobleme angepassten Klassiker – vielleicht war es Shakespeare – zeigten. Die Begeisterung des Publikums war enorm. Und galt, subjektiv, neben der künstlerischen Leistung der Darstellenden auch ein wenig sich selbst: dem guten Publikum, den Nicht-Nazis, den Nicht-Dummköpfen, denen, die ins Theater gehen, Weißweinschorle trinken, wenn Ü40, oder die urban und jung sind, wenn Berlin.
Der Vorhang des politisch relevanten Stückes fällt, die Besucher*innen beklatschen die Akteure. Schade, denkt die eine oder der andere, dass die neuen Rechten, die Neonazis, die traurigen, von einem Prozent Milliardäre Abgehängten nie in den Genuss dieser wunderbaren politischen Inszenierung kommen werden.
Dann gehen die Schauspieler ab. Hinter die Bühne. In ihren realpolitischen Arbeitsalltag.
Es ist wieder spät geworden. Ist eben so in dem Beruf. Weiß man ja, bevor man ihn ergreift. Mit 18. Die Aufführungen sind abends, viele Proben dito, mitunter auch am Wochenende – was tut man nicht alles für die Kunst.
"How To Sell A Murder House" von Sibylle Berg, 2015 von der Autorin am Zürcher Theater
Neumarkt selbst uraufgeführt. © Niklaus Stauss
Die Kunst an Theatern, über die zu 78 % männliche Intendanten entscheiden, indem sie 70 % männlich inszenierte Arbeiten zeigen. Wer denkt da schon an so etwas wie: Familien? Mit Kindern? In denen beide arbeiten, oder gar – Alleinerziehende?
In den Theatern geht es um Leidenschaft. Um Kunst. Um politische Kunst. Um etwas, das größer ist als der Einzelne. Der intensive Intendant/Regisseur der seine, SEINE Akteure zu Höchstleistung antreibt.
Auch wenn die Generation der knatternden Impressarios langsam verscheidet, sind die meisten großen Häuser immer noch Kunst-Betrieb und in seltsamen patriarchalen Führungsstrukturen mit hierarchischen Abläufen gefangen. Die auf der einen Seite (zum Beispiel) Machtmissbrauch, Sexismus und Narzissmus und auf der anderen Seite (zum Beispiel) Ängste, Selbstzensur und Selbstausbeutung fördern.
Mithin denke ich, dass sich künstlerische Freiheit und spürbare Abhängigkeit im Wege stehen.
Abhängig an den Bühnen sind viele, die aus Versehen nicht Superstars sind und nicht die Möglichkeit haben, ihre Theatergage durch lukrativere Jobs aufzubessern.
Abhängig an den Theatern ist die Mehrzahl jener in niedrig bezahlten Jobs mehrheitlich Frauen.
Abhängig an den Bühnen sind viele, die aus Versehen Kinder haben.
Muss das so sein?
Ich war sehr oft während der gesamten Probenzeit meiner Stücke an verschiedenen Theatern. Wenige Male war es eine großartige Zeit. Erwachsene, die einander zuhörten, Dinge ausprobierten. IntendantInnen, die zur Entspannung beitrugen, Anregungen gaben, Witze machten, Getränke spendierten. Diese wenigen Male hatte ich das Gefühl, es gäbe nichts Besseres, als in einer Gruppe am Theater zu arbeiten. Angstfrei und mit einer kreativen Leichtigkeit. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen, denn oft hatten die Probenzeiten etwas vom Überlebenstraining in der Tundra.
Fast von Beginn an herrschten Panik, Misstrauen und Schlafstörungen vor. Es gab offen und verdeckt ausgetragenen Hass, Druck vom Regisseur, die Panik vor dem Besuch des Intendanten, der kurz und schweigend Proben beobachtete. Am Ende eine Augenbraue hochzog, zwei Tage vor der Premiere mit bedeutungsvoller Stimme Grundsatzkritik übte. Oder im Härtefall eine Woche vor der Premiere selber Hand anlegte.
Wie um sich nicht umzubringen, wiederholten alle das Mantra: Wenn die Stimmung bei den Proben gut ist, wird die Arbeit schlecht. Es hat sich nie bewahrheitet. Scheiß Stimmung, scheiß Premiere. So geht die Regel. Oft dachte ich: Wozu verbringen die Menschen hier Lebenszeit im negativen Ausnahmezustand? Warum diese furchtbare Verspannung, und die schlechte Laune? Sind wir im Krieg? Geht es ums Überleben?
Wie in allen anderen Betrieben und Unternehmen ist für die Stimmung unter den Angestellten die Leitung verantwortlich. Ich habe selten eine flache Hierarchie erlebt, und wenn, dann eher an kleinen Häusern. An den großen Staatstheatern ist der Chef meist immer noch ein wenig der König, unnahbar, fast unerreichbar. Verständlich, denn das Regelwerk, das die Aufgaben eines Intendanten vorschreibt, liest sich deprimierend lang und ist fast nicht zu bewältigen.
Aber so muss das wohl sein.
Wussten sie ja vorher
Es muss wohl so sein, dass einige Darsteller*innen eine leichte Verachtung für sich und ihren Beruf entwickeln. Man muss sich halt opfern, scheinen sie zu denken. Es muss gebrüllt werden, gefordert werden, das Theater als Kampfzone, Kunst muss wehtun, und kein gutes Resultat ohne Nervenzusammenbruch.
"Der Hass, das Antipodische macht das einzig Mögliche, und das Despotische ist unabdingbar, man muss vernichten, um etwas anderes zu erhalten", sagte nicht Hitler sondern Frank Castorf. Und schrie Schauspielerinnen an, dass sie ein Mäusehirn haben. Ja nun. Wenn es für die Kunst ist.
Bei meinen Aufenthalten am Theater sah ich auf Proben diverse Darsteller nach unglaublichen Ausbrüchen und Kämpfen abreisen und wieder eingesammelt werden, ich sah Schauspielerinnen, die sich – für mich komplett ohne einen Sinn – ausziehen mussten, gespreizte Beine waren immer eine gern verwendete Metapher für irgendwas. Ich sah kranke Schauspieler, die sich zu den Proben schleppten aus Sorge, ersetzt zu werden.
Selbstverleugnung, Selbstüberforderung im Namen der Kunst. Vielleicht glauben neben den Darsteller*nnen auch die sich selbstausbeutenden Rudel von unbezahlten Hospitant*innen und schlecht bezahlten Assistent*innen an diese Regel. Die am Beginn ihrer Karriere übrigens ebenfalls zu 50 % weiblich sind und später oft verschwinden, weil sich der Beruf des handlungsreisenden Regisseurs gleich gar nicht mit einer Familienplanung vereinbaren lässt. Na ja, wussten sie ja vorher.
Die Abwesenheit der Frauen
Sehen wir uns die Erennungen im aktuellen Intendant*innen-Karussell an, dann gibt es ein paar Damen, viele Herren und nichts Neues. Die neuen Intendanzen wurden von Auswahlkommissionen entschieden, in der fast nie Ensemblemitglieder sitzen, nie Autoren, selten Regisseure, sondern fast immer Kulturpolitiker entscheiden und: andere Intendanten.
Nach 20 Jahren der Sensibilisierung ist der Anteil von Frauen in Theater-Führungspositionen von 19 % auf satte 22 % gestiegen. Fast glaubt man sich in DAX-Unternehmensvorständen, fast wähnt man sich in einem System, das zwar nicht mehr richtig funktioniert (sonst wären die Häuser voller, die Mitarbeiter zufriedener), das seine Parameter aber dessen ungeachtet seit Jahren weiter reproduziert.
Die weitgehende Abwesenheit von Frauen in der Führungsetage meint nicht, dass Frauen ein besseres Klima am Theater schaffen würden. Aber so lange kein ausgewogenes Geschlechterverhältnis herrscht, werden wir das weder bestätigen noch verneinen können.
"Die Damen warten" von Sibylle Berg, 2012 von Klaus Weise am Theater Bonn uraufgeführt
© Thilo Beu
Nichts ist schwieriger, als Gewohnheiten zu ändern. Sehr zaghaft, fast wie einst beim Entstehen der feministischen Bewegungen, regt sich in den Reihen der Theaterarbeitenden Widerstand.
Fragen werden laut. Zum Beispiel: Wie sollen wir die Zuschauer*innen mit erfreulichen Utopien anregen, wenn wir als Theaterbetrieb (bewusst oder unbewusst) die neoliberalen Standards der Welt um uns übernommen haben? Mit ihrer Führungskultur, dem Gender Pay Gap? Wenn wir mit der Auswahl der Stücke alte Geschlechter-Stereotype wiederholen? Und Machtstrukturen akzeptieren, die im Kern den Backlash der konservativ-rechten Werte in Europa abbilden?
Wie können wir dann behaupten, wir machten politisches Theater?
Reform der Theaterstrukturen
Langsam formiert sich auch politische Haltung unter den Angestellten der Theater. Unzufriedenheit wird nicht mehr unter Witzen und eventuell gezielt geförderter Konkurrenz kaschiert, es wird geredet. Und es entsteht langsam ein politisches Bewusstsein.
Bewegungen wie Art but fair, Ensemble Netzwerk, Pro Quote Bühne, die sich für eine Reformierung der Theaterstrukturen einsetzen, deren Forderungen Ihnen sicher bekannt sind. Erster kleiner Erfolg ist die Erhöhung der Mindestgage. Und der Schutz schwangerer Schauspielerinnen.
Na, das ist doch was.
Vorsichtig werden neue Leitungsstrukturen probiert. Teams, Sie wissen schon. Schlechter finanzierte, kleinere Bühnen werden sogar von Frauen geleitet.
Ich habe keine Ahnung, welche Herausforderung es bedeutet, ein großes Theater mit einem 1000-Plätze-Saal zu leiten, die Finanzen, der Betriebsrat, die Gewerkschaften, die Abonnenten, die immer ihre Klassiker sehen wollen, die sich mit neuen Autor*innen schwertun, und wie bekommen wir nur die jungen Zuschauer*innen, wie bekommen wir die Hütte nach der Premiere voll? Diese verstörende Abwesenheit von Menschenmassen in den großen Häusern, kann man die wirklich mit einer Umstrukturierung bekämpfen? Elegante Überleitung zu einem anderen Problem an vielen Häusern, das ich mit "Wir sind politisch, machen politisches Theater. Aber zu wenige wollen es sehen," überschreiben möchte.
Über Inhalte reden
Stellen wir uns also vor: Ein Premierenabend in dem komplett reformierten, politisch korrekten Theater. Alle Beteiligten sind glücklich, kreativ und angstfrei, gutgelaunte Schauspieler*innen, Techniker*innen und sonstige Mitarbeiter*innen, das hierarchisch absolut flache Führungsteam springt herum, alle umarmen sich und so weiter. Der Abend läuft super. Ausverkauftes Haus.
Das Publikum besteht aus den üblichen Premierenzuschauer*innen, also zur Hälfte aus Kritiker*innen, Familienangehörigen und Kolleg*innen.
Und nach der Premiere ist das große Haus oft ein wenig leer.
Findige Intendant*innen gehen dazu über, die Hälfte der Riesenzuschauersäle abzuhängen, damit die Besucher sich nicht so verloren fühlen, was den gleichen Effekt hat, wie einen Bauchschuss mit einem lustigen Tierpflaster zu verdecken. Es kann doch nicht sein, dass keiner die in mühevollen zwei Monaten erstellte, total politische Version von "Die Räuber", "Richard der Dritte" sehen will. Keiner ist an der hundertsten Version von "Hamlet" oder der Dekonstruktion eines Bestsellers oder Filmes interessiert?
Wie kann das sein?
Können wir kurz über Inhalte reden?
Und – darf ich ein persönlich werden?
Obwohl ich noch lebe
Aus dem Leben einer angenehm privilegierten Dramatikerin erzählen. Meine Stücke werden, in unterschiedlich dekonstruierter Version – Sie wissen schon, ein Stück ist Material, Material wie Darsteller, das man zu etwas formen muss – an vielen Theatern aufgeführt, obwohl ich noch lebe.
Aber wie viele zeitgenössische Autorinnen stehen auf dem Spielplan? Autorinnen, die sich mit dem Umfeld auseinandersetzen, in dem sie gesehen werden? Deutschland, die Schweiz oder Österreich. Heute. Wie viele Stücke gehen die Zuschauer*innen wirklich an? Direkt und ohne Übersetzungsleistung, wie bei einem Klassiker? Wenn vornehmlich Klassiker in den Theatern gespielt werden, heißt das zudem in der Regel: Es sind männliche Sichtweisen, die den mehrheitlich weiblichen Theaterbesuchern gezeigt werden.
"Viel gut essen" von Sibylle Berg, 2014 von Rafael Sanchez am Schauspiel Köln uraufgeführt
© David Baltzer
Das Theatersystem 1.0 setzt auf Bekanntes, wie die Medien auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Bewähren tut es sich – mäßig.
Die Welt wiederfinden
Fragt man Menschen, die gerne ins Theater gehen, aber kaum mehr ins Theater gehen, warum sie kaum mehr ins Theater gehen, kommen oft ähnliche Antworten. Das Theater spiegelt ihre Lebensrealität nicht wieder. Nun kann man einwenden: Dazu ist Kunst auch nicht da. Der zweite Vorwurf ist oft: Die Leute langweilen sich. Sie langweilen sich in zu langen Abenden, die sich selber so unglaublich ernst nehmen. Sie langweilen sich in vierstündigen, ordentlich schwer umgesetzten Klassikerabenden so sehr, dass sie von den unbequemen Stühlen kippen.
Sehr viele, die kaum mehr ins Theater gehen, wünschen sich Stücke, in denen sie ihre Welt wiederfinden und erweitert sehen. Und auch darüber lachen können. In denen sie nicht mit einem schweren Hammer auf die schwere Lage der Welt hingewiesen werden.
Kurze Zwischenbilanz: Die meisten staatlich geförderten Häuser zeigen vornehmlich klassische Stücke von männlichen Autoren. Und: fürchten Humor.
Komödien, Musicals, all die Formen, in denen man sehr gut politische Anliegen unterbringen könnte, gelten als lästige Pflichtübung oder gleich als No-go-Area. Theater scheint in unserem Sprachraum zwingend: schwer sein zu müssen. Mehrheitlich kaum pigmentierte Menschen, die durch Wasser waten. Sie wissen schon.
Die besten Abende, die ich in der nahen Vergangenheit sah, fanden am Jugendtheater statt. Ja, natürlich, Jugendliche, die Jugendliche spielen, haben schon einmal einen zwingenden Jugendlichkeitsbonus. Überdies aber waren all die Aufführungen, die ich sah, durch Humor vereint. Und der Angstfreiheit vor dem, was bei Erwachsenen vielleicht als Kitsch bezeichnet würde: erschütternde Emotionen. Vielleicht lag es daran, dass die Stücke, die aufgeführt wurden, von noch lebenden Autor*innen stammten, die Leitung der Jugendtheater kaum hierarchisch strukturiert waren.
Wer weiß das schon.
Aber die Stücke waren ausverkauft. Ich sag's ja nur.
Das neue Theater
Mein Wunsch wäre: Wagen Sie vielleicht auch hier mehr. Wagen Sie mehr Humor. Wagen Sie mehr junge Autorinnen, Stücke mit starken Rollen für Frauen, wagen sie auch Trash, Entertainment. Vielleicht sogar: Musical. Eine kleine Dosis englisches Theatersystem. Ja, das furchtbare West End mit seinem furchtbaren "Harry Potter", die ausverkauften Häuser, in die Menschen nach der Arbeit mit ihrem Bier rennen.
Und nun kommt die letzte unrealisierbare Idee.
Das neue Theater, der Ort, an dem gute Laune und Gleichberechtigung aller herrschen, ist voll. Es gibt ein gut gefördertes Jungendtheater an allen Häusern. Alle sind zufrieden. Es darf gelacht werden. Die Stücke werden nicht behandelt wie Lösegelderpressungen, die man aus Zeitungen ausschneidet, und ab und zu gesteht man den Autor*innen sogar zu, dass sie sich bei dem Ablauf eines Textes etwas denken.
Wie gesagt, ich bin subjektiv, aber ich möchte mein kurzes Leben nicht auch noch mit Zertrümmerung, Hass und Psychoterror verbringen, da in der realen Welt mehr als genug davon vorhanden ist.
Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin freundlich. Und freundlich schließe ich diesen Vortrag.
"Nach uns das All" von Sibylle Berg, 2017 am Berliner Gorki Theater von Sebastian Nübling uraufgeführt © Ute Langkafel
Schlußwort
Die Intendantinnen und Intendanten. Sie alle arbeiten hart.
Und tragen dazu bei, dass fast die gesamte Welt Deutschland um seine Theaterkultur beneidet. Wir dürfen nie vergessen, dass es eine privilegierte Situation ist, die hoffentlich auch in einer zukünftigen Diktatur, die wir nicht verhindern konnten, weiterlebt.
Kunst kann wenig. Wir sollten uns alle nicht zu wichtig nehmen. Wir werden die neuen Rechten – andere Bezeichnung für Neoliberale, die dumpfen Pöbler, die Manipulatoren – mit ein paar guten Stücken nicht zu Humanisten erziehen. Wir werden niemanden erziehen. Aber Theater ist selbstgemacht, es ist kein Fake, es verschwindet nicht im Netz, es wird nicht überwacht und manipuliert, und ich glaube fest daran, dass bei den Menschen – nachdem fast alle Bereiche des Lebens digitalisiert nicht wesentlich besser sind als früher – das Bedürfnis nach Realem wieder wachsen wird. Nach Unhackbarem, Unfakebarem.
Man kann nur versuchen, im Theaterbetrieb nicht das zu reproduzieren, was wir außen anklagen, man kann nur den Versuch machen, ein wenig leichter zu werden, mehr Spaß zu haben, und darauf hoffen, dass sich das Gefühl und die Haltung nach außen überträgt und mehr Menschen erreicht als bisher. Wer im Theater sitzt, kann in dieser Zeit keine Hasskommentare schreiben, sich nicht mit seinen Nazikumpeln treffen und niemanden verprügeln. Das ist doch ein schönes politisches Schlusswort.
Und ein kleines PS zur Oper: Der geht es Gold. Fest in den Händen weißer Männer in allen Leitungsebenen.
Die Schriftstellerin Sibylle Berg hat diesen Vortrag am 9. Dezember 2017 auf einer Tagung der Intendantengruppe des Deutschen Bühnenvereins in Hofgeismar gehalten. Die Tagung war dem Thema Theater und Politik sowie der Frage gewidmet: "Wie sollen Theater gestaltend in den gesellschaftlichen Wandel eingreifen?"
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haben Sie außer dem ironischen Geblubber auch eine Haltung zu der klaren Haltung von Frau Berg beizutragen? Oder weist Ihr Alias auf das von Ihnen vertretene Muss an Schmerzen zur Kunstproduktion hin? Da Sie sich mit Castorf bestens auszukennen scheinen, tät' das passen. Was ist Ihrer Ansicht nach eine bessere Beschreibung der von Sibylle Berg sehr treffend beobachteten Verhältnisse innerhalb der deutschsprachigen Theaterlandschaft? Was könnte aus Ihrer Sicht zu deren Verbesserung beitragen, was für Sie weniger nach Brigitte klingt? Ich würd' Sie sehr gern ernst nehmen.
sie sollten doch optimistisch und glücklich sein über Mette Ingvartsen, auch susanne kennedy hat doch so eigene frauenfantasien im angebot.
"Nach Anti-Assad Propaganda Theater gibt es jetzt erst mal Hardcore-Porno und Sadismus auf die Bühne gebracht von Mette Ingvartsen, der neuen Hauschoreografin und Mitglied des Programmbeirats der Volksbühne.
Sie bringt ein Szenario auf die Bühne, das eine grausame sadistische Orgie darstellen soll. Knaben und Mädchen werden mit sadistischen Sexspielen gequält. Mette Ingvartsen breitet auf der Bühne verbal beschreibend Details aus. Exkremente werden geschluckt, an Jugendlichen wird sich vergangen, Mütter werden in perverser Lust ermordet. Und es geht noch weiter."
cooptv.wordpress.com/2017/12/18/berliner-volksbuehne-chris-dercon-nach-anti-assad-propaganda-jetzt-hardcore-porno-von-mette-ingvartsen-mit-zitaten-aus-marquis-de-sades-die-120-tage-von-sodom/
Und: An Frau Bergs neuen Theatern "gibt es ein gut gefördertes Jugendtheater".
Sie legt doch die Finger in die entsprechenden Wunden: Gleichberechtigung; (Selbst)Ausbeutung;ein zutiefst protestantischer und industialisierter Kulturbegriff - nur Leiden bringt Qualität (die wir selbst definieren) weshalb wir das Leiden systematisieren; das Bild des Künstlers als weisser, männlicher Egomane; Kunst ist keine Haltung, sondern eine Ausbildung an der Ernst Busch und Jugendliche nur Authentizitätsfutter ... . Klar ist das nicht neu, aber doch eine latent sehr richtige Diagnose der Theater, wie sie langsam vor sich hin darben. Sibylle Berg legt ihre Finger in die Wunden, mit allerfeinster Ironie, sie schlägt die Wunden nicht. Das, finde ich, ist ein Unterschied. Und ja! Gut finanzierte Jugendtheater! Nicht als Allheilmittel - genauso wenig, wie Frauen, oder Migrant*innen, sondern als Selbstverständlichkeit in einer Gesellschaft, die Gerechtigkeit und Diversität im Blick hat. Dass uns das andere, was es ja seit Ewigkeiten schon gibt, nicht mehr so wahnsinnig viel weiterbringt, ist doch schon bewiesen. Oder wie lange besprechen wir schon die Krise der deutschen Theater?
Was mir hier fehlt ist der Bericht von denen, die dabei waren und beschreiben, ob sich hinterher wenigstens mit Sibylle Berg gestritten wurde. Ob da so Vorschläge bei rumkamen?
Ich denke, dass vielleicht nicht der Vortrag - ich habe das eher als Rede als denn einen Vortrag - gelesen, die Weißweinschorle IST, sondern der hier veröffentlichte. Rede und veröffentlichte Rede - das ist ein Unterschied...
War denn zum Beispiel der Herr Lux dabei? - Er hat sich doch hier schon einmal unter Echtnamen vorgewagt, vielleicht kann er seine Intendanz-KollegInnen noch einmal durch vorangehendes gutes Beispiel ermutigen, solches zu dem Thema ebenfalls zu tun...
Liebe hochgeschätzte IntendantInnen - Was haben Sie denn nun so gemeint zu der liebevoll an Sie gerichteten Rede der Schriftstellerin, die das durch Sie erteilte Privileg hatte, zu Ihnen veröffentlicht internkritisch zu sprechen?
Ich weiß nicht, wer für Sie "Wir" ist, aber für meine Begriffe von "Wir" haben wir noch gar nicht angefangen, über die Krise der deutschen Theater zusprechen.
Weil ein intern gehaltenes Sprechen darüber nicht zählt.
Nicht so zählt, dass sich ästhetisch und damit auch kulturpolitisch gewollt etwas in seiner Bewertung ändert.
"Navid Kermani beschäftigt sich seit 1988, seit über fünfundzwanzig Jahren mit den Dingen, zu denen er jetzt aktuell in seiner Friedenspreisrede gesprochen hat. Nur deshalb erreicht sein von eigener Erfahrung, von Wissen, von Mitgefühl für das Leben anderer Menschen der Fremde so kompliziert mit Wirklichkeit aufgeladenes Denken über die Gegenwart von Krieg und Frieden, Flucht und Religion, dieses Niveau, das zur öffentlichen Rede berechtigt.
In die Freude an der Rückkehr des politischen Schriftstellers, wie sie in den letzten Wochen von vielen geäußert worden ist, kann ich nicht einstimmen. Gerade das Beispiel von Navid Kermani zeigt, wie voraussetzungsreich eine Autorschaft gemacht sein muß, wie vielfach gebrochen, marginalisiert, davon betrübt und zugleich euphorisiert, wie sehr, bei aller Kritik, weltbegeistert sie sein muß, daß sie sich die Rolle des politischen Schriftstellers, die auch besonders schön leuchtet, zutrauen darf."
"Sie haben es so gewollt. Sie haben dieses launige Stück in dieser sonderbar ausgelassenen Premierenstimmung an genau jenem Abend gewollt, mit dem eine rechtsradikale Partei drittstärkste Kraft im deutschen Bundestag wurde.
Das konnten sie zuvor so genau nicht wissen, aber sie wussten natürlich, dass es diese Partei ins Parlament schaffen wird. Und dennoch haben sie am Gorki Theater unerschütterlich gewollt, dass die Zuschauer am Wahlabend bester Dinge sein mögen.
Es war ihnen offenbar wichtig, die vielen knalligen Sätze in seifiger Ironie zu baden. Es kam ihnen augenscheinlich auf diese sofaweiche Selbstgerechtigkeit an, die über der gesamten Veranstaltung liegt. Sie wollten erkennbar nicht auf die schnellen Freuden des Rechthabens, das einfach erwirtschaftete Einverständnis, die Schenkelklopferatmosphäre verzichten.
Vielleicht wollten sie, dass einem beim Zuhören übel werde, dass man fassungslos vor diesem politisch naiven Theater-Etwas hockt. Dann darf das Haus diese 75 Bühnenminuten als Erfolg verbuchen.
Das will selbstredend alles sehr kritisch sein, ist aber Theater, das zu jeder Wirklichkeit schon eine Meinung hat, noch ehe es sich mit den Widersprüchen dieser Wirklichkeit befasst hätte."
www.berliner-zeitung.de/kultur/theater/flucht-auf-den-mars-sibylle-bergs--nach-uns-das-all--im-gorki-uraufgefuehrt-28483946
Macher, Kontakter, Analyst.. und die 4 Seiten einer Nachricht.. Das kann man der Blase von einer Verwaltung nicht oft genug mitteilen..
Zumindest ist es das gute Recht.. So lange man noch zuckt.. Schon die "Klassiker" schleppten sich so durch.. Hin zur hohen Kultur.. Hochgerühmt.. Auch in paradisischen Zeiten.. Papier ist geduldig.. am
Weiteren Platz für überquellenden Edelmut und eigene Verbesserungsvorschläge finden Sie hier: www.startnext.com/deutschlandwahl-2021-vorwahl
Auch zu Weihnachten stets ein prima Geschenk zum Beispiel als Untersetzer.. Nutzen Sie die vielen, vielen Möglichkeiten und das ist noch nicht alles.. Nur heute für.. Das hat es so noch nie gegeben..
Es ist wichtig, dass alle, die am Theater arbeiten- Gewerke, alle "hinter der Bühne", Künstler, einfach alle, in dem Intendanten / der Intendantin jemanden haben, der sich nicht nur für sie einsetzt, wenn es für ihn etwas positives- im Zweifel die Außenwirkung, tolles Stück, tolle Premiere, super Lesung mit Künstlern und den armen Flüchtlingen (sehr beliebt, wie Frau Berg passend sagt!)- als Ergebnis gibt, sondern auch nach innen- die Innenwirkung eines Hauses, wie wird mit den Mitarbeitern umgegangen? Was und wer ist mir an "meinem" Haus wichtig? Möchte ich für mein gesamtes Theater ein gutes Arbeitsklima? Zieht sich ein roter und gerechter Faden durch meine Art, mit den Mitarbeitern umzugehen? Streite ich mich nicht nur für "meine" Künstler, sondern auch für den Pförtner, den Reinigungsdiensd und wer sonst noch an einem Theaterhaus so arbeitet? Oder züchte ich mir durch Zugeständnisse lediglich einen kleinen Kreis an "Gefügigen" heran, um meinen "Hofstaat", der nicht revoltiert, bei Laune zu halten?
Dieser "persönliche Klüngel", der an Theatern viel mehr verbreitet ist als in anderen Bereichen- der wäre in diesem Zusammenhang auch mal zu hinterfragen- und da kommen wir dann wieder zurück zu dem von Sibylle Berg genannten König...
Und viel Wahres konnte ich in Ihrem Text erkennen. Dafür Danke, auch für die Deutlichkeit.
Nur im Schlusswort fehlt mir – subjektiv – die Prägnanz. Natürlich ist auch Theater manipulativ, eben auch weil innerhalb des Theaters manipuliert wird.
Wie kommt man da raus? Zum Beispiel indem man auch außerhalb des Systems, der Institution Theater existenziell gesichert ist. Kann so etwas möglich sein, Stichwort „bedingungsloses Grundeinkommen“ ?
Übrigens bezweifle ich, dass Frauen in Intendanz und Führungspositionen automatisch und immer gleich von „Ängste, Selbstzensur und Selbstausbeutung“ frei machen. Auch Frauen können Macht missbrauchen und auch Frauen können Angst haben.
Ergo: die Möglichkeiten es freiwillig zu tun, mit Lust und mit Laune es tun zu dürfen sollten mehr gefördert und mitgedacht werden. Das überträgt sich dann auch wieder auf´s Publikum.
All dieses Reden, dass immer nur dazu beiträgt, dass sich die Stimmung zwischen den Geschlechtern immer weiter verschärft, ist so weltfremd und wird dafür um so mehr bejubelt. Kein Wort wird darüber verloren, wie man konstruktiv den Frieden zwischen den Geschlechtern wieder herstellen könnte. Immer mit sanfter Gewalt voll auf die Zwölf, dieses Konzept ist in seiner Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit einfach nur ätzend und soll es natürlich auch sein. Es ist eine Konzeption, die schon für jede Form des Widerspruchs einen ausgearbeiteten Shitstorm bereit hält, damit sich im Verhältnis zwischen den Geschlechtern nur ja nichts wirklich ändert und alles beim Alten bleibt. - Auch Männer haben das Recht sich aus ihren traditionellen Rollen zu lösen und tun dies schon lange, vornehmlich im Kulturbereich. Wann kommt das endlich auch mal bei einer Frau Berg an? Wann hört sie endlich auf Menschen lediglich auf ihr Geschlecht zu reduzieren? Das hat was Manisches, Unwahres und muss deshalb unbedingt, zwanghaft aufrecht erhalten werden, damit die Debatte ja nur immer den selben schon eingeübten Verlauf nimmt. Da bleibt kein Spalt offen für Hoffnungsvolles, Positives, schon Erreichtes, außer es ist von Frauen gemacht worden. Diese Idealisierung des eignen Geschlechts ist einfach genauso reaktionär wie die gedachte Männlichkeit, die sie stur anfeinden will.
Da es ist dann egal, wie gut die andere Frau ihre Arbeit macht. Leider ist es unter Frauen- und das ist nicht zu leugnen, ich kenne einige Fälle- oft so, dass nicht die sachliche, berufliche Ebene eine Rolle spielt, sondern die als "typisch Frau" oft zitierte Stutenbissigkeit vorherrscht. Habe ich als Chefin ein Problem mit meinen Mitarbeiterinnen, weil sie z.B. jünger sind und im Zweifel besser aussehen? Sexismus im Verhältnis Frau-Frau. Auch das gibt es zu Genüge.
Auch wenn sowas nicht offen von der Frau geäußert wird, sondern von männlichen "Beobachtern" der Situation..Da hilft dann auch leider eine pro quote etc. Diskussion wenig..
Dazu gehörte allerdings, dass Frauen sich dort, wo sie es konkret wollen, auch um Führungspositionen entsprechend bewerben. Vorher können sie nämlich gar nicht wissen, ob sie in der Tat benachteiligt worden sind. Es geht nicht einfach um "IchwilleineFührungsposition", sondern ich will DIESE, an SO einem Haus, mit SO einer Belegschaft/Ensemble. Das wissen auch Männer m.E. zu selten. Aber Frauen scheinen mir das noch seltener zu wissen. Und es ist mir egal, warum. Sie erobern sich seit Jahrhunderten Berufe, die klassisch von Männern ausgeübt werden und ich finde da eine Zeitverzögerung in den Theaterberufen normal. Der ist auch mit Quoten nicht beizukommen. Für ihr Selbstbewusstsein müssen die Frauen im Verlauf ihres Lebens genauso selber sorgen wie die Männer auch. Niemandem ist mit Hätschelei geholfen. Man kann sich wehren, wenn man bei gleicher Eignung spürt - als Frau UND als Mann, dass einem "Steine in den Weg" gelegt werden, weil ein GeschlechteinegeradeideologischangesagteHautfarbeeinesexuellePräferenzeinAlter bevorzugt werden soll, wo es gar nicht um GeschlechtHautfarbeReligionSexAlter, sondern um Geist und um fachliche wie sachbezogene Skills geht. Man kann sich persönlich auseinandersetzen mit Leuten, von denen man berechtigt annehmen kann, dass sie einem Steine in den Weg legen aus persönlich-egoistischen Gründen, die für sie - bewusst oder unbewusst - schwerer wiegen als ihre Verantwortung für den (Theater)Betrieb.
Da es sich um einen Betrieb handelt, endet jedoch was das Alter betrifft, sinnvoll die Diskussion über einen Bewerber im Angestelltenverhältnis an der Markierung 65 Jahre. Denn es geht AUCH um einen Betrieb und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge zwischen Erwerbstätigkeit und Sozialsicherung. Niemandem über 65 ist verwehrt, seine Erfahrungen nach Erreichen des Rentenalters unebezahlt oder gegen Aufwandsentschädigung weiter zur Vefügung zu stellen. Und es ist dies auch kein unmenschlicher Vorschlag. Die gut verdienenden über 65jährigen machen sich auch keinerlei Gedanken darüber, dass sie jungen Menschen bedenkenlos deren Arbeitskraft für umsonst abfordern, damit ihr Laden läuft. Nirgends aber steht geschrieben, dass ein "Regie-Dramaturgie-Praktikant/Hospitant" nicht älteren Jahrgangs sein darf-
Schließlich: zu einem Intendanten, der unerreichbar wie ein König wirkt, gehören MitarbeiterInn, die sich selbst eher als devote DienstbotInnen denn als Mit-ArbeiterInnen verstehen.
netter Versuch, aber woher nimmt Frau Berg eigentlich ihre Zahlen? Und wo belegt Sie diese? Oder ist das alles nur Alltags- und Kantinenwisse?!
Wieso wählt man nicht einfach mal einen positiven Ansatz und beschreibt die Arbeit von Karin Baier, Barbara Mundel, Shermin Langhoff und anderen, statt das Theater als eine finstere männliche Gruft zu beschreiben? Und was soll bitte dieser unsinnige Seitenhieb auf Grass?
Und dann immer dieser Hinweis auf den Begriff "Projektion" . Das ist doch wirklich ein ganz alter Hut. Uh, der Mann kritisiert etwas an einer Frau, ja dann ist er aggressiv und projiziert und gehört in die Tonne. Das Weibliche ist aber nicht sakrosankt und ja, man darf Frauen kritisieren. Und ich sehe das eben nicht, dass Theater mehrheitlich von Frauen besucht wird, denen fast nur männliche Sichtweisen angeboten werden. Mit welcher Statistik wollen sie das begründen. - Die unzähligen großartigen Schauspielerinnen, die da Abend für Abend auf der Bühne stehen, alles nur Vertreterinnen einer männlichen Sicht!? Nein. Da blendet Frau Berg einiges zum Vorteil eines flachen, unbelegten Arguments aus.
Ergänzung, um Missverständnissen vorzubeugen: Ab 65 ginge es im Fall von Künstlerinnen, sprich SchauspielerInnen, ReisseurInnen, aus der Unkündbarkeit heraus natürlich in die Jahresvertragsverlängerungen bzw. ins prokektbezogene Engagement.
alle mit vorbehalten wie folgt:
WENN köck gelingt, auch bei aufhebung der durchgehenden kleinschreibung sinn-verschiebungen durch sprache KONKRET zu beherrschen.
WENN palmetshofer solange überschreibungen macht, bis er sich im zeitgenössischen sujet vom vers lösen kann.
WENN brunner gelingt, auf ihre ironischen hintertüren auch mal zu verzichten.
WENN lepper nicht an den roman verloren geht.
ein bis drei mittelalte ungespielte/unveröffentlichte autoren gingen auch, weil die noch wie neu sind. sogar ohne vorbehalte vllt.
www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2016/12/Frauen-in-Kultur-und-Medien.pdf