Neonröhren royal

von Katrin Ullmann

Hamburg, 18. Januar 2018. Der eine ist voller Tatendrang, der andere voller Heuchelei, der eine will Maria Stuart befreien, der andere will sie besitzen. Es ist eine der stärksten Szenen des Abends, wenn Neffe Mortimer und Graf Leicester einen irgendwie gemeinsamen Plan schmieden – angetrieben aus ganz unterschiedlichen Motiven.

Feuer und Flamme und mit angeblich ausreichend Gefährten brennt Wolf Gerlachs Mortimer in Mona Kraushaars "Maria Stuart" am Ernst Deutsch Theater für die Befreiungstat, seine Locken wirbeln wirr, seine Augen leuchten, seine Gesten sind begeistert fahrig. Man ahnt – falls man es nicht eh schon weiß –, dass dieser junge, zugereiste, zu leidenschaftliche und für Königshäuser viel zu unbedachte Mensch auf der Strecke bleiben wird.

Graf von Leicester hingegen ist souverän. Frank Röder spielt ihn mit gewiefter Lässigkeit. Erfahrung mit den Mächtigen spricht aus seiner abwartenden Körperhaltung, geschickt vereint er ausreichend Selbstbewusstsein mit einer leichten Schmierigkeit. Denn am Ende regiert bei ihm dann doch nicht die Liebe, sondern der Ehrgeiz und sein möglicher Platz auf dem Thron als Königin-Gemahl. Sei es nun an der Seite Elisabeths (Jele Brückner) oder an der von Maria Stuart (Julia Richter).

Königinnen-Konkurrenz

Durch Leicesters windige Liebe erscheinen die beiden Königinnen als Nebenbuhlerinnen, durch sie ist die Intrige des Stücks bedingt. Falsche Briefe, Heucheleien, Verrat und Verschwörung gehören zur Grundausstattung von Schillers 1800 uraufgeführtem Trauerspiel, in dem es um die schottische Königin und Katholikin Maria Stuart geht. Nach der Ermordung ihres Ehemannes sucht diese Zuflucht in England. Elisabeth I., Königin von England, ist eine Verwandte der Stuart. Da Maria Stuart aber selbst Ansprüche auf den englischen Thron erhebt und Elisabeth also um diesen fürchtet, wird Maria verhaftet und eingekerkert. Ein Gericht verurteilt sie zum Tode.

edt maria stuart 8340 560 Marcus Renner uEinsam auf kalt-schwarzer Bühne: Jele Brückner als Elisabeth © Marcus Renner

Doch Elisabeth zögert die Unterzeichnung des Urteils hinaus. Am Ende unterschreibt sie es doch und schiebt schleunigst die Verantwortung weg. Weder Mortimer noch Leicester, weder Elisabeths auffunkelnde Menschlichkeit, weder Paulets (Dirk Ossig) Schutz, Graf von Shrewsburys (Hartmut Schories) Drängen, noch das Zögern von Staatssekretär Davison – Daniel Schütter spielt ihn großartig als ergebenen, grünohrigen Neuling – können Maria bewahren.

Getaucht in erbarmungsloses Licht

Mona Kraushaar hat Schillers Stück in stark gekürzter Fassung am Ernst-Deutsch-Theater inszeniert. Und Katrin Kersten hat ihr dafür eine dunkelschwarze, kühle Bühne mit abschließender, dezent bespielter Projektionsfläche gestaltet. Ein paar Dutzend Neonröhren spielen hier die Hauptrolle und verbreiten ein erbarmungsloses, alle Figuren gleich machendes Licht. Mal hängen die Röhrenreihen kerkertief im Raum, mal heben sie sich in den Bühnenhimmel und lassen mächtige Thronsäle erahnen. Diese abstrakte, hoch ästhetische Setzung tut der Inszenierung gut. Sie zwingt zu Zeitlosigkeit, zur Konzentration auf Sprache und Handlung. Fragen von Angst und Macht, Schein und Sein werden offenbar und die beiden überzeugenden Hauptdarstellerinnen erledigen – fast wie nebenbei – auch das dauervirulente Thema 'Frauen in Führungspositionen'.

Kraushaar gelingen an diesem Abend sehr viele sehr konzentrierte Momente – jene berühmte Szene, die Begegnung der beiden royalen Rivalinnen im dritten Akt, gehört leider nicht dazu. Genau, unmerklich psychologisch und ausreichend menschlich ist Kraushaars Figurenzeichnung, klar, fast geometrisch sind ihre szenischen Arrangements. Mit dem Einsatz von Musik geht Kraushaar hingegen fahrlässig um: mal poppig, mal postmodern-barock, mal Krimi, mal Atmo, mal Sehnsuchtslied. Immer zu Szenenbeginn, plump illustrierend. Hier und auch in manch hyperventilierender Szene hätte man sich eine größere Ruhe, eine stärkere Behauptung, ein längeres Situation-Aushalten gewünscht.

 

Maria Stuart
von Friedrich Schiller
Regie: Mona Kraushaar, Bühne: Katrin Kersten, Kostüme: Wicke Naujoks. 

Mit: Jele Brückner, Claudiu Mark Draghici, Wolf Gerlach, Dirk Ossig, Julia Richter, Frank Röder, Hartmut Schories, Daniel Schütter, Georgios Tsivanoglou.
Dauer: 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause

www.ernst-deutsch-theater.de

 

Kritikenrundschau

Mona Kraushaar hat das Königinnen-Drama aus Sicht von Heinrich Oehmsen vom Hamburger Abendblatt (20.1.2018) in einer konzentrierten und klugen Fassung auf die Bühne gebracht. Es handelt sich aus Oehmsens Sicht hier um "die beste Arbeit, die sie bisher an der Mundsburg abgeliefert hat", was "dem Ernst Deutsch Theater einen Saison-Höhepunkt und Hamburgs Theatergängern einen Pflichttermin" beschere. Nicht nur Jele Brückner und Julia Richter brillierten in ihren Rollen, "das gesamte neunköpfige Ensemble glänzt".

 

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