nachtkritik-Theatertreffen 2018: das Ergebnis
Die Auserwählten
26. Januar 2018. Das virtuelle nachtkritik-Theatertreffen 2018 ist entschieden Die Leser*innen von nachtkritik.de haben aus den 38 Vorschlägen, die ihnen die nachtkritik-Autor*innen und -Redakteur*innen vorgelegt hatten, ein Tableau aus 10 Inszenierungen ausgewählt. Abgegeben wurden 11.966 Stimmen, im Vorjahr waren es 8.363. Das Ergebnis sind die folgenden zehn Inszenierungen in alphabetischer Reihenfolge (mit den Begründungen der Nominierung für die Leser*innen-Wahl):
"7 Minuten. Betriebsrat"
Video: Staatstheater Mainz 7 Minuten. Betriebsrat
von Stefano Massini
Regie: Carole Lorang
(Deutschsprachige Erstaufführung)
Koproduktion Théâtre des Capucins Luxemburg, Staatstheater Mainz
"Anatol"
Video: Landestheater LinzAnatol
von Arthur Schnitzler
Regie: Susanne Lietzow
Landestheater Linz
"Bilder von uns"
© Uwe Schinkel
Bilder von uns
von Thomas Melle
Regie: Henri Hüster
Wuppertaler Bühnen
"Das halbe Leid"
© Erich Goldmann Das halbe Leid
von Signa
Deutsches Schauspielhaus Hamburg
"Die Fremden / Der Kaufmann von Venedig"
Video: Theater MünsterDie Fremden / Der Kaufmann von Venedig
von William Shakespeare
Regie: Stefan Otteni
Theater Münster
"Die Zukunft reicht uns nicht ..."
Video: Schauspielhaus WienDie Zukunft reicht uns nicht (Klagt, Kinder, klagt!)
von Thomas Köck
Regie: Thomas Köck und Elsa-Sophie Jach
(Uraufführung)
Schauspielhaus Wien
Schlussapplaus nach der "Faust"-Premiere
Video: nachtkritik.deFaust
von Johann Wolfgang Goethe
Regie: Frank Castorf
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin
"Homohalal"
Video: Staatsschauspiel DresdenHomohalal
von Ibrahim Amir
Regie: Laura Linnenbaum
(Uraufführung)
Staatsschauspiel Dresden
"La Révolution #1"
Video: Theater MünsterLa Révolution #1
von Joël Pommerat
Regie: Stefan Otteni
Theater Münster
"Lenin"
Video: Schaubühne BerlinLenin
von Milo Rau
Schaubühne Berlin
Was zeigt das Ergebnis?
Mit der Publikumsabstimmung beim nachtkritik.de-Theatertreffen verhält es sich wie mit dem DFB-Pokal im Fußball: Es ist die Chance für mutmaßlich kleinere Vereine vulgo Theaterhäuser, aus der Tiefe des Raumes kraftvoll in die Spitze zu stoßen. Und dabei per Publikumsmobilisierung ein paar Platzhirsche rauszukicken (wie sie auf der Liste der Nominierten zu finden sind). Es sind regionale Häuser dabei, die auch in der Feuilletonwahrnehmung positiv von sich reden machen, wie Linz und Münster (letzteres doppelt nominiert, jeweils mit Arbeiten des bereits beim nachtkritik.de-Theatertreffen bewährten Regisseurs Stefan Otteni, und doppelt von den Leser*innen bestätigt). Mit Wuppertal konnte eine Bühne ihre Fans mobilisieren, die kulturpolitisch heftig geschrumpft wurde. Mit einem Abend aus der Feder des Romanciers und Erfolgsdramatikers Thomas Melle.
Überhaupt sind eher neue Autoren vertreten als Klassiker: neben Thomas Melle auch Thomas Köck (Wien), Ibrahim Amir (Dresden), Joël Pommerat (Münster), Stefano Massini (Luxemburg, Mainz) sowie Milo Rau und sein Team (Berlin).
Kaum überraschend ist das Auftauchen von Arbeiten, die kunstvoll die Grenzen zwischen Bühne und Publikum überschreiten und die mithin selbst schon auf starke Resonanzentfaltung über das eigentliche Theaterereignis hinaus angelegt sind. Die partizipative Erlebniswelt "Das halbe Leid" von Signa (Hamburg) bringt die Zuschauer als Mitspieler mit fiktiven Obdachlosen und sozial Abgehängten für eine Nacht zusammen und motiviert dabei einen nachhaltigen Austausch über die notwendig sehr unterschiedlichen Erfahrungen, die ein jeder in dieser Kunstinstallation macht. Die Diskurskraft der Signa-Arbeit war bereits in den Diskussionen im nachtkritik.de-Forum zu ermessen. Ähnlich steht es um den "Kaufmann von Venedig" aus Münster, wo Statisten in der Rolle von rechten Provokateuren aus dem Publikum heraus agieren und so mithelfen, die Diskriminierungsproblematik des Shakespeare-Stücks in neuer Weise lesbar zu machen. Auch über diese Inszenierungen gab es längere Auseinandersetzungen im Forumsbereich von nachtkritik.de.
Last but not least, die Berliner Volksbühne, Darling und Debattendauerbrenner auf nachtkritik.de. Den großen Schlussakkord der Intendanz von Frank Castorf, seinen frei komponierten "Faust" nach Goethe (und Emile Zola und zahlreichen anderen), trug die Wählerschaft des virtuellen nachtkritik.de-Theatertreffens ins Final-Tableau. Castorf, Milo Rau und Signa sind die Künstler*innen, die bereits beim Berliner Theatertreffen vertreten waren. Sie geben hier die Rolle des FC Bayern München oder der Borussia aus Dortmund, also der Dauer-Champions, die noch aus jeder DFB-Pokalschlacht irgendwie siegreich hervorgehen.
(chr)
Hier die Nominierungen, aus denen in diesem Jahr gewählt werden konnte, inklusive Nominierungsbegründungen.
Mehr zu den Gewinnern der letzten Jahre: Ergebnis 2017, Ergebnis 2016, Ergebnis 2015, Ergebnis 2014, Ergebnis 2013, Ergebnis 2012, Ergebnis 2011, Ergebnis 2010 und Ergebnis 2009.
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Lieber Statistiker,
wir haben uns in dieserm Jahr für die Präsentation eines Tableaus der zehn Inszenierungen mit den meisten Stimmen entschieden, ohne Abstufungen. Wie viele Leser*innen für die einzelnen Inszenierungen votierten, werden wir daher nicht preisgeben.
Herzlich
miwo / Redaktion
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Lieber Statistiker,
wir möchten, anders als in den letzten Jahren, die 10 Inszenierungen mit den meisten Stimmen als gleichwertige Gewinner nebeneinander stellen. Wer erster, zweiter, dritter ... ist, soll keine Rolle spielen.
Viele Grüße
miwo/Redaktion
Kleine Theater sind, anders als beim „großen“ Theatertreffen mal vorn.
Ich verstehe gut, dass sie keine Platzierung nennen, anders als beim letzten Jahr. Aber wieviele gesamt abgestimmt haben, würde mich schon interessieren.
(Liebe*r Hans Wegener, es steht im Vorspann: "Abgegeben wurden 11.966 Stimmen." MfG, sd/Redaktion)
ich würde gerne wissen, was die Ansprache "Liebe*r Hans Wegener," in Ihrer Antwort an Hans Wegener bedeutet. Ich habe diese Form Ansprache bisher noch nie und nirgends gelesen.
(Liebe*r Maria Mayer-Szilágyi, da man bei uns anonym kommentieren kann und wir unsere Kommentator*innen deshalb im Regelfall nicht persönlich kennen, schließen wir nicht von ihren Namen auf ihr Geschlecht. Mehr dazu hier: de.wikipedia.org/wiki/Gendergap_(Linguistik). MfG = mit freundlichen Grüßen, die ich jetzt auch Ihnen sende, sd = Sophie Diesselhorst / Redaktion)
ich habe 9 Inszenierungen gewählt, die ich gesehen habe und das nur einmal. Falle ich da aus Ihrer Rechnung? Fehlen immerhin 9 Stimmen in ihrem Plan. Die Neue Volksbühne habe ich nicht gewählt, obwohl gesehen. Egal. Hier geht es mir zu sehr um Rechnungen und Anzweiflungen derjenigen, die bestimmt auch nach ihrem System abgestimmt haben und nun enttäuscht sind.
Otteni dann Schalke 04? Wann wurde Dortmund eigentlich das letzte Mal Meister?