Machtmissbrauch am Theater - Der Regisseur Tim Tonndorf entgegnet dem Kritiker Michael Laages
Isso? IsNichSo. Es geht auch anders
7. Februar 2018. Das Theater ist ein undemokratischer Ort, sagt der Theaterkritiker Michael Laages. Die 60 Mitarbeiter*innen des Burgtheaters, die sich gegen Machtmissbrauch am Theater wenden, seien "naiv". Das will der Regisseur Tim Tonndorf von Prinzip Gonzo so nicht stehen lassen.
Von Tim Tonndorf
Isso? IsNichSo. Es geht auch anders
von Tim Tonndorf
7. Februar 2018. Als ich neulich Radio hörte, wurde mir nahe gelegt, meinen Beruf als Regisseur aufzugeben. Doch dazu später mehr. Zunächst möchte ich der laufenden Debatte um die Arbeitsbedingungen am deutschen Theaterbetrieb eine Regie-Perspektive hinzufügen. Neben Schauspieler*innen, die sich wirkungsvoll im Ensemble-Netzwerk engagieren (in welchem ich auch Mitglied bin), Intendant*innen und Kritiker*innen (wie unlängst Michael Wolf) fehlen mir öffentliche Positionen von jungen Regisseur*innen, insbesondere von solchen, die nicht zum arrivierten Metropolen-Karussell zählen. Bei der Frage nach erstrebenswerten Veränderungen in ihrem Arbeitsfeld halten sich gerade meine männlichen Kollegen seltsam bedeckt. Dabei ist für ein Umsetzen des Umdenkens gerade der Schulterschluss von Regisseur*innen und Schauspieler*innen essentiell.
Apropos Schulterschluss …
Michael Laages, landläufig gut beleumundeter Kritiker, wurde jüngst im Deutschlandfunk Kultur bezüglich des Briefes der 60 Mitarbeiter*innen des Burgtheaters befragt. Im Verlauf dieses Interviews wird deutlich, dass manche Theatermenschen die Schieflage der Arbeitsbedingungen an deutschen Stadttheatern derartig internalisiert haben, dass sie nurmehr schräge Dinge von sich geben.
Das Hauptargument, welches Laages gegen das Streiten für eine Abschaffung eines Systems von Despotie, Machtmissbrauch, Chauvinismus, hetero-normativer Deutungshoheit und Sexismus ins Feld führt, lautet in nuce: "Isso!" Bei Minute 04:34 ist's deutlich zu vernehmen:"Das isso. Das kann man gerne ändern wollen aber bislang isses so." Als Kind habe ich gelernt: "Isso!" heißt "Ich schrei sonst!". Aber da niemand Laages widerspricht, schreit Laages auch nicht. Ich möchte auch gar nicht, dass Laages schreit, dennoch möchte ich dringend widersprechen. "Isso" darf kein unangefochtenes Argument in dieser Debatte sein. In keiner Debatte. "Isso" ist die saloppe Zwillingsschwester der "Alternativlosigkeit" und wo uns die hinführt, spüren wir gerade weltweit. "Isso" kündet vom geschlossenen Weltbild. "Isso" issowas von undemokratisch.
Apropos Demokratie …
Eifrig bemüht sich Laages, die Belange von Menschen, die dafür aufstehen, dass die Arbeitssituation in ihren Berufen verbessert wird, paternalistisch klein zu reden. "Ganz ganz groben Unfug" nennt er die Kritik daran, dass ein regieführender Intendant mehrere Machtpositionen in sich vereint. "Verwaltungsleute" seien keinesfalls die bessere Wahl für die Führung eines Hauses. Dass es im Spektrum zwischen dem Regisseur/Intendanten-Hybrid und den "Verwaltungsleuten" noch weitere Kandidat*innen gäbe, um das "Profil von Häusern zu formen" (Intendant*innen, welche Schauspieler*innen waren/sind; ehemalige Regisseur*innen, welche am eigenen Haus nicht inszenieren; kollektive Strukturen; etc.) lässt Laages völlig außen vor.
Es folgt dann eine gekonnte Überleitung zur Person Matthias Hartmann, welcher sogleich mit Begriffen wie "Stiesel" und"Ungustl" beschirmt wird. Es scheint ein Reflex zu sein, das menschenverachtende Verhalten von Männern in Leitungspositionen nach bestem Wissen kreativ zu euphemisieren. Jemand, der seine Mitarbeiter*innen wiederholt rassistisch, sexistisch oder homophob angeht - bzw. deren Kündigung als Machtinstrument benutzt - ist kein Flegel oder Unsympath. Er ist ein untragbares Arschloch.
Wann hören wir auf, diese seltsam protestantisch-deutsche Haltung von "Wer arbeitet, muss leiden!" zu reproduzieren? Gerade beim Schauspiel-Beruf existieren ohnehin genug Vorbehalte innerhalb der öffentlichen Wahrnehmung. Die haben sich ihren Beruf doch selbst ausgesucht! Die wussten doch, was auf sie zu kommt! Als Künstler weiß man, dass man brotlos bleiben und sich vom Applaus zu ernähren hat! Das ist eben der Preis dafür, wenn man unbedingt seinen Traum leben will! Das ist halt so am Theater! Das war schon immer so! Yadda, yadda, yadda … Ein von Menschen gemachtes und gewolltes, kontingentes System wird zum Naturgesetz erhoben.
Apropos Fehlverknüpfung …
Besonders bedenklich finde ich, dass Michael Laages in Sachen Arbeitsbedingungen einen künstlerischen Gegenstand (z.B. den Inhalt eines Stückes) mit dessen Produktionsbedingungen in einen Topf wirft. Weil in einem Jelinek-Text die "Übersexualisierung unerhört präsent" ist, besteht kein großer Unterschied zwischen dem geschmacklosen Stück und Hartmanns geschmackloser "Übersexualisierung von Witzen" (Spermaschlucken vs. Diät)? Heißt das, wenn es in einem Stück um Gewalt geht, darf ich als Regisseur mit Gewalt auf der Probe reagieren? Wenn es um Rassismus geht, darf ich all meinen unterdrückten Ressentiments auf der Probe mal so richtig freien Lauf lassen? Wenn ich als Spieler*in so einem Stück besetzt werde, muss ich es aushalten, dass der Kollege Regisseur dann auch immer dementsprechend "reagiert"?
Diese von der Moderatorin vorsichtig gestellte Rückfrage beantwortet Laages nicht - er poltert drüber weg. Er proklamiert, man könne das dann ja "sagen", wenn man sich "beleidigt fühlt", und dann werde man auch nicht entlassen, "auch bei Matthias Hartmann fliegt man dafür nich raus. Nein!"
Diese völlige Ignoranz gegenüber Machtzusammenhängen gerade am Theater und auf einer Probe ist hochgradig alarmierend. Woher kommt die Hybris, andere Menschen zu maßregeln, was sie von ihrem Beruf zu erwarten und wie sie ihn auszuüben haben? Wenn man selbst diesem Beruf überhaupt nicht nachgeht? "Unerhört naiv" seien die Vorwürfe der "Menschen und Menschinnen". Der Wunsch nach einer "Inszenierung als Ponyhof" wird
unterstellt. Der Wunsch, am eigenen Arbeitsplatz wie ein menschliches Wesen auf Augenhöhe behandelt zu werden, ist jetzt also Ponyhof? Menschen, die den Mut haben, in einem inzestuös verklüngelten und mit Vitamin B auf lebendig gespritzten System mit ihren Namen für Veränderungen einzustehen, als naive und verweichlichte Querulanten hinzustellen, ist schon ein starkes Stück. Zumal das Ensemble-Netzwerk schon seit seiner Gründung beklagt, dass von den großen Häusern beinahe niemand je den Mund aufmacht …
Apropos große Klappe …
Schließlich schiebt Laages seine argumentative Dicke Berta ins Feld: "Es gibt kaum Inszenierungen von wirklicher Qualität, [es folgt eine Liste männlicher Regie-Granden] in der irgendwann mal nicht irgendjemand gedeckelt würde." Und an dieser Stelle wurde mir klar, dass ich meinen Beruf aufgeben sollte. Denn ich möchte das nicht. Ich möchte niemanden auf der Probe deckeln, weder intellektuell noch körperlich noch emotional. Ich möchte die
Schöpfung eines Kunstwerks nicht erreichen durch die Herabwürdigung der Menschen, die mit mir gemeinsam schöpfen. So wird es mir und anderen Regisseur*innen meiner Generation also verwehrt bleiben, Inszenierungen von "wirklicher Qualität" zu schaffen.
Ich habe als Hospitant seine Majestät Claus Peymann, der "auch nicht wirklich ein Gemütlicher war", eine Spielzeit lang live erleben dürfen. Ich wurde dauerhaft angeschrien und gedemütigt. Ansagen wie "Mach, du Arschloch!" waren an der Tagesordnung. Auch den Satz "Verschwinde aus meinem Theater sonst mache ich Dich fertig!" durfte ich hören. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was die anderen (bezahlten) Mitarbeiter*innen des Hauses täglich zu hören bekamen. "Sie sind hier um das zu tun, was ich Ihnen sage, sonst können Sie sich augenblicklich Ihren Vertrag abholen." Das hatte nichts mit "groß, durchsetzungsstark und ungeduldig" (Matthias Hartmann) zu tun. Da entäußerten sich pathologischer Narzissmus und Selbstüberschätzung gepaart mit Machtbrunst in psychischer Gewalt.
Und das passiert jeden Tag, Land auf Land ab auf und hinter deutschen Bühnen. Und wird noch mit dem Glanz des Genialen verklärt. Und ein Michael Laages setzt sich ins Radio und spricht von Naivität und Ponyhof. Und bricht die äußerst differenzierten Standpunkte der 60 Unterzeichner*innen des Burg-Briefes herunter auf die"Erwartung purer Demokratie". Das Theater sei "ein feudalistischer, nicht-demokratischer Ort. Das isso."
Apropos Ausleitung ...
Ich möchte an dieser Stelle aus der jungen Provinz-Regisseur-Sicht mitteilen: Es geht auch anders. Wirklich. Ich möchte meine Kolleg*innen aus dem Regie-Fach dazu ermuntern, sich zu positionieren. Damit weiter debattiert werden kann. Damit eine neue Generation nachwächst, welche sie ablöst, die Steins und Peymanns und Hartmanns und Castorfs und die vielen ungenannten Teilnehmer am sausage-fest im Betrieb, die sich auf dem Künstler-Nimbus ausruhen - dem gesellschaftlich akzeptierten Freibrief für menschliche Verfehlungen aller Art. Man kann ohne den ganzen Macht-Mist traumhaftes Theater produzieren, welches die Menschen, die es erschaffen, erfüllt, und die Menschen, die es betrachten, bewegt. Dass ein Michael Laages das dann vielleicht nicht zu Gesicht bekommt, bleibt sein eigenes Pech.
Tim Tonndorf, Jahrgang 1985, ist freier Regisseur und Mitglied des Theater-Kollektivs PRINZIP GONZO. Sein Wunsch für das Theater der Zukunft: Einfach schön arbeiten!
Meldung: Neue schwere Vorwürfe gegen Dieter Wedel (25.1.2018)
Meldung: Offener Brief gegen Machtmissbrauch am Burgtheater (3.2.2018)
Presseschau: Matthias Hartmann antwortet auf Vorwürfe (3.2.2018)
Presseschau: In der Zeit denkt Peter Kümmel über Intendantenwillkür nach (8.2.2018)
Presseschau: Corinna Kirchhoff in der FAZ über Missbrauch und Missachtung (9.2.2018)
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Ich habe Fragen an sie:
Warum waren Sie eigentlich so lange Hospitanz bei Peymann, wenn der so arschlochmäßig mit Ihnen umgegangen ist?
Denken Sie, andere Menschen möchten nicht ihren eigenen "Traum" leben und nur Sie haben verdient, es zu tun? Weil Sie als Kind gelernt haben, dass "Isso" gleichbedeutend mit unveränderbar ist?
Haben Sie ihm, also dem Peymann, damals die Meinung gegeigt?
Als Hospitanz hat man ja Einfluss, wenn man Zeuge ist, dass Theaterleute, die anders als man selbst in einem Vertragsabhängigsverhältnis stehen, arschlochmäßig behandelt werden!!!
Warum haben Sie sich das nicht verbeten, sowas miterleben zu müssen? - Sie hatten da doch noch gar keine Karierre und also auch nix zu verlieren?! Und Sie haben ihm trotzdem nicht die Meinung gegeigt? - Das zumindest unterscheidet uns - Ich habe. Und ich war nicht einmal Hospitanz. Inszenieren Sie also einmal eine zeitgenössische Dramatik mit durchschlagendem Erfolg und dann schreiben Sie das alles hier noch einmal. Und dann glaube ich Ihnen alles was Sie sagen sofort aufs Wort. Und so lange Sie das nicht getan haben, hat der Laages für mich ein gutes Stück recht mit dem was er sagt. Wenn auch m.E. an anderen Stellen, als er vielleicht denkt...
Beschränkt sich die Gesellschaftskritik auf eine Me-Too-Debatte, die in ihrer undemokratischen Intoleranz kaum zu überbieten ist, und die offensichtlich darauf abzielt, jede Erotik von der Bühne zu verbannen und Frauen als Opfer zu stilisieren, für die man sprechen muss und die man schützen muss, da sie selbst nicht dazu in der Lage sind?
Es ist großartig, dass Sie, Herr Tonndorf, traumhaftes Theater produzieren und offenbar die geeigneten Bedingungen dafür haben, aber warum müssen Sie dann andere gleich als Arschloch beschimpfen?
ich wünsche, dass bei
" Ansagen wie "Mach, du Arschloch!" waren an der Tagesordnung. Auch den Satz "Verschwinde aus meinem Theater sonst mache ich Dich fertig!" durfte ich hören. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was die anderen (bezahlten) Mitarbeiter*innen des Hauses täglich zu hören bekamen. "Sie sind hier um das zu tun, was ich Ihnen sage, sonst können Sie sich augenblicklich Ihren Vertrag abholen."
ALLE kollegen die probebühne verlassen - als zeichen des wissens, dass es sie selbst so treffen könnte ...
solange konkurrierende und ängstliche oppoturnisten die mehrheit darstellen, werden die "peymanns" auf ihrem thron sitzen bleiben.
wichtig wäre auch eine viel deutlichere stimme der "Khuons" bzw. aller schweigender "autoritäten" auf augenhöhe - auch wenn dies als traditioneller tabu-bruch mut und überwindung kostet. jedoch sollten sie zumindest dringend mal gründlich darüber nachdenken ...
Wann, endlich, meldet sich eigentlich der Interessenvertreter der Intendanten, der Deutsche Bühnenverein, zu Wort?
@Rust: Warum fühlen Sie sich denn so fürchterlich persönlich angegriffen?!
Ich habe keine Lust darauf, mir von ausgebeuteten und gedemütigten Darsteller*nnen was von der Ausbeutung und Demütigung in der kapitalistischen Welt erzählen zu lassen. Ich hab auch keinen Spaß an der Musik katastrophal unterbezahlter Musiker*innen. Brauchen wir ein "Künstlerwohl"-Label? Oder einfach doch mal normalen Anstand.
Diese Leistung berechtigt Claus Peymann selbstverständlich nicht dazu, sich in Probenprozessen wie von Tonndorf beschrieben aufzuführen. NICHTS berechtigt irgendjemanden dazu. Aber es ist fachlich trotzdem eine Leistung, die einen Regisseur, der diese Leistung nicht aufzuweisen hat, auch nicht dazu berechtigt, Peymann öffentlich einfach ein Arschloch zu nennen.
Wenn er es selbst Peymann gegenüber persönlich getan hat - nun gut, da hat dann einer Mumm gehabt und steht auch Aug in Aug gegen jemanden für seine andere Haltung zum Umgang mit Mitarbeitern ein... So aber ist das einfach nur billig, schmutzige Wäsche als Medienfutter aus Profilierungssucht... Und DAS ist politisch.
Und das gilt - wo wir schon dabei sind - auch für diesen Burgtheater-Brief. Den haben schließlich erwachsene Menschen geschrieben und unterschrieben. Keiner hatte den Schneid zu schreiben: „Wir haben jetzt das erste Mal eine Frau als Burgtheaterdirektorin gehabt und damit in vielerlei Hinsicht bessere Erfahrungen gemacht als mit den bisherigen Männern in dieser Funktion. Wir wollen keinesfalls hinter diese Erfahrungen wieder zurück! Frau Bergmann hat für ein gutes Miteinander aller Theatermitarbeiter gesorgt und einen Austausch zwischen uns ermöglicht, den es früher nicht gab. Sie hat uns zuversichtlich gestimmt, dass es am meisten an uns selbst liegt, ob wir als Burgtheater wieder im Vergleich der großen deutschsprachigen Bühnen künstlerisch eine eindeutige Spitzenposition erlangen können…“ Haben sie aber nicht. Auch Kirchhoff und Orth nicht. Sie haben statt die Frau als Vorbild öffentlich und konkret zu loben lieber mit unappetitlich konkreten Beispielen auf Hartmann persönlich rumgehackt. Auf keinem andern. Nur auf Hartmann. Und das ist auch billig. Noch dazu von Leuten, die gut bezahlt werden und gern weiterbeschäftigt sein wollen unter Kusej, der schließlich Leute mitbringen wird… gewiss supermutig!
Müssen nur noch die Steins, Peymanns, Hartsmanns und Castorfs weg und durch die guten Tonndorfers ersetzt werden. - Das war und ist immer einer der schlimmsten Momente, wenn sich die mediokren Lieben gegen die Bösen in Stellung brachten und bringen, um sie abzulösen. Nur, sie lösen keinen von den Herren ab. Stein ist siebzig und hat vor gar nichts mehr zu machen, außer auf seinen Tod zu warten. Und er ist alles andere als ein Peymann gewesen. Im Gegenteil, unter seiner Ägide wurde Peymann der Zutritt zur Schaubühne wegen seines Regiestils verweigert. Schon damals erkannte man dort das Despotische und Narzisstische. Da sind Sie wirklich nicht der Erste. Etwas theatergeschichtliche Kenntnisse können in der Differenzierung hilfreich sein. Peymann ist jetzt über achtzig und in Rente. Er wurde von Reese abgelöst. Soviel zu der Historie. Er hat übrigens zum Zeitpunkt ihrer Geburt seine besten Inszenierungen in Bochum gemacht. Charakterlich richtig zugerichtet wurde er durch Wien und die dortigen Machtverhältnisse, oder den ganzen Macht-Mist, wie Sie es nennen. Nun ist es meine Sache nicht Peymann zu verteidigen, dessen Untugenden ich schon vor fast dreißig Jahren in einer Szene karikierte. Aber ich ziehe eine historisch genauere Einordnung ihrer Subjektivität vor.
Hartmann und Castorf haben ihre Intendanzen schon verloren und beide mehr oder weniger an Frauen abgegeben. Soviel Zeit muss dann doch sein.
Wussten Sie eigentlich das man Ruth Berghaus auch den „Feldwebel“ nannte? Oder haben Sie schon mal ein wenig den Regiestil von Andrea Breth recherchiert. Ich hätte Ihnen übrigens empfohlen bei ihr eine Hospitanz zu machen, obwohl sie als extrem streng gilt. Strenge ist ein gutes Mittel und führt hin und wieder zu traumhaften Inszenierungen, ja geradezu zu Theaterwundern, wie beispielsweise „Süden“ in der Inszenierung von Breth in Bochum.
Was ich Ihnen sagen will: Daraus, dass einige sich wie „Arschlöcher“ benehmen, wie Sie es nennen, lässt sich noch kein neuer Regiestil, keine neue Handschrift ableiten. Und nett und lieb allein ist nicht abendfüllend, und traumhaft, ja so empfindet sich auch die Traumfabrik Hollywood.
Es ist völlig klar, dass, wenn Uma Thurman oder Salma Hayek die Aufnahmen der Endproben von Castorf zu „Judith“ sehen würden, sie ihn wohl nur leise belächelten und nie bei ihm arbeiten würden. Darüber muss man nicht streiten.
Wohl aber über Ihren Begriff von „Machtfreiheit“. Denn den wird es wohl nicht so einfach geben. Natürlich kann man jedes Theater von innen her verriegeln und nur denen Zugang gewähren, die einem genehm sind. Nur das haben die von ihnen kritisierten auch weitgehendst so gehalten. Heute geht es um Öffnung, Diversität, Durchlässigkeit. Und um die gut zu organisieren und wirklich zu leben, wird es weiterhin, auch unangenehme, Machtkämpfe geben, gerade jetzt, wo die AFD dabei ist sich zu etablieren, da ist schon etwas mehr Kampf angesagt. - Das Problem besteht eben auch darin, dass die Generation des Regietheaters antrat, um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern und aus dieser Rebellion wurde eine narzisstische, despotische Pose, die dann weiter tradiert wurde und zu einer gewissen Dekadenz führte. Das kann jeder Zeit wieder geschehen. Und auch damals wurden schon alternative Regiestile debattiert. Sie konnten sich eben in dem immer merkantiler werdenden Markt nicht wirklich durchsetzen.
Und so habe ich auch bei Ihrem traumhaften „Paradies“ so meine Zweifel. Sie müssten schon ihren Stil genauer beschreiben und die Spielweise, die Sie entwickeln wollen, um glaubwürdig zu vermitteln, wie sich unter Ihrer Regie die Verhältnisse ändern. Und vor allem müssten Sie verdeutlichen, wie Sie ihre Spielweise frei von jedem Druck realisieren wollen, denn der Druck kommt ja nicht nur von Innen, er kommt hauptsächlich von Außen. Wie wollen Sie mit diesem Außen umgehen?
Natürlich sind die Verhältnisse nicht mehr so hart, wie zur Zeit der Umsiedlerin-Affäre 1961, meinem Geburtsjahr, wo Heiner Müller auf Geheiß von Helene Weigel, einen Widerruf im Brechtzimmer am BE schrieb, mit dem Hinweis von ihr: „Du darfst nichts erklären, nichts entschuldigen. Du bist schuld, sonst hat es keinen Zweck.“ Aber was nun historisch auf uns zu kommt, erfordert vielleicht etwas mehr Kampfgeist, außer: „Es geht auch anders.“ Denn das wissen wir schon. Ich erzähle diesen historischen Moment, damit Sie sich einmal ein Bild davon machen, welche Widerstände der Generation gegenüberstanden, die Sie nun so flugs ablösen wollen. Womit eigentlich?! Und ich würde gerne einmal von Ihnen wissen, was Sie so denken, was denn da politisch auf Sie/uns zukommt und ob Sie tatsächlich glauben, dass das im Theater sowohl nach außen, wie intern, ohne Machtkämpfe ablaufen wird.
Helene Weigel erzählte Müller übrigens, dass sie Brecht, um ihn aufzubauen einen kleinen mechanischen Esel geschenkt hätte, der, wenn man ihn aufzog immer kopfnickend Ja sagen konnte. Ich glaube, dass sich damals niemand vormachte, dass es am Theater, auch intern und in der Arbeitsweise, ohne Machtkämpfe zugehen kann. Und nach meinem Verständnis geht es nicht darum die Macht rigoros abzuschaffen, sondern darum, den Umgang mit ihr wieder einmal zu reformieren, damit wir nicht zu Ja sagenden Eseln im Betrieb verkommen. Wie das genau funktionieren sollte, vor allem in seiner Außenwirkung konnten Sie mir noch nicht genau verdeutlichen. Traumhaft ist mir da ein wenig zu vage.
Ich habe einmal mit einem "Großen" gearbeitet. Eine kleine Rolle. NATÜRLICH freiwillig. Was für eine Chance! Ich kam frisch von der Schauspielschule.
Ein Kollege wurde vom inszenierenden Genius übel schikaniert, bis ihm die Tränen kamen. Ich habe die Probe mit ihm verlassen, wollte diese Art von Demütigung nicht . Am nächsten Morgen stand eine verdruckste Hospitantin vor der Probebühne und teilte mir mit, dass meine Rolle gestrichen wurde. Fein, wie Kollegen und Dramaturgen mich instantan schnitten. Eine gute Woche später, erfuhr ich dann, dass in einer Inszenierung, für die mir in der Spielzeit eine tragende Rolle zugesagt wurde, umbesetzt worden war. Ich durfte stattdessen in einer Kinderinszenierung auftreten, mein Vertrag wurde selbstredend nicht verlängert.
Der betreffende Regisseur trat als er mich in der Kantine sah nochmal mit Schmackes nach und demütigte mich vor Ensemblemitgliedern, die herzlich lachten oder sich wegguckten.
Es kam übrigens nicht mehr dazu, dass ich im Kindermärchen auftrat. Nach einem Nervenzusammenbruch verbrachte ich das nächste halbe Jahr in einer psychiatrischen Einrichtung, machte danach eine Umschulung zum Gartenbautechniker.
Spotten Sie nur über ein Sensibelsten wie mich. Gut, dass die Spreu vom Weizen getrennt wird, hm?
Apropos spotten: Das Mitbestimmungsmodell der 2000er Schaubühne habe ich damals belächelt und als naiven oder PR-gesteuerten Mummenschanz belächelt. Wie falsch ich lag.
Ps. Was die Behandlung von Technik, Souffleusen/Souffleuren und Assistenten (Von Hospitanten ganz zu schweigen - die von 9 Uhr früh bis 23 Uhr arbeiten und weder einen Pfennig noch ein freundliches Wort zu hören bekommen) angeht: Die sind doch grundsätzlich "dumm" und "unfähig", dürfen in der Kantine gerade noch am Katzentisch sitzen.
nur um es nochmal zu bekräftigen: dass Peymann alle diese inszenierungen und die Dramatiker auch hervorgebracht hätte, ohne in diesem Prozess des Schaffenns Hospitanten und Mitarbeiter zu beschimpfen, sehen Sie genauso, oder?
Man kann großer Regisseur sein UND grundlegende Manieren haben. Dann kann man auch sagen: Respekt.
1. fragt mich also Freitag, 2.2., kurz nach der Tagesschau, die Redaktion von Deutschlandfunk Kultur, ob ich was sagen könnte zu einem Text, den die österreichische Zeitung "Der Standard" kurz nach 18 Uhr ins Netz gestellt hat, als Vorveröffentlichung für den Tag danach. Ich kenne den Text nicht, bekomme von der Redaktion den Link gemailt und lese. Ich ärgere mich ein wenig über die "Standard"-Poesie, die überwiegend die Skandale um Matthias Hartmann von vor vier Jahren wiederkäut, lese dann natürlich auch die Erklärung aus dem Burgtheater selbst, rufe die Redakteurin zurück - und warne sofort, dass ich weder Zeitungsveröffentlichung noch Ensemble-Statement so richtig überzeugend finde. Ich weise auch darauf hin, dass ich den Regisseur Hartmann vor bald 25 Jahren in Hannover kennen gelernt und einmal als Dramaturg mit ihm gearbeitet habe. Die Redaktion akzeptiert beides. Die Tätigkeit mit Hartmann wird erwähnt im Live-Gespräch, das kurz nach 23 Uhr in der Sendung "Fazit" stattfindet und offenbar am Tag darauf in Teilen wiederholt wird. - Ich benutze in diesem Gespräch den polemischen Begriff vom "Ponyhof" (der das Theater nicht ist ...), um eine der Positionen der Ensemble-Erklärung zu kritisieren; in einem sorgsam ausformulierten Kommentar hätte ich das eher nicht getan.
2. besuche ich am 3.2. in Düsseldorf Hartmanns Premiere "Lazarus", bei der ich ein paar erste Reaktionen auf den Vorgang erhalte; übrigens positive, was meine Kritik an der Erklärung betrifft. Sonntag poste ich im Facebook-Account des Kollegen Falk Schreiber noch einmal in dieser Sache, was mir von der Münchner Kollegin Christine Dössel den Titel "nur noch peinlich" einträgt. Dienstag verständige ich mich mit ihr dahin gehend, dass wir übereinstimmend meinen, die Ensemble-Erklärung sei wohl auch als Warnung an den künftigen Burgtheater-Chef Martin Kusej zu verstehen. Das Maß der Debatte darüber hinaus nehme ich erst jetzt zur Kenntnis.
3. bin ich in zwei Punkten nach wie vor der Ansicht, dass die Ensemble-Erklärung falsche Richtungen einschlägt und darum Kritik verdient; übrigens vor allem dort, wo es gar nicht in erster Linie um die Position des einstigen Intendanten Hartmann geht. Ich finde es fatal, die Doppel-Funktion von Intendanz und Regie anzugreifen; als bringe die automatisch das beschworene "Klima der Angst" mit sich. Auch bei Karin Beier, auch bei Barbara Frey, auch bei Anna Badora, auch bei Dagmar Schlingmann (in Braunschweig, vorher in Saarbrücken und Konstanz)? Sicher nicht. Es gab eine Zeit, wo plötzlich nur noch Verwaltungskünstler Intendanten wurden, darunter Glücksfälle wie Frank Baumbauer, aber eben auch Unglücksfälle, die den Wunsch nach Regie führenden Intendanten (und -innen) zurückkehren ließen. Ich bin weiter der Ansicht, dass eine Intendantin oder ein Intendant Regie führen soll, vielleicht sogar muss, um ein Theater wirklich prägen zu können.
4. (und das hat ja die massivste Aufregung hervorgerufen) fand und finde ich die durch die Wiener Erklärung wehende Sehnsucht nach einem strukturell schmerzfreien Stadt-/Staatstheater in der Tat "naiv". Weiter wird in Betrieben mit festen Ensembles die Notwendigkeit bestehen, zum 31. Oktober (oder bei Intendanzwechseln) Nichtverlängerungen auszusprechen; auch mit der Option, dass sich vielleicht doch noch eine Produktion abzeichnet, in der die oder der Nichtverlängerte weiter arbeiten kann. Das ist alles sehr unerfreulich, meistens für alle Beteiligten - aber wie ist es vermeidbar?
5. endlich zur "Demokratie" ... funktioniert ein künstlerischer Betrieb wie das Theater nach Art einer Stahl- oder Autoschmiede: also "mitbestimmt" in verschiedenen Gremien? Oder ist es ein aus erst feudaler und dann bürgerlich gewendeter Zeit überkommenes Konstrukt, in dem es zwar auf unterschiedlichsten Ebenen möglichst viel Gespräch und Debatte gibt über das zu erarbeitende Produkt, die Struktur der Entscheidungen aber letztlich nicht den Begriff "Demokratie" rechtfertigen oder gar einlösen? Die Antwort ist so banal, dass ich wirklich nicht verstehe, wie der Hinweis auf den genuin "undemokratischen" Raum, der das Theater ist, so viel Aufregung verursacht. Auch die Frankfurter und Berliner Erfahrungen und Ergebnisse "mitbestimmter" (also etwas demokratischerer) Theater in den vergangenen Jahrzehnten sind bekannt. Natürlich kann jeder und kann jede neue Formen des strukturellen Umgangs miteinander (mit allen!) suchen und propagieren, und im Theater ohne die komplizierten Vertragskonstruktionen staatlich geförderter Institutionen könnten sie leichter zu erreichen sein. Aber ist das dann auch so? Dabei gibt's doch wirklich niemand, der sich nicht möglichst kommunikative Kollegialität im gemeinsamen Prozess der Kunstproduktion wünschte ... aber "Demokratie"? Schon was Kunst überhaupt ist, und erst recht was "künstlerisch wertvoll" ist, wird nicht demokratisch entschieden. Zum Glück. Es gibt andere, weniger "kollegiale" Arten, Theaterkunst herzustellen; die erwähnten Namen der "Berserker" stehen dafür. Ich finde, wir sollten uns im aktuellen Bemühen um weniger Gewalt und weniger Macht (auch ganz ohne "Missbrauch") nicht verleiten lassen, die Abweichung zu ächten, oder gar zu verbieten. - Das Theater "Os Satyros" in Sao Paulo war gerade mit einem Theater-Wagen im Straßen-Umzug beim lokalen Carnaval unterwegs; Motto des Wagens: "E proibido proibir"! Es ist verboten zu verbieten.
und noch was... ... sehr geehrter Herr Tonndorf: Bloß nicht den Beruf aufgeben. Die Ergebnisse sehe ich bestimmt.
zunächst zu Ihren konkreten Fragen in #1.
Ich habe CP deshalb nicht die "Meinung gegeigt", weil ich 19 Jahre alt und – ja – ein Angsthase ohne Ahnung vom Theaterbetrieb war. Gerade von der Regieschule abgewiesen hatte ich die Möglichkeit bei DEM Mythen-umrankten Peymann zu hospitieren. Ihm nicht offen zu widersprechen hatte ganz simpel mit Angst zu tun. So banal. Die Angst eines Teenagers vor einem riesigen, lauten, mächtigen Berserker. Dieselbe (möglicherweise irrationale) Angst, die Menschen ständig davon abhält, Menschen in ihnen übergeordneten Positionen zu widersprechen. Dieselbe Angst, welche Schauspieler*innen, Techniker*innen und alle anderen leider meist zurückhält. Und Einfluss als Hospitant? Als Fußabtreter des Betriebes? War mir damals nicht bewusst … ehrlich nicht. Ich hatte natürlich keine Karriere zu verlieren, aber so rational war ich in diesen Momenten halt auch nicht. Ich habe damals ja gerade geglaubt: Das isso! Das muss so! Das muss ich jetzt aushalten! Thea Dorn hat in einem Interview am 10.11.17 zum Thema #metoo (ebenfalls Deutschlandfunk Kultur) gesagt: "Kinder, das gehört zum Erwachsenwerden, das gehört, um in dieser Welt zu überleben, dass man eine gewisse Abwehrkraft entwickelt." So dachte ich damals wirklich, glaube ich. Heute sehe ich das komplett anders. Heute finde ich das in diesem Zusammenhang einen verheerend fahrlässigen Satz! Heute (mit 32) würde ich mir das nicht mehr gefallen lassen. Das wurde für MICH zum Teil des Erwachsenwerdens – für die eigenen Prinzipien einstehen! War mir aber als 19jähriger noch unmöglich. Dass Sie, liebe Rust, das damals konnten (wie alt waren Sie?), finde ich ehrlich bewundernswert! Diese Charakterstärke ist leider nicht jeder/jedem vergönnt. Ich kann nicht für erwachsene Menschen sprechen, ich spreche betont vom Teenager Tonndorf – weil sie nach dem fragten. Ich vermute allerdings, dass es (leider) vielen Menschen eher geht/ging wie mir statt wie Ihnen. Und warum dann so lange bleiben? Nun, das hatte bei mir irgendwann mit einer Art verquerem Stolz und der persönlichen Motivation von "Jetzt erst Recht!" zu tun. Wie man einen Marathon durchhalten möchte. Völlig verrückt! Da bin ich hoffentlich auch erwachsener heute.
Aber all das Genannte ist ja gerade mein Punkt! Dass junge Menschen in diesen Strukturen sozialisiert werden, selbige internalisieren und glauben, das muss so sein. Sie, liebe Rust, legen den Finger exakt in die von mir beschriebene – auch meine – Wunde! Und, wie gesagt, wenn Sie sich schon früh dahingehend emanzipieren konnten: Resepkt!
Mich feige und profilierungssüchtig zu nennen … bitteschön. Geschenkt. Aus meiner Sicht bedeutet Ihre Argumentation im Umkehrschluss: Wenn Menschen es nicht fertig bringen (von mir aus "nicht den Mumm haben") ihren Schindern im Moment des Schindens entgegenzutreten, haben sie ihre Chance verwirkt. Quasi instantane Verjährung. Das kann man so sehen, tue ich aber nicht. Ich beschimpfe Peymann ja nicht (nur). Ich berichte, was er tat und tut. Dass er keine Machtpositon mehr bekleidet, ist faktisch falsch. Sein gesamtes Regie-Konzept basiert ja (nach eigener Aussage!) auf absolutistischer Despotie – und Regisseur ist er weiterhin. Aber ist ja auch völlig wurscht.
Sie haben mich jetzt auch mal Arschloch genannt, wir können uns alle gerne immer wieder gegenseitig Arschlöcher nennen – es ging mir in meinem Kontext darum, dafür zu plädieren, die Männer in Machtpositionen, die sich wie Schweine benehmen, auch so zu nennen. Ich hätte an dieser Stelle nicht von "Arschloch" gesprochen, wenn Michael Laages nicht von "Stiesel" gesprochen hätte. Es geht mir, wie gesagt, um den Euphemismus. Sie nennen einen Schlachter auch Schlachter und nicht Schweine-Sterbehelfer. Ok, der war nicht so kreativ. Aber hier: Wenn wir die Wölfe in Deutschland ab jetzt flächendeckend töten, dann sollten wir auch von Tötung sprechen und nicht von "letaler Entfernung". Darum geht's mir (auch an #4/Hauptstadtkommentar gerichtet)!
Gut. Zuletzt.
Ihren Punkt, liebe Rust, warum man erst dann die eigenen Erfahrungen und Ansichten zu Produktionsbedinungen veröffentlichen darf, wenn man bestimmte inhaltliche Vorgaben erfüllt (vulgo: dreimal gesellschaftspolitische Relevanz von Literatur durchgesetzt) hat, verstehe ich nicht. Also wirklich nicht. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Warum muss ich erst zeitgenössische Dramatik inszenieren (hängt von den Entscheidungen der jeweiligen Dramaturgie ab) – und dann auch noch mit "durchschlagendem Erfolg" (hängt vom Geschmack der landläufigen Kritiker*innen ab) – um in Ihren Augen Glaubwürdigkeit zu erreichen in Punkten, die mit künstlerischen Inhalten überhaupt nichts zu tun haben? Seien Sie versichert: Die Möglichkeit, zeitgenössische Dramatik (auch noch öffentlichkeitswirksam) inszenieren zu können, liegt jenseits der A- und B-Liga nur bedingt in der Entscheidung der einzelnen Regisseur*innen.
Ihren Vorwurf, Autor*innen in meinen Ausführungen zu möglichen Intendanz-Modellen nicht bedacht zu haben, nehme ich allerdings unangefochten an. Haben Sie vollkommen recht. Meine Faulheit bestand darin, alle weiteren Möglichkeiten im kurzen "etc." zu subsummieren, ich verstehe aber, dass das empören mag.
danke für den erfrischenden Aufsatz und die süße Utopie, die ich nachvollziehen kann. Vielleicht sollten Sie dennoch Ihren Foucault noch einmal lesen?
Es gibt übrigens an den üblichen Theatertempeln auch den umgekehrten Fall: Pragmatisierte Staatsschauspieler, die junge Gast-Regisseur*innen fertig machen!
Es gibt keine Arbeitsbeziehungen ohne Macht(-gefälle). Und ich bin überzeugt, auch Sie haben die Macht, wenn Sie inszenieren. Wer gibt sie Ihnen? Wer trifft die Entscheidungen bei Konflikten? Britisches Höflichkeitstheater, wo keiner dem anderen auf die Zehen steigt? Kollektives Familiencompagnie à la Mouchkine (die, wie kolportiert wird, matriarchal-dominant agiert?)
1. Es ist politisch nicht relevant, ob man aus Angst etwas nicht tut, sondern es ist politisch relevant, dass man trotz seiner Angst etwas tut in den bestehenden Verhältnissen. Das ist vom Alter gar nicht abhängig.
2. Als HospitantIn ist man ZEUGE, nix weiter. Wenn man Zeuge ist, hat man Macht. Auch mit 19. Und kann sie entsprechend gebrauchen. Und wenn man sich einbildet, dass das aberhallo! schon die halbe Miete zum Theatergenie ist, hat man die Macht nicht. Es hat also nicht mit Angst zu tun, sondern mit einem Sprach- und Bedeutungsbewusstsein, auch von Ich im Verhältnis zur Gesellschaft, das man erlangt hat. Oder nicht erlangt hat. Und das ist eine Frage der Allgemeinbildung.
Angst ist aber eine gute Ausrede für Tatenlosigkeit und sie wird gern als Ausrede angenommen von Menschen. Ich bin in einem Land aufgewachsen, da war vieles im Argen und deshalb haben wir es ja auch abgeschafft, aber in dem Land war es halbwegs normal mit 19 eine Familie gegründet zu haben, einem erlernten Beruf nachzugehen und auch vermeintlichen Genies im Kunstbetrieb die Meinung zu geigen, wenn man mit ihnen allein war. Ich betone: Allein. Man hat dafür nicht die mediale Öffentlichkeit bemüht, weil die Zeitungen schließlich auch noch von was leben müssen, die armen Sch...
3. Sie nennen Peymann öffentlich ein Arschloch und zwar in einem durchweg e r n s tgemeinten Text. Nicht ironisch gebrochen und auch nicht hinter geschlossenen Theatertüren. Ich habe Sie hingegen durchaus nicht eine Arschloch genannt. Sondern dieses Ihr Verhalten als nunmehr doch erwachsener Mensch "arschlochmäßig". Das ist ein Unterschied. Es heißt so viel wie "könnte" - könnte auch als Verhalten eines Nachwuchs-Arschloches betrachtet werden... Und dann habe ich Sie noch feige genannt. Dazu stehe ich immer noch. Weil: Sie s i n d ja schließlich nicht mehr 19!
4. Ich habe nicht von "machen" von Dramatik gesprochen, sondern von DURCHSETZEN. Das ist bestimmt ungemütlich. Ich denke, Thomas Bernhard wäre bis heute nicht durchgesetzt, wenn er auf die sensible Ängstlichkeit von SchauspielerInnen und Intendanten hätte bauen müssen mit seiner Kunst. Und ganze Generationen von Theatermachern könnten kein immersives Theater machen, wenn Claus Peymann nicht Handkes "Der Tag an dem usw." gemacht hätte- ER hat durchgesetzt, dass es, eben unabhängig von A- oder B-Theater-Liga, in der Entscheidung gefälligst der REGIE liegt, was für ein Text am Theater gemacht wird. Und zwar aus politischen Gründen, die für ihn vor allem dann welche waren, wenn sie sich von künstlerischen n i c h t trennen ließen.
MfG - d.o.
Im Sinne der Zuspitzung: würden Sie, liebe Kommentatoren, sagen, daß dies von einigen Seiten angeprangerte Verhalten eine notwendige Bedingung zur Kunstproduktion ist? Also nicht hinreichend, im Sinne von "es kann schon sein, daß ein bisschen Arschloch-Verhalten notwendig ist oder halt mal so passiert", sondern ohne Arschloch-Verhalten keine Kunst?
Es wird jetzt allenthalben davon gesprochen, daß Caravaggio ein Mörder gewesen sei, insofern das Abgründige nicht aus der Kunst verbannt werden darf, etc. Hier also entsprechend gefragt: war es für ihn notwendig, Mörder zu sein? (Ich gebe zu, ein bisschen aus der Luft gegriffen, aber for the sake of the argument, bitte). Oder war er ein großer Künstler, obwohl er ein Mörder war?
Sind also vielleicht all die Regisseurinnen, die in der Arbeit ohne Beleidigung, Mobbing, Anschreien und sonstigen Psychoterror auskommen, per se keine Künstler?
Weil nur dann wäre ja ein 'Isso' gerechtfertig, wenn Arschlochverhalten einfach notwendig dazu gehört. Wenn nicht, dann gibt es keine Rechtfertigung dafür, wie auch überall sonstwo nicht. Dann gibt es nichts Höheres, was zu verteidigen wäre, dann gibt es nur Leute, die warum auch immer, individuell nicht in der Lage sind, anders zu arbeiten.
Zuletzt: es ist nicht naiv oder Geschichtsvergessen, wenn man sich vornimmt, dies zu ändern. Der gute alte Alpha-Gorilla war bis in die 70er Jahre sehr verbreitet in allen Bereichen der Gesellschaft. Führungsstärke und Durchsetzungskraft braucht es natürlich immer noch für den Erfolg, aber viele der sehr unangenehmen Begleiterscheinungen sind doch auf dem Rückzug, was auch damit zu tun hat, daß andere Frauen und Männer nachgerückt sind. Das (deutschsprachige) Theater ist ja bekanntlich in seinen Strukturen etwa 20 Jahre den sonstigen gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher. Es WIRD sich ändern.
"Als Hospitanz hat man ja Einfluss, wenn man Zeuge ist, dass Theaterleute, die anders als man selbst in einem Vertragsabhängigsverhältnis stehen, arschlochmäßig behandelt werden!!!"
Ich habe mit 19 Jahren als Hospitantin einmal eine Intendantin/Regisseurin darum gebeten, sie möge mich nicht anschreien. Haben Sie eine Idee, wie mein Versuch der Einflussnahme ausgegangen ist?
A) das Nutzen meiner privilegierten, da unbezahlten Position im Theater als Hospitantin, im Zuge derer mir die ehrenhaften Aufgaben zuteil wurden, Kaffee zu kochen und Zigaretten zu holen, legte einen Grundstein für einen anständigen Umgang miteinander
oder
B) Ich wurde noch am selben Tag durch einen anderen Hospitanten ersetzt, und das gleich auch für das nächsten Stück, für das ich eine mündliche Zusage bekommen hatte.
Von Martin Scorssese, von Sidney Lumet und nicht zuletzt von Orson Wells gibt es unzählige Berichte, Anekdoten; wie hinreissend, freundlich, aufmunternd, ja liebevoll die Atmosphäre an ihren Film Sets war. (bei Scorsesse noch immer ist).
Nun wird doch wohl niemand behaupten diese Herren hätten nur kleine Firlefanz Kunst gemacht.
Nein, das sind Giganten in ihrem Bereich und ein grosses Filmset ist eine etwas forderndere Baustelle, als eine Theaterprobe. Und trotzdem war es Ihnen das wichtigste, das alle Beteiligten ENTSPANNT sind. ENTSPANNT!!! Und nicht von Angst besetzt! Weil, wie Herr Wells mal sagte, nur entspannte Schauspieler gute Schauspieler sind.
Aber wir wissen ja, dass in diesen Dingen der deutsche Kulturraum ein bisschen anders tickt.
Da hat Angst auf der Probe noch keinem, nie, niemals,geschadet!!!
Frau Rust, es könnte ja auch sein, dass grosse Aufführungen, nicht wegen, sondern TROTZ einer entsetzlichen, angstbesetzten Probenzeit was wurden!!!!! Schon mal dran gedacht?
Opfer neigen übrigens dazu ihre Peiniger zu schützen, um sich ihrer Verletzung nicht bewusst werden zu müssen.
Es werden jährlich tausende von Theater- und Kunstproduktionen in Ausnahmesituationen erarbeitet, ohne dass die Beteiligten auch nur eine Sekunde eine "Deckelung", Demütigung oder Mißbrauch fürchten müssen. (Produktions-)Druck und individueller Mißbrauch bilden einen gewaltigen Unterschied, der sich eben an der Menschenwürde spiegelt. Ich spreche aus jahrelanger Produktionserfahrung.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Herr Laages Schützenhilfe für verbalen und psychologischen Missbrauch und absolut unwürdige Arbeitsverhältnisse liefert. Herr Laages hatte hier ein veritable Chance seine Kommentare noch ins rechte Licht zu rücken, aber bestärkt die Ungeheuerlichkeit der Tatsache auch noch, dass sich ein einflussreicher Kritiker (der Zynismus des Begriffs hier nicht zu überbieten) anmaßt, die unwürdige und verletzende Behandlung von Künstlern und Theatermitarbeitern mit - seien wir ehrlich - altbackenem Geschwafel über einen an der heutigen Realität von Kunstproduktion vorbeiführendem Kunstbegriff zu rechtfertigen.
Herr Laages, es geht hier überhaupt nicht um Demokratie, Mitbestimmung oder Vertragsstrukturen. Es geht darum, dass Sie Betroffene von verbalem und psychischem Mißbrauch als "naiv" bezeichnen - Victim-Blaming betreiben. Und jetzt setzen Sie auch noch einen oben drauf und schreiben "wir sollten uns im Bemühen um weniger Gewalt nicht verleiten lassen, Abweichungen zu ächten", um danach noch die frivol formulierte Selbstgerechtigkeit zu besitzen, Herrn Tonndorf zukünftige Kritiken von Ihnen anzukündigen und damit Ihr ganz eigenes Machtinstrument auszuspielen.
Herr Laages, es tauchen in der jetzigen Diskussion immer wieder die Fragen auf, warum sich diese unwürdigen Zustände von Machtmissbrauch solange halten können. Und warum Betroffene so viel Angst vor Widerstand und Veröffentlichung haben. Sie liefern leider eine der exakt dazu gehörigen Antworten.
Herr Laages, Sie verspielen hier jeglichen Presse- und Berufsethos.
vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich kann da aber auch nur herauslesen, dass Claus Peymann den emanzipatorischen Ansprüchen des Ensembles, im Gegensatz zu Stein und Sturm, nicht nachkommen konnte, und seine, als irrational empfundenen Regieanweisungen, beziehungsweise sein irrationaler Regiestil nicht akzeptiert wurde. (...)
Was die „Umsiedlerin“ betrifft, habe ich mich immer gefragt, ob das Verhalten von Helene Weigel nun eigentlich Rettung oder Machtmissbrauch war? Sie hätte Müller ja ebenso dazu aufrufen können weiter zu kritisieren, aber sie forderte ihn auf, im Stil von Galileo zu widerrufen und zwar komplett. Hat sie damit nicht durch ihre Macht eine mögliche Rebellion im Osten mit vereitelt, verunmöglicht?
Vier Jahre später kam es im Westen zu einem legendären Konzert der „Rolling Stones“ auf der Waldbühne, ein Initialschuss, der in den ersten Krawallen endete. Und ein weiteres Jahr später 1966 kam es zur „Publikumsbeschimpfung“ in Frankfurt.
Womit ich sagen will, dass die Rebellion im Westen zwar angefeindet, aber nicht komplett unterdrückt werden konnte. Peymann war der Regisseur dieser Inszenierung, und ich frage mich, ob der unerträgliche Ton, den er zum Teil produzierte, nicht etwas mit dieser Rebellion zu tun hat. Ich denke: ja. Aus dem Ton der Rebellion wurde Arroganz.
Ob wir heute nicht auch Machtkämpfen ausgesetzt sind, die sich mit anderen historischen Machtkämpfen sinnvoll vergleichen ließen, ich denke schon. Letzten Sommer wurde ich Zeuge solcher Machtkämpfe während der Besetzung der Volksbühne. Dort bewegten sich viele Menschen aus der Generation von Herrn Tonnhofer und mit ebensolchen Ansprüchen.
Es war erstaunlich, wie einfach sie alle von Chris Dercon mit Hilfe der Polizei entfernt werden konnten. Da liegen meine Fragezeichen. Wie radikal muss heute ein solcher Machtkampf ausgetragen werden, um nicht sofort nieder gebügelt zu werden? Und geht das alles ohne Druck, entspannt, ohne offene Rebellion? Eventuell ja. Warum nicht?! Ich wollte nur etwas mehr darüber hören, wie sich Herr Tonnhofer das im Einzelnen vorstellt.
danke und weiter so! Die Diskussion hat gerade erst begonnen.
Auch Dank und Anerkennung an Stephan Bock und Carla, die die Kommentardiskussion mit ihren klugen und differenzierten Beiträgen bereichern.
Von meiner Warte sei noch hinzuzufügen, dass die sogenannte "wirklich-gute-Theaterkunst", von der Laages behauptet, sie entstünde nur durch soziale Diktatur, (nicht ausschließlich) aber auch durch Kritiker wie ihn mit Qualität aufgeladen werden.
Auch ich habe tolle Inszenierungen der obengenannten Regieberserker gesehen. Das rechtfertigt aber noch lange nicht deren menschliche Defizite und Verfehlungen, was Umgang und Respekt mit ihren Kolleg*Innen angeht. Niemand und nichts ist so wichtig, das derartige Fehltritte gerechtfertigt wären. Und wie sich diese Theaterwelt selbst mit Bedeutung auflädt, ist einfach nur peinlich.
diesmal an Sie, stellvertretend für alle, die auf derselben Welle surfen.
Ich begreife leider nach wie vor nicht, wieso von Ihnen die Produktionsbedingungen untrennbar an den künstlerischen Gegenstand gekettet werden. Bitte, erklären Sie es mir ganz simpel.
Das bleibt nämlich Ihr Hauptargument – dass der „mediokre Liebe“ Tonnhofer noch kein (Ihnen bekanntes) geniales Theaterereignis hervorgebracht hat. Wird er vermutlich auch nicht – ist ja auch selten, dass sowas passiert. Und natürlich ist „nett und lieb“ nicht abendfüllend. Aber darum geht es doch nicht! Ich habe an keiner Stelle gesagt, dass eine menschliche Umgangsweise am Theater automatisch zu grandiosen Inszenierungen führen muss. Ich glaube und hoffe es – aber ich weiß es nicht. Ich habe beschrieben, was aus meiner Sicht MÖGLICH ist und konkret auf eine (imho fatale) Verknüpfung von „hoher Qualität“ der Inszenierung und „Deckelung“ der Beteiligten geantwortet.
Aber auch hier scheint mir ein seltsamer Reflex vorzuliegen: Tonnhofer soll doch erst mal zeigen, ob ich von seinem „lieb und nett“ produzierten Theaterabend auch hingerissen bin! Dann erst nehme ich ihn ernst! Wenn er zu seinen (noch nicht mal neuen!) Vorstellungen vom Arbeitsprozess auch eine neue Handschrift liefert!
Warum eigentlich? Heißt das im Umkehrschluss, wenn ich Sie persönlich langweile, wenn mein Abend scheitert, wenn er Ihnen nicht zusagt, wenn Sie ihn blöd oder öde oder nervig oder dumm oder sonst was finden – dann sprechen Sie mir automatisch das Recht des Wunsches nach besseren Arbeitsbedingungen ab? Dann lieber wieder die Brüllfrösche (und Fröschinnen, danke für den Hinweis, Herr Baucks), da kriegt man wenigstens gutes Theater!
Aber Sie verlegen den Schauplatz der Debatte. Es ist sehr leicht, zu sagen: Jetzt schau’ ich mir mal Tonnhofers Friede-Freude-Eierkuchen-Kram an – und wenn mich der nicht aus den Socken bläst, wie jüngst die Friederike, dann kann ich guten Gewissens bestätigen, dass Tonnhofer seine „Traumfabrik“-Romantik getrost wieder einpacken kann. Dann bringt sie nämlich nichts. Und damit machen Sie ein subjektives Kunstempfinden zur Legitimation für eine objektive Arbeitsrealität. Kann man so sehen, tun ja auch viele hier. Heißt aber nicht, dass es richtig ist.
Es ist so schade, dass in allen Debatten, bei allen Wünschen nach Veränderung immer gleich der „Ja sagende Esel“ oder der „Sittenkodex“ (#13) wie ein Gespenst heraufbeschworen werden. Das ist auch so ein krudes Verständnis von Demokratie und Arbeitskultur! Es geht mir nicht darum, den Streit abzuschaffen. Oder die „Strenge“. Sie tun alle so, als ginge es mir um Ringelpiez mit Anfassen auf der Probe. Haben Sie Ihre Phantasie so arg eingebüßt, dass Sie sich keine heiße, wilde, konfliktreiche, diskursive, streiterfüllte, konfrontale Probenphase vorstellen können ohne Bedrohung, Sexismus, Rassismus, Klassismus und dergleichen? Sie werfen das alles immer in einen Topf! Natürlich darf man sich auch mal anschreien! Natürlich soll man sich streiten! Natürlich muss man diskutieren! Natürlich wird man miteinander arbeiten, auch wenn man sich privat nicht ausstehen kann. Aber es ist ein Unterschied, ob ich rufe: „Scheiße, jetzt probier das halt mal aus, verdammt noch mal!“ oder ob ich rufe „Du dumme Fotze, jetzt halt das Maul und schieb deinen Fettarsch an die Rampe!“ Ok, dieser vulgäre Ausflug wird mir noch mal auf die Füße fallen, ich ahne es …
Wie auch immer. Herr Baucks, da Sie mich so vehement in die Schranken weisen: Was wünschen Sie sich denn eigentlich? Ich kann das für mich formulieren: Einfach schön arbeiten – menschlich und künstlerisch auf Augenhöhe. Punkt. Was wünschen Sie sich? Die sarkastische Einleitung Ihres Beitrags zeugt von tiefer Abscheu bzw. Angst vor irgendwas. Was ist das? Wovor haben SIe Angst und was wünschen Sie sich? Für sich ganz persönlich (ich weiß ja Ihren aktuellen Beruf gar nicht …)? Bevor ich nun pausiere, interessiert mich das wirklich.
danke! Du hast mir schlichtweg alles von der Seele geschrieben!
Und ergänzen möchte ich dazu nur:
Meiner Ansicht sind die meisten deutschen Theater wahnsinnig ineffizient.
Da kann noch soviel produziert werden. Auf die Masse lässt die Qualität oft zu wünschen übrig. Das gleicht nichts aus. Die Produktivität der Mitarbeiter - bzw. die Schöpfungskraft der Mitarbeiter (in sämtlichen Bereichen und Gewerken) - steigert sich, wenn sich Mitarbeiter/Künstler/Arbeitende/Schaffende gewertschätzt fühlen, wenn Ihnen Vertrauen entgegengebracht wird, wenn sie sich mit dem Betrieb identifizieren können, sich entfalten können, wenn Ihnen Möglichkeiten gegeben werden Privates und Berufliches in Einklang zu bringen. Wenn Lösungen gesucht werden, dass alle gut miteinander arbeiten können. Der persönliche Erfolg ist mit dem Erfolg eines Kulturbetriebes direkt verbunden.
Ich wähle sehr bewusst Begrifflichkeiten aus der Wirtschaft. Denn im Gegensatz zum Theater haben einige wirtschaftliche Unternehmen schon länger erkannt, dass Kontrolle und Machtkampf nicht zu den rentabelsten Methoden zählen, sondern das "glückliche" Menschen (die Rahmenbedingung stimmen) bereit sind mehr zu geben und auch schlicht weg mehr zu bieten haben. Das es darum geht, die Sache zu fokussieren und nicht an den Befindlichkeiten zu verzweifeln. Das Theater hängt trotz Anspruch auf gesellschaftliche Brisanz in Ihrer Struktur irgendwie 10 Jahre hinterher.
Es gab viele Gründe für mich zum Theater zu gehen. Einer war auch, dass ich einen Job machen wollte, der mich erfüllt. Bei der ich meine Vorstellung von Arbeit und Leben wiederfinde und mit allem was ich habe zu etwas beitragen kann. Ich hielt Theater schon immer für eine gute Sache und tue es bis heute. Und ich hatte im Theaterclub die Erfahrung gemacht, dass man sich auf Augenhöhe begegnet, dass man sich in die Auseinandersetzung gibt und dass man gemeinsam an etwas arbeitet,um es zum größtmöglichen Erfolg zu bringen und dass Leidenschaft viel bewirkt.
Bei meiner Ausbildung wurde ich schon verunsichert, aber ich bin gescheit genug zu wissen, dass die Arbeitsrealität eine härtere sein musste als die verklärte Zeit des Theaterclubs. Was dann aber die Arbeitsrealität wirklich sein sollte, dass hat mir sämtliche Illusionen geraubt, wie es jedes Jahr Vielen unter dem Nachwuchs geht.
Und ich rede nicht, von jenen die hoffen, berühmt, erfolgreich und schnell entdeckt zu werden. Sondern ich rede von mir in Namen von Vielen, die einfach gutes Theater machen möchten in Berlin bis Castrop-Rauxel unter menschlichen, respektvollen Bedingungen.
Aber das ist es, was ich am wenigsten erlebt habe.
Ich habe mich in Machtkämpfen und Repressionen wiedergefunden. Ich habe mich mit den Befindlichkeiten von Machtinhabern rumschlagen müssen. Ich habe mich immer wieder demütigen lassen müssen. Unter anderem weil ich eine Frau bin. Ich habe Menschen verzweifeln sehen und SpielerInnen auf der Bühne zusammenbrechen sehen, die im nachhinein dafür auch noch von Ihrem Intendanten einen reingewürgt bekommen haben. Ich habe ein gutes Ensemble-Klima in ein schlechtes umkippen sehen ohne Zusammenhalt und ohne Hoffnung. Ich habe viele tolle und gute, darunter junge, wie gestandene Leute gehen sehen. Und dass das nicht die Grundlage ist gutes, relevantes Theater zu schaffen. Ich habe all das erlebt, was ich vermeiden wollte und kaum noch was von dem gefunden, was ich dachte, was zu finden wäre... außer das ich Theater weiterhin für etwas Großartiges halte. Und ja,wie Tim, dann doch nicht?!
Und ich habe mich immer wieder gefragt, warum Schüler schon in Personalführung geschult werden, wenn Sie die Chefredaktion der Schülerzeitung übernehmen, aber es für die Führung eines Kulturbetriebes nur wenig eine Rolle spielt?
Es gibt viel zu tun und nix zu verlieren.
Und dann wollen wir sehen und gerne hören und weiter debattieren darüber, ob und wie schön man unter welchen konkreten politischen Bedingungen künstlerisch wirklich divers heute und hierzulande arbeiten und von dieser Arbeit zumindest überleben kann.
Ich will schöner arbeiten! Reicht nicht!
Die naive Annahme, wenn ich schöner arbeite am Theater wird alles besser, ist falsch.
Mit der „Umsiedlerin“ wollte Heiner Müller konkret auf die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft einwirken. Dies wurde ihm verweigert. Er wurde mehr oder weniger gebrochen, auch von der Intendantin Helene Weigel, die ich trotzdem sehr achte. Vielleicht hat sie uns durch ihre „Maßnahme“ einige der schönsten deutschen Theatertexte beschert.
Trotzdem bin ich völlig auf ihrer Seite Herr Tonndorf. Ich akzeptiere die von Ihnen beschriebenen Arbeitsmethoden schon lange nicht mehr und Sie würden sich wundern, mit wem ich mich alles weigern würde acht Wochen in einem Probenraum zu verbringen.
Nur fürchte ich mich vor Ihren Anforderungen ebenso. Die Zugangscodes zu den Theatern werden neu definiert, ebenso die Ausschlusskriterien. Das finde ich gut und richtig. Ich begrüße es. Aber Ihre Ich-Bezogenheit ist obsolet. Sie formulieren keinen Kulturauftrag, keine Spielweise und keinen Regiestil, wie Sie einen solchen Kulturauftrag erreichen wollen.
Außerdem akzeptiere ich überhaupt keine Kraftausdrücke im Probenraum, weder sexistische, noch rassistische, noch sonst welche: Scheiße, jetzt probier das halt mal aus, verdammt nochmal! War nie mein gewollter Stil, auch wenn ich nicht ausschließen kann, dass so etwas mal passiert ist. Von daher kann ich mir auch nicht sicher sein, ob ich mit Ihnen für einen längeren Lebenszeitraum einen Probenraum teilen wollte.
Ich brauche Konzentration, gegenseitige Achtung und einen Fokus der außerhalb meiner persönlichen Interessen auf Themen und Stoffen ruht, die gesamtgesellschaftlich relevant sind. Mein kleines „Ich“ und wie es sich dabei befindet, darf ruhig einmal in den Hintergrund treten, da ich Identität und Herkunft so oder so für eine schwarze, absurde Komödie halte, für einen Realfake.
Ich bestehe auf Gewaltlosigkeit, Angstfreiheit und körperliche Unversehrtheit im Probenraum, auch wenn schwierige Szenen gearbeitet werden, die zu meiner Kernarbeit als Regisseur gehörten. Heute arbeite ich nur noch als Autor, wenn Sie schon fragen, eben weil die Produktionsbedingungen nicht mehr verantwortbar waren und meine Kritik an ihnen zu ständigem Ärger führten, auch zu Wut meinerseits, die ich mit Ihnen teile. Was ich nicht mit Ihnen teile, ist ihr Egoismus. Vor dem fürchte ich mich und hege leichte Abscheu, weil ich dahinter einen jungen, privilegierten weißen Mann vermute, der keine Vorstellung davon hat, was er mit diesem Beruf gesamtgesellschaftlich bewirken könnte, und der künstlerische Anforderungen an ihn als eine Unverschämtheit erachtet. Soweit zunächst meine spontane, kurze Antwort, die ich Ihnen wohl schuldig bin.
DRust: Erläutern Sie mal, wie sich das plausibel abspielen könnte.
Ich kann allen Mitlesenden versichern, dass es sich bei Herrn Tonndorf weder um das Abziehbild eines privilegierten weißen Mannes (verdammt, ich muss all meine Kollegen, die privilegierter aufgewachsen sind als ich und eine hellere Hautpigmentkonzentration haben, schnellstens auf ihre unzulängliche Vorstellungskraft bezüglich gesamtgesellschaftlichem Wirken aufmerksam machen) noch um jemanden handelt, der künstlerische Anforderungen an sich selbst als Unverschämtheit betrachtet. In den Produktionen, die ich mit ihm zusammengearbeitet habe, war ich dankbar einen Regisseur zu haben, der einen hohen gesellschaftsrelevanten Anspruch auf extrem produktive Weise mit der Schaffung eines angstfreien Raumes verbinden kann.
Abscheu und Angst aufgrund von Vermutungen zu haben ist wohl menschlich, aber in diesem Fall genauso wenig mit der Realität abgeglichen, wie bei jemanden der sich vor marodierenden Flüchtlingsbanden fürchtet, ohne jemals persönlich eine dieser Personen getroffen zu haben. Und ja, ich weiß, das ist eine unfair zugespitzte Polemik, aber an solcher scheint hier ja eh‘ kein Mangel zu bestehen.
Mein Güte..
Danke für den Artikel!!!
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Es gibt viele, die denken und handeln wie Sie. Oder es zumindest versuchen.
Die Welle ist losgetreten.
Wir müssen die Ensembles unterstützen. jede/r da, wo sie/er gerade arbeitet. Auch und besonders in der Provinz.
NACHTKRITIK ist eine gute Plattform, die Gedanken zur Veränderung zu verbreiten. Und Veränderung ist das, was wir wollen.
Die immer gleichen Kommentare und das Gelaber der üblichen Verdächtigen hier kann man im allgemeinen vergessen. Lassen Sie sich nicht kirre machen. Es lesen viel mehr Leute mit, als kommentieren. Und die Mitleser lachen sich tot über die drei, vier Leute, die hier ihre altbackenen und verkopften Aufsätze absondern. Don`t feed the troll.
Schöne Grüße - gerade aus Magdeburg, wo die Debatte heiß diskutiert wird - von Stephan Thiel
"Den leichten, weichen, in friedvoller Übereinstimmung stattfindenden Weg zur Wahrheit oder wenigstens einem Teil von ihr gibt es nicht. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, und keine Kunst ohne Mühe und Schweiß und Tränen und erschöpftes Lachen.
Warum machen wir diesen ganzen Quatsch? Was wollen wir erzählen? Wie wollen wir es erzählen? Warum überhaupt diese Faxen machen? Was wir tun ist der absurde Versuch den Schrecklichkeiten der Welt mit verspielter Verzweiflung zu begegnen. Und das soll leicht gehen?
Die meisten von uns haben Glück, wir dürfen tun, was wir tun wollen, ohne in lebengefährliche Situationen zu geraten. Es bleibt ein Spiel. Und das soll dann auch noch ohne Einsatz gespielt werden?"
Schreibt Johanna Schall in ihrem Blog und bezieht sich dabei auf Herrn Tonndorf. Ich kann ihr nur zustimmen.
https://johannaschall.blogspot.de/2018/02/ein-weiblicher-dinosaurier-mault.html?spref=fb&m=1
Wenn ich in Magdeburg über den Domplatz gehe, um eine befreundete deutsch/koreanische Familie zu besuchen, geflohen aus Norkorea über Südkorea nach Berlin, dann interessiert mich immer ganz besonders eine Realität, die 24% AFD Abgeordneten im Landtag an jenem Domplatz.
Sicherlich ist ihre Probenrealität auch interessant und ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie dort angstfrei arbeiten können. Noch mehr interessiert mich aber ihr Output und wie der sich zu der Realität im Landtag verhält. - Ich versuche mir vorzustellen, wie das junge "Arschloch" Castorf mit 32zig wohl darauf reagiert hätte und ich komme nicht darum herum, dass mich das vielleicht mehr interessieren könnte, als ihr Kantinengelächter.
Auch kann ich mir vorstellen, dass Tonndorfer gesamtgesellschaftliche Verantwortung übernehmen kann, nur formuliert er die nicht in dem Artikel. Er setzt sich lediglich deutlich von Arschlöchern ab und das ist mir zu dünn.
Was soll das für ein komischer Beweis werden: Dass neue Dramatik nur mit "alten" Methoden, bzw. der Brechstange auf die Bühne gebracht werden kann? Das ist ja lächerlich. Und das "Bestehen" der von Ihnen geforderten Aufgabe als Bedingung für eine Diskussion zu machen ist absurd.
Wieso glauben hier einige, dass mit angstfreiem Arbeiten weniger Kunst möglich ist? Und ich kann Ihnen einige Regisseure nennen, die erfolgreich (also je nach dem welchen Regeln sie da dann wieder aufstellen) neue Dramatik inszeniert haben - angstfrei und ohne Machtmissbrauch und jetzt halten sie sich fest: Auch weil sie die Schauspieler als eigenständige Künstler akzeptieren! Ja, Wahnsinn, das geht, braucht Herr Tonndorf nicht zu beweisen, alles schon lange passiert und ist normal ... in welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich?
In diesem Sinne, Quälgeister (der mutige Mann heißt übrigens "Tonndorf"), einfach mal die Hände von der Tastatur lassen, denn:
„Wer seine Hände in den Schoß legt, muß deshalb nicht untätig sein.“
Giacomo Casanova.
"Ist Arschlochverhalten eine notwendige Bedingung für gutes Theater?"
A. Ja
B. Nein
Antworten wie #39 "Ich versuche mir vorzustellen, wie das junge "Arschloch" Castorf mit 32zig wohl darauf reagiert hätte und ich komme nicht darum herum, dass mich das vielleicht mehr interessieren könnte, als ihr Kantinengelächter." sind mir wiederum zu dünn.
Ich glaube wie #38 Stephan Thiel, daß hier mehr Leute mitlesen und -denken, als -schreiben. Und in der Tat besteht erneut die Gefahr, daß baucks, DRust und Co. die ganze Debatte wieder in selbstgefälliger Egoshooter-Manier subjektivieren und mit Textgebirgen totschütten.
Können wir mal versuchen, empirisch zu werden? Meine Antwort: B.
Und das Problem bei Überzeugungen ist dann noch, dass man entgegen neuer Einsichten (wider besseren Wissen) oft an ihnen festhält...
Es ist überfällig das dieser Geist von " Ich schrei dich an und das macht dich gut" aus den Theatern verschwindet.
Man sieht es diesen Inszenierungen auch sehr wohl an.Dieser Geist steckt da drin.Wenn man sich Videoaufzeichnungen der betreffenden Regisseure anschaut wirkt genau das auch so historisch, auch ein wenig beschämend.
Das das vorbei ist spürt eigentlich jeder.
Nur die Strukturen der Stadttheater konservieren durch ihre Superhierarchische Leitungsstruktur dieses Übel.
Wenn es Transparenz in den Entscheidungsprozessen gäbe, Kontrolle der Leitung anstatt willkürlicher autoritärer Entsvheidungen, flache Hierarchien, geteilte Macht, Beteiligung der Ensembles, Belohnung von Eigeninitiative , vertrauensvolles eigenverantwortliches Arbeiten....
By the Way: Auch im Theater gelten Arbeitsschutzgesetz und die allgemeine Menschenwürde und wenn da jemand regelmäßig gegen verstößt, dann ist das nichts was man kleinreden kann, sondern ganz klar ein Fall für die Gerichte! Jede Bäckerin würde sich bei so etwas wahrscheinlich sofort einen Anwalt nehmen. Die Schauspielerin hingegen, nimmts halt meistens einfach hin...
Danke, Tim Tonndorf, danke Carla für dieses Zitat - Schluss mit dem grotesken victim blaming und dem Verständnis von Leid als Leistung! Laages Abweichung von diesem Kurs muss dringend geächtet werden. Leitungen, Mitarbeiter*innen, Kritiker*innen sollten an einem Strang ziehen (dürfen), und zwar im Sinne der Kunst und gegen die andauernde Zementierung von Duckmäusertum und Machtmissbrauch. Weiter so, Tim, Prinzip Gonzo, ensemble-netzwerk, proquotebühne.
Schreien/Nichtschreien, Naziväter oder zurückgekehrte Emigranten. Das greift für mich etwas zu kurz.
Ich habe einmal eine Videoaufzeichnung von "Fritz Kortner probt Kabale und Liebe" gesehen. Als Zuseher empfand ich das Interesse des Regisseurs an den beiden Darstellern (Helmut Lohner und Christiane Hörbiger) derart ungleichmäßig verteilt, dass ich jeden Schrei, jeden Gefühlsausbruch des Regisseurs als Kompliment, als Interesse empfunden hätte.
Ob irgendwelche Beziehungsängste, Arbeitsmethode oder sonstiges Kalkül dahinter steckten, kann ich nicht beurteilen. Mir wäre das unerträglich gewesen.
Ich bin Zuseherin, die in ihrem Berufsleben auch so manches Ärgernis und auch Betriebsräte, die lieber wegschauen, erlebt hat. In der ganzen Diskussion fehlt mir nämlich eigentlich der Punkt, dass ein Theater ja auch Betriebsräte, Ensemblevertreter, eigene Gewerkschaften hat, die bis jetzt offensichtlich sinnlos waren. Und so offensichtlich ein Aufstauen der Problematik entstanden ist, die jetzt eruptiv entladen werden muss.
liebe johanna schall, lieber martin baucks. es kann nicht darum gehen, es sich einfach zu machen. aber konzentrieren wir uns doch darauf, mit geschichten, figuren situationen, meinetwegen auch bühnenbildern und kostümen (bis aufs blut) zu ringen und nicht mit unseren mitstreitern. Es geht NICHT um harmonie und nettigkeit. es geht um respekt und menschenwürde.
Kein Musiker, kein Dirigent sch..ßt auf oder kotzt in ein Instrument und erwartet, dass es danach besser klingt.
Ich bin ein Instrument... im Orchester der Inszenierung.
Es macht keinen Sinn mich schlechter zu behandeln als eine Geige oder Querflöte.
Und ich hatte bisher das große Glück 23 Jahre in Ensembles zu arbeiten, in denen diese Logik Konsens war.
Es gibt sie also.
Es geht.
Und es gibt diese Ensembles nicht um harmoniesüchtige Schauspieler*innen zu hätscheln. So zu arbeiten, miteinander in die gleiche Richtung zu arbeiten, macht einfach Sinn... man kommt viel weiter und der "Klang" ist am Ende besser.
Wenn ich meine Energie nicht darauf verschwenden muss Beleidigungen zu balancieren, wenn ich mein Instrument nicht ständig wegen mir beigebrachten Verletzungen neu kalibrieren muss... dann kann ich meine Energie darauf konzentrieren zu spielen - hoch, runter, kreuz, quer, volle Kanne... was ihr wollt und wie es euch gefällt.
Eine Regisseurin/ein Regisseur die/der auf ihre/seine Menschen mental einprügelt ist wie ein Trainer, der seinem Hürdenläufer in die Hacken tritt und noch ein paar Extrahürden auf die Strecke stellt.
Das ist für den Hürdenläufer belastend - aber es ist auch für den Trainer kein Geistesblitz und verspricht viel weniger Erfolg als an der Strecke zu stehen und enthusiastisch zu brüllen "Go, go, go... you can do it."
1. praktisch alle künstler sind narzissten. darum machen wirs. weil wir uns super finden und wollen dass die anderen menschen das auch mitkriegen. narzissten sind in der regel mit weiteren neurosen und schwierigkeiten behaftet, weil sie eine starke innensicht haben.
2. eine inszenierung ist das koordinierte zusammenspiel vieler künstler. koordiniert von einem weiteren künstler: dem regisseur.
3. der regisseur arbeitet mit menschen.
4. menschen haben gefühle.
5.damit man in einer gesellschaft gedeihlich zusammenleben kann gibt es bestimmte umgangsformen. die garantieren eine möglichst geringe verletzung der eigenen gefühle. das ist ein gesellschaftlicher konsens, den man nicht einseitig kündigen kann und den man auch nicht stillschweigend aufkündigt wenn man sich in einen theatralen produktionskontext begibt. den kann man einfach nicht aufkündigen, weil er sich nicht nur auf den (gesellschaftlich entsetzlich und zunehmend irrelevanten - anderes thema -) bereich theater bezieht, sondern auf die grundfesten unseres gesellschaftsvertrages. das ist justiziabel, gesetzlich garantiert. einklagbar.
6. wenn ich nun, siehe 1, mein beitrag zur gemeinsamen kunst darin besteht, ganz viele menschen mit komplexen persönlichkeiten zu koordinieren, dann ist es verdammt nochmal auch meine aufgabe, für ein gedeihliches miteinander in dieser herstellungssituation zu sorgen. da kommt wieder punkt 5 ins spiel.
daraus folgt:
7. wer grundsätzlich nett ist, basale formen der höflichkeit und des umgangs einhält, macht gute kunst. wer das nicht ist macht vielleicht auch kunst, aber die ist sicherlich nicht besser - und er traumatisiert unterwegs leute. das ist kein gutes verhalten. das ist schlechtes verhalten. schlechte menschen verhalten sich so. menschen die sich nicht im griff haben. menschen die keine menschen führen sollten.
8. wer nun solche menschen verteidigt, begriffe wie ponyhof und das ist halt so benutzt um legitime kritik an diesen menschen und methoden zu ersticken, der ist entweder
a) selber traumatisiert und stockholm-haft abhängig ("das hat mir auch nicht geschadet")
b) nicht geistig flexibel genug um gesellschaftliche konsense auf alle lebensbereiche auszudehnen oder
c) ein sadist, troll oder provokateur.
nein.
ich verstehe immer noch nicht warum wir da überhaupt drüber reden.
Ein respektvoller Umgang muss/sollte jetzt systematisch an allen Theaterhäusern sichergestellt werden.
Dramatik fördern oder gute Inszenierungen rausbringen kann man auch, ohne Menschen zu erniedrigen, gegenüber anderen Mitarbeitern uneingeschränkte Macht zu demonstrieren und ein Klima der Unsicherheit zu generieren.. Wer das nicht kann, wird es lernen müssen!!!
So kommt dann vielleicht irgendwann endlich auch das deutsche Theatersystem (ich meine das Theater als ORGANISATION und ARBEITGEBER) im 21. Jahrhundert an... Das dieser Gedanke den Intendanten-Patriziern und ihrer Lobby nicht gefällt, ist natürlich klar...
End of Story.
Macht Arschloch-Verhalten gutes Theater zu schlechtem Theater?
A. Ja
B. Nein
Meine Antwort hierzu ebenfalls B. Man reißt die Pyramiden nicht ab, obwohl sie mithilfe von Sklavenarbeit errichtet wurden, genausowenig sind die Bilder Caravaggios entwertet, weil der Mörder war. Und so gibt es gute Arbeiten von Peymann und Hartmann und Kruse und wie sie heißen. Der Punkt ist: heute würden wir Pyramiden nicht mehr mit Sklaven bauen, und Caravaggio könnte seine Bilder vielleicht im Knast malen.
Insofern bleibt eigentlich nur noch die Frage offen (seit #6), was der Bühnenverein eigentlich dazu sagt. Vielleicht ist es aber für sie ein 'no brainer' wie für Herrn Küspert (#51), "ich verstehe immer noch nicht warum wir da überhaupt drüber reden". Allerdings steht zu befürchten, daß es für den Bühnenverein eher so ein 'no brainer' wie für Herrn Laages ist, Marke "Isso". Ohrenbetäubendes Schweigen.
Ein mieses Verhalten ist keine Spielweise oder Stilrichtung.
Wie man zusammenarbeitet ist die Basis für ALLE Spielweisen. Und entweder ist die Arbeitsweise gemeinsam und respektvoll... oder eben nicht - bevorzugt ersteres.
Ein Auto kann in jede Richtung fahren. Um eine neue Richtung einzuschlagen muss man kein neues Auto erfinden. Man muss nur lenken. Und losfahren.
Ich hoffe, dass Theater schön weiter und am liebsten in alle Ewigkeit existiert... und dass wir noch hunderte, tausende von Spielweisen ausprobieren und erforschen.
Nur... warum nicht jede einzelne davon entwickeln ohne jemanden zu ramponieren?
Dieser Gedanke: ich muss jemanden brechen um das beste von ihm zu bekommen, der ist überholt.
Nicht einmal zeitgemäße Hundeerziehung funktioniert noch so.
Warum sollte dieser Trugschluß dann am Theater überleben?
Trotzdem möchte ich zweierlei anmerken:
Zum einen finde ich, daß die Gesellschaft außerhalb des Theaters von ganz allein den aggressiven Ton abschafft- sobald ein Satz etwas energischer vorgetragen wird, wird demjenigen nicht mehr zugehört, egal wie recht er haben mag- sein Ton "stimmt nicht", er disqualifiziert sich von selbst, er ist raus. Mich wundert, daß das im Theater noch nicht angekommen ist. In der freien Kunstszene zumindest ist das m.E. so. (Was mich zu der Frage führt, was danach kommt- irgendwo müssen die Aggressionen ja kanalisiert werden, sie lassen sich doch nicht ewig unterdrücken).
Und wer hat noch nie beobachtet, wie Schauspieler oder Schauspielerinnen, die vielleicht etwas hoch schwebten oder selbstdarstellerisch unterwegs waren oder dauernd die Proben verkasperten, erst unter Harmonie- und Liebesentzug zu wirklich brauchbaren Leistungen fähig waren? Erst durch einen Anraunzer von ihrem kontraproduktiven Treiben ließen?
Wir sollten nie vergessen, daß die Welt nur funktioniert, wenn alles seinen Platz hat- was wir versuchen abzuschneiden, zu verstecken oder zu verbieten, kommt anderswo unerwartet zurück. Und das vielleicht noch potenziert. Das ist das Prinzip der Ganzheitlichkeit. Warum nicht mit allem leben, nur acht geben, daß es nicht überhand nimmt?
Wie auch, er hat ja schon den nächsten Auftrag von just dem hiesigen Medium Nachtkritik abzuarbeiten.
Blanker Hohn.
Keine Sorge, in der Kunst gibt es genug persönliche (un- oder unterbezahlte) AssistentInnen, Gallerieangestellte, Produktions- und AtelierhelferInnen, (Ehe-)Partner.. die Agression findet überall ihre Wege. Natürlich nicht da wo gerade das Licht der Öffentlichkeit ist.
1)Sie wollen "in Erfahrung bringen, was denn für eine Spielweise in einem druck-und angstfreien Probenprozess entwickelt werden soll und wie ihre Wirkung dann nach außen funktioniert." - Mir scheint, in einer druck- und angstfreien Probenatmosphäre kann mindestens der gleiche bunte Strauß möglicher Spielweisen entstehen wie in einer angstbehafteten. Es sei denn, eine Spielweise setzt kaputte, blockierte und angstgetriebene Privatpersonen auf der Bühne voraus - dann interessiert sie mich allerdings nicht so sehr. Ich bin nämlich der Ansicht, dass die Einsätze, von denen auch Johanna Schall in ihrem Blog schreibt, notwendigerweise aus dem Stück, der Situation der Figur etc. erwachsen können und nicht aus der Angst vor interner Demütigung, Nichtverlängerungsdrohungen, Lächerlichmachung undsoweiter.
2) Sie "glauben an einen Zusammenhang von Arbeitsweise und Ergebnissen."
Ich auch. Unter anderem deswegen traue ich einer Arbeit, die unter Bedingungen von Unterdrückung, Intrige, Herabwürdigung, Erpressungen etc. entstanden ist, keine wirklich nachhaltige Strahlkraft zu. Annähernd vielleicht, aber niemals in letzter Konsequenz.
3) "Zugleich habe ich eine große Sehnsucht nach einer neuen, zeitgemäßen Spielweise, von der ich glaube, sie muss erst noch entwickelt werden". Spannend! Aber das ist in diesem Thread nicht das Thema. Hier geht es um ARBEITSweisen.
4) "Was löst denn nun die Spielweise der Arschlöcher konkret ab?"
Diese Frage lässt mich nun völlig ratlos zurück. Hauptsächlich weil ich wie Frau Rhode der Ansicht bin, es gehe hier nicht um spezifische ArschlochSPIELweisen, sondern um Rahmenbedingungen für die Arbeit. Arschlochspielweisen gibt es meiner Ansicht nach nicht. Arschlöcher haben schon Freilichttheater, Antike Dramen, postdramatisch-perfomative Events und derbe Klamotten inszeniert in naturgemäß unterschiedlichen Spielweisen.
5) "Wie sieht das in der Phantasie..." Das kommt auf die Phantasie an. phantasieren Sie und lassen Sie uns teilhaben. die Gedanken sind frei.
"...oder auch konkret bei Tonndorf aus?" Zu diesem Thema wird es am zweckdienlichsten sein, man schaue sich eine Inszenierung von T. Tonndorf an. Das führt bestimmt weiter als theoretisches Rumkommentieren.
Und zum Schluss noch folgende lustige Analogie: Das Theater ist kein Ponyhof. Eine Geburt z.B. auch nicht. Ein Kind auf natürlichem Wege zur Welt zu bringen ist ein notwendigerweise schmerzhafter Prozess, ohne Frage - durch sich selbst. Niemand käme auf die Idee, das Kind wäre schöner, klüger oder gesünder, wenn die Frau unter der Geburt vom Gynäkologen ausgelacht, beschimpft oder mit der Peitsche traktiert würde.
Wegen Meinungen wie #57 müssen wir darüber reden, #51 K. Küpert. Bis es jede/r begriffen hat, denn ganz offensichtlich besteht hier noch großer Aufklärungsbedarf.
Die Ankündigung, künftige Regiearbeiten des Ursprungskommentar-Autors besuchen zu wollen, liest sich tatsächlich mehr als Drohung...
Die üblichen Verdächtigen reißen mal wieder die Kommentarspalte an sich und führen das Forum ins Nirvana off topic - quot erat demonstrandum - willkommen im Dschungelcamp...
(Man wünschte Ihnen so sehr echte Autoren-Aufträge anderswo!)
Herzlichen Dank, Tim Tonndorf, für Ihren beherzten Gastbeitrag!
Ich hoffe, glaube an eine Weiterentwicklung in Ihrem, unser aller Sinne, die wir gerne auf Augenhöhe im Theater zusammenarbeiten wollen! No pasaran¡
Ich finde es immer schwierig, wenn jemand jemandem etwas über einen Beruf erzählt, den er nicht hat.
Ich gehe auch nicht hin und erzähle einem Altenpfleger sinngemäß "Jetzt stell' dich mal nicht so an, ist eben so.".
Ich fände das vermessen von mir.
Herr Laages hat recht - Theater ist nicht demokratisch. Das sind die meisten Arbeitgeber nicht. Daraus die Lizenz abzuleiten, dass sie ihre Angestellten geringschätzig behandeln dürfen ist eine Schlussfolgerung, die niemand ernsthaft ziehen würde.
Warum soll das beim Theater anders sein?
Und schließlich... ein System damit zu rechtfertigen, dass es halt so ist... das ist hanebüchen absurd.
Wenn man alles so lässt wie es ist, weil es eben so ist - was würde das denn bedeuten? Hätte Deutschland dann immer noch einen Kaiser???
Außerdem... das ist mir wichtig... das System IST nicht so. Wie will er das eigentlich überhaupt zur Gänze beurteilen?
Ich war als Schauspielschülerin in Bochum engagiert und später 23 Berufsjahre lang in Dessau, Würzburg, Regensburg, Bremen, St.Gallen und Heidelberg - und ich kenne diesen Mist nicht. Das heißt, es gibt eine Menge Theatermenschen, die das "Isso"-System widerlegen.
Wieso können die das, wenn's angeblich so ist? Und machen die schlechtes Theater, weil sie Leidenschaft nicht von leiden ableiten?
Ich würde dazu neigen das eher nicht anzunehmen.
"Prinzip Gonzo Logo
Alida Breitag | David Czesienski | Robert Hartmann | Holle Münster | Tim Tonndorf
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WAS IST PRINZIP GONZO?
Angefangen bei dem Begriff GONZO, der Versuch maximale Subjektivität (sehr frei nach Hunter S. Thompson) und gegensätzliche Ästhetiken mit dem gemeinsamen Wirken als Kollektiv in Einklang zu bringen. Dabei entstehen regelmäßig Arbeiten, in denen alle fünf Gonzos gemeinsam theatrale Umgebungen oder Spielräume schaffen, die ihren Besucher*Innen individuell einzigartige Erlebnisse versprechen. Seit 2014 experimentieren PRINZIP GONZO hierbei mit dem Verhältnis von Narration und Wettbewerb.
Neben dem Auftreten als Gruppe ist PRINZIP GONZO aber auch schlichtweg eine Firma, die ihre fünf Gonzos dabei unterstützt, theatrale Vorhaben in die Tat umzusetzen. Solo oder Multi-Gonzisch verbindet sie hierbei das Bekenntnis zu Arbeitsweisen, die sich dem reaktionären Regie-Despotismus entgegenstellen und an die genialische Kraft der Gruppe glauben."
Sie fahren hier einen sowas von individuellen Film, dass ich mich inzwischen nur noch über Sie wundern kann. Wie kann ein hochintelligenter Mensch wie Sie sich dermaßen sinnfern auf einen anderen Menschen einschießen?
Ich vermute inzwischen, dass Sie einfach gekränkt sind, dass die nachtkritik-Redaktion den jungen Tonndorf für einen Beitrag zum Thema angefragt hat, und nicht den erfahrenen Baucks, der nicht nur seit vielen Jahren Dramatiker, Schauspieler und Regisseur ist, sondern auch ehemaliges Mitglied der Intendanz des Deutschen Theater Berlin.
Ich verstehe auch nicht, warum nachtkritik Sie nicht fragt, ehrlich gesagt. Aber das es so ist, ist nicht Tonndorfs Schuld, also müssen Sie auch nicht weiterhin so tun, als verstünden Sie nicht, worauf Tonndorf hinauswill, nur um in einem weiteren kilometerlangen Beitrag etwas zu widerlegen, was Sie vorher in Tonndorfs Einlassungen munter hineininterpretiert haben.
Herzliche Grüße!!!
Sie wollen dass sich junge Regisseure mal melden und etwas sagen. Ich fühle mich, da ich absolut nicht ihrer Meinung bin, auf ungerechte Weise mit dem Despoten (eigene Erfahrung) C. Peymann gleichgesetzt. Sie machen eine unzulässige Gruppenkonfrontation zwischen den „lieben“ und den „Bösen“ auf. Ich denke nicht dass man in der reinen Harmonie und ohne den Versuch auch die persönlichen Schmerzgrenzen, bei sich wie bei den Spielern, aufzusuchen, in Insteneirunge zu Ergebnissen kommt, die Themen wie Mord, und auch Machtmissbrauh, inhaltlich und emotional gerecht werden. Ich bewundere wenn sie es mit ihrer Gruppe schaffen. Ich bin bei Neubeginn an einem mir bis dahin unbekannten Ensemble in der Realität erst mal zwei Wochen damit beschäftigt, meine Position gegenüber den Spielern zu behaupten, zu festigen und zu vermitteln was ich mit meinem Team vorhabe. Das geht nicht ohne Führungsanspruch. Und dieser ist zwangsläufig auch mal autoritär. Es geht auch anders. Habe letztes Jahr in der freien Szenen eine Arbeit mit mir bekannten Spielern mit viel Zeit und Dem Wissen um eine gemeinsame Denk und Spielweise und damit der Bereitschaft zur Diskussion auf Augenhöhe und dem gemeinsamen entwickeln aller Elemente gemacht. Das ging auch. Aber im System „Theater engagiert Regisseur um Stück X mit dem Ensemble des Theaters zu realisieren“ nicht. Und dass heißt eben nicht dass ich jemanden auf der Probe als Arschloch bezeichne. Was in dieser Diskussion Sie tun. Und mich damit mitbeschimpfen.
Hierarchiefreie Arbeit ist meines Erachtens eine Illusion. Und wenn man sich den Wahnsinn einer großen Theaterproduktion anschaut:
Projektarbeit innerhalb von wenigen Wochen auf die Beine zu stellen. 1000de kleinen Verabredungen treffen zwischen 10 bis 100 Menschen auf und hinter der Bühne, damit das Ereignis auf Abruf jederzeit wiederholt werden kann. Eine Abgabetermin an dem gnadenlos geliefert werden muss (das Premierenpublikum, der Abonnent wartet). Ich denke schon, dass Theaterarbeit auch wenn sie spielerisch daherkommen muss, und es immer nur scheinbar um Tod und Leben geht, ein ziemlich extreme Form von Projektarbeit ist.
Hierarchie sind in dem Sinne notwendig, dass es für jeden darum geht, den jeweils richtigen Platz in dem Gefüge zu finden. Und es braucht für die Leitung dieser Prozesse ein gerüttelt Maß an Führungsstärke, aber auch Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Was auch impliziert, dass man den Umgang mit den verschiedenen kreativen Beiträgen wertschätzend leitet.
Und ja, es ist unangenehm, wenn der oder die Entscheider/in über die Vertrags-Verhandlungen auch Regisseur/in ist. Aber das birgt ja auch die Chance aus seinen künstlerischen Fähigkeiten heraus Rollen und Verträge zu bekommen und nicht aus dem Recht des Älteren heraus oder auf Zuruf eines Empfehlenden.
ich denke nicht, dass ich etwas munter in den Text von Tonndorf hinein interpretiere. Zunächst bat ich lediglich um eine Auskunft. - Im wesentlichen bemängele ich drei Punkte, die Ich-Bezogenheit und Subjektivität, und das Feind basierte Denken. Wobei es sich bei dem Feindbild der Gonzo Gruppe, um einen internen Feind, eben jenen reaktionären, despotischen Regisseur, männlich, handelt. Um dies zu belegen, zitierte ich für „fassungslos“ eine Erklärung der Gruppe. - Die Achtundsechziger sahen den Feind im Gegensatz hierzu wenigstens in der Politik und Wirtschaft, er hatte eine externe Position. Nicht so bei dieser Gruppe. Von daher schlussfolgere ich, dass mir die Haltung des Gonzo Prinzip´s zu dünn ist. Es ist wieder nur eine Haltung, die sich um die internen Bedingungen des Theaterbetriebes dreht, mit recht wenig Blick nach Außen auf die Realität der Gesellschaft. Das halte ich für eine lässliche Horizontverengung.
Der Gonzo-Journalismus von Hunter S. Thompson auf den sich die Gruppe und auch Tonndorf berufen, verfolgt eine rein subjektive Sicht. Es wird aus der subjektiven Sicht des Journalisten berichtet, der alles was ihm begegnet, über das er berichtet in eine Beziehung zu sich selbst setzt, und wobei jede objektive Betrachtung weitgehend entfällt. Von daher mein Vorwurf der Subjektivität und Ich-Bezogenheit an Tonndorf, wenn er versucht diese Methodik auf das Theater zu übertragen. Ich glaube eher an Arbeitsweisen in denen das eigene Ich mehr in den Hintergrund treten darf.
Schlimm finde ich, in Ermangelung einer objektiven Sicht und wirklichen Haltung, das interne Feind basierte Denken, denn, wie ich schon sagte, wenn der scheinbare interne Feind erst einmal beseitigt ist, wird nicht alles automatisch gesamtgesellschaftlich besser, sondern lediglich Herr Tonndorf und andere können dann „schöner arbeiten“, daher mein Vorwurf des Egoismus. Soweit meine Begründungen aus dem Programm der Gruppe hinaus.
Nun habe ich nichts gegen gute Arbeitsbedingungen, angst- und gewaltfrei, wie ich schon mehrfach betonte, da liegt wie gesagt nicht mein Problem. Eher befürchte ich aber, ähnlich wie Johanna Schall, dass es diesen Probenraum so friedlich und lieb nicht so einfach geben kann. Denn auch im Probenraum und Prozess bildet sich immer die gesamte Gesellschaft mit ab, selbst wenn alle Despoten vertrieben sind. Und von daher wird man sich selbst dann weiter mit Ängsten und unangenehmen Anforderungen auseinander setzen müssen.
Jede Zeit braucht eine eigene oder auch mehrere Spielweisen, um auf konkrete historische Verhältnisse angemessen reagieren zu können. Um die Epoche der Dekonstruktion schließt sich allmählich die historische Klammer, ein Vakuum entsteht und es könnte mit neuen Ästhetiken, Stilen aufgefüllt werden. Eine Spielweise entsteht auf einen bestimmten historischen Moment hin, auf die sie reagiert. In dem Bereich vermisse ich bei dem Artikel so Einiges. Er bleibt in der Interna hängen. Und ein bunter Strauß von Stilen, wie er hier schon genannt wurde, ist mir nicht spezifisch genug gerichtet auf die neue historische Situation in die wir gerade einmünden.
Die Geschmähten Stein, Peymann und Castorf haben in diesem Bereich einige Türen geöffnet, hin und wieder sogar eingetreten, durch die andere dann mühelos hin durchschreiten konnten. Das ist ihr historischer Verdienst, den man anerkennen sollte. Nun stehen wir aktuell vor neuen Türen, die geöffnet werden sollten. Ich will nicht sagen, dass dort nichts geschieht, aber dies rein auf den eigenen Betrieb Bezogene, im Feinddenken Festgesetzte hat für mich zu wenig aktuelle Außenbezüge, zu wenig gesamtpolitische Sicht, vor allem weil Freiräume lediglich für die Macher selbst entworfen werden sollen, Freiräume die es wahrscheinlich so nie geben wird, wie hier meine Vorgänger gerade schon bemerkten, eine Sicht die nicht aktiv auch Freiräume für das Außen, die Gesamtgesellschaft adressiert, oder sagen wir, dies nicht deutlich genug herausstellt.
Wobei es DAS Theater gar nicht gibt. Es gibt hunderte von Theatern, immer noch und sie sind nicht alle gleich.
Es gibt Raum für verschiedenste Konzepte, Spielweisen wenn Sie wollen, Schwerpunkte, Stile... Theater ist ein Sammelsurium aus Möglichkeiten, das ist doch einer seiner Reize.
Ich bin sicher, Sie haben den offenen Brief gelesen. Und ich möchte Sie fragen, was davon Sie am Theater weiter gepflegt wissen möchten? Den Sexismus? Die billigen Machtspielchen? Das unterirdische Benehmen?
Glaube ich nicht. Schiebe ich Ihnen jetzt mal so unter, falls ich mich irre - bitte korrigieren.
Was ist verloren, wenn das verloren geht?
Es geht nicht darum Auseinandersetzung oder Anforderung zu meiden... es geht gar nicht ohne.
Es geht auch nicht darum die ganze Theaterlandschaft umzugärtnern... geht nicht, muss auch nicht sein.
Es geht um einen Minimalstandart von Respekt, der eigentlich selbstverständlich sein sollte - und in vielen Ensembles auch ist.
Das ist keine ungehörige Forderung, kein Feindbild und keine Qualitätseinbuße der Theaterarbeit.
#67 Wie bereits mehrfach in den Kommentaren erläutert geht es nicht um unendliche Harmonie und Friedefreude, sondern um Respekt und Anerkennung. Diskussionen und Konflikte können laut sein und trotzdem respektvoll. Und zum Thema Standing bei den Schauspielern: Aus SpielerInnensicht kann ich Ihnen sagen, dass ein autoritärer Führungsstil (Führung muss nicht autoritär sein!!!) für mich erst der Anlass ist, die Autorität einer Regie infrage zu stellen. Wer sich darauf angewiesen zeigt, dem begegne ich skeptisch. Das heißt übriges nicht, dass ich im ersten Fall mit allem einverstanden bin, was künstlerisch passiert. Werde ich aber respektvoll behandelt, bin ich bereit, meine Komfortzone zu verlassen.
In der von Ihnen zitierten Arbeitsphilosophie von PRINZIP GONZO, werden ja keine künstlerischen Inhalte verhandelt, sondern nur ein Rahmen der Arbeitsweise abgesteckt. Was die Künstler darüber hinaus gesellschaftlich zu sagen haben, sollen sie gerne in ihren Inszenierungen tun, die Abwesenheit entsprechender Inhalte im zitierten Text lässt nicht auf ihre Abwesenheit in der konkreten Arbeit schließen. Wie gesagt, ich kenne bis dato keine Arbeiten von Tonndorf - aber sie wahrscheinlich auch nicht. Oder täusche ich mich?
Ich bin wie Sie der Meinung, dass die Arbeit am Theater nichts mit Cocktailschlürfen am Strand zu tun hat und haben sollte. Aber - siehe lustige Analogie oben: Die Schmerzen, der Schweiß, das Blut und die Tränen möchten aus der Geburt entstehen und nicht vom sadistischen Gynäkologen herbeigeprügelt werden.
Dass das aber die Ausnahme bleiben und nicht Methode werden sollte, zumal unter Erwachsenen, ist auch klar. Steht auch in jeder guten Kitakonzeption. Z.B. hier (menschenskinder-berlin, Kita Spreeklang):
"Ein Leben ohne Konflikte gibt es nicht und nicht selten werden sie durch Gewalt gelöst. Wir wollen die Kinder zu einem konstruktiven Konfliktverhalten befähigen, d.h. Gewalt vermeiden und andere Formen der Auseinandersetzung üben. Unsere Aufgabe ist es, die Kinder konfliktfähig zu machen, ihr Selbstbewusstsein zu fördern und ihnen Menschlichkeit, Verständnis und Einfühlungsvermögen nahe zu bringen. Sie sollen Erfolge haben, die nicht auf der Unterdrückung anderer und Gewalt beruhen. Diese Form von Gewalt verwechseln wir jedoch nicht mit dem Bedürfnis der Kinder, ihre
Kräfte mit anderen zu messen." usw.
Also, liebe erwachsene Theatermenschen, wie absurd ist es eigentlich, dass hier überhaupt noch diskutiert werden muss. Gezielter Machtmissbrauch gehört verboten! Es sei denn, es passiert eben mal. Siehe oben.
Nur weil sie hier endlos Blubbern, liegt der Ball nicht in tonndorfs Feld. Abermals: Es geht nicht um Spielweisen sondern um Verhaltensweisen von Vorgesetzten. Die ähatetischen Vorlieben, die Spielstile der Gonzos sind ein anderes Thema.
Außerdem ist das Thema wesentlich breiter aufgestellt als sie es sich wünschen!
2. Organisation und Machtverteilung an (Theater-)Institutionen / Gleichstellung/ Arbeitsrecht
2 komplett verschiedene Themen, die separat untersucht und diskutiert werden müssen - wobei sich 2. auf 1. auswirkt (gerade eben zum Vorteil des Intendanten-Genie-Typs)!
Der Offene Brief hat (endlich) auch eine Debatte über Punkt 2. ausgelöst, hoffentlich führt das irgendwann auch zu kulturpolitischen Effekten. Organisation ist an einigen deutschsprachigen Häusern noch ein großes Problem bzw. irgendwo im Mittelalter steckengeblieben.
Wenn heute Karin Beier aktuell als Intendantin zu Frank Castorf geht, was wahrscheinlich nie geschehen wird und ihm sagt: Frank, ab heute darfst du auf den Proben von „Der haarige Affe“ nicht mehr brüllen, weil wir das als einen patriarchalen Machtmissbrauch erachten, dann greift sie unmittelbar in die Kunstfreiheit der Regie ein, indem sie seine Arbeitsweise versucht einzugrenzen. Mit diesem Eingriff könnte der Regisseur nicht mehr die von ihm gewünschte Spielweise der völligen Selbstverausgabung erzielen, die eines seiner zentralen Mittel ist, auch wenn mir diese Mittel persönlich gar nicht mehr gefällt. Seine Schauspieler*innen brüllen, verausgaben sich und hierzu treibt er sie durch Brüllen und vieles mehr an. Und man kann vielen seiner Darsteller*innen nicht unterstellen, dass sie dies unfreiwillig täten. Sie setzen sich diesem Druck aus, um eine bestimmte Spielweise, einen bestimmten Ausdruck zu erzielen.
Warum will sich Herr Tonndorf da einmischen? Er kann ja wiederum in seinem Probenraum arbeiten, was er will? Wieso will er seine Sicht der Dinge auf andere Probenräume ausdehnen? Welches Sendungsbewusstsein, welche Mission verbirgt sich dahinter?
Und wer soll eigentlich dies neue Reglement dann dauerhaft im Probenraum gewähren und kontrollieren? Wird dann eine „Check und Balance“ Theaterpolizei die Proben beobachten?
Ich habe in dem Bereich, während der Besetzung der Volksbühne eine interessante Beobachtung gemacht. Dort gab es Security Kräfte im Plenum und überall, die tatsächlich in die Diskussion im Plenum eingriffen, wenn ihnen ein Beitrag über griffig erschien. Das sah so aus, dass ein Mann quer durch den Kreis des Plenums ging, sich vor jemandem aufbaute und ihn anwies sich zurückzunehmen und einzuschränken. Er stellte so etwas wie eine Sittenpolizei dar. Einen solchen Vorgang hatte ich bisher am Theater noch nicht beobachtet. Heißt das dann, dass in Zukunft jeder zu starke Impuls eines Schauspielers oder einer Regie kontrolliert und eingegrenzt wird?
Und wenn, wie hier gefordert wird, Intendanz und Regie stets zu trennen sind, wird dann mit der Macht der Intendanz dafür gesorgt, dass dies neue Reglement im Probenraum umgesetzt wird? Und vor allem, wie wird dies geschehen, ohne das in die Kunstfreiheit eingegriffen wird? Die Dinge stehen in einem unzertrennbaren Verhältnis zueinander und von daher ist der Versuch, dass Thema lediglich auf die Arbeitsweise zu begrenzen, obsolet.
Nichts leichter als Brüllen & sich verausgaben auf der Bühne.
Das kann Jede(r)!
Auch bei Herrn Castorf sollte Frau/Mann den Mut! haben, sich das zu verbitten, denn wenn ich auf der Bühne von meinem Regisseur angebrüllt werde, ist auch das! Machtmissbrauch!
Das, was da bei der VB-Besetzung passiert ist, ist doch toll. Menschen, die sich (auch verbal) zu sehr ausbreiten, werden einfach kontaktet ;).
Im Übrigen würde ich sagen: Man kann Kinder wie Erwachsene auch mit Sanftheit manipulieren. In guter wie in böser Absicht. Davon abgesehen, würde ich aber immer sagen, dass (verbale) Gewalt am Ende nicht dazu führt, dass ein Mensch von sich aus besser handelt. Im Gegenteil. Wenn man jemanden in seiner Gleichwertigkeit (verbal) erniedrigt und so in seiner Integrität verletzt, dann wird er sich nicht ändern wollen. Insofern ist auch Tonndorfs verbaler Ausrutscher eigentlich kontraproduktiv. Er dürfte selbst nicht auch vom "untragbaren Arschloch" schreiben. Vielleicht eher vom "tragbaren Arschloch"(?) - kleiner Scherz. Denn jeder weiss aus eigener Erfahrung, dass es ein "Arschloch" viel mehr wurmt, wenn man trotzdem freundlich, höflich, sanft und entspannt bleibt, auch gegenüber sogenanntem "Arschlochverhalten". Das ist die wahre Kunst der liebevollen Führung. Und ich muss sagen, sie ist gar nicht so einfach. Aber sie ist machbar.
Ich bin Komponist, Regisseur und freier Theatermacher. Die hässlichesten Seiten von Menschen überhaupt habe ich an verschiedenen Stadttheatern gesehen. Es waren Dramaturgen/Dramaturginnen und Regisseure. Für mich stand irgendwann fest, an dieem Apparat möchte ich nicht teilnehmen. Ein Apparat zu dem Machtausübung und Demütigung zu den gängigen Arbeitsmethoden gehört, und, ohne das pauschalisieren zu wollen, am Ende selten etwas Interessantes herauskommt. Für mich war der nächste Schritt frei zu arbeiten, mit eigenem Ensemble um meine eigenen Arbeitsmethoden zu realisieren: Das komplette Ensemble als Mitschöpfer zu behandeln und jeden auf Augenhöhe zu behandeln. Eine interessante Erfahrung war, dass gerade die Schauspieler mit meiner lockeren, fast unsichtbaren Art den Prozess zu leiten, Probleme hatte. Oft hatte ich das Gefühl, die wollen am liebsten angeschrieen werden. Spätestens als die Schauspieler immer wieder um Machtausübung gebuhlt haben indem sie unterschwellig kundtaten wo der Regisseur gerade mistbaut wurde mir klar, innerhalb eines demokratischen Gebildes zu arbeiten muss man gelernt haben. Und dieses Erlernen geht in der Schauspielschule los. Da muss sich schon viel ändern.
Rückblickend muss ich leider sagen, ich finde es höchst komplex mit Schauspielern zu arbeiten und fühle mich schnell in eine Erwartung gesetzt die ich nicht erfüllen möchte. In den Theaterproduktionen die mich bewegen und die versuchen aus dem Theaterrahmen auszubrechen stehen interessanterweise auch selten Schauspieler auf der Bühne. Und ich habe wirklich viel Respekt vor den Menschen und ihrem Handwerk.
Umso mehr freue ich mich aber über den Brief von der Burg und das es diesen Diskurs gibt. Und ich hoffe, dass die Debatte in den Schauspielschulen ankommt. Ich würde mir wünschen wenn dort ein Bewusstsein im Schüler etabliert wird, dass in jedem ein Schöpfer steckt und gerade dies gefordert ist. Niemand soll darauf vorbereitet zu werden, dass es normal ist gedemütigt zu werden. Wir dürfen uns nicht an die falschen Umstände gewöhnen und sie als gegeben akzeptieren.
Gut. Einverstanden. Setzen wir das einmal als Arbeitsthese:
Brüllen ist Machtmissbrauch.
Demzufolge müsste, da öffentlich bekannt ist, und belegt durch Videoaufnahmen alle wissen, dass Castorf seine Schauspieler*innen anbrüllt, Karin Beier sich nun auf den Weg machen und, um ihre Mitarbeiter*innen vor einem solchen Übergriff zu schützen, Frank Castorf anweisen, dass er sofort seine Arbeitsweise zu ändern oder aber mit Konsequenzen zu rechnen habe.
Wir leben in einem historischem Moment, wo Gedichte an Häuserfassaden übermalt werden, Schauspieler aus Filme herausgeschnitten und Bilder in Museen abgehangen und wieder aufgehangen werden. Ausstellungen, Retrospektiven werden abgesagt und Fernsehfilme von vermeintlichen „Vergewaltigern“ sollen nicht mehr gesendet werden. Also rede ich nicht von einer unrealistischen Vorstellung, wenn ich sage, es könnte in Folge einer solchen These dazu kommen, dass eine Intendantin einem Regisseur Vorschriften zu seiner Arbeitsweise macht.
Wenn man auf diesem Wege zu der Überzeugung kommt, dass der gesamte Betrieb patriarchalisch und sexistisch organisiert ist, sowohl personell, wie auch strukturell, dann sind auch seine Spielweisen ebenso ausgerichtet, weil sie einer patriarchalen und sexistischen Arbeitsweise entspringen, denn Arbeitsweise und Spielweise sind ein unzertrennliches Paar.
Demzufolge kann man nicht einfach so weiter spielen.
Es verhält sich so, wie mit dem historischen Moment, als das Regie-Theater erfunden wurde. Ich fragte meinen Lehrer Kurt Hübner, der einer der zentralen Förderer dieses Regie-Theatert´s war, was seine persönliche Meinung sei, wie dieser Stil entstehen konnte und er antwortete: Wir konnten nach dem Krieg nicht einfach so weiter spielen, wie während des Krieges. Das war uns völlig klar. Was während des dritten Reiches richtig war, konnte nun nicht mehr für richtig erachtet werden und musste überprüft werden. Die Klassiker wurden modernisiert und einer heutigen Sicht ausgesetzt und vollkommen neu gesichtet, auf ihre Haltbarkeit gegenüber dem Zeitgenössischen hin überprüft. Das war eine absolute Notwendigkeit. Und so entstand eine komplett neue Spielweise, auf der auch heute noch ein Großteil aller Theaterarbeiten fußt.
Folgt man einigen Ausführungen hier, sollen wir uns in einer vergleichbaren Situation befinden. Alles steht auf dem Prüfstand. Man kann so nicht weiterspielen, wie bisher.
Das ist die eigentliche Arbeitsthese dieser Kampagne. Die Zeit ist reif. Etwas muss geschehen.
Dann muss aber auch eine (oder mehrere) neue, adäquate Spielweise(n) erfunden werden, denn man kann dann nicht einfach eine Spielweise fortführen, die historisch aus dem Patriarchat und dem strukturellen Sexismus erwachsen sein soll. Und deshalb ist meine Frage an Tonndorf absolut berechtigt, was er denn da in der Zukunft für Spielweisen sehen möchte. Und deshalb bin ich weiterhin der Überzeugung, dass der Ball nun in seinem Feld liegt.
Das wird es immer einmal wieder gegeben haben.
In sein Spiel-Kollektiv, seine Inszenierungs-Truppe überhaupt einzutreten, setzt auf der Grundlage einer Neugier auf die so erzielten Spielweisen und Inszenierungsergebnisse, ein an blindes Vertrauen grenzendes Einverständnis mit seinen angewandten Arbeitsmethoden voraus.
SchauspielerInnen allgemein wissen- wie andere Arbeitende in anderen Arbeitsbereichen ebenfalls!, unter welchen konkreten Bedingungen sie die individuell besten Arbeitsergebnisse erzielen. Wenn sie es nicht wissen, probieren sie solange Regie-Arbeitsweisen von Leuten, deren Ergebnisse sie interessieren, aus, bis sie es von sich selbst wissen.
Ich habe nie mit Castorf gearbeitet, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass diejenigen, mit denen er gearbeitet hat und arbeitet, immer den Mut aufgebracht haben, ihm Widerstand entgegenzusetzen. Z.B. wenn sie das Gefühl hatten, von ihm in einem konkreten Moment nicht für einen Text und dessen Darstellung gebraucht zu werden, sondern für s e i n e persönliche Denke über einen Text.
12.Februar 2018: Baucks und Rust spielen vor keinem Publikum Tischtennis, bis dem Ball aus Zelluloid die Lust vergeht.Dabei waren Sie bei Twitter schon mal weiter mit der Selbsterkenntnis!
Martin Baucks@MartinBaucks am 24. Nov. 2017:
"Ich kann nicht twittern! Wie geht das!?"
Worum geht es?
Machtmissbrauch gegenüber Untergebenen.
In vielen Kommentaren liegt eine Kategorienverwechslung vor. Es wird niemandem das Recht GROßE KUNST zu machen abgesprochen. Es gibt kein Rezept für GROßE KUNST. Wie die kapillaren Verbindungen zwischen Arbeitsweise und künstlerischem "Ergebnis" sind, lässt sich nicht evaluieren.Was aber sicher ist, ist dass gewalttätige Proben Menschen zerstören, auch ihr künstlerisches Potential. Wenn ich als Künstler*in alleine arbeite, kann ich mit mir machen was ich will.
Zu mehreren NICHT. Da muss ein Konsens gefunden werden.
Was ich übergeordnet interessant an der Diskussion finde ist, dass es mir wie der Übergang vom heroischen zum postheroischen Zeitalter erscheint. Das Genie ist ein Bruder des Helden. Und Helden führen KRIEG. GENIE und HELD sind pathetische Erscheinungen. Und es gibt sehr bedenkenswerte Fragezeichen an diese Konstruktionen.
Wohin diese Passage führt wissen wir nicht, und welches Theater daraus erwachsen wird, auch nicht. Alles ist in der Schwebe und das ist gut so.
"Auf Augenhöhe" ist für mich das schlimmste Schlagwort der Jahre 2012 bis heute- seither wird es zunehmend inflationär in allen Gesellschaftsbereichen benutzt - warum gibt das offenbar niemandem zu denken? - Jedenfalls nicht laut...
Jetzt wird also das Totschlag-Supergrundrecht der Kunstfreiheit ins Feld geführt, um zu begründen, warum es für Regisseure (und auch Regisseurinnen) unzumutbar ist, sich auf den Proben respektvoll zu verhalten.
Sorry, aber das ist albern.
Das Grundgesetz schützt in Artikel 5(3) die Freiheit der Kunst. Aber was bedeutet das eigentlich? Jedenfalls nicht, dass Künstler*innen tun und lassen dürfen, was sie wollen. Die Kunst ist nur insofern frei, wie andere Grundrechte nicht beschädigt werden - und wie in Artikel 5(2) (in Bezug auf die Meinungsfreiheit) beschrieben, wird sie eingeschränkt durch "Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre".
Hoppla, so frei ist unsere Kunst ja doch nicht. Das Urheberrecht, die Versammlungsstättenverordnung, das HGB, das UStG, das Arbeitszeitgesetz und und und schränken die Freiheit ein. Dazu noch der persönliche Geschmack derjenigen, die Regisseur*innen beauftragen (Intendant*innen) oder eben nicht. Auch die finanziellen Mittel der Theater oder der freien Produktionen schränken ein. Die Architektur der Bühnenräume verhindert vieles. Und auch die Gesetze der Physik lassen sich nicht nach den Konzepten von Regisseur*innen einfach mal verändern oder ignorieren.
Also wirklich diese armen unfreien Regisseur*innen können wirklich nicht auch noch dazu aufgefordert werden, sich anständig zu benehmen. Wirklich nicht.
Aber Spaß beiseite. Inwieweit Kunst "frei" ist, wird immer wieder aufs neue zwischen Künstler*innen und der Gesellschaft, in der sie arbeiten verhandelt. Diese "Freiheit" verändert sich ständig, und sie muss verteidigt werden. Aber angesichts der ganz konkreten Gefährdungen bspw. in der Turkei, in Polen, in Ungarn in Russland etc. etc. bitte ich ernsthaft um ein wenig Zurückhaltung, wenn es darum geht, hier darüber zu dabattieren, welche Arbeitsweisen wir für das 21. Jh. ablehnen.
1) Inwiefern beeinflusst es die Spielweise eines Produktionsensembles, wenn Assistenten und Hospitanten täglich Sätze wie "Mach du Arschloch", "Verschwinde aus meinem Theater, sonst mach ich dich fertig" hören müssen?
2) Inwiefern beeinflusst es ein künstlerisches Ergebnis/ Die "Spielweise" (positiv), wenn Angestellte technischer Gewerke als "Vidioten", "Schwachmaten", "Trottel" und "Scheiß-Technik" bezeichnet werden?
3) Wie wahrscheinlich ist die Verbesserung einer künstlerischen Leistung nach einer Nichtverlängerungsdrohung?
4) Können wir uns darauf einigen, dass "Brüllen ist Machtmissbrauch" eine ziemlich schwachsinnige These ist? (Brüllen ist denkbar als: Ausdruck körperlicher, seelischer oder gedanklicher Schmerzen, Kommunikationswillen trotz akustischer und räumlicher Hindernisse, Verlust natürlicher Autorität, Ausdruck von Antipathie seinem Gesprächspartner gegenüber etc....)
5) Regisseur A brüllt auf der Probe in eine Szene: "JA! JA! WEITERWEITER! BLEIB DRAN! MACH IHN FERTIG!" - Regisseur B brüllt in der Probe: STELL NICH SO BLÖDE FRAGEN, HALT DIE KLAPPE UND MACH WAS ICH DIR SAGE, SONST KANNST DU DIR MORGEN DEINE PAPIERE ABHOLEN" Gibt es da jenseits der Dezibelzahl Unterschiede?
6) Was genau hat Respekt mit Ponyhof, fehlendem Einsatz und unentschiedenen, langweiligen Ergebnissen zu tun?
7) Sind Ihnen in Ihrer Laufbahn Schauspieler begegnet, die willens und in der Lage waren, sich aus der Sache heraus zu verausgaben, ohne von der Regie dazu genötigt/erpresst worden zu sein?
8) Hat für Sie der Begriff "intrinsische Motivation" bei Schauspielern eine wesentliche Bedeutung? Wenn ja, verringert oder erhöht sie sich Ihrer Erfahrung nach unter Einfluss von schlechter menschlicher Behandlung durch einen Regisseur?
9) Trügt mich mein Eindruck, dass bei Matthias Hartmanns Inszenierungen der Löwenanteil der künstlerischen Qualitäten auf die Erzeugnisse versierter und begabter Schauspieler zurückgeht und nicht so sehr auf Hartmanns Qualitäten bei ihrer Führung? Ist es da nicht naheliegend, zu vermuten, dass dieselben Ergebnisse/ Spielweisen auch in einer anderen (vielleicht repektvolleren) Arbeitsatmosphäre hätten zustande kommen können?
10) Welche Einstellung haben Sie zum autonomen, schöpferischen Schauspieler als künstlerische Persönlichkeit? Kommt ihm die gleiche Bedeutung zu wie einem Regisseur, oder ist er nur die Farbe auf der Palette des Regiekünstlers?
„Es scheint ein Reflex zu sein, das menschenverachtende Verhalten von Männern in Leitungspositionen nach bestem Wissen kreativ zu euphemisieren. Jemand, der seine Mitarbeiter*innen wiederholt rassistisch, sexistisch oder homophob angeht - bzw. deren Kündigung als Machtinstrument benutzt - ist kein Flegel oder Unsympath. Er ist ein untragbares Arschloch.“
Sagt Tonndorfer in seinem Artikel. Das heißt konkret: Matthias Hartmann darf in Zukunft nicht mehr als Regisseur arbeiten, da seine Arbeitsweise untragbar ist und einem modernen Theaterbetrieb nicht mehr entspricht. Jeder, wie Wilfried Schulz als Intendant, der ihn weiter engagiert, macht sich konkret mitverantwortlich und ist ebenso in seiner Auffassung von Arbeitsethik fragwürdig, eventuell ebenso untragbar und eigentlich nicht mehr zu halten. Gleiches gilt für Karin Beier, die gerade Frank Castorf beschäftigt, der sich selbst vor laufender Kamera als jemand geoutet hat, der Schauspieler*innen extrem übergriffig beschimpft. Außerdem muss die Berufung von Martin Kusej zum Burgtheaterdirektor zurückgenommen werden, da er durch den Schauspieler Shenja Lacher seinerzeit glaubwürdig schwer belastet wurde. Alle die Kusej berufen haben sind für die Zukunft von solchen Verfahren auszuschließen.
Das wären die logischen Konsequenzen aus den vorgetragenen Positionen. Dann müssen eben Köpfe rollen, ist die Ansage, so wie eben in anderen Ländern schon einige Herren ihre Stühle räumen mussten und aus Filmen herausgeschnitten oder ihre Ausstellungen abgesagt wurden.
Ich meine, warum engagiere ich Schauspieler, wenn ich sie für so unterbegabt halte, dass ich glaube, dass sie ohne Tritt in die Kehrseite nicht aus dem Knick kommen? Oder glaubt man dann, dass Schauspieler das generell brauchen um ihr Potential zu entfalten?
Seien wir doch mal ehrlich - der Markt ist hart, die Auswahl für die Theaterleitung groß und der Druck für Schauspieler hoch. Sowieso. Keine Grundlage um zu denken... oh, ich lass' mal Fünfe grade sein, ich muss mich da nicht so 'reinhängen.
Abgesehen davon, dass Schauspieler einfach WOLLEN - warum macht man den Beruf denn sonst? Wegen der langfristigen Arbeitsplatzsicherung, den familienfreundlichen Arbeitszeiten oder der exzellenten Entlohnung?
Ich will jetzt nicht überromantisierend klingen, aber Schauspieler lieben, was sie tun. Und sie lieben es auch WEIL das Element der Verausgabung Teil ihrer Aufgabe ist. Weil sich 'reinschmeißen dazugehört.
Und dieser Gedanke fehlt mir bei einigen Kommentaren.
Kleine Anekdote zur Brüllfrage:
Ziemlicher Brocken an Inszenierung, 5 Wochen Probenzeit durch, Teilablauf... nach dem letzten Spielmoment brüllt der Regisseur - mit geballten Fäusten, quer durch den Zuschauerraum, man muss ihn noch im Foyer gehört haben:
"Ja. Jaaa. JAAAAAA ... GEILE SCHEIßE!!!"
Das war der schönste Kontrollverlust, den ich je am Regiepult erlebt habe. Für die Endproben wollte er trotzdem noch eine Schippe mehr von allem. Guess what - er hat sie gekriegt.
Die Konsequenz ist nicht das Entfernen von Inszenierungen, Inhalten, Bildern...sondern die Schaffung einer neuen Arbeitskultur. Wenn Intendanten*innen sich an ihren Häusern klar gegen gewaltsame Arbeitsweisen positionieren, müssen Regisseur*innen sich selbst neu befragen, wie sie arbeiten wollen. Und Regisseure wie Hartmann müssen dazulernen. Das ist selten schlecht.
Um dem Castorf-Bashing entgegenzutreten, möchte ich an dieser Stelle das folgende Interview mit Sophie Rois ab Minute 23 empfehlen:
http://www.hr2.de/programm/podcasts/doppelkopf/podcast-episode18176.html
An anderer Stelle (finde ich momentan nicht) berichtete auch jemand davon, dass die Proben eigentlich recht harmonisch gewesen seien, aber für das einmal anwesende Filmteam just eine besondere Show mit Schreierei geboten worden sei...
das ist der entscheidende Punkt. Es gibt unglaublich gute, geniale, geradezu traumhafte Vatermörder und Mörderinnen. Und dann gibt es die ganz und gar stümperhaften, hundsmiserablen. Die Geschmähten Stein, Peymann und Castorf, sie alle kamen mit einer Vision daher, die sie realisierten, versinnlichten. Sie haben Lebensgefühle, Weltsichten und Menschenbilder komplett ausgetauscht und gegen alte, überkommene ersetzt. Ich war dabei und habe mich inspirieren lassen. Ich war schon längst inspiriert und bereit und habe nur auf solche Abende gewartet. Meine erste Theatererfahrung war der „Hamlet“ von Zadek in der Bo-Fabrik. Er kam, wie gerufen.
Solche Menschen, wie er sie zeigte, durfte es auch geben?! Unglaublich. Ich fühlte mich erkannt, gewollt, es war lebenswert. Aber ich war eben erst fünfzehn Jahre alt und konnte es auf keinen Fall selber machen.
Dann gab es eine lange historische Entwicklung bis hin zum Rauswurf von Castorf aus der Volksbühne. Vieles wirkt heute auf mich arg historisch. Aber es gibt eine historische Klammer, ich versuchte sie anzudeuten, von der „Umsiedlerin“ bis zum „Faust“ von Castorf, seiner letzten Inszenierung. Was danach kommen sollte, blieb vage.
Etwas wurde ausgetauscht gegen etwas, dass noch gar nicht sichtbar war. Es gab keine wirkliche Notwendigkeit. Stein, Peymann und Castorf haben sich ihren Platz sinnlich erobert und die Väter und Mütter an den Rand gedrängt mit Kunstwerken, unvergessenen Kunstwerken.
Jetzt kommen die Menschen mit spärlichen Ideen, Konzepten und Netzwerken, ohne einen großen Wurf auf die Bühne, den sie zum Teil erst gar nicht wollen. Er erscheint ihnen nicht so wichtig. Aber wie soll ich etwas von der Bühne aus begreifen, das sinnlich und ästhetisch überhaupt noch keine Präsenz hat?! Das geht nicht.
Ce ne marche pas.
Ich besuchte die Soloperformance von Mette Ingvartsen an der Volksbühne. Eine Solistin will ein ganzes Ensemble alleine ersetzen. Ich kann ihnen meine Enttäuschung gar nicht schildern, nein, ich darf es nicht. Denn das würde den Abend unglaublich aufwerten, und das hat er nicht verdient.
Für mich ist dieser junge Regisseur leider ein ganz untalentierter Vatermörder. Das ist alles. Er zeigt uns nicht ein Kunstwerk. Er zeigt uns seine Verletzung, die er von Peymann erfahren haben will. Schon in den Achtzigern haben wir uns alle als junge Regisseure und Innen geschworen, uns nicht an dieser Generation abzuarbeiten. Und das war richtig. Und jetzt das. Ich fürchte mich vor dieser Vagheit, die schon an der neuen Volksbühne nicht funktioniert.
Diese Aussage bedingt eine konkrete Nachfrage:
Haben Sie Inszenierungen von und/oder mit Ihm gesehen und wenn ja, welche?
Und wenn, dann beschreiben Sie bitte, was Ihnen an der/den jeweiligen Inszenierung(en) ungenügend erschien.
Auch interessante Frage: Jetzt hat sich ein Regie-Netzwerk gegründet.
Was machen junge Regisseur*innen wie Herr Tonndorf jetzt? Wir haben artbutfair, wir haben das Ensemble-Netzwerk, die ProquoteBühne und nun auch das Regie-Netzwerk... In welche Gruppe mit ihren Extra-Intentionen geht man da am besten, wenn man Schauspieler*in ist UND Regie macht?
Welche Gruppe unterstützt man da als Förderer des Ensemble- oder gar "Spieltruppen"-Gedankens und als potentieller Machtmissbrauchs-Gewohnheiten-Vernichter???
Der Vorgang, der sich hier abspielt, ist immer noch ein ungeheuerlicher... Ich mutmaße weiterhin (korrigieren Sie mich, falls ich hier falsch liege), dass Sie keine Arbeit vom "Herrn Tonnhofer" gesehen haben. Auf der Basis eines kleinen Artikels zu einem spezifischen Thema ("Machtmissbrauch" bzw. "Arbeitsbedingungen/ -atmoshäre") setzen Sie hier zu einem Rundumschlag an, bezeichnen den jungen Mann als "jungen, privilegierten weißen Mann, der keine Vorstellung davon hat, was er mit diesem Beruf gesamtgesellschaftlich bewirken könnte, und der künstlerische Anforderungen an ihn als eine Unverschämtheit erachtet" (woraus schlussfolgern Sie Letzteres, bitte?). Damit nicht genug, er ist auch " leider ein ganz untalentierter Vatermörder. Das ist alles. Er zeigt uns nicht ein Kunstwerk." -Nein, er zeigt uns hier kein Kunstwerk. Hier formuliert er ein BEKENNTNIS zu einer bestimmten Arbeitsweise. Die Kunstwerke zeigt er auf den Bühnen, wo er inszeniert. Dort mögen sie kontrovers diskutiert und von mir aus verurteilt werden.
Wie finden Sie es denn, wenn sich einer den Hochzeitspfarrer aus "Wege zum Glück" anschaut und sie dann zum untalentierten Frotzler erklärt, weil sich dort nichts von dem einlöst, was sie hier an kunsttheoretischen Abhandungen verbreiten? Ein wenig ungerecht, oder?
Und ob Herr Tonndorf etwas kann für Ihren (verständlichen) Frust über die neue Volksbühne - ich weiß ja nicht.
Wenn Sie in so vielen Punkten mit ihm auf einer Linie liegen, wie sie uns in #35 glauben machen wollen, warum verbünden Sie sich nicht mit ihm und ergänzen fehlende Punkte? Stattdessen sind Sie hier nur damit beschäftigt, ihn zu beleidigen und alles auf seinen Schultern abzuladen, was nach Ihrem Ausscheiden aus der Theaterwelt schief gelaufen ist. Das ist alles nicht wirklich fair. Und es dient auch nicht der Wahrheitsfindung.
"Unter dem Dach des ensemble-netzwerks hat sich das regie-netzwerk formiert."
http://treffen.ensemble-netzwerk.de/netzwerk-regie.html
Rust never sleeps.Neil Young.
D.Rust #99: „... Und DANN erst kann er wirklich wissen, was andere Regisseure, auch Claus Peymann leisten mussten um zu leisten, was sie geleistet haben und welche Schwierigkeiten sie dabei zu überwinden hatten. - Wenn er dann nochmal einen der das alles geleistet hat, öffentlich ein Arschloch schimpfen will oder muss, bin ich bereit das widerspruchslos hinzunehmen.“ (Gehen Sie eigentlich auch nur zu Ärztinnen, welche die Sie plagende Krankheit bereits durchgestanden haben?)
Wie man es macht... #zwickmuehle #troll
Tja, so ist das eben, wenn einer das Wort "Arsschloch" öffentlich einführt. Da kommt dann auch mal was zurück. Und unfair ist daran gar nichts. Jobs beim Fernsehen macht man, um Genau zu verdienen, speziell wenn man, so was ich , Alleinerziehender war. Übrigens, hat sich für mich gelohnt den Job zu machen. Mein Sohn studiert heute auch wieder Regie, Filmregie und er hat die selben Probleme wie Herr Tonndorf, zu dem ich sagte, er sei ein untalentierter Vatermörder, nicht Regisseur. Immer schön genau lesen, nicht wahr.
(Werte Diskutant*innen. In den letzten Kommentare tritt der Austausch über einzelne User*innen verstärkt vor den Austausch über das aufgeworfene Thema. Der Exkurs erschöpft sich. Bitte kehren Sie zum Diskussionsgegenstand zurück und prüfen Sie, ob nicht womöglich jede/r seinen Punkt schon hinreichend verständlich gemacht hat und es eines weiteren Beharrens auf den eigenen Thesen nicht bedarf. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
http://www.spiegel.de/kultur/kino/sebastian-schipper-dieter-wedel-ist-eine-gefaehrliche-witzfigur-a-1193250.html
Ich freue mich jedenfalls auf spannende Theaterabende, die mir wohl, wie zuvor auch, mal besser und mal schlechter gefallen werden. Und ich freue mich, dass das Theater durch die zahlreichen Menschen, die sich nun trauen, gegen ihre Arbeitsbedingungen aufzubegehren, eine neue Öffentlichkeit erhält. Wenn innen gelebt wird, was nach außen propagiert wird, kann es nur aufwärts gehen. Wie sonst kann Theater relevant bleiben, wenn es nicht mit der Zeit geht, die es spiegelt? Wie sonst will es seine Bedeutung glaubwürdig vermitteln? Wie sonst mag es gelingen, weiterhin (junge) Menschen zu interessieren oder gar zu begeistern? Bitte weiter so.
Wenn man den Probenraum betritt, tritt man im Grunde genommen in einen toxischen Raum ein, in den man sich sozusagen alle Mörder*innen, Abtrünnigen und Monster einlädt, sobald man „Hamlet“, „Medea“ oder einfach nur „Tartuffe“ erarbeitet. Sicherlich gibt es heute ein Vielzahl anderer Theaterformen, die aber häufig auch nicht auf diese Beigabe verzichten mögen.
Die moralisch makellosen Künstler waren eigentlich immer nur eine Forderung von totalitären Regimen. Nicht-totalitäre Regierungen betrachten in der Kunst stets auch die menschlichen Abgründe und suchten sich hierfür die entsprechenden Fachleute, Menschen, die von solchen Abgründen nicht unberührt geblieben sind. Natürlich muss man an solche Menschen in der Arbeit ethisch hohe Anforderungen stellen dürfen, aber wer, der die Abgründe, den menschlichen Makel wirklich kennt, würde sich selber nicht auch als einen Gefährdeten beschreiben.
Das entschuldigt keine strafbaren Handlungen, auch keinen Machtmissbrauch, doch wer den Probenraum mit den Sittenregeln des öffentlichen Raums einhegen will, der ist eventuell am falschen Ort. Denn es ist eben nicht so, dass den Schauspielern ihr Instrument so zur Verfügung stehen würde, wie den Musikern, wie hier schon behauptet wurde, sondern sie müssen sich ihre darstellerischen Leistungen häufig immer wieder neu erkämpfen. Da ist keine Taste, die sie einfach anschlagen können und dann kommt ein C statt einem A. Häufig muss erst einmal das gesamte soziale Kostüm des Alltags abgelegt werden, um überhaupt an bestimmte Figuren heranzureichen. Das erfordert Wagemut, Risikobereitschaft und eine gewisse Schmerztoleranz. Es ist eine gefährdete Situation, der man immer und stets leicht einen Übergriff unterstellen kann, auch wenn dieser nicht stattfand. Es ist ein Gefahrenbereich.
Um so wichtiger sind die kleinen Unterscheidungen und das Gespür für Sprache, so wie Sie es kenntlich gemacht haben. Wer den Probenraum betritt, sollte einen Zustand erreichen können, in dem seine Abgründe verarbeitet erscheinen und er sie so (verarbeitet) anwenden kann, auf Situationen und Figuren oder anderem. Er sollte die Kontrolle über seine Dämonen haben. Das es trotzdem zu vielen sozialen und moralischen, seelischen Unfällen kommen kann, ist ein spezielles Risiko des Berufes, gegen den man sich zu Recht schützen möchte. Aber eine Sicherheit, durch Kontrolle von außen, wird es nie geben, ohne dass die Kunstfreiheit eingeschränkt wird.
Zu dem, es gibt keine Hinweise darauf, dass moralisch makellose Menschen in einem sittlichen Raum gute Kunst produzieren, eher das Gegenteil könnte der Fall sein, zu mindestens ist er häufiger belegbar, denn noch werden Probenräume von ambivalenten, widersprüchlichen Menschen und Themen bevölkert und bilden darin alles ab, was auch in der Gesellschaft vorkommt und die ist eben auch häufiger ein Abgrund als ein Paradies.
haben Sie nicht schon desöfteren Shakespeare- oder andere Übersetzungen getätigt? Wimmelt es da nicht nur so von vulgärer, derber Sprache? Das Problem ist also tatsächlich die bewusst herabwürdigende Sprache, wie es auch das "Zentrum für politische Schönheit" jüngst in Thüringen erleben musste.
Was machen Sie eigentlich mit einem Autor-Regisseur wie Pollesch, der in seinen Texten gern selbst mal von z.B. der "schwulen Sau" schreibt? Was machen wir als Rezipienten damit? Ist das die Auslotung des schmalen Grats zwischen Beleidigung als bewusste Verletzung/Herabwürdigung und Satire als Erkenntnisinstrument?
Den 7 Stunden "Hamlet" in Bochum habe ich zufällig gesehen und erinnere keine Unflätigkeiten... ich erinnere Menschlichkeiten. Ziemlich viele davon. Manchmal deftige, manchmal weiche, manchmal ver- rückte, manchmal berückende. Figuren, die sich in ihren Gefühlen aufwickeln, sie spinnen, sie zerreißen, sich damit gegenseitig Fallen stellen und in manche selber tappen. Ich erinnere, dass ich sehr gelacht habe, weil darin ein enormer Witz gelegen hat und eine enorme Tragik und dass mir sieben Stunden verdammt kurz vorgekommen sind.
Ich würde auch generell unterscheiden wollen, zwischen privatem Sprachgebrauch und Bühnentext. Die Bühne kommt nicht ohne moralisch, menschliche Verwerfungen aus... jede Geschichte wäre stinklangweilig. Jedes Buch, jeder Film auch.
Keiner will zahmes oder politisch korrektes Theater... was soll es denn sonst offenlegen, worin soll es denn sonst eintauchen, wie soll die Bühne denn sonst ihre Brennglaswirkung auf menschliche Charaktere entfalten?
Wenn eine Figur, um ihr Beispiel zu nehmen, von einer "schwulen Sau" spricht, dann erzählt diese Sprache etwas über ihren eigenen Gedankenhintergrund.
Das ist übrigens beim privaten Menschen nicht anders - aber auf der Bühne ist es ein Stilmittel, das diese Figur beschreibt.
Privat auf der Probe beschreibt es den Absender auch, ist aber kein Stilmittel, sondern schlicht ein menschliches Defizit.
Das SEITENBLICKE-ZITAT des Tages
"Brüllt ein Mann, ist er dynamisch. Brüllt eine Frau, ist sie hysterisch." Hildegard Knef
Scheint ein altes Problem zu sein.
Bloß, was machen wir mit der Satire? Und/oder was machen wir mit der Aktionskunst, die immer schon die Grenze zwischen Fiktion und Realität verwischt/e?
aber was mir so gar nicht in denn Sinn will: Was ist jetzt eigentlich schlimmer oder meinetwegen besser daran, wenn ein Intendant einen Hospitanten anfährt, oder ob ein jüngerer Kollege einen Älteren mit dem selben Schimpfwort „untragbares Arschloch“ öffentlich angeht, und damit sprachlich wesentlich weiter geht als sechzig Kollegen*innen aus Wien. Hat dieser junge Regisseur dann nicht etwa die selbe Charakterschwäche, den selben menschlichen Defizit wie Peymann?
Sicherlich, damals war er Hospitant und unterlegen, aber wir wissen nichts über die Situation, hat er Anlass dazu gegeben und und und. Was auch immer! Heute ist er erwachsen und selber Regisseur und bedient sich der gleichen Mittel, nur öffentlich.
Wie kann, was in der einen Situation im Probenraum als untragbar, unmöglich gilt, in der Öffentlichkeit plötzlich vollkommen gut und richtig sein, und alle rufen: Weiter so! Prima Tim! Genau richtig!
Was für die Intimität des Probenraums gilt, muss auch für die Öffentlichkeit gelten. Auch mediale Macht kann missbraucht werden. Und es ist einfach gar nicht notwendig in dieser Form nachzutreten, nachzutreten, bei jemandem, der schon so gut wie am Boden liegt, unterschiedslos nachzutreten bei zwei Achtzigjährigen, die schon aus dem Beruf ausgeschieden sind.
Fakt 2 ist: Unrecht und Mißbrauch müssen geahndet werden.
Fakt 3 ist: Opfern von Unrecht und Mißbrauch muß Gehör verschafft werden. Sie verdienen Ernst und Respekt.
Fakt 4 ist: Täter/innen, die Unrecht begangen haben, müssen benannt werden und entweder aufhören oder ihr Verhalten ändern.
Stellen Sie sich vor: Ihr Kind geht in der Schule zu einem Theaterworkshop. Der Mensch der Regie faltet bei einer Probe Ihr Kind zusammen, weil sich Ihr Kind nicht so verhält, wie sich der Mensch der Regie das vorstellt, obwohl Ihr Kind Herzblut verschenkt. Später faßt der Mensch der Regie Ihr Kind in's Geschlechtsteil. Ihr Kind kommt verängstigt und verstört nach Hause. Sie merken es. Nach mehreren Tagen offenbart sich Ihnen endlich Ihr Kind. Widerwillig, weil sich Ihr Kind womöglich schämt, nicht gut gewesen zu sein, aber dennoch: Ihr Kind findet Worte, so daß Sie verstehen. Sie werden, vermute ich, zur Direktion gehen und sich wünschen, daß der Mensch der Regie einen Verweis bekommt, nicht mehr weitermachen wird/darf, whatever. Sie sagen, hoffe ich, nicht: "Na ja, liebes Kind, in der Schule wird auch mal verletzend geschrien und angefaßt, das ist eben so, am besten, Du vergißt es einfach, kannze nix d'ran tun."
Insofern; - D.Rust, Michael Laages und alle anderen: wenn ihr noch könnt, macht die Augen auf! Wahrscheinlich aber könnt ihr es nicht mehr.
Es geschieht Unrecht, Punkt. Und ihr verhaltet euch nicht, seht weg.
Anderes Beispiel: Beim Bau der Stadien in Katar sind bis jetzt schon viele Menschen umgekommen wegen schlechter Arbeitsbedingungen. 2022 werden manche sagen: "Tolle Stadien, tolle Spiele,....ah so, ein paar Tote, hmm, na ja,....., aber das Stadion sieht wunderbar aus, die Übertragung ist super." So ähnlich ist es, wenn eine Inszenierung wegen der großen Regie geschätzt wird, wenngleich mehrere Herzen dabei auf der Strecke geblieben sind.
Ich arbeite seit drei Jahrzehnten am Theater und weiß, wovon ich rede. Alle, die verleugen und nicht hinschauen, machen sich mitschuldig.
Und ja, es stimmt: machst du den Mund auf, bist du weg vom Fenster.
Und wie kann man tote Sklavenarbeiter auf Baustellen in Katar mit der Schreierei am Theater vergleichen?
@#117
Ich würde immer unterscheiden wollen zwischen Bühnengeschehen und Zusammenarbeit. Bühnengeschehen möchte ich unbegrenzt wissen. Bei der Zusammenarbeit ist mir Respekt als Leitfaden wichtig.
@#118
"Sicherlich, damals war er Hospitant und unterlegen, aber wir wissen nichts über die Situation, hat er Anlass dazu gegeben und und und."
Wenn wir das nicht wissen, und das stimmt, dass wir es nicht wissen - dann ist es als Gegenbeispiel auch nicht so gut geeignet.
@#119
Ich werde mir diese Überlegung merken. Und sollte mich jemals wer als Endöffnung meiner Kehrseite betiteln - dann werde ich zustimmen, dass ich auch nicht ohne auskommen möchte und mich bedanken, dass ich für unverzichtbar gehalten werde.
@#121
Man kann das vergleichen, weil Menschen sich oftmals nicht darum kümmern WIE Dinge entstehen. Das superbillige T-Shirt, das Stadium in Katar, der Hollywoodblockbuster oder die Inszenierung, die sie genießen.
Ich glaube es so zu verstehen, dass damit gemeint ist, dass man als Konsument nicht nur ein Interesse am Produkt haben sollte, sondern auch an den Produktionsbedingungen.
Was für ein Schwachsinn ist das denn? Sie haben also Belege dafür, dass Produktionen, die unter humanem Miteinander stattfinden, qualitativ weniger hochwertig seien? Was ist das denn? Geistern Sie landauf landab über deutsche Probebühnen und sitzen anschließend in jedweden Premieren? Respekt.
Was ist so schwer daran zu verstehen, dass es durchaus mal laut und unangenehm werden kann zwischen Menschen, aber dabei grundsätzliche Werte wie Anstand, gute Erziehung, Höflichkeit etc. gleichzeitig nicht mit Füßen getreten werden? Da Sie ja nun auch permanent den Namen Ihrer "Helden" fallen lassen, fragen Sie mal nach bei Leuten, die unter Gosch, Minks oder Bieito gearbeitet haben. Ist zwar nicht ganz so spannend, dann einer unter humanistischen Maßstäben bewerteten Meinung zuzustimmen, ist aber durchaus sinnvoll im Hinblick auf seine eigene Meinungsbalance.
zu 120, Die Insel:"So ähnlich ist es, wenn eine Inszenierung wegen der großen Regie geschätzt wird, wenngleich mehrere Herzen dabei auf der Strecke geblieben sind."
Viele Menschen leisten an den Theaterhäusern exzellente Arbeit, sind durch die Produktionsbedingungen oder den eigenen Ehrgeiz und den Willen gut zu arbeiten schon genug angetrieben, als dass es Menschen/Künstler/Regisseure geben müsste, die mit unfairen Mitteln zu ihrer `Kunst`kommen. Keine Ästhetik ist wichtig genug, Herzen gegenüber mehr Wert zu besitzen. Ich werde versuchen, in meinen Möglichkeiten etwas zu tun und glaube daran, dass diese Debatte dazu anregt.
Ich hoffe, dass Intendanten das Ihrige dazu tun werden, um missbräuchliche Regiestars zu stoppen, sie zur Raison rufen oder notfalls auch an einer Arbeit am eigenen Haus hindern werden- und ich hoffe, dass Gespräche darüber konstruktiv geführt werden, in denen man sich als Schauspieler, Regieassistent, Inspizient oder auch als Hospitant anvertrauen kann und gemeinsam eine Marschroute bastelt. Und jene Intendanten und Regisseure (die seien jetzt nur exemplarisch genannt, da sie das größte Machtmonopol besitzen), die sich in dieser Debatte selbst dabei ertappen über Grenzen zu gehen oder gegangen zu sein, ihr Verhalten für die Zukunft hinterfragen. Denn Machtmissbrauch ist keine Stärke.
Es ist aber auch eine Chance..solchen Regisseuren eine andere Arbeitsweise ans Herz zu legen. Denn wie geht es wohl jemandem, der seinen Willen nur durch solche Spielchen bekommt?
Lieber "Arbeiter",
Ihrer Äußerung schließe ich mich vollkommen an, genau so erlebe ich den Theaterbetrieb an verschiedenen kleinen und mittleren Häusern von innen. Auf Seiten der Leitung herrscht riesige Angst, die allmächtigen Abonnenten zu verschrecken. Spielpläne setzen auf Bekanntes und bereits Durchgesetztes mit der internen Begründung, man könne diesen mangelnden Mut zur Innovation mit zeitgemäßen Inszenierungsansätzen "modernisierend auffangen". Findet die Inszenierung einer (Gast)Regie aber einen unkonventionellen Weg, wird das doch zum Problem, denn es könnte Abonnenten verschrecken - diese Inszenierung bei kleinstem Gegenwind durch Kritik oder Gästebuch abgesetzt oder verläuft irgendwie im Sande, die oder der Gast wird nicht mehr engagiert. Die Angst der Leitung gilt dabei gar nicht so sehr der "unkonventionellen" Kunst, sondern der Macht der Politik, die droht, dringend benötigte Zuwendungen nicht zu erhöhen oder Investitionen in Spielstätten nicht zu genehmigen, sobald "die Zahlen" nicht mehr stimmen. Daher gilt eine Beschwerde mit angedrohter Abokündigung mehr als drei oder vier "Gutfinder", die aber keine Abo haben.
Fazit: Solange unser so hochgelobtes deutsches Theatersystem nur von Angsthasen in Leitungspositionen angeführt wird, wird sich nichts ändern.
Das verstehe ich ebenso wenig wie "Kumpel". Ich frage Sie dazu: Wenn Sie schon so sensibel wahrnehmen, wie sehr die (globale?) Gesellschaft häufiger ein Abgrund als ein Paradies ist, wie können Sie dann dafür plädieren, das auch noch im Probenraum fortzusetzen? Wie absurd ist das denn? Das geht für mich höchstens als Satire durch, die die Kluft zwischen Wirklichkeit und Ideal aufzeigen will. Aber doch nicht im Sinne einer zubetonierenden Festschreibung des Status Quo. Ich z.B. nehme vieles in dieser Welt als Satire wahr, auch wenn es vielleicht gar nicht als solche gemeint war/ist. Ich kann und will es aber nicht glauben. Und an eine Theatervorstellung muss man auch glauben, um sie für wahr zu halten.
Kurz: Wer die Welt und die Menschen in gut und böse aufteilt, der verkennt das Böse in sich selbst. Aber ist das ein Argument für das Böse? Oder nicht doch eher dagegen? (...)
Vielen Dank, liebe Carolin, Sie haben mir hier die Worte aus dem Mund genommen ! Die ganze Zeit über druckse ich herum, ob ich es sagen soll. Es wirkt befreiend, daß Sie es jetzt getan haben !!
# 122
Ich lese dieses Zitat immer wieder gerne, kann ihm leider aber in diesem Falle nicht zustimmen. Für einen Menschen mit logischen Anwandlungen dürfte es auch schwer verständlich sein, warum es bei #116 noch darum ging, den Kommentarstrang möglichst spannend und offen zu halten beziehungsweise sich auf den Kern der Debatte zu besinnen, um nun bis zu Ihrem Eintrag hinreichend damit durch zu sein (leisten das denn #117 - #
122, # 121 wirft doch gerade eher Fragen auf !). Und ich hätte selbst auch noch ein paar weitere Fragen.
# Herrn Tonndorf
Lieber Herr Tonndorf, Sie nennen in Ihrem Text, was zu seinen interessanten Seiten zählt, mehrere Modelle, die Sie für Alternativen zum regieführenden Intendanten jenseits des "Kaufmännischen Direktoren"-Modells halten; ich bedauere es sehr, daß keine(r) unter den zahlreichen Fachleuten, die sich hier melden bzw. hier lesen mehr zu diesen Modellen im Praxisbezug hervorbringt, wundert es Sie andererseits aber wirklich so sehr, daß Herr Laages im ziemlich engen Rahmen des Interviews beim regieführenden Intendanten bleibt, wo doch weder der Brief der 60 noch der Standardartikel nur ansatzweise das leisten, was Sie hier nachliefern ?
Und weiter: Wundert es Sie so sehr, daß Herr Laages dazu an dieser Stelle die positiven Beispiele einiger regieführender INTENDANTINNEN ins Feld führt, ua. um zu illustrieren, daß die Zeiten seit Herrn Peymann auch ein wenig vorangeschritten sind ?
# Stefan Bock
Zunächst: Sind Sie jener "Stefan Bock", der auch auf kultura, livekritik, dem Freitag selbst -gute, wie ich finde- Kritiken schreibt ?
Sie stellen in Ihrem ersten Post der Kritik an Laages sowie dem Sendeformat eine Erörterung über die Strategie voran, Verfehlungen von Männern mit dem Hinweis auf "ebensolche" von Frauen zu verharmlosen. Droht dieses nicht aber auch mißverständlich zu sein, oder sehen Sie die Nennungen jener regieführenden Intendantinnen hier tatsächlich im Sinne dieser Einleitung und nicht so, wie ich es etwas weiter oben gegenüber Herrn Tonndorf erwähnte ?
# alle
Gerade hinsichtlich der von Herrn Tonndorf genannten Alternativen, zB. des SCHAUSPIELER-INTENDANTEN, mußte ich seltsamerweise immer an Herbert Fritsch denken und fand plötzlich, daß noch so manch andere "Kandidatin", so manch anderer "Kandidat" sich im Volksbühnenkreis, unabhängig von jeweiligen Ambitionen, fände: Silvia Rieger, Sophie Rois, Caroline Peters, vielleicht auch Milan Peschel oder Martin Wuttke; irgendwie erscheint mir das auch als Kontrast zum Bild vom "Despoten Castorf".
Überrascht es uns denn, wo die Volksbühne jetzt so sehr im Argen weilt, daß es Menschen gibt, die eine einseitige Kritik an regieführenden Intendanten nicht unbedingt pauschal freudig begrüßen ??
Das Machtmißbrauchs-Thema ist ernst, der Widerhall zeigt es an, aber zur Karnevalszeit hätte ich mir Pointe, Zuspitzung, Humor gar gerne ein wenig mehr gewünscht ! Gerade bei Herrn Baucks wartete ich immer ein wenig darauf, daß er Herrn Tonndorf zB. fragte, was er wohl machen würde, wenn man ihm über Nacht die Dercon-Nachfolge antragen würde, aber das blieb leider aus.Und: Herrn Laages "Begeisterung" für die regieführenden Itendanzinnen wird auch ihre Grenzen kennen; ich denke nicht, daß es in seinem Sinne wäre, wenn Dercon nun auch noch versuchte, eigene Regiearbeiten hinzulegen..
Zur ersten Frage: ja
Die zweite Frage verstehe ich nicht recht. Was ist an dem, was ich schrieb mißverständlich? Ich habe nur typische Whataboutismen aufgezählt, wie ich sie im Netz gelesen habe. Siehe dazu auch die Kolumne von Dirk Pilz. Zur These, dass regieführende IntendantInnen besser wären, habe ich mich nicht geäußert. Ich halte beide Varianten für völlig in Ordnung.
Probesituationen.Bleibe ich ein wenig länger bei Ihrem ersten Posting, Herr Bock, so halte ich die Skandalisierung der Marke "Eine zweite Verhöhnung der Opfer" für -überraschend !- verfehlt. Der Brief der 60 ist durch MeToo ermutigt, wo nicht inspiriert worden, aber den Opferstatus schreiben sich die Zeichnenden doch bewußt und explizit nicht zu, eher das zu lange Schweigen bzw. Mitlaufen im Betrieb.Letztlich kommen eigentlich sowohl Frau Dössel als auch Herr Kümmel gleichsam mit Herrn Laages darüber überein, daß der Brief vor allem als eine Art "Grußadresse" an den kommenden Intendanten, das ist Herr Kusej, zu decodieren ist, stellt dieser, der Brief, auch Herrn Hartmann im gleichen Zug ein Zeugnis aus (das bleibt !?).
Kaum anders verhält es sich im übrigen mit der Einschätzung seitens Frau Dössels und Herrn Kümmels bezüglich des späten Zeitpunktes und der Sammlung von Unterschriften des Briefes bzw. zu diesem Brief hin.
Gerade Herr Kümmel liest sich doch viel drastischer dazu als etwa Herr Laages, oder ?:"Dass gestandene Schauspieler wirklich vier Jahre und einen Schwarm von Mitautoren brauchen, um einen offenen Brief gegen den untergegangenen Direktor zu unterschreiben, ist eher schwach (und erinnert ein wenig an den Witz von den wackeren Dörflern, die sich lange nach dem Tod Hitlers dem Widerstand gegen die Nazis anschließen)." Gruß aus Hamburg (wo ich mir heute den alten Marthaler, "Der Entertainer", gönnen werde; im übrigen ist dann morgen Pollesch dran (mit der Minks-Bühne !!) und Castorf war ja gerade erst: kurzum, quasi eine VB-Erinnerungswoche am Dt. Schauspielhaus HH) !.
Ganz einfach:
- Der Körper von Schauspieler/innen ist deren genuines Arbeitsmittel. Schauspieler/innen verkleiden sich (zur Lust und gegen Geld). Zur Verkleidung gehört im weiteren Sinne: Nebel, Kunstblut, Nacktheit. Nacktsein ist Teil des Berufs. Typischerweise.
- Der Körper von Intendant/inn/en ist NICHT deren genuines Arbeitsmittel. Typischerweise.
Wenn das Foto mit Joachim Meyerhoff und Hayat Erdoğan entstanden wäre, wäre es sicherlich Meyerhoff, der halbnackig dastünde und Erdoğan hätte ne Pappkrone auf. So what?
"Man muss kein guter Mensch sein, um gute Kunst zu machen. Man muss dafür aber auch nicht notwendigerweise ein Scheißtyp sein. Arschlochhaftigkeit ist keine Voraussetzung zur Schaffung großer Kunst, aber mitunter wird sie durch destruktive Charaktere hervorgebracht. Doch es gibt Grenzen. Nicht jede Destruktivität im Sinne der Kunst ist hinnehmbar."
http://www.zeit.de/kultur/2018-02/ulrich-khuon-deutsches-theater-berlin-metoo-debatte-interview/komplettansicht
Vielleicht sollten sich alle Beteiligten (wieder) vor Augen führen, vor welchem Hintergrund und aus welchen Gründen dieser Artikel ins Grundgesetz geschrieben wurde.
Ich denke aber, dass das leider die wenigsten interessiert (Politik und Geschichte? Ach, wie uninteressant! Lieber pesudokritisch in der Inszenierung Kritik an der Gesellschaft üben, aber selbst nicht fähig, etwas zu ändern oder mal bei sich anzufangen) und sich lieber an dem oft zitierten Satz "Die Kunst ist frei" so intepretiert halten, dass jeder im Kunstbetrieb machen kann was er will. In jeder Hinsicht.
Und zu behaupten manche große Werke wären nur durch großen Druck entstanden ist einfach falsch. Schauen Sie sich um, es gibt großartiges Theater ohne dass sich jemand als „Arschloch“ beschimpfen musste. Es ist schon alles da, auch ohne die in #93 geforderten Konsequenzen.
Wenn Frau Langhoff sich mit Herrn Lilienthal zerstreitet oder Frau Waltz oder später vielleicht auch Frau Macras mit Herrn Ostermeier usw. Und wenn dadurch dann vielleicht auch noch ein paar menschliche Kollateralschäden (auch im Schauspieler- bzw. Tänzerbereich) entstehen, liegt das dann an den Personen (gender, race, class usw.) oder nicht doch und vor allem immer nur an der Geldfrage. Fragezeichen. Alle IntendantInnen fangen mit nachvollziehbaren Gagen an, und enden wie Machtpolitiker, die nicht mehr das Wohl des Volkes, sondern nur noch ihr eigenes Wohl im Sinn haben. Genauso führen sie dann wahrscheinlich auch Regie, wenn sie Regie führen. Schade.
Warum Herr Khuon da nicht mit drin sitzt, kann ich nicht sagen. Das müssten Sie ihn direkt fragen. Meine Vermutung: Manchmal ist es gut, wenn der Chef nicht mitdiskutiert. Da kommt man zu anderen Ergebnissen. Zu denen muss sich der Boss dann sowieso verhalten.
Ja, Geld spielt ne Rolle. Festgefahrene Rollenbilder/-konstellationen (gender, race, Alter!, Schönheit!, ...) spielen auch ne Rolle. Widerspricht sich doch alles nicht. An allen Missständen ist zu arbeiten. Ohne Macht kein Missbrauch, soviel ist sicher.
Aber: Da kam Heynckes, der Spielerflüsterer, der - wie die SZ v. 22.2./S.1 - schreibt - 'Jupp, Jupp, hurra' - den überragenden Wert von Wertschätzung erkannt hat und den Zusammenhang von Anerkennung und Gratifikationskrisen.
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/sozialpsychologie-wie-lob-und-anerkennung-menschen-aus-der-krise-helfen-1.3876616
Ich meine, was der Fußball schafft, dazu sollten Theatermacher nicht fähig sein?
Wenn ich diese Kommentare hier so lese, als reiner Theaterkonsument, dann scheint vielerorts die Elite der geistigen Aufklärung in der Schwarzen Pädagogik stecken geblieben zu sein; einem Mythos von Geniekult anhängend, dem halt eben Opfer gebracht werden müssen.
Ganz platt könnte ich nun sagen: Für mich ist Theater Unterhaltung. Wenn diese Unterhaltung nur unter inhumanen Haltungsbedingungen erzeugt werden kann, dann verzichte ich halt darauf.
Mache ich bei anderen Sachen ja auch. Vielleicht sollte man eine Art von Theater-Ampel einführen. Das wäre mal echte Avantgarde. Bio-Theater mit Fair-Trade-Siegel. Was die Industrie hinkriegt, sollte für die künstlerische Elite doch ein Klacks sein.
Und dann diese leidige Debatte um den Regie-Demiurgen ! Das ist schon für Burgtheaterverhältnisse vermutlich eher ein ältlicher Ansatz, oder ? Droht dieser also nicht eher das Problem zu vernebeln ?? Nicht umsonst findet sich ja auch (siehe Intendantenwechsel !) im Theater-Heute-Jahrbuch 2017 (Seiten 70 bis 83) quasi einer der Vorläufer der hiesigen Debatte: Ein Interview von TH mit den neuen Intendanten Carp, Weber und Reese (in Freiburg, Frankfurt bzw. Berlin).
In Carps "Weitere Regulierungen der Arbeitszeiten, größere Planbarkeit und ähnliche Maßnahmen sind in einem künstlerischen Betrieb schwierig. Ich weiß auch nicht, warum man das haben muß, wenn man einen künstlerischen Beruf ergreift." bzw. in der gefährdeten Heiterkeit, die der Begriff work-life-balance in der Runde auslöst, dürfte der Grundzug des Problemes sehr viel allgemeiner und deutlicher und alltagsnäher herausgearbeitet sein als zB. in dieser Regie-Genie-Linie. Nun, Herr Küspert mag ja von Frankfurt berichten; sein "Chef" (Anselm Weber) wird ua. folgendermaßen zitiert:"Ich habe jetzt mit Leuten Anfang, Mitte 30 gesprochen, die mir gegenüber den Begriff "Burn-out" benutzen.Darüber war ich schon sehr erstaunt." Und die Herren Carp und Weber, sind das nicht honorable men, mit denen sich reden läßt und über die man nicht reden muß ?? Ist es weit von einer Grundfrage entfernt, zu fragen: Gibt es einen COMMON SENSE darüber, was künstlerische Produktion an einem Landes-, Stadt- bzw. Staatstheater von Fällen in der freien Wirtschaft unterscheidet und was diese mit jenen teilt (Herr Rothschild merkte desletzt Ähnliches an); und gibt es nicht auch einen -noch belastbaren- COMMON SENSE bezüglich der Eigenheiten des SchauspielerInnenberufes , zu denen es ua. gehört, sogenanntes abweichendes Verhalten gerade da zu befragen und in einer Zeit, einer Gesellschaft mithin, in der der Drang, fast der Zwang zum Konformismus immer stärker und beißender wird ??
Jopt: „Der Regisseur, der bei Proben – was alle wissen – Frauen gelegentlich mit Fotze anschreit, hat meiner Meinung nach übrigens nichts mit der MeToo-Debatte zu tun. Das bleibt unser kleines Theaterzombiekabinett.“
Dieses „Theaterzombiekabinett“ scheint einfach einem anderen Rechtskreis anzugehören. In unserem wäre das „gelegentliche“ Anschreien von Frauen mit dem Wort „Fotze“ nach §185 StGB nämlich strafbar und würde mit einer Geldstrafe bis hin zu einem Jahr Freiheitsentzug geahndet werden. Wenn diese Beleidigung gar mittels einer Tätlichkeit begangen wird (- etwa dem Wurf eines Aschenbechers – ) kann die Freiheitsstrafe sogar bis zu 2 Jahre betragen.
Jetzt ist es natürlich naiv und wohlfeil Zivilcourage bei lohnabhängigen, befristet angestellten SchauspielerInnen, AssistentInnen, SouffleurInnen einzufordern. Vielmehr sollten sich die Menschen aus Dramaturgie und Intendanz, die die Entscheidungen treffen, hierzu überlegen, ob es wirklich notwendig ist, den szeneweit bekannten, fotzeschreienden RegieberserkerInnen die Weisungsbefugnis über ihr Personal zu übertragen, oder ob sie damit nicht vielleicht wissentlich die allgemeine Fürsorgepflicht ihren ArbeitnehmerInnen (§618 BGB / §4 ArbSchG) gegenüber verletzten. Große Kunst kann auch auf andere Weise entstehen, aber das wurde hier schon hinlänglich dargelegt.
seien Sie gewiss, dass die eigentliche künstlerische "Elite" schon längst einen großen Bogen um Theater, zumal Theaterinstitutionen macht. Nicht nur, aber auch aus den hier diskutierten Gründen.
Denn das Hauptproblem ist, dass sich dem Intendantenabsolutismus - so er nicht von ganz wenigen Ausnahmen der Amtsinhaber verantwortungsvoll selbst vermieden wird - nur noch jene Künstler beugen, die - böse formuliert - keinen besseren Ort für ihr Wirken finden. Die eigentliche Elite weicht auf andere Orte, andere Künste und andere Berufe aus. Übrig bleibt dann eine scheinbare Auslese nach recht unkünstlerischen Massstäben, die es zu bedauern gilt. Solange sie das noch mitmacht. Der Exodus hat schon begonnen.
Claus Peymann, viel gescholten, viel geehrt, kommt übrigens am 24. April für eine Lesung in die Kammerspiele. Ich - zu jung - kenne den gar nicht. Soll ich Tomaten mitbringen?
Wenn man, als Beispiel, das rote Programmheft der Münchner Kammerspiele durchblättert, wähnt man sich ob der Sprache und der Begrifflichkeit im soziologischen Seminar. Es ist die Diskrepanz diesen Anspruchs: Fackelträger des erleuchtenden Bühnenlichts hätten die Dunkelzonen gesellschaftlicher Mißstände bis hin zur Bewußtseinserweiterung zu erhellen und den Zuschauer damit in einen geläuterten Seelenzustand zu entlassen, der so primitiv konterkariert wird: Man möchte hohe, ja, höchste Kunst generieren, schafft es aber nicht einmal, ohne Beleidigungen, Entwürdigungen und Demütigungen derer auszukommen, die hierfür Protagonisten sein sollen. Das gleicht Oxfam, Dieselmotoren, Panama-Papers, Panzerlieferungen, Regierungserklärungen und allem Werbegesülze, das meine Ohren beschallt: Außen hui, innen pfui.
Die Kammerspiele geben in Kammer 1 rund 300 Vorstellungen im Jahr. Das wären p.a. rund 100000 Zuschauer. Da aber die Abonnenten und die Wiedergänger - ich selbst schaue mir fast jede Inszenierung an - hiervon abgezogen werden müssen, haben wir es mit rund 10000 zusehenden Erkenntnissuchenden zu tun. Das sind 0,66% der Münchner Einwohner. Für - gleich wo - solch einen Kulturzirkel nun werden Schauspieler und Mitarbeiter von einer Macherelite geschunden, um eine theatrale Kunst zu produzieren, die de facto so marginalisiert ist, dass sie von einer wohlwollenden Presse hochgehalten werden muss, sonst würde sie in der medienkulturellen Bedeutungslosigkeit verschwinden und gegen die Gamer-Szene, die MMA-Fans und die Eisstockschützen nicht bestehen. Alles würde in Fußball, Porno und Saufen verschwinden.
Andersherum: Theater ist Pipifax und soziopolitisch völlig irrelevant. Deswegen ja haben die dort Narrenfreiheit, solange nur die Auslastungszahlen stimmen.
Also: Wofür und für wen brüllt man Menschen nieder?
All dem liegt ein groteskes Menschheitskonstrukt zu Grunde, nämlich der Glaube, Großes müsse mit Opfern erkämpft werden, Erfolg mit Qual, Lust mit Schmerz und der Zweck heilige die Mittel und jeder Sieg hat seine Verlierer.
Das geht von der religiösen Inbrunst über die BDSM-Leute, heroischem Soldatentum, bis hin in die hohe Kultur, darin man meint, den Menschen - gleich einem Drill-Sergeant - brechen zu müssen, um das Beste aus ihm herauszubefördern.
Für meinen Bedarf an theatraler Unterhaltung müssen keine Menschen zusammengeschrieen werden. Nicht einmal für angeblich allerhöchste Kunst.
Lange Jahre meines Lebens bin ich überhaupt nicht ins Theater gegangen. Davon dümmer geworden bin ich - glaube ich - nicht.
Seit einiger Zeit gehe ich wieder: Über positive Effekte werde ich berichten.
Das nur als ergänzender, und nicht rechtfertigender, Input zu dieser wichtigen Diskussion von Machtmissbrauch dieser Arschlöcher*innen!
danke für diesen Beitrag! Ich arbeite in einem angsfreien Theaterteam in der die Führungsebene die verschiedenen Generationen einbindet und fördert. Diese Führungsperson kommt allerdings nicht aus Deutschland und ist dementsprechend anders im Theaterbetireb sozialisiert. Das weckt in allen Kreativität und Energie, statt Frust und Ellenbogen. Und noch bleibt weder Publikum aus, noch sind die Kritiker vor gähnender Langeweile eingeschlafen.
Wie so viele hatte ich auch vorher Erlebnisse mit einem der "Berserker". Zu dem Zeitpunkt, konnte ich diesem aber den Rücken kehren, bevor es losging, da mir bewusst war, dass es diese Generation bald nicht mehr geben wird und die Motivation und Sicherheit habe, dass dennoch herausragende Kunst entstehen kann. All die Baucks und Rusts sind in einer Zeit verhangen, die ich so scon nicht mehr sehe und mir sicher bin nur noch als Schatten des Vergangegen wahrnehmen werde. Mag sein, dass andere Inszenierungen entstehen als die Baucks und Rusts gerne schauen. Aber sie sind auch nicht mehr das Publikum vor dem gespielt wird. Ich schaue positiv in die Zukunft.
was sie betreiben, ist Altersdiskriminierung, so voller Hass und Verachtung, dass man nur lächeln kann. Diese Form der versuchten Rufschädigung, ohne Kenntnis der Personen ist typisch für selbstgerechte und eitle Charaktere, wie man sie am Theater in allen Generationen findet. Insofern: Sie sind, wie soviele, ahnungslos in Anbetracht ihres eigenen destruktiven und diskriminierenden Potential. Offensichtlich reicht ihnen schon eine deutsche Sozialisation und das Alter als Ausschlussgrund. Das ist latenter Rassismus mit anderen Vorzeichen.
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