Außersprachliche Wirkung
15. Februar 2018. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt der Regisseur Alexander Eisenach, dass in Romanadaptionen eine emanzipatorische Kraft fürs Theater läge.
Die immer wieder aufkommende Kritik an zuviel Roman auf der Bühne beruhe auf zwei Missverständnissen, so Eisenach, der gerade Thomas Manns "Zauberberg" in Graz inszeniert hat: Am ersten sei die Schule schuld, in der wir lernten, das Theater als Bebilderungsanstalt für gelbe Reclambändchen zu verstehen. "Wir lernten die heilige Kunst der Interpretation, und im Laufe der Jahre lernten wir auch, sie zu verwechseln mit Aneignung. Unwissend, dass sich die Interpretation zur Aneignung ungefähr so verhält wie Sex zur Paartherapie."
Das Theater biedere sich dieser Vorbildung zu oft an und vergesse: "Das Stück besteht also aus der Sprache und nicht für diese." Auch Romane würden zu oft als "Readers-Digest-Versionen" inszeniert, womit zielgenau der Kern dessen verpasst würde, was der Roman als Chance für das Theater bedeuten könnte. "Diese Chance besteht darin, eben nicht alles dem Primat des Sagbaren und Interpretierbaren zu unterwerfen."
Es sei "gerade die Unmöglichkeit, alles in gesprochene Worte zu fassen, es ist der Zwang zum Weglassen, das Wissen um die überbordende epische Grundierung, die jeder Romanadaption zugrunde liegen muss, wenn sie faszinieren will", so Eisenach: "Der überbordende Roman zwingt uns zum Ungesagten, zum Hintergrundrauschen, zum Bild, zur Musik, zum Körper." Es sei "paradoxerweise" seine außersprachliche Wirkung, "die uns im Kern wieder auf das Wesen unserer Kunst zurückwirft und uns so die Befreiung von der Interpretation ermöglicht, uns zur Aneignung zwingt".
(sd)
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