80 Prozent der Bestände liegen brach

Berlin, 2. März 2018. Das deutsche Zentrum des Internationalen Theaterinstituts (ITI) bezeichnet in einer Presseaussendung die Situation der Berliner Theaterarchive und Theatersammlungen als "besorgniserregend". Es bestehe "immenser Handlungsdruck", um die über die Stadt und diverse Institutionen verstreuten Bestände "systematisch zu bewahren, zu ordnen und für die Zukunft zu sichern", sagt Thilo Wittenbecher vom deutschen Zentrum des Internationalen Theaterinstituts (ITI) stellvertretend für den Runden Tisch Berliner Theaterarchive im Vorfeld des morgigen Tages der Archive.

Fast 90 Prozent aller großen Theaterhäuser, Privattheater und Produktionshäuser bewahrten Sammlungen auf, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichten. Zu den Material- und Objekttypen gehörten Fotografien, Plakate, Produktionsunterlagen, filmische Dokumentationen, Regiebücher oder Bühnenbildzeichnungen. Eine Umfrage des Runden Tischs habe ergeben, dass rund zwei Drittel der Institutionen keine Arbeitszeit für die Sammlungen aufwenden können und dass an den befragten Spielstätten lediglich 15 % der Bestände elektronisch erfasst sind. In knapp 80 % der Fälle könne ein geregelter Zugang für Interessierte zu den Beständen nicht gewährleistet werden.

"Das archivarische Tagesgeschäft: kontinuierliches Erfassen, Verzeichnen, Pflegen und Digitalisieren der Bestände, liegt mangels finanzieller und personeller Ressourcen an der Mehrzahl der Berliner Theater- und Opernhäuser weitestgehend brach. An Besucherpflege und wissenschaftliche Begleitung von Rechercheprozessen ist hier gar nicht zu denken", bewertet Thilo Wittenbecher die vorliegenden Zahlen. Für eine Aufarbeitung der Bestände seien Projektmittel notwendig. "Eine enge Abstimmung mit der Berliner Senatskulturverwaltung ist dafür in Vorbereitung, um gemeinsam konkrete Schritte für die Unterstützung der Theaterarchive zu planen und die Vernetzung mit den verantwortlichen Gedächtnisinstitutionen in der Stadt zu stärken", heißt es in der Pressemitteilung.

(ITI / chr)

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Kommentare  
Berliner Theaterarchive: Aufgabe für Dortmund
DAS wäre aber eine Schulungsaufgabe für die neue Theaterakademie in Dortmund: Digitalisierte Archivierung von Theaterarbeit und Aufbau von Austauschnetzwerken.
Berliner Theaterarchive: Bundeskulturstiftung
Ich sehe hier vor allem eine Aufgabe auch der Bundeskulturstiftung. Es ist kein Problem nur in Berlin, sondern deutschlandweit. Die flüchtige Kunstform Theater wird nicht mehr angemessen archiviert, dabei wäre es technisch so viel einfacher als früher. Es gibt inzwischen ja endlich entsprechende Initiativen im Bereich der freien Szene. Aber was ist mit den Stadt- und Staatstheatern? Theater stellen sehr viel online, sogar Fotos und Videos, aber dann kommt eine neue Intendanz, kreiert eine neue Website und löscht die alte. Vom haptischen Material in den Theatern ganz zu schweigen ...

Wo bleibt die große Initiative von Institutionen, die ein Interesse an einer guten Archivierung der Theaterkunst haben sollten? Deutscher Bühnenverein, Gesellschaft für Theaterwissenschaft, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bundeskulturstiftung, die Staatsministerin für Kultur und Medien usw.

Es gibt ja Theatermuseen (u.a. München) und Sammlungen, aber die sind z.T. noch extrem verstaubt und regional und werden auch immer weiter kaputtgespart. Das Archivieren kann man nicht den einzelnen Kommunen und Ländern oder gar den Theatern überlassen, denn natürlich wird hier bei Spardruck am leichtesten gekürzt. Es braucht eine deutschlandweite gemeinsame Initiative und Institution - ein umfassendes Archiv der Darstellenden Künste. Mit Teilen, die auch online zugänglich sind. Man fragt sich, ob nicht Nachtkritik.de mit dieser großen Übersicht an Inszenierungen, Kritiken, Rundschauen etc. einen "Grundstock" abgeben könnte und jedenfalls integriert werden müsste in solch ein Theater-Archiv? Wer übernimmt?!
(SB)
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