Kampfkunst

von Jean Peters

Berlin, März 2018.

0. Die Critical Campaigner*in kämpft für die Rechte der Unterdrückten, Marginalisierten und Machtlosen. Dieser Einsatz wird jedoch nie auf Kosten anderer, evtl. wehrloserer Gruppen geführt, sondern reflektiert strukturelle Abhängigkeiten in ihrer Komplexität. Die Critical Campaigner*in wird klassenbasierte Privilegien und sexistische, rassistische oder auch militaristische Propaganda aufdecken und bekämpfen, seien sie explizit oder implizit.

Aktion "Slam Shell" vom Peng!-Kollektiv © Peng!

1. Die Critical Campaigner*in wird, wenn sie kann, jede Form der Zensur bekämpfen, die der Unterdrückung dient – sei sie durch staatliche Repression, durch Unternehmensinteressen oder durch Formen der Selbstzensur motiviert, etwa über Druck von Kollegen, Freunden oder persönlichem Interesse.

2. Die Critical Campagner*in ist sich der Wechselbeziehung sozialer Emanzipation bewusst. Während institutionelle Politik sich in Sektoren "Menschenrechte", "Ökologie", "Ökonomische Entwicklung", "Gleichberechtigung der Geschlechter" etc. auftrennt, spielt die Critical Campaigner*in soziale Bewegungen nicht gegeneinander aus. Im Interesse der Emanzipation ist jede Kampagne in ihrem Kern "intersektoral" konzipiert.

3. Die Critical Campagner*in verpflichtet sich dazu, ethische Standards bei der Kommunikation und Mobilisierung ihren Möglichkeiten entsprechend einzuhalten. Sie ist sich darüber bewusst, dass ihre Verantwortung mit steigendem Einfluss zunimmt.

4. Die Critical Campaigner*in bezieht jede Gruppe oder Einzelperson, für die sie kämpft, in ihre Kampagne ein – von Anfang an, auf Augenhöhe und wenn möglich als Teil des Kernteams. Sie ist gegenüber der Gruppe oder Einzelperson, die im Mittelpunkt ihres Kampagnenthemas steht, rechenschaftspflichtig.

5. Die Critical Campaigner*in reflektiert die Position, aus der sie spricht. Sie schafft für jede Einzelperson oder Gruppe mit weniger Zugang Raum zur Selbstrepräsentation.

6. Die Critical Campaigner*in hat keine Ehrfurcht vor "Konsumerfahrungen" und "Reichweitenmaximierung". Wichtige politische Themen erfordern starkes Engagement. Die Critical Campaigner*in wird sich daher auf diejenigen konzentrieren, die bereit sind, entsprechend aktiv zu werden. Sie sieht Massenreichweite nicht als Selbstzweck.

7. Die Critical Campaigner*in ist bereit, während oder nach ihrer Kampagne politische Position zu ihrem Anliegen zu beziehen. Insbesondere bei der Verwendung von Satire, Ironie oder anderen offen interpretierbaren Formen ist sie bereit, zumindest im Anschluss Position zu beziehen.

8. Die Critical Campaigner*in entziffert Machtverhältnisse, die in jeder Art von Kommunikation stecken – sei es in Software, Computernetzwerken (oder anderen Ingenieurs-Arbeiten), Architektur, Schrift, gesprochenem Wort und Intonationen, Film, Kleidung, Körpersprache oder das Abhanden-Sein von Reaktion. Sie achtet darauf, repressive Machtmuster in ihrer eigenen Kommunikation nicht zu reproduzieren.

9. Die Critical Campaigner*in ist sich der Bedrohung politischer und künstlerischer Arbeit durch Überwachung bewusst. Sie respektiert das Recht anderer, ihre eigenen Daten und ihre Identität zu schützen und zu kontrollieren und wird daher immer die sichersten Kommunikationsmöglichkeiten erforschen und verwenden.

10. Die Critical Campaigner*in verwendet Mittel der Emotionalisierung und Reduktion nur in Verbindung mit differenzierten und komplexen Informationen.

11. Die Critical Campaigner*in sieht im Überleben ihrer Organisation keine Priorität an sich. Auch wenn es manchmal wichtig sein mag, so ist es ihr immer zweitrangig gegenüber ihren politischen Zielen.

 

 This way for the English translation of the manifesto

 

Das Critical Campaigning Manifest ist zur ständigen Weiterentwicklung konzipiert und wird auf dieser Website regelmäßig aktualisiert.

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