Ein armes Leben im reichen

von Sabine Leucht

München, 20. März 2018. Da stehen sie zwischen den malerisch bröckelnden Säulen des Pathos München: Der Saxophonist mit seinem überlangen Strickmantel, der Trommler, die Geigerin mit den Pfauenfedern auf dem Kopf. Wie sich erst jeder für sich mit seinem Instrument an das Kommende herantastet und schließlich alle zu einem gemeinsamen Rhythmus finden, da scheint für einen Moment alles möglich in der freien Münchner Theaterszene. Dass in dem ungarisch-türkisch-deutschen Projekt "F.M.G – Transforming Faust I und II" von Angelika Fink und Barbara Balsei bezaubernde Menschen bezaubernde und alberne Dinge tun, Goethe-Texte auf eine Elvis-Persiflage treffen und ein quietschbunter Konfettiregen ebenso vorkommt wie das entschiedenen "Nein" dazu, Gretchens Opfergeschichte auszubreiten, beweist: Die Szene ist bunt hier, wenn man sie lässt. Sie vernetzt sich zusehends – und sie bewohnt wunderbar atmosphärische Orte, die es zu schützen gilt.

Wären da nicht die zahlreichen Abers.

Vernetzung versus Münchner Mentalitäten

Als sich Anfang 2017 das Netzwerk Freie Szene München gründete, war es im Vergleich zu anderen Städten spät dran. Noch mehr verwundert, dass es überhaupt zu einer gemeinsamen Interessenvertretung gekommen ist. Denn die Tanz- und Theatermacher dieser Stadt lassen sich schon aus Prinzip ungern über einen Kamm scheren. "Freie Szene?", schnaubte vor Jahren Alexeij Sagerer, "Das erinnert an kleine Fische, die sich zusammentun, um wie ein großer Fisch zu wirken." Sagerer, der bereits in den Siebzigern neben Rainer Werner Fassbinder und George Froschers FTM nicht nur Münchner Theatergeschichte schrieb, reicht seit 2016 Projektanträge auf null Euro Förderung ein, weil er die Achtung vor dem ergebnisoffenen Arbeiten von Seiten der zunehmend kontroll- und projektfixierten Kulturpolitik vermisst.

TransformingFaustDer Saxophonist mit seinem überlangen Strickmantel (Martin Clausen) in "F.M.G – Transforming Faust I und II" im Pathos © Pathos München

Da hat er zwar Recht; doch nur, wer mehr als 40 Jahre kontinuierlich von der Stadt gefördert wurde, kann sich das leisten. Die meisten, die unter dem Dach des Netzwerks für mehr Probenräume, mehr Geld, für Bürokratieabbau und mehr Verständnis für die Prozesshaftigkeit künstlerischen Arbeitens streiten, wagen davon nicht mal zu träumen. Auch deshalb fordert das Netzwerk selbstbewusst eine Vervierfachung der Fördermittel auf zehn Millionen Euro. Wenn man sieht, dass viel weniger reiche Kommunen wie Dresden und Augsburg erst kürzlich die ihren verdoppelt haben, mutet das gar nicht mal so utopisch an. Zumal das Geld sich in München auf mindestens acht feste freie Häuser, sechs Infrastrukturmaßnahmen und drei Jurys verteilen würde, die über die Vergabe von Projektfördergeldern im Bereich (Musik-)Theater/Performance, Tanz und Kindertheater entscheiden.

Förderung ohne Landesgelder

Stefan Bläske, Dramaturg von Milo Rau, saß bis Ende Januar in der Münchner Jury "Freie Projektförderung Theater" und fühlte sich dabei "wie ein Gärtner in einem Garten, in dem es zu wenig Wasser zum Gießen gibt", weil "seine" Jury im aktuellen Vergabezyklus 85 bis 90 Prozent aller beantragten Projekte "aussortieren" musste, darunter einiges unter großen Schmerzen. Von 125 eingegangenen Anträgen wurden inklusive minimal bezuschusster Debüts nur 13 Projekte im Bereich Performance, Sprech- und Musiktheater gefördert. Weil man in München den Fehler gemacht hat, freie Projekte nach "Art But Fair"-Standards zu bezahlen, ohne zuvor die Gesamt-Fördersumme zu erhöhen, sogar noch weniger als sonst. Das ist, so Bläske, "weniger als ein durchschnittliches deutsches Stadttheater pro Jahr produziert", also "unverantwortlich wenig" für eine Großstadt wie München. Zumal sich die Künstler dieser Stadt in der einzigartig misslichen Lage befinden, dass ihnen die Geldtöpfe des Landes verschlossen sind: Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst unterstützt keine Einzelproduktionen. Im Gegensatz zum Kulturfonds Bayern, der aber ausdrücklich (die SPD-Hochburgen) München und Nürnberg ausnimmt.

Einige sogenannte "Infrastrukturmaßnahmen" mit überwiegendem Spielstättencharakter haben dann nichts zu zeigen. Und weil auch die bauliche Situation vieler Münchner Theater-Immobilien prekär ist, konzentriert sich derzeit das meiste im frisch renovierten HochX – neben dem Großteil dessen, was die städtischen Jurys durchwinken und Gastspiele im Rahmen einschlägiger Festivals auch das, was aus privaten Stiftungen oder soziokulturellen Geldtöpfen stammt. Das Haus, das früher i-camp und noch früher NT hieß, kann im Moment nicht über Unterbeschäftigung klagen. Es ist laut Ute Gröbel, die das HochX gemeinsam mit Ulrich Eisenhofer und Benno Heisel leitet, sogar so voll, dass man keinerlei Kapazitäten für Wiederaufnahmen habe. Aber nicht nur deshalb kann es selbst kein inhaltliches Profil entwickeln. Denn das Selbst-Produzieren und Kuratieren ist ihm nicht nur rechnerisch unmöglich, sondern ausdrücklich verboten.

hochx utegroebelDas HochX zur Straße hin. Um die Ecke gibt's dann den Saal. © Ute Gröbel

Heisel erzählt von "riesigen Phantomspielplänen", die jährlich im Vorfeld der Förderentscheidungen entstehen: Wenn von sieben eingebuchten Produktionen nur eine zustande komme, sei das "eine Form des Glückspiels" – auch und vor allem für die Künstler. "Auf diesen Lebensentwurf eine Biografie zu gründen, ist in München unmöglich", sagt Heisel, der weiß, wovon er spricht. Mit dem von ihm mitbegründeten politischen Dokumentartheater-Kollektiv Fake to Pretend war er selbst bereits auf dem Absprung aus der Stadt. Und weil sein eigener Name nun zwei Mal nacheinander auf einem bewilligten Antrag aufgetaucht sei, rechnet er fast damit, dass es das als Künstler in München für ihn war.

"Es steht ja auch ausdrücklich nicht Lebensversicherung" auf den Förderzusagen, meint Gesche Piening, die sich in ihren bisherigen theatralen Arbeiten viel mit künstlerischer Selbstausbeutung beschäftigt hat. Nein, tut es nicht! Und immer wieder wird von Seiten der Stadt implizit davon ausgegangen, dass sich die fluiden Prozesse der Kunst mit einer gewissen Planungsunsicherheit gut vertragen.

Zwischennutzung im Kreativquartier

Paradebeispiel dafür ist das sogenannte Kreativquartier zwischen Loth-, Dachauer- und Schwere-Reiter-Straße, wo auf einer rund 20 Hektar großen Industriebrache um die 30 mehr oder weniger marode Gebäude stehen, in denen sich Kulturschaffende aller Sparten seit mehr als einem Jahrzehnt von Zwischennutzung zu Zwischennutzung hangeln. 2012 gewannen die Architekten von Teleinternetcafe den städtebaulichen Ideenwettbewerb. Seitdem läuft hier ein Experiment: Teil des Entwurfs ist, dass in München seltene alternative Räume nach Möglichkeit erhalten bleiben sollen. Im nordwestlichen Teil des Geländes, wo das Pathos und das von diesem gemeinsam mit der Choreografenvereinigung Tanztendenz und dem Kunstbahnsteig / Schwere Reiter Musik betriebene Schwere Reiter stehen, ist nominell eine behutsame Entwicklung mit Nutzerbeteiligung geplant.

Doch obwohl das einzige freie Drei-Sparten-Haus Münchens eines der Lieblingsprojekte von Kulturreferent Küppers ist, erscheint die Zukunft zumindest der maroden Immobilie derzeit ungewiss. Im Oktober gehen hier unter anderem noch das Informal European Theater Meeting (IETM) und das Münchner Freie Szene Festival Rodeo über die Bühne, ab November wird das erstmals in München stattfindende Festival Politik im freien Theater die Leichtbauhallen-Zwischenlösung eröffnen, derweil sich die Betreiber wie der Kunstbahnsteig-Chef Karl Wallowsky schon selbst wie "eine Art Brückentechnologie" fühlen, "von der keiner weiß, wie lange man sie noch braucht".

Performing Arts Center oder Mehrzweckhalle?

Viel Hoffnung, in dem lange ersehnten Performing Arts Center, das ebenfalls im Kreativquartier entstehen soll, selbst eine Rolle zu spielen, hat kaum noch jemand in München. Dass es entstehen wird, wird Kulturreferent Hans-Georg Küppers nicht müde zu betonen: "Mit der Jutier- und Tonnenhalle werden wir bald einen festen Produktions- und Präsentationsort für die freie Szene haben, der in dieser Form in München noch fehlt." Und zwar nicht statt, sondern neben Pathos und Schwere Reiter.

Banner PathosDas Pathos München auf dem Gelände des zukünftigen Kreativquartiers © Pathos München

Warum es so elend lange dauert, bis man hier Richtfest feiern kann, ist schnell erklärt, denn die seit 2011 dafür vorgesehenen denkmalgeschützten Bauten sind Teil eines städtebaulichen Gesamtprojekts mit unbedingtem turmcharakter, bestehend aus Wohnungen, kultureller, aber auch "kreativwirtschaftlicher und gewerblicher Nutzungen", das vier Referate, etliche Bezirksausschüsse, Stadt und Land gemeinsam (ver)planen. Ursprünglich hätten die Hallen 2018 betriebsbereit sein sollen. Nun ist Max Leuprecht, Quartiersorganisator im Kulturreferat, "guten Mutes", im 2. Quartal des Jahres mit der Generalsanierung beginnen zu können. Als Eröffnungstermin steht (noch) 2021 im Raum, doch das hält selbst Leuprecht für "sehr sportlich". Das Hauptproblem aber ist, dass der städtische Grundsatzbeschluss vom September 2016 zwar 29 Stellen bewilligt, aber kaum eine inhaltliche Idee enthält und bis auf den "künstlerischen Geschäftsführer" keine künstlerische Position.

Tilmann Broszat, langjährige Leiter des Münchner Performance-Festivals Spielart, hat seinerzeit vor allem deshalb am Betriebskonzept mitgeschrieben, "damit der Produktionshaus-Gedanke nicht unter die Räder kommt". Dass das Kulturreferat dem Stadtrat im Anschluss von vornherein eine "Variante B" empfahl, die mit weniger Eigenproduktionen auskommt, gießt Wasser auf die Mühlen der Skeptiker, die hier eine "mittelmäßige Mehrzweckhalle" heraufziehen sehen.

Was also kann es werden, wenn es endlich wird? Leuprecht spricht von einem "herausgehobenen Ort für die Szene", der überregionale und internationale Kooperationen ermöglicht, wie man sie derzeit mit Richard Siegals Ballet of Difference unterhält, eine von der Stadt München mit dreijähriger Optionsförderung ausgestattete Projektkompanie mit Sitz in München und Köln, die vom Land NRW kofinanziert wird. Und ja, auch Gruppen von auswärts wolle man temporär hierherholen. Muss man auch. Denn 600 Zuschauerplätze füllt, wenn man ehrlich ist, in München derzeit wirklich nur Siegals künstlerisch spektakuläre wie massenkompatible Melange aus klassischem und zeitgenössischem Tanz, elektronischer Musik und Diversity.

Der Fall Münchner Kammerspiele

Leise schwant auch der Stadt, dass man hier auf eine Blamage zusteuert, wenn man nicht, wie es Leuprecht nennt, "auch an der Stellschraube Förderung dreht". Doch statt längst schon bestehende Strukturen gravierend zu stärken, hat man 2013 Matthias Lilienthal zum Intendanten der Münchner Kammerspiele bestellt, die sich im Spielzeitheft 2016 überraschend als neue "Interimsspielstätte" für die Szene vorstellten. 500 000 Euro zwackt das hochsubventionierte Haus von seinem Gesamtbudget ab, um damit Koproduktionen und Gastspiele Münchner, deutscher und internationaler freier Gruppen mit Koproduktionsgeldern und/oder Gastspieleinladungen zu unterstützen. Was Küppers ausdrücklich begrüßt, weil so Freie "von der Infrastruktur eines städtischen Theaters profitieren können" und "eine erhöhte Wahrnehmung bei Publikum und Presse" erhalten.

Beides stimmt nur bedingt: Gäste, gibt der Freie-Szene-Verantwortliche der Kammerspiele Christoph Gurk zu, probten in der Regel außerhalb des Hauses und müssten das aus eigenen Mitteln bezahlen. Und auch die Werkstätten stünden ihnen nur eingeschränkt zur Verfügung – man könne nicht wie eine Repertoireproduktion erwarten, ein ganzes Bühnenbild gebaut zu bekommen, so Gurk. Nur die eigenen Fixkosten lege man nicht extra auf die Freien um. Allzu toll klingt das nicht.

Und was die erhöhte Sichtbarkeit angeht, so nimmt die überregionale Presse vielleicht die Gruppen und sicher die Kammerspiele besser wahr, wie zuletzt bei FUX mit dem pfiffigen "Fux gewinnt!" und der missglückten Wiederentdeckung der Granteloper oder bei The Agency mit Perfect Romance. Aber nicht, dass das Gros der finanziellen Unterstützung aus dem beschränkten städtischen Etat für die Münchner Szene kommt. Auf zwei Jahre läuft das Projekt Kammerspiele noch – danach wird man sehen.

Dass die bei den betreffenden Vergaberunden leer Ausgegangenen den München-Bezug der geförderten Gruppen genauer unter die Lupe nehmen und das Wort "Antragstourismus" die Runde macht, mag man provinziell finden. Aber so lange die Gelder derart knapp sind, ist Neid nachvollziehbar. Auch Gurk hält "eine Erhöhung des Fördervolumens für dringend notwendig, damit das Hauen und Stechen aufhört" und die Diskrepanz zwischen den Geldern, die in Stadttheater und in die Szene fließen, für "nicht hinnehmbar". Auch im Bezug auf den immer noch zu geringen Anteil an Münchner Produktionen im Gastspielprogramm der Kammerspiele spielt er den Ball an die Stadt zurück: "So lange nur im Umfang wie jetzt gefördert wird, werde ich und wird später auch das Produktionshaus verstärkt importieren müssen."

granteloper 3166 560 dorothea tuch uFUX' "Granteloper" wurde auch an den Kammerspielen gezeigt © Dorothea Tuch

Nichts geht also, wenn nicht zuvor mehr Geld fließt. Das gilt für Einzelprojekte wie für die festen Häuser, von denen das mehrfach als beste freie Bühne Deutschlands ausgezeichnete Metropol-Theater im Münchner Norden im vergangenen Herbst mit der Parole "20 Jahre der Selbstausbeutung sind genug" und prominenter Schützenhilfe von Ex-OB Ude auf einen Schlag eine Etaterhöhung um 250 000 Euro auf 400 000 Euro erwirkt hat. Von 2019 an bekleidet das Metropol damit den Rang eines kleinen Stadttheaters, der ihm gebührt.

So sollte man auch andere "Institutionen" aus dem allgemeinen Freie-Szene-Topf ausgliedern und längerfristig fördern. Und zwar sowohl vielversprechenden Nachwuchs, den man gerne an die Stadt binden will, auch wenn das Debüt oder die dritte eigene Produktion nicht ganz der Knüller geworden ist. Als auch alteingesessene Kult-Gruppen wie Die Bairishe Geisha, die als eine von ganz wenigen lokalen Formationen Dauergast beim Festival Spielart war, allerdings nur noch in Gestalt der vielseitigen Judith Huber in München überlebt hat. Und was ist mit jemandem wie Stefan Kastner, dessen szenisch-musikalische Kreuzungen aus bajuwarischer Anarchie und philosophischer Groteske nicht anderswo denkbar sind als hier? In der Liste der neu Geförderten steckt viel drin: ein hoher Frauenanteil ganz ohne Quote, Diversity, Politisches, sogar ein fast bewundernswertes Nervpotential. Doch wo man noch vor Jahren die Überalterung der Szene beklagte, fehlt es heute an Kontinuität.

Handschriften und Künstlerpersönlichkeiten gehen verloren

Das sagt sogar Sarah Israel, derzeitige Leiterin des Rodeo-Festivals, in dem sich seit 2010 die Münchner Freien präsentieren. 2016 hat Israel mit dem Goethe-Institut die sogenannten Bloom Ups erfunden, Kurzzeit-residencies, die genre- und länderübergreifende Zusammenarbeiten stiften sollten, also Paare zusammenspannten aus einem Münchner und einem nichtdeutschen Künstler. Die zentralen Stichworte dabei – wie immer in den letzten Jahren, wenn städtisches Kalkül dahintersteht –: Vernetzung und internationale Strahlkraft. Diesen Herbst wird einer bei den Bloom Ups dabei sein, der hier seit drei Jahren nicht mehr gefördert worden ist: Berkan Karpat, dessen tonnenschwere spirituelle Installationen im Münchner Stadtraum sich allen Kategorisierungsversuchen entziehen.

Sie liebe Künstlerpersönlichkeiten, sagt Israel, und versuche deshalb nach Möglichkeit, "auch die anderen Farben der Stadt präsent zu halten". Dabei betont die international aktive Dramaturgin aktuell vor allem die Bedeutung von Künstlern, die sich kontinuierlich in und mit einer Stadt entwickeln können: "Einer wie Micha Purucker mit seiner Erfahrung kann mir, wenn man ihn nur lässt, Innovation direkt vor die Haustür spucken." Der Choreograf hat 1987 die Tanztendenz mitbegründet und ist einer der eigensten Münchner Köpfe. Ein Lokalmatador mit Fühlern in die Welt. So lange es solche wie ihn gibt, darf man sie keinesfalls aufs Altenteil oder ins Jobcenter schicken. Schon gar nicht in einer derart reichen Stadt!

 

sabine leucht kleinSabine Leucht, Jahrgang 1966, studierte Publizistik und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, lebt und schreibt seit 1998 in München: Über Theater und anderes, sehr lange für die taz, am regelmäßigsten für die Münchner Kulturredaktion der Süddeutschen Zeitung.

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Kommentare  
Freie Szene München: Warum Alexeij Sagerer wirklich überlebt
Warum kann Alexeij Sagerer sich selbst immernoch leisten...

Nein, liebe Sabine, das kann ich mir nicht leisten, weil ich 40 Jahre kontinuierlich von der Stadt gefördert wurde. Wenn es danach geht, kann ich mir jetzt Hartz IV leisten. Wer ist denn dieser Meinung oder wie kommst du zu dieser Meinung, dass man sich "das" nur nach 40 Jahren kontinuierlicher Förderung leisten kann? Da hättest du vielleicht einpaar Zahlen vergleichen sollen.

Es wurde auch nicht ergebnisoffen gefördert, sondern am permanent entstehenden Ergebnis entlang gefördert. Es wurde auch nicht einfach kontinuierlich gefördert, sondern eher an diesem permanent entstehenden Ergebnis entlang gekämpft. Und es wurde nicht einfach anonym gefördert, sondern es gab künstlerische Ereignisse und zwar andere als man bisher kannte und man wollte sie haben in dieser Stadt und für diese Stadt.

Offensichtlich braucht die Stadt das Andere nicht mehr, weil es das jetzt kennt, und in ihren eigenen Einrichtungen selbst herstellen kann oder durch ihre Einrichtungen kontrollieren will. So bist du jetzt in die Werbung für eine weitere städtische Einrichtung, wie ein Produktionshaus oder was auch immer, als Endlösung für alle unkontrollierten künstlerischen Prozesse, eingestiegen. Das ist nichts Unrühmliches, man sollte aber nicht das eine Andere mit dem anderen Anderen verwechseln und schon gar nicht falsch darstellen.

Womit ich wieder zum Anfang meines kleinen Textes komme. Warum kann Alexeij Sagerer sich selbst immernoch leisten (und dabei lacht er auch noch), wenn nicht wegen der "40 Jahre kontinuierlicher Förderung durch die Stadt"? Weil er dann doch lieber verreckt als im Falschen, vielleicht, zu überleben! Aber er ist doch immer noch da. Also zum Abschluss noch ein Quiz! Warum verreckt Alexeij Sagerer nicht?
1. Er bekommt doch Hartz IV.
2. Er ist ein begnadeter Roulettspieler.
3. Er hat Glück bei den Frauen.
4. Der Verein zur Förderung von Unmittelbarem Theater wird total unterschätzt.
5. Er benützt das Verrecken als Produktionsmittel.
6. Er hat Fähigkeiten von denen er dir garnichts erzählt hat.
7. Er dreht sich einfach nicht um.
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