Längst nötige Konsequenz

von Esther Slevogt

Berlin, 13. April 2018. Jetzt wurde also die Notbremse gezogen. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, sowohl für die Berliner Volksbühne als auch für Chris Dercon. In Folge einer beispiellosen kulturpolitischen Fehlentscheidung hatte Dercon erst zu Beginn dieser Spielzeit die Nachfolge von Frank Castorf als Intendant am Rosa-Luxemburg-Platz angetreten.

Entscheidung par Ordre de Mufti

Diese 2015 im SPD-Hinterzimmer par Ordre de Mufti getroffene Entscheidung war von Anfang an umstritten. Chris Dercon und sein Team haben es seitdem nicht vermocht, aus dem Schatten der intransparenten Hinterzimmerpolitik zu treten, der sie die Leitung von Berlins berühmtestem Theater verdankten. Ihr nach zwei Jahren auskömmlich finanzierter Vorbereitungszeit vorgelegtes Programm schien auf einen gravierenden Strukturumbau des stilprägenden Ensembletheaters hinauszulaufen: die Schrumpfung des Ensembles gegen Null und der weitgehende Verzicht auf Eigenproduktionen und Repertoirebetrieb zugunsten von en suite programmierten Gastspielen wurden früh moniert. Die Fragen, wie ein großzügiger Vorbereitungsetat und zusätzliche Lotto-Mittel für die temporäre Spielstätte in Tempelhof in ein derart dünnes Programm münden konnten, sind ungeklärt.

VB 1 u 2 Freitagvormittag an der Volksbühne: Pressevertreter*innen warten auf eine Erklärung nach der Mitarbeiter*innenversammlung © sd

Als dann endlich die Spielzeit begonnen hatte, entpuppte sich die hochtrabend angekündigte Kunstrevolution bald als Avantgarde von gestern. Die Kritiken waren verheerend. Die Zuschauer blieben weg. Das Wort vom "Geisterhaus" macht seither die Runde. Derweil aktivistische Gruppen – von den Volksbühnen-Besetzer*innen vb6112 bis zu regelmäßigen Hate-Kommentator*innen auf Facebook – ihren Protest online wie offline nicht abebben ließen (zahlreiche Premieren wurden von Flugblattaktionen und Widerstands-Szenarien begleitet).

Theater gegen die Stadt

In den Kreisen der Dercon-Sympathisant*innen wird schon länger an der Legende gestrickt, die innovationsfeindlichen verbiesterten Berliner*innen seien Schuld an der Misere. Dabei trägt Dercon selbst ein großes Maß an Mitschuld, woraus er nun die längst nötigen Konsequenzen zog. Oder zu diesen Konsequenzen gedrängt wurde, weil auf die Dauer niemand Theater gegen eine Stadt, Theater gegen das Publikum machen kann.

Lange, zu lange haben die Derconians auf dem Schoß der Stadtpolitik gesessen. Als diese Politik sich nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus änderte, hatten Dercon und sein Team der Stadt gegenüber keine eigene Haltung entwickelt. Kein Gespräch mit der Stadt aufgenommen. Es nicht vermocht, die enormen Affekte, die die Volksbühne in der Stadt zu entfesseln im Stande war, als Startkapital für sich produktiv zu machen.

Das Schweigen des Regierenden Bürgermeisters

Demnächst sitzt Chris Dercon in London als Experte auf einem Podium, um über die Krise des europäischen Theaters zu reden. Aber ist das Theater, wenn es ein Haus wie die Volksbühne schafft, in der Spielzeitpause binnen weniger Wochen über 40.000 Unterschriften zu sammeln, wirklich in der Krise? Ist diese Krise nicht vielmehr von der Politik (sprich, dem damals als Bürgermeister und Kultursenator zuständigen Michael Müller) verursacht oder doch herbeigeredet, die dafür bis heute nicht die Verantwortung übernommen hat.

Im Gegenteil: Müller sah schweigend zu, wie sich die Berliner Kulturszene in Folge seiner Entscheidung zerfleischte. Müller stellte sich nicht schützend vor Chris Dercon, den seine eigene kulturpolitische Inkompetenz in eine so fatale Lage gebracht hatte. Als habe er nichts mehr mit dieser Personalentscheidung zu tun, ließ er Dercons galoppierende Demontage zu. Und die Beschädigung der Künstler*innen, die es überhaupt noch wagten, im immer aggressiver werdenden Klima des Kulturkampfes an der Volksbühne zu arbeiten. Zwischendurch konnte man sogar den Eindruck gewinnen, Müller versuche klammheimlich, auch Linken-Politiker Klaus Lederer, der nach den Wahlen sein Nachfolger als Kultursenator geworden war, über die Affäre stolpern zu lassen. Klaus Lederer hatte lange vor Amtsantritt die Entscheidung seines Vorgängers kritisiert, konnte sie dann aber nicht mehr rückgängig machen.

Unwürdige Schmähungen

Jetzt, wo das Desaster immer unübersehbarer wurde, Dercon und die Volksbühne ebenso unübersehbar beschädigt sind, konnte Lederer den Schlussstrich ziehen. Ihm sei es wichtig zu betonen, "dass die persönlichen Angriffe und Schmähungen aus Teilen der Stadt gegen Chris Dercon in der Vergangenheit inakzeptabel waren", wird Lederer in der Erklärung der Senatsverwaltung zitiert, mit der heute morgen das Ende der Intendanz Dercon amtlich verkündet wurde. "Solche Formen der Auseinandersetzung sind unwürdig und entbehren jeder Kultur." Diese Eskalation der Debatte hätte eine moderierende Kulturpolitik möglicherweise verhindern können.

Am Vormittag hat in der Volksbühne eine Mitarbeiterversammlung stattgefunden, in deren Verlauf die Belegschaft über die Zukunft des Theaters informiert worden ist. Die Leitung des Hauses wurde interimistisch dem designierten Geschäftsführer Klaus Dörr übertragen. Man kann nur hoffen, dass nicht sofort ein neuer Kandidat für die Intendanz aus dem Hut gezogen wird.

 

esther slevogtEsther Slevogt ist Redakteurin, Mitgründerin und Geschäftsführerin von nachtkritik.de. Sie gehört zum Organisations- und Kuratorenteam der Konferenz Theater & Netz von nachtkritik.de und der Heinrich-Böll-Stiftung.

 

Mehr zur Debatte um Chris Dercon: nachtkritik.de-Redakteur Christian Rakow fasst den Stand der Dinge in einem einordnenden Text zusammen (September 2017).

Ein Kommentar von Christian Rakow und Anne Peter zur Rolle der Berliner Kulturpolitik, die sich ihrer Verantwortung in der Causa entzog. (Dezember 2017).

 

Berlins Kultursenator Klaus Lederer zum Rücktritt von Volksbühnen-Intendant Chris Dercon © sd

 

Presseschau

So großzügig Dercon mit fiktiven Einnahmen kalkuliert habe, so üppig habe er Geld ausgegeben, schreiben John Goetz und Peter Laudenbach in einer aufwändigen wie detailreichen Recherche für die Süddeutsche Zeitung (13.4.2018) zum Hintergrund des Desasters. Allein für ein einmaliges Event auf dem Freigelände des Flughafens Tempelhof im September 2017 sei ein Budget von 455 000 Euro eingeplant gewesen, "eine Dimension, die alles an großen Stadt- und Staatstheatern Übliche sprengt". Doch selbst wenn Dercon maßvoller gewesen wäre, wäre er aus Sicht von Goetz und Laudenbach in Schwierigkeiten geraten. "Der Versuch, in der Struktur eines Stadttheaters mit personalintensiven Gewerken im Wesentlichen einen teuren Gastspielbetrieb zu errichten, musste das Budget des Hauses überfordern. Wer ein wenig von Theaterbetriebswirtschaft versteht, konnte sich nur wundern über die fröhliche Annahme, das werde schon irgendwie gut gehen."

"Chris Dercon und seine Programmchefin Marietta Piekenbrock sind nicht unschuldig an dem katastrophalen Zustand der Volksbühne", so Susanne Burkhardt im Deutschlandfunk Kultur (13.4.2018) "Sie haben oft nicht den richtigen Ton getroffen und sie waren – das muss man leider so sagen und das belegen fast alle dort bislang zu sehenden Abende - von der Größe und Dimension des Hauses überfordert. Sie sind nicht Opfer einer bornierten Berliner Kulturszene und von Castorf-Bewunderern, selbst wenn viele Gefechte – auch das ist kritisch anzumerken – unter der Gürtellinie ausgetragen wurden – bis hin zu nicht zu rechtfertigenden persönlichen Angriffen."

"Gescheitert aber ist der Theaterchef Dercon natürlich nicht bloß an den zahlreichen Gehässigkeiten, mit denen man ihm in Berlin begegnete, sondern auch mit dem Programm, das er auf der Bühne bot", schreibt Wolfgang Höbel auf Spiegel Online (13.4.2018). Vor allem aber sei er an der Berliner Politik gescheitert: "Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der für Dercons Berufung an oberster Stelle verantwortlich war und ihn 2015 stolz gemeinsam mit seinem damaligen Kulturstaatssekretär Tim Renner präsentierte, hat dem Belgier dann in der praktischen Arbeit so gut wie keine Unterstützung mehr zukommen lassen."

"Berlin und Chris Dercon – das war doch eigentlich die perfekte Kombination", resümiert Rainer Traube bei der Deutschen Welle (13.4.2018) den Fall. "Hier die Hauptstadt, die sich gerne als Kreativ-Labor feiert. Dort der gut vernetzte Kulturmanager, der am New Yorker MoMA genauso zu Hause war wie am Pariser Centre Georges Pompidou oder zuletzt erfolgreich als Chef der Tate Modern in London. Und doch wurde Dercons Berufung an die Spitze der Berliner Volksbühne zu einem Debakel. Es ist hinterher immer einfach zu rufen: Das war absehbar! Doch der Fall Dercon liest sich wie eine Folge fataler Irrtümer."

"Nun sieht es aus, als sei alles bloß ein großes Missverständnis gewesen. Viel Lärm, aber eben nicht: um nichts", kommentiert Dirk Peitz auf Zeit-Online (13.4.2018). "Das Theater, gerade auch das deutsche Sprechtheater, kann neue Impulse, neue Ideen, neue Ästhetiken ja immer gebrauchen. Chris Dercon geht, ohne das Versprechen, das man in ihm durchaus sehen konnte, auch nur ansatzweise erfüllt zu haben. Dass das Experiment mit ihm gescheitert ist, mag die Leute freuen, die ohnehin von Anfang an wussten, dass Dercon der falsche Mann am falschen Platz sein würde. Doch geholfen ist damit niemandem."

Die "Anarchie von Castorfs Regiekunst" war in Berlin "ein Suchtmittel geworden", Castorfs "Absetzung glich einem Affront", blickt Ronald Pohl im Standard (13.4.2018) zurück. "Demgegenüber wurden Dercons primäre Eigenschaften und sekundäre Tugenden allesamt zu Fehlern und Schwächen erklärt", etwa seine "Weltbürgerlichkeit" und sein "dringender Impuls, Gattungsgrenzen zu missachten und in ein Haus wie die Volksbühne auch Tanz, Kunst und Performance hineinzupacken". Dercon wurde zum "Gottseibeiuns der Globalisierungsgegner".

Mit Dercons Rücktritt "fällt erneut der eiserne Vorhang zwischen Kunst und Theater", kommentiert Elke Buhr für das Kunstmagazin Monopol (13.4.2018). Dercon habe "Fehler gemacht. Er hat es unterschätzt, was es bedeutet, Castorfs Erbe anzutreten. Er hat sich nicht die richtigen Leute ins Haus geholt, die als Dramaturgen den Bereich des Sprechtheaters im Hause innovativ und qualitativ hochwertig organisieren können. Er hat auch im Umgang mit seinen Kritikern nicht immer geschickt agiert". Aber vor allem sei Dercon "Opfer einer beispiellosen Hasskampagne geworden", so Buhr. "Gegen eine Theaterszene, die ihn boykottiert, gegen eine Bande von Trollen, die ihn fertig machen will, konnte keine kreative Arbeit gelingen und auch kein Programm."

"Die Behauptung, Chris Dercon sei in Berlin feindselig empfangen worden, ist eine achtlose Untertreibung", kommentiert Dominique Eigenmann im Tages-Anzeiger (13.4.2018). Im Zuge der Debatte sei die Volksbühne "zum Hort des Widerstands des alten, rebellischen, linken Ostberlins stilisiert" worden, "das sich gegen die neue, hippe, hyperkapitalistische Hauptstadt rabiat und mit Erfolg zur Wehr setzt. Dercon, der kosmopolitische Geist, der das Theater zu den anderen Künsten hin öffnen wollte, wurde entsprechend vor allem als angeblicher Kommerzialisierer und Eventisierer geschmäht – als Klassenfeind also, nicht als Künstler (der er nie war)".

Positiv an Dercons "Projekt Volksbühne konnte man sehen, oder sehe ich, dass er mehr Frauen an das bis dahin von Männern dominierte Haus holte", schreibt Katrin Bettina Müller in der taz (13.4.2018). Positiv sei auch gewesen, dass "eine Art Tanz, die nach sinnlichen Reflektionsformen für gesellschaftliche Veränderungen sucht, eine große Bühne in der Stadt erhielt. Positiv war, dass sich mehrere Projekte für eine Beteiligung anderer Kunstszenen der Stadt öffneten". Negativ sieht die Kritikerin, dass die Dercon-Verantwortlichen dafür kein "Ensemble brauchten, kein attraktives Rollenangebot für SchauspielerInnen hatten." Dass sich der politisch vorgegebene Ensembletheater-Auftrag "nicht mit den Konzepten vertrug, wurde nicht offen zugegeben. Das war ein großer Fehler, der auch renommierte Theaterleute gegen Dercon aufbrachte".

Die In­ten­danz Dercon er­scheint Simon Strauß in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (14.4.2018) im Rück­blick wie die Chro­nik ei­nes ein­zig­ar­ti­gen Miss­er­folgs. Die dafür eigentlich Schul­di­gen sind aus Sicht dieses Kritikers "ah­nungs­lo­se Kul­tur­po­li­ti­ker, die, ge­trie­ben von ei­ner un­spe­zi­fi­schen Gier nach Pro­gres­si­vi­tät, mei­nen, dass 'Cross­over' an sich mitt­ler­wei­le ein so ho­her kul­tu­rel­ler Wert wä­re, dass man da­mit auch die un­wahr­schein­lichs­ten Per­so­nal­ent­schei­dun­gen recht­fer­ti­gen könn­te. Die De­bat­te, die Zü­ge ei­nes Kul­tur­kamp­fes an­nahm und Cas­torf un­ver­hofft als thea­ter­be­wah­ren­den Tra­di­tio­na­lis­ten adel­te, zeig­te je­den­falls, dass das von selbst­er­nann­ten Avant­gar­dis­ten oft­mals tot­ge­sag­te Sprech- und En­sem­ble­thea­ter durch­aus noch ge­nug Le­bens­kräf­te be­sitzt, um sich ge­gen Fremd­be­stim­mung zu weh­ren."

"Was immer der frühere Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) bei der Berufung Chris Dercons im Sinn gehabt haben mag, erwies sich als schwerer Kulturbruch, der weder im Umfeld der Volksbühne noch beim interessierten Publikum zu vermitteln war", kommentiert Harry Nutt, Feuilletonchef der Berliner Zeitung (14.4.2018) die Causa. Auch die Liste der kulturpolitischen Fehler und Stillosigkeiten ist aus Nutts Sicht lang. Zur Bilanz des Fiaskos gehört für Nutt auch die Erkenntnis, "dass der vergleichsweise einfache Vorgang eines Personalwechsels nicht möglich war. Es ist ein administratives Scheitern, das einmal mehr belegt, dass es zur Durchsetzung politischer Entscheidungen nicht nur eines erklärten Gestaltungswillens bedarf, sondern auch kluger Vorbereitung und der Gunst des Augenblicks." Wer sich jedoch nun in seiner Annahme bestätigt sehe, Dercon sei nicht der Richtige gewesen, dem hält Nutt entgegen, "dass die trotzige Verteidigung der alten Volksbühne auch ein Verharren im Provinziellen bedeutete".

"Die Lady Macbeth/Estragon wäre mit Marietta Piekenbrock besetzt, der Programmdirektorin, die noch vor wenigen Tagen im Interview mit dem Deutschlandfunk von ausverkauften Vorstellungen fantasierte, während das Haus meistens höchstens halbvoll ist", so Jan Küveler in der Welt (14.4.2018) über das dramatische Abgangsszenario (14.4.2018), dass er zwischen Macbeth und Beckett ansiedelt. "In der Rolle der Hexen beziehungsweise Luckys und Pozzos: Tim Renner, Ex-Kultursenator, der Dercon den Mord an König Castorf erst einflüsterte, assistiert vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller. 'Wann kommen wir drei uns wieder entgegen?', fragen die Hexen einander im berühmtesten Vers des Dramas. "Im Blitz und Donner, oder im Regen?“ In diesem Fall lautet die Antwort: in der Traufe."

"Das Theater ist ein weiterer Ort der allgemein ausgeweiteten Kulturkampfzone geworden," findet Georg Diez auf Spiegel-Online (14.4.2018). "Während also Chris Dercon eine mehr oder weniger schlaue Öffnung und Besichtigung des Archivs der Gesten und Gedanken vorschlug, als ästhetische Haltung, um die Engpässe der Dekonstruktion zu verlassen, findet eine sehr viel aggressivere und regressivere Historisierung statt, in Berlin und anderswo, allerdings eben ohne den rabiaten Widerstand, der Dercon entgegenschlug. Das Stadtschloss etwa, als Höhe- und Tiefpunkt dieser restaurativen Kulturpolitik, wird irgendwie abgenickt oder wenigstens hingenommen, verbunden mit der intellektuellen Riesenpleite, die sich am Humboldt-Forum abzeichnet: Die Geschichte der Nation mit sanften Brüchen, als Geschichte, gerettet, nicht gerichtet. Gegen all das stand Frank Castorf, gegen all das stand Chris Dercon. Seine Niederlage ist damit die Niederlage von allen, die im Theater mehr sehen als nur ein Spiel."

"Chris Dercon hatte in den letzten drei Jahren zahllose Anlässe, in Würde hinzuschmeißen", schreibt Susanne Messmer in der taz (14.5.2018). "So gesehen ist es fast erstaunlich, dass es erst jetzt, in der ersten Spielzeit, passiert ist. Er ist das Opfer einer Schnapsidee. Diese Episode der Berliner Theaterlandschaft ist jetzt zu Ende und schafft Platz für einen Neuanfang. Den darf nun Klaus Lederer gestalten und er wird zeigen müssen, dass Berliner Kulturpolitik auch anders geht."

"Wie kriegt man diese Riesenbude bespielt?" fragt Ulrich Seidler, der Theaterredakteur der Berliner Zeitung (14.4.2018). "Wer hat den nötigen Schwung, die Idee, die Leidensbereitschaft? Wer vermag die Tradition des Hauses als Antrieb und als Reibungsfläche zu nutzen? Wer hat Verwendung für diese wie aus der Zeit gefallenen Werkstätten und ihre Mitarbeiter?" Dieses irgendwie zu große Haus mit dieser stolzen und sperrigen Tradition in dieser irgendwie noch nicht ganz glattgelutschten Stadt nur als ein Niedergangsymbol des Neoliberalismus oder als Castorf-Mausoleum zu sehen, findet Seidler nicht angebracht. "Es ist ein herrliches, sonderbares, auf den ersten Blick verwendungsunfähiges Spielzeug in den Händen einer streitfreudigen und chaosresistenten Stadt."

"Die Berliner Kulturpolitik steuerte sehenden Auges in die Misere, die man erst selber angezettelt hatte und später sogar dem Betroffenen, Dercon, in die Schuhe zu schieben wagte", kommentiert Daniele Muscionico für die Neuen Zürcher Zeitung (14.4.2018). "Die Verantwortung für den fehlenden Rückhalt in der Bevölkerung sowie das Scheitern des künstlerischen Spielplans, der bei der Wahl immerhin als Ankündigung bekannt war, will man bis heute nicht übernehmen."

Einerseits habe Chris Dercon im Feld der mannigfaltigen und auch ideologischen Kritik, die sich nach Frank Castorfs Abschied auf ihn richtete, "keine Chance" gehabt, "andererseits hat auch er Fehler gemacht: Er ist bestimmt zu spät auf die Berliner Szene zugegangen. Er hat sich arrogant verhalten und konnte dann, als seine erste Spielzeit letzten September losging, nicht mit einem Programm auftrumpfen, dass (sic!) Kritiker und Publikum von seiner Vision überzeugt hätte", sagt Dagmar Walser im Schweizer Rundfunk SRF (14.4.2018). Kritik gibt's an Berlins Kulturpolitik: "Bei allen Fehlern und allem Unvermögen von Chris Dercon, ohne kulturpolitischen Rückhalt ist es nicht möglich ein Haus wie die Volksbühne, die so emotionsbeladen und so legendenanfällig ist, ein neues Profil zu geben."

"Als der Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Staatssekretär Tim Renner 2015 Dercon holten, beflügelt von einer Hybris der Internationalität, unterschätzten sie freilich total, welch Symbol die Volksbühne für das unangepasste, und widerständige Berlin ist", kommentiert Gerd Nowakowski im Tagesspiegel (15.4.2018). "Wer aber traut sich nun noch hierher nach so viel verbrannter Erde?", befragt der Journalist die Kulturmetropole Berlin und seufzt: "Nur gut, dass die Nachfolge des Berlinale-Chefs und die Besetzung der Intendanz des Humboldt-Forums nicht vom Senat entschieden werden, sondern von Monika Grütters (CDU), der heimlichen Kultursenatorin im Kanzleramt."

Für die Berliner Zeitung (15.4.2018) kommentiert Ulrich Seidler das Medien-Echo auf den Dercon-Rücktritt. Die SZ-Recherchen von Goetz/Laudenbach (siehe oben) ließen erkennen, dass Dercons "Umstrukturierung" der Volksbühne mit Einverständnis der SPD-Regierung 2015 passierte. "Auch wenn so eine Umstrukturierung ein immenses Risiko ist und einen bis dahin funktionierenden Theaterbetrieb mit Ensemble, Gewerken und Werkstätten zur Disposition gestellt hätte, es war nicht die Idee selbst, die dem Projekt das Genick gebrochen hat, auch nicht der Mangel an Expertise und Erfahrung, die mit richtiger Beratung zu kompensieren gewesen wäre, und auch nicht der berechtigte Widerstand der konkurrierenden Kulturanbieter in der Stadt. Der Grundfehler war, dieses Vorhaben ohne Debatte und ohne die Öffentlichkeit abwickeln zu wollen." Die "viel kritisierten Schwurbeleien Dercons" ließen "sich nicht vermeiden, wenn man seine wirklichen Pläne nicht benennen will. Die schlechte Stimmung und die als ungerecht empfundene Kritik, die jetzt immer wieder als Grund für Dercons Scheitern mitverantwortlich gemacht werden, haben ihre Ursache in dieser Verschleierung."

"Die Fakten hinter dem Fiasko" rekapituliert ein*e Mitarbeiter*in mit dem Namenskürzel "wurm" im Standard (16.4.2018). Besonders auffällig: "Der (seit letzter Woche Ex-)Intendant des traditionsreichen Berliner Theaterhauses schweigt. Dafür melden sich Investigativteams und Beteiligte zu Wort. - derstandard.at/2000078038016/Volksbuehne-es-geht-jetzt-darum-dieses-Theater-zu-retteDer (seit letzter Woche Ex-)Intendant des traditionsreichen Berliner Theaterhauses schweigt. Dafür melden sich Investigativteams und Beteiligte zu Wort.

Am Montag nach Dercons Ausscheidung tagte der Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses – und Thema der Sitzung sei, nach einer Änderung der Tagesordnung, die Volksbühne gewesen, berichtet Udo Badelt im Tagesspiegel (16.4.2018). Kultursenator Klaus Lederer habe weit ausgeholt und erzählte "von Indizien, die sich seit November gehäuft hätten, Indizien dafür, dass Dercons Konzept einer Mischung der Sparten mit teuren Koproduktionen und Gastspielen nicht aufgehe, dass sich bei mangelndem Publikumszuspruch ein strukturelles Problem zuspitzt". Badelt zitiert Lederer: "Von Dercon kamen keinerlei Ansätze oder Ideen, wo es hingehen könnte". Das sei ausschlaggebend gewesen für die Beendigung der Intendanz, "nicht allein die Finanzlage". Dem Vorwurf, das Scheitern der Intendanz Dercons aktiv mitbetrieben zu haben, habe Lederer mit den Worten widersprochen: "Das weise ich zurück. Alle Zusagen, die ich von meinem Vorgänger übergeben bekommen habe, habe ich erfüllt." Vor inhaltlicher Kritik am Konzept habe er Dercon jedoch nicht schützen können und wollen, derartige Kritik müsse in einer Demokratie möglich sein. Was die Nachfolge betreffe, laute die Formel im Kulturausschuss weitgehend einvernehmlich: "sich Zeit nehmen, um ein tragfähiges Konzept zu entwickeln", so Badelt. "Damit nicht wieder in einer Hauruckaktion wie unter Kulturstaatssekretär Tim Renner und Kultursenator Michael Müller – der sich seit Tagen über die Causa ausschweigt – ohne echte fachliche Expertise der letztlich falsche Mann geholt wird."

Auch das rbb Inforadio berichtet über die Ausschussitzung (16.4.2018). Kultursenator Klaus Lederer zufolge gehe es vor allem darum, die Volksbühne wieder arbeitsfähig zu machen, so Kirsten Buchmann: "Die Mitarbeiter sind jetzt das Pfund, die Basis dafür, dass die Volksbühne wieder anfangen kann", so Lederer laut rbb. Berichte, die Bühne stehe kurz vor dem Ruin, habe Lederer zurückgewiesen, aber zugleich nicht ausgeschlossen, dass zusätzliche öffentliche Mittel für eine Konsolidierung nötig sein könnten. Bekannt habe sich der Kultursenator zu einem Repertoire- und Ensembletheater. Über Dercons Auflösungsvertrag werde Lederer zufolge noch verhandelt.

In der ARD-Kultursendung ttt – titel, thesen, temperamente (15.4.2018) vom Sonntagabend äußert sich nun endlich der ehemalige Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner, der die Entscheidung für Chris Dercon mitverantwortete. In ttt, die über die zwei-monatigen Recherchen von NDR, rrb und Süddeutsche Zeitung berichten, sagt Renner: "Es ist schon Vieles am Anfang schief gegangen. Das, was ich mir vorwerfen muss, ist, dass wir nicht in dem Moment, wo wir wussten, ein René Pollesch wird nicht mitmachen, das Konzept hinterfragt haben. Was ich dem Kultursenator vorwerfe ist, dass man nicht dafür gekämpft hat, Mittel für Tempelhof im Haushalt zu etatisieren." Heißt, die Berliner Politik bestellte bei Dercon ein Konzept, das sie nicht bezahlen konnte. "Dercon will einen Millionenbetrag bei Sponsoren auftreiben", rekapituliert die Sendung. Der bekanntermaßen nie kam. Herbert Fritsch, der sich in dem Beitrag klar äußert, mutmaßt, dass die Politiker dachten, "Dercon habe das dicke Adressbuch, da stehen die Miliardäre drin, die alle nach Berlin kommen". Ob die verantwortlichen Politiker überhaupt die Dimension ihres Scheiterns erfassen, wird rhetorisch gefragt. In der Sendung wird auch von einer Email aus Jahr 2015 berichtet, in der steht, dass das Theater in eine "Projektgesellschaft" verwandelt werden soll, Beleg dafür, dass die Abschaffung eines Ensembletheaters doch früh feststand.

"Sein Reich blüht, die Stadt hat all ihre Zusagen eingehalten, sie hat ihn nicht öffentlich demontiert, die Sponsoren sind nicht abgesprungen … Überall herrscht eine entspannte Stimmung", imaginiert Robin Detje auf Zeit Online (16.4.2018) einen Champagnertraum vom "kleine(n) Sonnenkönigreich" des Intendanten Dercon. Aufgewacht, scheint Detje die im "Berliner Kampfgetümmel" allfällig geäußerte "atavistische Vorstellung, Kultur sei eine Art Krieg" als "schwachsinnig". Erschaffen würde diese Vorstellung lediglich "Kriegerdenkmäler, und das mag es auch sein, was Castorf in der Volksbühne sieht: sein privates Reiterstandbild auf dem Feldherrenhügel". "Nervenzerfetzend" sei "der Druck durch die Dauerbelagerung der Hater" gewesen, kolportiert Detje aus "dem Innersten" der Volksbühne: Dercon als Chef sei "sehr toll gewesen. … Ein Denkmal der Gelassenheit, des Friedens und der Höflichkeit." Da er das Repertoiretheater hinterfragt habe, sei er zum "Systemfeind" geworden, "also war er auch Volksfeind, denn das System dient dem Volk und schützt es vor einer Kuratorenkunst" behauptet Detje seine These vom "neuen Hang zur Ehrerbietung gegenüber verdienten alten Männern und 'gewachsenen Strukturen'".

"Dercon kam, und es gelang ihm nichts", schreibt Peter Kümmel in der Zeit (19.4.2018), wo er durchaus Sympathien für Dercon durchblitzen lässt und seine freundliche Art, ein Haus zu leiten. Die Volksbühne habe sich in der Dercon-Zeit immer im Zustand der Abwicklung befunden. Das größte Problem sei das fehlende Interesse am Aufbau eines Ensembles gewesen. "Wäre Dercon in der Lage gewesen, mit ästhetischen Mitteln Contra zu geben, hätte er versucht, ein Ensemble aufzubauen, dann wäre die Stimmung möglicherweise gekippt – in seine Richtung. Denn der Zorn der Dercon-Gegner ging vielen in der Stadt allmählich auf die Nerven, er setzte sich wie Schmutz in den Poren ab." Und jetzt? "Die Volksbühne ist, wie man so sagt, bis in die Grundfesten erschüttert. Wer weiß, vielleicht ist das eine Chance."

"Auch wenn es theaterfernen Beobachtern übertrieben erscheinen mag, dass die Süddeutsche Zeitung letzten Freitag in einer doppelseitigen "Dercon-Chronik" geradezu minuziös und teilweise anhand internen Mail-Verkehrs nachzeichnete, wie es zur Besetzung von Chris Dercon als Nachfolger von Frank Castorf gekommen war und wer wann welche programmatischen Erwartungen geäußert oder zurückgewiesen hat," schreibt Petra Kohse in der Berliner Zeitung (23.4.2018), stecke in diesem Fall kulturpolitisches Dynamit, "das dem damals verantwortlichen Politiker schlaflose Nächte bereiten müsste, um es vorsichtig auszudrücken". Aber bislang habe sich Michael Müller, der als Regierender Bürgermeister von Berlin von 2014-2016 auch Kultursenator war, dazu nicht positioniert. "Will man auf diese Weise regiert werden?" fragt Kohse auch. "Mit der Zukunft der Volksbühne entscheidet sich auch die kulturpolitische Satisfaktionsfähigkeit Berlins."

(sle / chr / sik / eph)

 

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Kommentare  
Kommentar Dercon-Rücktritt: ahnungslose Kreise
danke für diesen beitrag, dem ich voll zustimmen kann.

evtl. ist es ja nun auch möglich, in vertragliche unterlagen einblick zu gewinnen. von gravierendem interesse wäre es auch, ob dercon für genau den gescheiterten "systemwechsel" engagiert wurde, der nur aus kreisen kommem konnte, die von theater nix verstehen.
Kommentar Dercon-Rücktritt: entfesselter Hass im Netz
So sehr ich die inhaltliche Kritik an Chris Dercon und seinem Konzept nachvollziehen kann, so sehr hat mich der entfesselte Hass im Web entsetzt. Die Illusion, dass Theaterbegeisterte die besseren, kultivierteren Menschen sind, war spätestens nach der abscheulichen Hexenjagd auf Dercon obsolet. Dass so die deutsche Intellektualität aussieht, finde ich einfach nur erschreckend und abstoßend.
Kommentar Dercon-Rücktritt: zu wenig Innovation
Eine richtige und positive Entscheidung von Dercon. Da ist der Frieden dann auch fast schon wieder hergestellt. Hoffentlich bekommt er in naher Zukunft eine neue Stelle, die ihm mehr entspricht. Sorgen muss man sich jetzt um Marietta Piekenbrock und das restliche Team. Was wird dort geschehen, wenn der erste Schock über den Rücktritt verarbeitet ist?

Die vielen Künstler, die dort auch beschädigt wurden, das kann man eigentlich nicht wieder gut machen. Da darf man nur auf Fairness bei der Nachfolge hoffen. Und diejenige oder derjenige, die nun übernehmen, haben gute Chancen es aus dieser Talsohle heraus besser zu machen. Die Herzen werden ihnen wahrscheinlich zufliegen und man wird dankbar sein für jede Aufführung, die wirklich funktioniert und mutig ist und irgendwo da wieder anschließt, wo die alte Volksbühne gezwungenermaßen aufhören musste.

Man darf hoffen. Nicht nur auf den Frühling und den Sommer. Sondern auch auf einen spannenden Herbst an der Volksbühne. Ich finde die Argumente zur Sache haben gewonnen, nicht der Lynchmob. Zu wenig Programm, zu wenig Eigenproduktionen, zu wenig Zuschauer und viel zu wenig Einnahmen und angekündigten Sponsorengeldern, wie ich heute las. Aber auch davon werden Sie sicher noch in den nächsten Tagen berichten, wenn erst einmal der Kassensturz gemacht wird und wir erkennen werden, dass der Hangar auch daran scheiterte, weil die Miete für ihn nicht abgesichert war.

Aber vor allem zu wenig Ensemble und viel zu wenig Innovation. Ich bin guter Dinge, denn all das lässt sich ändern.
Kommentar Dercon-Rücktritt: disqualifiziert
Es dürfte die richtige Entwicklung sein. Es bleibt nur zu hoffen, dass all jene zahlreichen Teilnehmer an Lynchmob, Fäkalienaktionen, Pauschalverleumdung, gewaltsamer Besetzung, sowie Bedrohung potenzieller Mitarbeiter Dercons, die sich ja als völlig kulturfern geoutet haben, bei der Nachfolgesuche aussen vor gelassen werden.
Denn immerhin zivilisiert war Dercon, und muss auch der Nachfolger sein. Von der "alten" Volksbühne hat sich hingegen so ziemlich jeder disqualifiziert. Was wohl die eigentliche Katastrophe sein dürfte, wenn das von 25 Jahren Betrieb übrig bleibt.
Kommentar Dercon-Rücktritt: Folter nirgends
#2 Bitte perpetuieren sie nicht den schon in der #metoo Debatte inflationären Gebrauch des Wortes "Hexenjagd". Es wurde keiner unter Folter zu Geständnissen gezwungen und anschließend verbrannt. Das war ein "Privileg" vor allem für Frauen reserviert und sollte nicht nun für jeden blöden Shitstorm, der ältere, privilegierte Männer ereilt, als Vergleich herhalten. Das ist einfach unwürdig.

#4 Warum hat sich denn von der alten VB jeder disqualifiziert? Weil sie zu Recht unglücklich über diesen Epic Fail der Kulturpolitik waren?

Was spricht denn gegen Pollesch als Intendant der VB?
Kommentar Dercon-Rücktritt: keine Schubladen
#2 "Dass so die deutsche Intellektualität aussieht, finde ich einfach nur erschreckend und abstoßend."
DIE DEUTSCHE INTELLEKTUALITÄT gibt es ebenso wenig wie DEN ISLAM / DEN DEUTSCHEN / DEN AUSLÄNDER etc. Schubladen sind wenig hilfreich, um etwas verstehen zu wollen - wenn es darum gehen sollte, etwas verstehen zu wollen bzw. erklären zu wollen.
Kommentar Dercon-Rücktritt: der falsche Mann
#2 und #4: Ressentimentgetriebene Hetze haben manche ja eher bei der anderen Seite wahrgenommen, siehe nur https://www.tip-berlin.de/pack-und-andere-castorf-nazis/

Zur Sache: Dercon war einfach der falsche Mann für die Volksbühne und es ist eine gute Nachricht für das Theater und die Kulturpolitik allgemein, dass diese Fehlentscheidung jetzt korrigiert worden ist.
Kommentar Dercon-Rücktritt: Schluss mit Ammen-Märchen
@4 "Lynchmob, Fäkalienaktionen, Pauschalverleumdung, gewaltsamer Besetzung, sowie Bedrohung potenzieller Mitarbeiter Dercons" wären zu belegen, anderenfalls sind es haltlose Anschuldigungen.
Die Recherchen von Peter Laudenbach und John Goetz haben ergeben, dass die Planungen von Anfang an auf ein Desaster zuliefen.
John Goetz hat es heute in der Abendschau so benannt: "Tolle Küche, Kühlschrank ist voll, aber jeden Tag wird beim Caterer bestellt."
Also bitte mal Schluss mit den Ammenmärchen. Chris Dercon ist an seiner Unfähigkeit gescheitert. Er hatte kein tragfähiges Konzept, das haben andere Leute von Beginn an gesehen.
Kommentar Dercon-Rücktritt: wer bleibt?
Wer bleibt denn alles da? Geht nur Dercon oder auch der Rest des Teams? Das Programm entwickelte ja nicht Dercon alleine, sondern vorallem seine Programmdirektorin..
Kommentar Dercon-Rücktritt: ohne Sinn + Aura
Die VB-Katastrophe beginnt erst jetzt. Es ist kein Geld da, kein Ensemble, kein Nachfolger. Eine von Handlungszwängen getriebene "Suche" nach einem neuen Intendanten könnte noch schlimmeres bewirken als die Millionenverbrennungshalbspielzeit Dercons. Ein schlechtes Stadttheater ohne Sinn und Aura. Es sei denn, Lederer hat für diesen worst case vorgesorgt und zaubert einen Phoenix aus der Asche. Hat er aber nicht, sonst hätte er vor den Kameras einen weniger gehetzten Eindruck hinterlassen.
Rücktritt Dercon: Frage
Weiß hier jemand, wie die Recherche der Süddeutschen/RBB/NDR zustande gekommen ist? Was war der Auslöser, wie sind sie an die Unterlagen und Mails gekommen? Steht Dercons Rücktritt in direktem Zusammenhang mit den Veröffentlichungen oder lief das parallel ...?
Kommentar Dercon-Rücktritt: wie die Akteneinsicht zustande kam
@11
wurde von Peter Laudenbach, Mitglied des Rechercheteams, im DLF beantwortet: sie haben einen Antrag nach Informationsfreiheitsgesetz gestellt und die Akten von der Kulturverwaltung bekommen. Gleichzeitig haben sie Interviews geführt (u.a. Dercon, Piekenbrock, Renner, Pollesch). Das lief alles parallel und steht nicht in direktem Zusammenhang mit den Entwicklungen.
Kommentar Dercon-Rücktritt: Gelegenheit
wäre jetzt nicht eigentlich die perfekte Gelegenheit für die Beteiligten der Ära Castorf (und vor allem Castorf selbst), den Konflikt jetzt zu vergessen, Taten sprechen zu lassen und sich dahingehend bemühen, den Spielplan des Hauses zu füllen (z.b. Faust wieder an der Volksbühne zu spielen...)?
Kommentar Dercon-Rücktritt: Dank
@12
Danke für die Info!
Kommentar Dercon-Rücktritt: Dilettantismus
Ein direkter Zusammenhang ist ja auch gar nicht notwendig. Auch ohne ihn muss die Leitung gespürt haben, dass sich die Schlinge allmählich zuzieht. Nun hat sich Berlin, im Geiste, die Leiche des Intendanten über den Gartenzaun gehangen und da hängt sie erst einmal, während der leibhaftige Dercon wahrscheinlich das Weite sucht. Menschlich absolut nachvollziehbar.

Was so ein wenig untergeht: Eine der zentralen Fragen scheint nun beantwortet. Der Strukturwandel in der Betriebsform der Volksbühne geschah nicht unbeabsichtigt und wurde auch nicht heimlich von Piekenbrock und Dercon eingefädelt, nein, er war politisch gewollt und wurde bei vollem Bewusstsein vollzogen und lediglich gegenüber der Öffentlichkeit schleichend verbreitet, um einem heiklen Thema keinen Stoff zugeben. Schön, dass diese Versuche, die Öffentlichkeit bei schwierigen Themen zu umgehen, nicht mehr funktionieren.

Wenn aber die neue Leitung zu Teilen nur umsetzte, was man von ihnen von politischer Seite aus wünschte, tragen sie selbstverständlich nicht die alleinige Verantwortung. Mal abgesehen davon, dass ich persönlich keinerlei Verständnis dafür habe, dass man ohne einen vernünftigen, sachgemäßen Finanzplan ein Haus einfach umstellt von einem Ensemble- und Repertoirebetrieb auf einen Gastspielbetrieb, in den man vereinzelt noch eigene Produktionen einknetet.

Ich habe schon vor wenigen Monaten darauf hingewiesen, dass solche Vorstellungen, rein mit Gästen besetzt, es waren zu der Zeit über siebzig Gäste, irgendwann nicht mehr finanzierbar sind, vor allem bei ausbleibenden Einnahmen auf Grund von einem eklatanten Zuschauerschwund. Dercon und Piekenbrock haben auf Annahme von Erfolgsvermutungen eine Produktlinie entwickelt, die beinahe komplett durchgefallen ist. Und für die Finanzierung einer weiteren Linie stehen keine Gelder bereit. Die durchgefallenen Produktionen können nicht mehr angesetzt werden und ein Ensemble, welches neue Low-Budget Produktionen herausbringen könnte, gibt es nicht mehr. Der Etat für das Rechnungsjahr, also noch für die folgenden acht Monate, scheint aufgebraucht. Mit ein wenig Weitsicht hätten diese Gefahr alle erkennen können, die für diesen Strukturwandel stimmten. Dazu gehören auch Renner und vor allen Müller als damaliger Kultursenator.

So verrückt es klingen mag, aber für einen innerbetrieblichen Strukturwandel und der gleichzeitigen Gründung eines neuen Theaters im Hangar, war das Haus insgesamt unterfinanziert, und das hätte man frühzeitig erkennen, errechnen müssen. Dilettantismus auf allen Seiten.

Und einfach zurück ins alte Leben kommt man ja nun auch nicht so leicht wieder. Dafür ist viel zu viel passiert, als das man nun einfach Petras, Lilienthal oder Langhoff dort installieren dürfte. Dann hieße dies lediglich, dass die geraden regierenden Mehrheiten ihre Lieblingskandidaten/innen lancieren dürfen, egal wie und mit was für welchen Mitteln.

Und bei den Mitteln war hier fast alles dabei, der Spießrutenlauf, welcher in einen Grabenkrieg mit leicht xenophoben Tönen endete. Die Verdunklung eigentlicher Absichten auf allen Seiten, verletzte Seelen, die sich arrogant gebärden und andere, die einfach meinten untertauchen zu können. Schlussendlich gescheitert aber ist Dercon offensichtlich an einer waghalsigen und unprofessionellen Finanzierung seiner und der gemeinsamen kulturpolitischen Vorhaben.

Und nun soll das Räuberrad einfach wieder zurückgedreht werden?! Wohl kaum. - Jetzt braucht es erst einmal ein Positionspapier, wo Berlin nun mit der Volksbühne steht. Man kann nur auf Klaus Dörr und seine Professionalität hoffen, und das er nicht einfach nur versucht alles vergessen zu machen. Denn dies wird nicht funktionieren, solange dieser nicht mehr gänzlich ungeklärte Kulturkadaver immer noch über dem Berliner Lattenzaun hängt. Denn, so schmerzhaft es auch ist, das Geld ist erst einmal weg und somit das Problem der fahrlässigen Unterfinanzierung immer noch nicht gelöst. Woher sollen denn nun neue Produktionen kommen, wenn der Senat nicht mindestens für die nächsten acht Monate nach finanziert?

Man könnte sich erschöpft zeigen, wenn man nicht Anlass zu Hoffen hätte.Und bei den Mitteln war hier fast alles dabei, der Spießrutenlauf, welcher in einen Grabenkrieg mit leicht xenophoben Tönen endete. Die Verdunklung eigentlicher Absichten auf allen Seiten, verletzte Seelen, die sich arrogant gebärden und andere, die einfach meinten untertauchen zu können. Schlussendlich gescheitert aber ist Dercon offensichtlich an einer waghalsigen und unprofessionellen Finanzierung seiner und der gemeinsamen kulturpolitischen Vorhaben.

Und nun soll das Räuberrad einfach wieder zurückgedreht werden?! Wohl kaum. - Jetzt braucht es erst einmal ein Positionspapier, wo Berlin nun mit der Volksbühne steht. Man kann nur auf Klaus Dörr und seine Professionalität hoffen, und das er nicht einfach nur versucht alles vergessen zu machen. Denn dies wird nicht funktionieren, solange dieser nicht mehr gänzlich ungeklärte Kulturkadaver immer noch über dem Berliner Lattenzaun hängt. Denn, so schmerzhaft es auch ist, das Geld ist erst einmal weg und somit das Problem der fahrlässigen Unterfinanzierung immer noch nicht gelöst. Woher sollen denn nun neue Produktionen kommen, wenn der Senat nicht mindestens für die nächsten acht Monate nach finanziert?

Man könnte sich erschöpft zeigen, wenn man nicht Anlass zu Hoffen hätte.
Kommentar Dercon-Rücktritt: verpasst
@13

liebe(r) rubenblades, der letzte BESTE zeitpunkt ist aus meiner sicht vorbei - der wäre mit faust zu den berliner festspielen und vor dem abschied von sophie rois von der vb gewesen ...

ich ärger mich immer über sinnlos verpaßte gelegenheiten, deshalb möchte ich hier einmal ausdrücklich an all die erinnern, die genug intuition, einblick und weitsicht durch ihre ganz frühen zweifel, fragen und kritiken zum konzept und den worten von dercon geäußert hatten (dieses talent hat mich bei heiner müller immer sehr fasziniert)

in der politik sehe ich dieses talent nirgends - den ersten öffentlichen klartext habe ich von khuon anfang dezember 2017 in der adk gehört

https://www.tagesspiegel.de/kultur/berliner-intendanten-diskutieren-das-ensembletheater-herzstueck-des-deutschen-repertoiresystems/20664974.html

leider kenne ich mich in der gesamten deutschsprachigen theaterlandschaft nicht so gut aus - aber die persönlich betroffenen - selbst die unkündbare sophie rois - haben mit professioneller intuition eine klare haltung gezeigt, der letztendlich auch große teile der medien und des publikums folgen wollten

die künstler dürfen der politik nicht folgen, das ist ihre selbstaufgabe ... vielleicht gehen ja doch ein paar von ihnen in die offensive bzw. öffentlichkeit mit konzepten zur wiederauferstehung ... und meese würde laut die diktatur der kunst ausrufen
Kommentar Dercon-Rücktritt: Gespräche
Warum soll irgendwer diesen Konflikt vergessen? Schwamm drüber? Die Entscheidung der Regisseure, keine Stücke in den Dercon-Spielplan zu geben, war nachvollziehbar und legitim.

Lücken jetzt kurzfristig zu füllen wird nur gehen, wenn die Kulissen nicht geschreddert wurden, wenn die Künstler verfügbar sind, viele sind in anderen Engagements oder drehen.
Aber davor müssen erst einmal Gespräche geführt werden. Viele Gespräche.
Rücktritt Dercon: praktische Solidarität
@martin baucks: Das ist ganz einfach: 1.konspiratives Treffen der Berliner Intendanten mit der/dem/den anvisierten Neuen. Dabei Einforderung von Solidarleistungen mit allergrößtem Scharrrrm unter dem Verweis, dass es ja auch ihr Haus hätte treffen können/treffen könnte, wenn die Kulturpolitik so dilettantisch betrieben wird wie wurde und da nicht so schnell nachgelernt werden kann wie müsste.
2. Vorschlag für Solidarleistung: Jedes der anderen Berliner Häuser pumpt für jeweils einen verbleibenden Monat ensuite etwas von sich -
kann auch als Berliner Theaterleistungsschau genutzt werden. Beispiel: BE gibt Die Elenden, DT irgendwas Großes, das Gorki leiht sein Exil-Ensemble mit seiner ersten Eigenproduktion aus, die Schaubühne diese Eribon-Sachen-Sache für kleinere Bühne und Franky gibt persönlich den Faust, das HAU überlegt sich auch was und die Parkaue auch. Frau Tismer als Rest-Ensemble kann ja einen schönen Solo-Abend vollverantwortlich vorbereiten und Sophie Rois könnte mal versuchen, eine Woche lang Dankesreden an Preisverleiher für ausgedachte nicht-erhaltene Preise zum Besten zu geben... Ach und auch die Schaubude sollte man um Silidarisierung bitten: die kann sich mit dem Kirschner-Studiengang kurzschließen, dann weiß man gleich besser, was die da jetzt erneuert rumstudieren. In der Zwischenzeit, wenn das auf Punp erstmal läuft, kann man ordentlich Programm planen.
3. Fangen Sie doch schon mal an, das Treffen zu organisieren, Herr Baucks, ich habe leider gerade gar keine Zeit für sowas. Ich muss mich um ein lästiges Kind kümmern.
4. Sagen Sie nichts von Hoffnung, sondern unternehmen sie einmal etwas Außerkommentatorisches - wenn sie sich überlegen müssen, ob Sie sich erschöpft zeigen könnten, sind Sie es ja nicht, wenn man erschöpft ist, kann man sich ja nichts mehr überlegen, nich...

PS: Und das Räuberrad kann natürlich nicht zurückgedreht werden, es rollt einfach unkontrolliert weiter, wie es Räder- besonders die an Schiffen:-D - so an sich haben...

PPS@ Irmela Kammelt: Wenn die Kulissen geschreddert wurden, dann spielen die Leute das eben ohne Kulissen und stellen sich dabei die vorhandenen, ihnen gut bekannten, Kulissen vor. Es kann ja einer die nichtvorhandenen Kulissen für das Publikum beschreiben, wenns gar nicht anders geht. Vielleicht findet man dafür einen Techniker oder dergleichen... Für jemanden wie Sophie Rois oder den Lars Eidinger zum Beispiel wäre sowas gar kein Problem!
Rücktritt Dercon: Vorlauf
es wird doch kein zufall sein, dass der erste teil (der 2. soll mittwoch folgen) des rechercheartikel punktgenau 2 tage nach der kündigung von dercon in der süddt. stand. dass das informationsfreiheitsgesetz auch zB die freigabe von e-mails von marietta piekenbrock ermöglicht, kann ich kaum glauben. es ist doch sicher eher so, dass wenn es nicht von anfang an von lederer, laudenbauch und goetz so eingefädelt wurde, der kultursenator sehr gerne alle informationen weitergegeben hat, weil ihm das so in sein konzept gepasst hat. da wird die presse von der vierten gewalt zum mitspieler, aber natürlich nicht auf offener bühne. das ganze gerede über monate von der senatskulturverwaltung, man könne nicht sagen, was der auftrag an dercon gewesen sei, natürlich würde er weiter ensembletheater machen, man müsse abwarten, wie sich das finanziell entwickele etc pp. weder das handeln von lederer bis hier her noch das durchstechen seiner verwaltung an laudenbach (der ja partei in den diskussionen um die VB war) und goetz machen hoffnung darauf, das lederer und sein büro ein wirkliches interesse daran haben in einen offenen dialog mit der stadt zu treten. noch ein satz zu klaus dörr, angeblich war schon im februar klar, dass dercon seinen hut wird nehmen müssen. die berufung von dörr zum geschäftsführer und jetzt zum interims intendanten lief ungefähr zeitgleich, ein schelm, der da keinen zusammenhang sieht. das dercon in paris im herbst eine Ausstellung kuratiert wäre auch ein hinweis, dass die jetzt bekanntgewordenen ereignisse einen vorlauf von mehreren monaten gehabt haben.
Rücktritt Dercon: Außenwahrnehmung
und hier die Sicht von "Le Monde": "Dercon gibt die Volksbühne zurück - exzellente Nachricht" http://wanderer.blog.lemonde.fr/2018/04/14/chris-dercon-abandonne-la-volskbuhne-excellente-nouvelle/#xtor=RSS-32280322

"... schließlich, und das ist nicht das geringste der Paradoxons, erlaubte die Polemik, die daraus entstand, Frank Castorf, ins Zentrum des deutschen Kulturlebens zurückzukehren, da dieser Moment unvermeidlich zum Augenblick der Evaluierung der Rolle, die Castorf in den letzten 30 Jahre im deutschen Theater innehatte, wurde. Der Erfolg seines Ring in Bayreuth trug zu seinem Ruhm nicht weniger bei. Da ist er wieder, nicht nur auf Berlin konzentriert, sondern überall in Deutschland und darüber hinaus, multipliziert er sich in Stuttgart, München, Hamburg, Berlin ... und sogar in Salzburg und Zürich. Jagt den Castorf fort und er kommt wieder im Galopp... wetten wir nun darauf, dass dieser Rücktritt spannende Kulturdebatten bewirkt und dass Klaus Lederer, der Kultursenator von Berlin, jetzt endlich mal seine Neuronen und seine Fantasie einschalten muss, um diese Fehler nicht zu wiederholen ... schwierig schwierig ..."
Kommentar Rücktritt Dercon: neuer Castorf
Der gegenseitige Spott ist doch mit dem Weggang Dercons aufgebraucht. Zurück bleibt ein erstaunliches Vakuum, das natürlich alle möglichen und denkbaren Kräfte anzieht, so dass man kopfschüttelnd da sitzt und erst einmal um eine Denkpause bitten möchte. Das die Spötter einfach als Sieger wieder zurück an ihre ehemalige Wirkungsstätte kehren, erscheint mir undenkbar. Beschämt sitzt man da und hört, wie sich andernorts einige weiterhin die alten Schimpfworte zuwerfen. Irgendetwas von der ostdeutschen Piefigkeit wird dort geschwafelt, an welcher der Intendant gescheitert sein soll. Es ist ja nun bekannt, dass er an seiner eigenen Unfähigkeit scheiterte, die zwar ständig von Spott, Hohn und Häme begleitet wurde, aber diese wären doch bei entsprechendem Erfolg verstummt. Und natürlich nimmt auch ein Unfähiger Schaden an übler Nachrede, während er selber verheerenden Schaden anrichtet. Aber noch mehr Schaden geht einfach nicht mehr.

Und Besonnenheit hilft hier auch nicht weiter, denn es ist ja ein Theater, das belebt werden muss. Nur wie?! Das ist die Frage.
(...)

Da steht dieser ausgehöhlte Klotz, missbraucht von einem Kultur Tartuffe, angetrieben von einer bigotten Sozialdemokratie, gestützt von einer ins Jenseitige verliebte Programmdirektorin und stellt seine ganz eigenen Anforderungen. Dem Volke soll er die Kunst näher bringen und nicht als Katalysator für alten Spott, Häme und vergangene Prestigekämpfe einiger Künstler dienen. Eine kritische Kunst, (kein neuer alter Pfusch) welche die Verhältnisse genau untersucht, in der das Haus gerade steckt, eben in dieser unerträglichen Abhängigkeit der Theaterkunst von dieser leidigen Politik, von seiner eigenen Tradiertheit, dem sich immer wieder aus sich selbst Herausschälenden. Ein neuer Castorf/in muss gedacht werden. Der Alte hatte seine Zeit.
Kommentar Rücktritt Dercon: drei weitere Jahre für Castorf
Sie sollen Castorf doch einfach nochmal 3 Jahre geben und die Zeit nutzen, einen Nachfolger zu suchen. Die Bude wäre gerappelt voll, die Anhänger würden auch höhere Eintrittsgelder zahlen. Die VB am RLP ist tot, lang lebe die VB am RLP.
Kommentar Rücktritt Dercon: Autoren-Intendanz!
(...)

Und wann gibt es denn endlich einmal eine Autoren-(Mit-)Intendanz? Eine, die nicht auch Regie macht, sondern einfach nur prägend Text? Dann müssen es auch nicht ausschließlich prägende RegiseurInnen sein, die ans Haus geholt werden, sondern auch solche, die einmal prägend werden könnten und die sich von ihren prägenden Lehrern frühzeitig emanzipiert und eigen zeigen... Sogar neben diesen unter Umständen!
Kommentar Rücktritt Dercon: Farce
Auch hier in der Presseschau bei nachtkritik wird man durch die Anordnung und Auswahl der Zitate den Eindruck nicht los, dass sich weiter nur auf das Debakel Dercons gestürzt wird und Fehler gefunden werden wollen.
Ich bin schockiert darüber, auf welchem Niveau die Debatte um die Zukunft eines Stadttheaters geführt wird - wie die vermeintlich linke, progressive Berliner Kulturszene auf einem provinziellem, unwürdigen Niveau agiert und die Versuche der Bewahrung einer 'genau richtigen Vergangenheit' (mit Castorf) den ahnungslosen Vorstößen der Münchner CSU in der Causa Lilienthal/Kammerspiele ähneln.
Theater ist Wandel und hält Brüche aus. Dem Ansatz Dercons, Theater aus neuen (interdisziplinären, diversen, den Körper in den Fokus nehmenden und theatrale Techniken und Verfahrensweisen überdenkenden) Perspektiven zu betrachten, wurde nie Raum gegeben. Selten habe ich Artikel (v.a. der Berliner oder deutschen Presse) gelesen, die fähig gewesen wären, sich mit diesen Konzepten (sowohl auf ästhetischer als auch institutioneller Ebene) fundiert auseinanderzusetzen, statt dem Gros der vorauseilenden, unzufriedenen Kritik zu verfallen. Diese Borniertheit hätte ich Berlin nicht zugetraut.
Kein Wunder, dass Sponsoren und Publikum mit diesen ekelhaften Attacken ausgeblieben sind. Denn denkt man die Situation nicht von Dercon als dem Übeltäter aus, so wird schnell klar, dass jegliche Möglichkeit der Unterstützung, der Neugier, der Offenheit für diese neuen Konzepte genommen wurde, da diese von allen Seiten - der Presse, des Castorf verherrlichenden Mobs wie auch des tendenziösen Kultursenators Lederer - schon im Vorfeld und während der letzten sieben Monate schlecht geredet wurde. In dieser Stimmung war es selbst interessierten, offenen Zuschauern schwierig, sich überhaupt auf die Volksbühne unter Dercon einzulassen. (nicht zu vergessen, der Mob, der Aufführungen störte etc... ) Chance verpasst... Interessant wäre nur gewesen, wie es wohl Lilienthal mit einem ähnlichem Konzept an der Volksbühne ergangen wäre. Womöglich wäre er - der Linke und aus der Berliner Szene Kommenden - mit diesen Konzepten (Ensemble, Repertoire und die Institution Stadtheater neu zu denken) begrüßt worden als der geniale Erneuerer. Wäre ja dann nicht einem vermeintlich neoliberalen Kopf entsprungen. Es ist eine Farce.
Kommentar Dercon-Rücktritt: Systemwechsel
@ 24:
Herr Dercon hätte es vermutlich durchgezogen. Ich kann mir nicht vorstellen, das es grundsätzlich an den nicht geflossenen Drittmitteln lag, das es so ein schnelles Ende nahm. Wäre mit den 22 Millionen Budget etwas nachhaltiger gewirtschaftet worden, wäre das weitergelaufen. Die Besucherzahlen wären dann auch egal gewesen. Das Programm wäre kein Grund zum Rücktritt geworden weil es durchaus unter künstlerischer Freiheit jederzeit zu rechtfertigen gewesen wäre.
Die Frage ist doch nach wie vor: Weshalb musste denn ein Systemwechsel stattfinden - Herr Dercon wäre jederzeit mit seinem Programm hier empfangen worden, vielleicht Begleitprogramm am neuen Stadtschloss mit Achse zum Tempelhof??
Kommentar Dercon-Rücktritt: Mob?
@mia (#24)
Sie schreiben vom "Castorf verherrlichenden Mob", was eine sehr abfällige Bezeichnung ist, denn mit dem "Mob" meinen Sie ja letztlich das Publikum. Später erwähnen Sie den Mob noch einmal: "nicht zu vergessen, der Mob, der Aufführungen störte". Ersetzen wir hier wieder "Mob" durch Publikum, dann bekommen wir eine Vorstellung davon, wie das ideale Theater aussehen könnte: Eines, das nicht vom Publikum gestört wird. Auf dieses Ziel hat Dercon doch recht konsequent hingearbeitet, wenn man die Auslastungszahlen anschaut.

Theater sollte sich natürlich nicht ausschließlich am Publikum orientieren, die Publikumsverachtung, die derzeit aus manchen Ansätzen spricht, ist mir aber auch nicht gerade sympathisch.
Kommentar Dercon-Rücktritt: genau
Danke, mia. Genau so ist es.
Rücktritt Dercon: Geduld!
Inzwischen wird auf fünf (!) Foren über die VB diskutiert. Wie viele sollen noch eröffnet werden? Gibt es keine anderen Sorgen? Ich finde schon lange, dass der VB eine viel zu große Bedeutung zugemessen wird. Was Castorf machte und macht, ist nur eine von vielen Möglichkeiten des Theaters mit nicht nur positiven Auswirkungen. Es sollte mal eine Pause eingelegt werden, was gesagt bzw. geschrieben werden musste, wurde geäußert. Warten wir ab, was seitens der Kulturpolitik Berlins entschieden wird zur künftigen künstlerischen Leitung des Hauses. Diese Geduld ist notwendig.
Rücktritt Dercon: Argumente statt Blöcke
Wenn das so ist, dann ist es so. Ich sehe nicht, wie diese Diskussionen den Entscheidungen in der Volksbühne im Wege stünden. Ich könnte die Frage auch zurückgeben. Gibt es keine andere Sorgen, als die, dass auf fünf Foren über die Volksbühne diskutiert wird?

Was ich allerdings begrüßen würde, wäre eine Differenzierung der Beteiligten. Weder für noch gegen Dercon gibt es monolithische Blöcke.
Kommentar Dercon-Rücktritt: Abenteuerspielplatz
Ersan Montag bewirbt sich um die Volksbühne und Rüdiger Schaper ruft den "Staub zu Glitzer"-VB-Besetzern das Wort "Abenteuerspielplatzgruppe" hinterher. Ich sehe das anders. Denn zweifelsohne repräsentieren die VB-Besetzer eine Menge Leute in der Stadt. Menschen, die als Publikum und Mitarbeiter zu gewinnen jeder "Volksbühne" gut anstehen würde. Hingegen repräsentiert Ersan Montag ebenso wie Susanne Kennedy oder Ulrisch Rasche, um nur einige gehypte Jungstars aus der U21-Mannschaft des bürgerlichen Theaterfeuilletons zu nennen, nichts und niemanden Im Grunde sind Montag, Kennedy und Rasche die "Abenteuerspielplatzgruppe" im Subventionstheater. Schon als den "Staub zu Glitzer"-Leuten der Vorwurf gemacht wurde, sie störten die Proben von Susanne Kennedy konnte man sich fragen. "Wie bitte?" Wer stört hier wen? Heute,im Rückblick, stellt sich diese Frage mehr denn je.
Rücktritt Dercon: Die Aufkleber gab's schon länger
In mehreren Medienberichten wurden die "Tschüß Chris" Aufkleber als Reaktion ("Nachtreten") auf Dercons Abgang interpretiert. Es sollte festgehalten werden, das die Sticker bereits Mitte/Ende Februar auftauchten.

Schöne Reaktion übrigens: jemand hat einen Zettel mit "Mobbing wirkt" neben solch einen Sticker geklebt.
Kommentar Rücktritt Dercon: wo ist der Übergang?
@31: Stimme der Beobachtung zu: Die Aufkleber gab es wenigstens seit Februar.

Ob man diese Aufkleber unter Mobbing subsummieren möchte, kann man diskutieren. Beleidigend ist es schon einmal nicht. Meines Erachtens ist das eine humorvolle, friedlich-passive, stichelnde, subversive, keineswegs Anstandsgrenzen überschreitende Aktion. Das muss man aushalten (können).

Scheiße vor die Tür legen, im Gegensatz dazu, ist klar zu verurteilen. Diesen Part hatte Dercon im RBB auch als problematisch markiert. Ansonsten meinte er, dass er sich um seine Gegner nicht kümmere, sondern nur um seine Kritiker.

Wo ist denn der Übergang von Kritik und zwar auch aktionistischer und nicht rein medial-argumentativer hin zu Mobbing? Das Ausmaß? Der Ton? Der Kontext? Rein subjektiv?
Kommentar Rücktritt Dercon: Shakespeare neu verstanden
#31: Hab ich jetzt "Sommernachtstraum" ganz neu verstanden: Zettel-Theater!
Kommentar Dercon-Rücktritt: Johanna Schalls Blog
johanna schall hat eine neue lektion gelernt und schreibt darüber:



"Aber jetzt weiß ich, dass ich geirrt habe. Mein Problem war nicht die Arbeit, die Dercon geleistet oder nicht geleistet hat. Oder die Idiotie Berliner Politiker, die vorschnelle Entscheidungen trafen. Mein Problem lag in mir.
Was ich heute gelernt habe:"

https://johannaschall.blogspot.de/2018/04/volksseele-nachtrag.html?m=1
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