Kein Cannes

20. April 2018. Ein Gericht in Moskau hat den Hausarrest des Regisseurs und Gogol Center Moskau-Intendanten Kirill Serebrennikow verlängert, das melden unter anderen Deutsche Welle und FAZ unter Berufung auf die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Der Richter habe entschieden, den Arrest bis zum 19. Juli auszudehnen. Dadurch wird es Serebrennikow nicht möglich sein, im Mai zum Filmfestival in Cannes zu reisen, wo sein Film "Leto" ins Rennen um die Goldene Palme geht.

haenselundgretel1 560 Thomas Aurin uSolidaritätsveranstaltung für Serebrennikow in
Stuttgart © Thomas Aurin
Serebrennikow wurde im August 2017 festgenommen und anschließend unter Hausarrest gestellt und musste deshalb schon geplante Inszenierungen unter anderem in Stuttgart ("Hänsel und Gretel" an der Oper Stuttgart, die stattdessen eine Solidaritätsveranstaltung organisierte) und Berlin ("Dekameron" am Deutschen Theater Berlin) absagen. Das Deutsche Theater lud stattdessen zwei Produktionen von Serebrennikows Gogol Center als Gastspiele nach Berlin ein. Zuletzt war der Hausarrest im Januar bis zum 19. April verlängert worden. Dem Regisseur und fünf weiteren Theaterleuten wird vorgeworfen, im Rahmen des russischen Theaterförderprogramms "Platforma" Subventionen veruntreut zu haben. Er bestreitet die Vorwürfe und bekam gleich nach seiner Verhaftung im August durch eine Reihe internationaler Künstler Rückendeckung, die in einer Petition die russischen Behörden beschuldigten, Serebrennikow, der offen homosexuell ist und keinen Hehl aus seiner kremlkritischen Haltung macht, aus politischen Gründen zu verfolgen.

Au­ßer Se­re­bren­ni­kow wur­de jetzt auch sei­nem frü­he­ren Pro­du­zen­ten Ju­ri Itin der Haus­ar­rest bis zum 24. Mai ver­län­gert, der Di­rek­to­rin des Rus­si­schen Ju­gend­thea­ters Sof­ja Ap­fel­baum bis zum 19. Ju­li, und auch der ehe­ma­li­ge "Plat­for­ma"-Di­rek­tor Ale­xej Malobrod­ski müsse noch min­des­tens bis zum 19. Ju­ni im Ge­fäng­nis sit­zen, berichtet die FAZ. Die An­kla­ge stütze ih­re Vor­wür­fe auf die Aus­sa­gen der ehe­ma­li­gen "Plat­for­ma"-Buch­hal­te­rin Iri­na Maslja­je­wa, die als ein­zi­ge Be­schul­dig­te ge­stän­dig sei und de­ren Haus­ar­rest eben­falls bis zum 23. Mai ver­län­gert worden sei.

(FAZ / Deutsche Welle / sd)

 

Mehr zum Thema:

Interview: Regisseur Sebastian Hartmann über seinen unter Arrest stehenden Kollegen Kirill Serebrennikov und die Situation am Gogol Center Moskau (2/2018)

Meldung: Kirill Serebrennikow weiter unter Hausarrest (1/2018)

Meldung: Russische Kulturinstitutionen kooperieren mit Fahndern (1/2018)

Nachtkritik: Hänsel und Gretel – Die Oper Stuttgart zeigt Teile der Inszenierung des unter Hausarrest stehenden Regisseurs Kirill Serebrennikov (10/2017)

Presseschau: Die SZ spricht mit Kirill Serebrennikow über Russlands Kulturpolitik und die Absage seiner Bolschoi-Premiere (8/2017)

Meldung: Petition für Freilassung Kirill Serebrennikows (8/2017)

Meldung: Internationale Solidarität mit verhaftetem russischen Regisseur Serebrennikow (8/2017)

Meldung: Bolschoi-Theater Moskau sagt Premiere von Kirill Serebrennikow ab (7/2017)

Presseschau: Die FAZ berichtet über eine absurde Wendung im Fall Kirill Serebrennikow (6/2017)

 

 

 

 

 

 

mehr meldungen

Kommentare  
Serebrennikow: flache Aktion
Irre. Man kann ihm nur von Herzen wünschen, dass er das durchhält.

Und so dämliche und flache Aktionen wie von Laufenberg aus Wiesbaden (egal wie gut sie gemeint sind) können es doch auch nicht sein...!
Serebrennikow: Fremdscham
Richtig! Eine wirklich peinliche Aktion, um sich selbst endlich mal in die überregionale Presse zu bringen. Man kommt aus dem Fremdschämen gar nicht mehr raus.
Serebrennikow: vier Mal angekündigt
Und deutsche oder schweizer Intendanten meinen, dass er „freikommt“? In Saisonvorschauen ist er angekündigt als Regissuer an der Hamburgischen Staatsoper, im DT, an der Zürcher Oper und am Staatstheater Stuttgart, wo er noch eine Oper nachliefern sollte.
Wie realistisch ist das?
Dem Regissuer ist zu vom ganzen Herzen zu wünschen, dass der Spuk bald vorbei ist. Wobei Spuk ja nicht der passende Ausdruck ist.
Serebrennikow: Einplanung ist Unterstützung
@3: Ich finde das ein ganz richtiges Zeichen, dass die Theater ihn nicht abschreiben, sondern an seine Unschuld glauben und ihn in diesem absurden Prozess durch diese ernst gemeinten Planungen und Veröffentlichungen damit unterstützen.

Einen Plan B kann man ja trotzdem in der Tasche haben und sei es ein Gastspiel des Gogol Theater, wie kürzlich am DT anstatt der geplanten Premiere.
FAZ über Serebrennikow
Im Feuilleton-Aufmacher der FAZ vom 26. April beschrieb Kerstin Holm die Absurdität der Anklagepunkte.

Begeistert schrieb sie über eine neue Serebrennikow-Inszenierung: "ei­nes sei­ner här­tes­ten, wil­des­ten Stü­cke, das klas­si­sche Poe­sie mit Hip­hop ver­flech­tet".

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kirill-serebrennikow-er-inszeniert-noch-in-gefangenschaft-15559949.html?premium
Serebrennikow: Hausarrest verlängert
Nicht zu vergessen!

https://themoscowtimes.com/news/russian-director-serebrennikov-house-arrest-extended-until-august-62284
Kommentar schreiben