Freie Szene Hamburg - In Hamburg geht die Schere zwischen teuren Hochglanzprojekten und chronisch unterfinanzierter Off-Szene immer weiter auf
Kampf um Kontinuität
von Katrin Ullmann
Hamburg, 26. April 2018. "Elf Jahre Projektemacherei, elf Jahre in halbverlassenen Fußgängerzonen, elf Jahre schlecht bezahlt, elf Jahre zu wenig Schlaf. Wir haben keinen Bock mehr, wir hören auf mit der Projektemacherei, wir gründen jetzt ein Unternehmen." Das beschloss das Hamburger Performancekollektiv Geheimagentur und ging im April 2014 mit dem Unternehmen "Ein großes Unterfangen, von dem noch niemand genau weiß, was es sein soll" auf Kampnagel an die Börse. Die Zuschauer konnten Anteile zeichnen. War ihnen die Investition zu unsicher, konnten sie sich ihre Anteile auch am Aufführungsabend bar auszahlen lassen. Grundlage für die Show bildete Daniel Defoes "Essay upon Projects" von 1697. Der Autor von "Robinson Crusoe" hatte jahrelang versucht, mit Projekten über die Runden zu kommen.
Mehr als 300 Jahre später hat sich nicht viel geändert. Zumindest für die freie Theaterszene in Hamburg. Sie ist zwar, so sieht das auch die Behörde für Kultur und Medien, "für die Vielfalt und Weiterentwicklung der Kultur in Hamburg von großer Bedeutung". Doch was nach Aushängeschild und Wertschätzung klingt, wird finanziell nicht sichtbar: Die Freie Szene in Hamburg ist chronisch unterfinanziert, ihre Förderung stets projektgebunden. In die Hochglanzprojekte wird Geld gebuttert. Millionen flossen in die Elbphilharmonie. Aber geknausert wird in Hamburg, wenn es um die Off-Szene geht.
Konzeptionsförderung für nur zwei Gruppen
Die jährliche vergebene Zuwendung unterteilt sich in Produktions-, Basis-, Nachwuchs- und Konzeptionsförderung. Letztgenannte ist der Hauptgewinn: Auf drei Jahre angelegt sieht sie eine Zuwendung von jährlich 35.000 Euro für maximal zwei Künstlergruppen vor. 675.000 Euro umfasste das Förderbudget, um das für die nächste Spielzeit 149 Anträge konkurrierten, 1.716.702 Euro betrug das Gesamtvolumen der Anträge aus dem Teilbereich Sprechtheater, Musiktheater, Performance. Die 149 Anträge wiederum sind nur die jener Künstler*innen/-gruppen, die für die beratende Jury sichtbar werden, weil sie in ihrem Antrag eine Spielstätte nachweisen konnten. Und die anderen? Sie realisieren Projekte mit wenig oder keinem Budget. Oder machen eine künstlerische Zwangspause.
30 Projekte und eine Basisförderung haben in Hamburg dieses Jahr den Zuschlag bekommen. Für die Künstler*innen sind die Summen, die vergeben werden, allerdings nicht der Startschuss des Projekts, sondern ein Anfang, um Drittmittel einzuwerben. Anfänger, den Nachwuchs, bezuschusst Hamburg spartenübergreifend mit je 5.000 Euro. Dieser Betrag soll "die Realisierung eines ersten Projektes ermöglichen", versprechen die Richtlinien. Zum Vergleich: Etwa 20.000 Euro Budget – lediglich für Regieteam und Ausstattungskosten – veranschlagt das Thalia Theater für eine Produktion eines Regieassistenten in der kleinsten Spielstätte des Thalia Theaters, der Garage in der Gaußstraße.
Die wichtigsten Spielstätten der Freien Szene in Hamburg:
Kampnagel
Kampnagel – gegründet 1982 | 1350 Plätze (insgesamt sechs unterschiedlich große Bühnen) | Intendantin: Amelie Deuflhard (seit 2007) | Profil: In Deutschland eines der bedeutendsten Produktionshäuser, für die freie Szene in Hamburg die wichtigste Spielstätte. Mit spartenübergreifendem Programm, sowohl international als auch lokal produzierend, weltweit vernetzt. Arbeiten aus den Bereichen Tanz, Performance, Theater und Musik, Schnittstellen zu Bildender Kunst und Architektur, regelmäßig Kongresse und Symposien. Mit großem Außengelände. Wichtiger Programmpunkt ist Internationales Sommerfestival. | Öffentliche Förderung: 5.100.000 Euro / Spielzeit (Gesamtetat: 9.800.000 Euro) | www.kampnagel.de
K3
K3 - Zentraum für Choreographie | Tanzplan Hamburg auf Kampnagel – gegründet 2007 | 20 / 40 Plätze (für Workshops / Vorträge), 125 Plätze (für Aufführungen in Halle P1 auf Kampnagel) | Leiterin: Kerstin Evert | Profil: International vernetztes Kompetenzzentrum für zeitgenössischen Tanz und Choreographie, künstlerische Forschung und Tanzvermittlung. Residenz-Formate. Tanz-Profitrainings, Workshops, Weiterbildung, Qualifizierung. Vermittlung zeitgenössischen Tanzes für alle Altersgruppen, Kooperationsprojekte mit Schulen, Projekte mit und von Jugendlichen | Öffentliche Förderung: 300.000 Euro / Spielzeit (für Personal, Struktur und Programmformate; Einwerbung weiterer öffentlicher Mittel für Projekte und Kooperationen) | www.k3-hamburg.de
Lichthof
Lichthof Theater – gegründet 1994 (am jetzigen Standort seit 2000) | 100 Plätze | Künstlerischer Leiter: Matthias Schulze-Kraft (seit 2008) | Profil: Schwerpunkt interdisziplinäres, politisches und aktuelles Theater. Labor für neue Formate und experimentelle Ideen. Besonderes Anliegen ist Förderung des künstlerischen Nachwuchses und die künstlerische Partizipation von Hamburger Bürger*innen. | Öffentliche Förderung: 242.000 Euro / Spielzeit (Produktionen müssen sämtlich über Drittmittel finanziert werden) | www.lichthof-theater.de
Sprechwerk
Sprechwerk – gegründet 2004 | 150 Plätze | Intendantin: Konstanze Ullmer (seit 2013) | Profil: Bühne für Uraufführungen und Experimente. Mit 160-Quadratmeter-Bühne eines der größten Off-Theater Hamburgs. Von Schauspiel über Tanztheater, Kindertheater, Performance, Kabarett bis zu Improtheater. Eigenproduktions-Reihe "Wortgefechte" (oft mit Uraufführungen Hamburger Autoren). | Öffentliche Förderung: 140.000 Euro / Spielzeit (kein Produktionsetat; im Schnitt eine geförderte Eigenproduktion pro Spielzeit über den Projektfördertopf Privattheater) | sprechwerk.hamburg
Monsun.Theater
Monsun.Theater – gegründet 1980 | 100 Plätze | Intendantin: Francoise Hüsges (seit 2015) | Profil: Ältestes Off-Theater Hamburgs. Künstler*innen der regionalen und überregionalen freien Szene. Tanz-, Sprechtheater und Performance. Nachwuchsförderung. Fokus auf Vernetzung und Koproduktion im internationalen Kontext, basierend auf der genreübergreifenden Erforschung neuer Ästhetiken | Öffentliche Förderung: 103.000 Euro / Spielzeit (dies sind rund ein Drittel der Gesamtausgaben) | www.monsuntheater.de
Theater 73
Theater 73 – gegründet 2006 | 120 Plätze | Geschäftsführer: Falk Hocquél (seit 2006, gemeinsam mit dem Kaltstart-Team) | Profil: Gastspielort für freie Produktionen und Schauspielschulen im Herzen der Schanze. Aus organisatorischen Gründen findet seit dem 10. Kaltstart-Festival in Folge (2015) kein regelmäßiger Spielbetrieb statt | Öffentliche Förderung: momentan keine | www.dreiundsiebzig.de
Fleetstreet
Fleetstreet Theater – gegründet 2005 | 60 Plätze | Vorstand Fleetstreet e.V.: Hans Jochen Waitz | Profil: Ein- bis zweimonatige Residenzen für junge Performance- und Schauspielgruppen. Szenische Lesungen von Stücken junger Theaterautoren | Öffentliche Förderung: momentan keine | www.fleetstreet-hamburg.de
Wenn Oma dir einen Schein zusteckt
"Mach von den 5.000 Euro eine schöne Reise, setz Dich an den Strand und denk in Ruhe über deinen nächsten, großen Projektantrag nach", rät die Choreografin Antje Pfundtner den jüngeren Kollegen. Sie selbst arbeitet seit 16 Jahren in Hamburg, reicht unermüdlich Förderanträge ein und wurde sogar zwei Mal mit der Konzeptionsförderung bedacht.
Im Jahr 2017 wurden 929.000 Euro für die Freien Darstellenden Künste veranschlagt, inkl. Kinder- und Jugendtheater, heißt es aus der Pressstelle der Behörde für Kultur und Medien. Darin enthalten ist bereits die Erhöhung um 100.000 Euro, die die Stadt Hamburg in den Jahren 2017 und auch 2018 aufstockte, "um die Wirkungen der Honoraruntergenze zumindest teilweise auszugleichen". Theater zum Mindestlohn.
"Diese Erhöhung von 100.000 ist natürlich nur eine Geste, wie wenn Oma Dir einen Schein zusteckt. Und kann auch nur als solche gesehen werden. Eine wichtige Geste allerdings: die hoffentlich deutlich machen soll, dass da bald mehr kommt", kommentiert Pfundtner. Zu den 929.000 Euro kommen "diverse weitere Gelder, anteilig die Projektförderungen aus dem Bereich Privattheater sowie diverse Förderungen aus dem Referat Kulturprojekte. Die eine feste Summe für die Freie Szene kann man also nicht nennen", äußert sich Enno Isermann, Pressesprecher der Behörde für Kultur und Medien, vage. Geht man von insgesamt grob einer Million Euro aus, so geben zwei andere Summen eine Orientierung: In der Spielzeit 2017/18 wurde das Deutsche Schauspielhaus mit über 26 Millionen Euro, das Thalia Theater mit 22,3 Millionen Euro gefördert.
Seit Januar 2013 gibt es zudem den von der Stadt Hamburg ins Leben gerufenen Elbkulturfonds. Jährlich stehen 500.000 Euro zur Verfügung, auf die sich neben freien Theatermacher*innen etwa auch bildende Künstler*innen und Literaturschaffende bewerben. Die Projekte sollen eine "Strahlkraft für ein Publikum und eine Fachöffentlichkeit über die Stadtgrenzen hinaus entwickeln". Schließlich wird der Elbkulturfonds aus der Kultur- und Tourismustaxe gespeist. Tatsächlich können aus diesem Topf nicht mehr als fünf bis acht Projekte pro Jahr gefördert werden. Eine komplementäre Förderung durch Drittmittel ist möglich, eine Doppelförderung durch einen Fachtitel der Kulturbehörde jedoch nicht und auch keine Förderung aufeinanderfolgender Projekte. Wieder: nur punktuelle, projektbezogene Förderung, wieder: keine Kontinuität.
Es braucht drei Mal so viel Geld
In etwa eine Verdreifachung der Zuwendungen, eine jährliche Mittelerhöhung auf 3.207.500 Euro und eine einmalige Aufwendung von 23.000 Euro, fordert jetzt der Dachverband Freie Darstellende Künste Hamburg e.V. (DfdK), um die Situation der Künstler*innen zu verbessern. Er hat ein Konzeptionspapier erstellt, "einen konkreten Empfehlungskatalog, um dem in jedem Jahr wachsenden, nicht genutzten Potenzial gerecht zu werden und für die freischaffenden Künstler*innen in Hamburg langfristig bessere Arbeitsbedingungen bereitzustellen".
Und ja, das Potenzial wächst. Schließlich unterhält Hamburg zahlreiche in der Theaterbranche angesiedelte Ausbildungsstätten und Studiengänge. Was kann man hier nicht alles werden: Regisseur*in, Dramaturg*in, Schauspieler*in, Sänger*in, Tänzer*in, Bühnen- und Kostümbildner*in, Tontechniker*in, Beleuchter*in, Veranstaltungstechniker*in. Und schließlich wirft der an der Universität Hamburg seit dem Wintersemester 2005/06 angebotene Master-Studiengang Performance Studies jährlich ein gutes Dutzend Absolventen auf den Markt. Doch ein wirkliches Anliegen, diese Menschen in der Stadt zu halten, ist – betrachtet man die überschaubaren Budgets – nicht erkennbar. Und die Anreize, ins nahe gelegene Berlin zu ziehen oder etwa, was die Förderstrukturen angeht, ins gut aufgestellte Nordrhein-Westfalen, sind groß.
Noch vor der Sommerpause wird unter dem bisherigen SPD-Finanzsenator und dem jetzt Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher über den Doppelhaushalt 2019/20 beraten. Der DfdK hofft, in diesen Verhandlungen eine kulturpolitische Diskussion zum Stellenwert der Freien anzuregen. Zur Debatte steht ein verzweigtes Netz von Fördermaßnahmen, das sich an den Produktionsbedürfnissen der Künstler*innen orientiert. Kontinuität ist ein zentrales Stichwort, Gastspiel- und Wiederaufnahmeförderung ein anderes. "Wir wollen keine Kosmetik, sondern eine kulturpolitische Wende", betont Barbara Schmidt-Rohr, Choreografin und stellvertretende Vorsitzende des DfdK und fügt hinzu: "Die Grundversorgung der kleinen Projektträger jenseits der Elbphilharmonie muss aufrechterhalten werden."
Offene Schere
Die 866 Millionen Euro teure Elbphilharmonie zeigt, wie die Freie und Hansestadt Hamburg, die sich gerne als Kultur- und Weltstadt bezeichnet, tickt. Da wird Wert gelegt auf Repräsentationskultur, auf ein John-Neumeier-Ballett von Weltrang, Oper- und Sprechtheaterbühnen mit Tradition und leicht bekömmliche Musicals. Und eben auch auf ein in der Abendsonne herrlich funkelndes Konzerthaus.
"Es gibt in Hamburg nicht wirklich ein Bewusstsein für das Potenzial der freien Szene", so Matthias Schulze-Kraft. Der künstlerische Leiter des Off-Theaters Lichthof weiß, wovon er spricht. Seinen Spielplan bestreitet er über permanente, zermürbende Drittmittelakquise, ohne eigenen Produktionsetat und über die von der Behörde für Kultur und Medien geförderten Produktionen. "Wir stellen eine Infrastruktur bereit, die von einer Volatilität der Jury abhängig ist", fasst Schulze-Kraft zusammen. Dieses Jahr wurden in der Spielstätte Lichthof etwa fünf Projekte weniger als üblich gefördert. In der kommenden Spielzeit hat man dort noch eineinhalb Monate, in denen man nicht weiß, wie man den Spielplan füllt. "Das Widerständige oder das Experimentelle, das Neue, das hat es wirklich schwer in dieser Stadt", bemerkt Schulze-Kraft. Erst 2017 hatte das kleine Theater den Theaterpreis des Bundes erhalten – einen "Ermutigungspreis". Aus heutiger Sicht wirkt das fast zynisch.
Mythos Kampnagel
Für viele ist die freie Szene Hamburgs immer noch und vor allem auf Kampnagel verortet. Dort, wo sie sich Anfang der 1980er Jahre nach einem mehrtägigen Protestfestival die leerstehenden Produktionshallen der ehemaligen Maschinenfabrik "Nagel & Kaemp" erschloss. Dort, wo später Theatermacher wie Nicolas Stemann, Falk Richter, She She Pop, Gintersdorfer/Klaßen und deufert&plischke ihre Karrieren begründeten. Seitdem ist viel passiert und hat sich viel verändert. Auch Kampnagel ist noch eine Spielstätte der freien Szene, doch nur ein Bruchteil der Akteur*innen wird dort sichtbar.
Der Kampnagel-Spielplan umfasst tatsächlich nur wenige lokale Produktionen, mehr (inter)nationale Gastspiele und Koproduktionen. Mittlerweile findet freies Theater in Hamburg an vielen anderen Orten statt, und längst auch außerhalb von Theaterräumen. Noch gibt es die freie Szene. Noch in Hamburg. "Wenn sich jetzt nicht signifikant etwas ändert, dann wird es einen Sog geben, weg von Hamburg", prognostiziert Schulze-Kraft. Der Sog nach Berlin ist eigentlich immer da. Nicht zuletzt wegen der erschwinglicheren Lebensbedingungen in der nahe gelegenen Hauptstadt, nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass Hamburg seine Richtlinien für die Vergabe der Fördergelder nicht mehr an eine Residenzpflicht koppelt: "Antragsberechtigt sind professionelle Einzelkünstlerinnen/Einzelkünstler und Gruppen […], die in Hamburg leben und/oder arbeiten". Heißt: Wer in Berlin lebt, kann in Hamburg arbeiten, kann in Hamburg Fördergelder beantragen. Natürlich ist das nur eine Möglichkeit, keine Garantie.
Typische Überlebens-Strategien
Was braucht man, um im traditionell SPD-regierten Hamburg in der freien Szene überleben zu können? "Man muss ein enormes Durchhaltevermögen haben und sich die freie Arbeit leisten können, man braucht noch irgendwie andere Einnahmequellen", meint die Theatermacherin Susanne Reifenrath von Meyer & Kowski. "Ich komme in manchen Jahren besser und in anderen schlechter über die Runden", beschreibt die regelmäßig auf Kampnagel produzierende Choreografin Jenny Beyer ihre Situation und von "wahnsinnig langem Atem" spricht Antje Pfundtner.
Pfundtner gilt als derzeit am besten geförderte Künstlerin der Stadt. Im März 2017 legte sie im Wirtschaftsmagazin "brand eins" ihre Finanzen offen: "Ich arbeite seit 2001 als freie Künstlerin und entwickle meine eigenen Tanzstücke, seit 2012 produziere ich meine Arbeiten mit einem Team. Ich habe Preisgelder bekommen, kriege Fördergeld und verdiene pro Jahr trotzdem nur rund 25.000 Euro vor Steuern. Verglichen mit anderen geht es mir noch gut. Ausbeutung? Die findet in meiner Branche täglich statt. Ich arbeite überwiegend in der freien Szene, da ist im Grunde wenig geregelt. (…) Ohne öffentliche Förderung hast du eigentlich keine Chance. Nur kannst du dich auf Förderung nicht verlassen, und dieser Druck droht dich auszubrennen. Nicht wenige geben ihre künstlerische Selbstständigkeit deshalb auch auf."
Galerie – Theatermacher*innen der Freien Szene in Hamburg:
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Liegen die besten Tage vor uns?
Insgesamt sei die freie Szene in Deutschlands zweitgrößter Metropole aber von einer "sehr hartnäckigen Widerständigkeit geprägt", findet Julian Kamphausen. Er leitet dieses Jahr – gemeinsam mit Susanne Schuster – das vom 24. bis 28. April stattfindende Festival der darstellenden Künste Hauptsache Frei. Die bisherigen drei Ausgaben wurden mit je 60.000 Euro von der Behörde für Kultur und Medien finanziert. Dazu kamen je etwa 20.000 Euro durch Drittmittel. "Es bedarf mindestens einer Verdopplung unseres Etats", sagt Kamphausen und entschied sich für einen Vorgriff und damit dafür, zwei Etats zusammenzulegen: "Dadurch ist aber die längerfristige Zukunft des Festivals noch nicht gesichert." Es ist eine Zwischen-, eine Notlösung. Das ADC Festival übrigens – das größte Werbertreffen im deutschsprachigen Raum – bezuschusst die Hamburger Behörde für Kultur und Medien dieses Jahr mit 200.000 Euro. Es findet noch bis zum 29. April statt. Auf Kampnagel.
Die Performer der "Geheimagentur" leben und arbeiten noch immer in Hamburg: "Es ist ganz bestimmt nicht die Fördersituation, die uns hier hält. Es sind unsere Freund*innen und Kolleg*innen und Genoss*innen", die Netzwerke, das soziale und kulturelle Kapital." Olaf Scholz, der ehemals Erste Bürgermeister Hamburgs, ist jüngst nach Berlin abgewandert. Sein Nachfolger Peter Tschentscher ist der Mann, der eben erst sagte: "Die besten Tage Hamburgs liegen vor uns." Hoffentlich gilt das auch für die freie Szene.
Katrin Ullmann studierte Germanistik (Schwerpunkt: Theater & Medien) und Kunstgeschichte in Hamburg. Seit 1998 ist sie freie Theaterkritikerin und Journalistin u.a. für TAZ, Tagesspiegel, nachtkritik.de, Theater heute und ARTE Magazin. 2011 bis 2014 war sie Jurymitglied der Hamburger Kulturbehörde im Förderbereich Sprech-, Musiktheater & Performance.
Mehr zum Thema: Zur Freien Szene in München schrieb Sabine Leucht im März 2018.
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Seit Jahren beherrscht die Sparflamme das Geschehen, das Potenzial liegt da, zur Entfaltung bereit und leere Versprechungen gab es genug!
Hauptsache Frei stellt aktuell unter Beweis warum diese Stadt die Freie Szene so nötig hat. Die Argumente liegen auf dem Tisch und andere Städte machen vor wie es geht. Hoffen wir also, dass Herr Brosda seiner Aussage in der aktuellen Kultur und Politik in Bezug auf die Freie Szene („Das wird gut“) nun auch Taten folgen lässt! Enttäuschungen gab es von Seiten der Politik genug!
Wie schön ist die Stadt, aber wie schlecht ausgestattet die Szene. Gerne wäre ich geblieben, aber hier gab es kein Geld für mich und meine Kunst.
Zusammen mit Jochen Rollen, She She Pop, Showcase Beat Le Mot, deufert & plischke, Gintersdorfer/Klaßen und noch so manchem anderen, der jetzt international tourt, wohne ich jetzt woanders...
An dieser Stelle finde ich die Argumentation zweifelhaft. Mehr als jeder dritte beantragte Euro wird tatsächlich genehmigt, das ist doch eine gute Quote - wenn man davon ausgeht, dass der ein oder andere Antrag aus künstlerischen Gründen abgelehnt wird, weil das eingereichte Konzept nicht überzeugt?
Und dann weiter: Wer keinen Antrag stellt, macht eine künstlerische Zwangspause, da er keine Spielstätte finden konnte? Das scheint mir wenig stringent, schließlich kann es viele Gründe geben, keinen Antrag zu stellen. Nicht zuletzt ist es doch wesen der freien Kunst, dass sie mal hierhin, mal dahin geht und Freiräume schafft/nutzt? Hier wird die Opferrolle doch sehr herbeigeschrieben.
Wobei weitere, im Text erwähnte Aspekte natürlich besorgniserregend sind.
3 Jahre mit jeweils 35.ooo Euro, das sind 105.000 Euro insgesamt.
Und das für maximal zwei Gruppen, also maximal 210.000 Euro
Aber: "675.000 Euro umfasste das Förderbudget."
Wer bekommt denn dann die 465.000 Euro Konzeptionsförderung, die nicht die maximal zwei Künstlergruppen bekommen?
Wo liegt mein Fehler?
Die Konzeptionsförderung mit einem Budget von 210.000 Euro jährlich wird seit 2012 ZUSÄTZLICH zur Projektförderung vergeben. (Zwei Künstlergruppen werden pro Jahr in die Konzeptionsförderung neu aufgenommen und mit jeweils 35.000Euro für die Dauer von 3 Jahren aufgenommen, Es befinden sich also parallel immer 6 Gruppen in der Förderung.)
Es ist leider noch einfacher: In den 675.000 Euro sind die Zuwendungen für die Konzeptionsförderungen bereits enthalten.
Alle Förderungen der Spielzeit 2018/19 auf einen Blick:
http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/10374410/foerderung-freie-darstellende-kuenste-2018-19/