Stücke gegen den Mainstream

Bern, 26.  April 2018. Der Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring 2018 geht an das Schaffhauser Theater Sgaramusch für sein beharrliches Engagement im Kinder- und Jugendtheater. Die weiteren fünf Theaterpreise für Personen oder Institutionen, die sich um das vielfältige Theaterschaffen der Schweiz verdient gemacht haben, erhalten das Festival wildwuchs, die Produktionsleiterin Gabi Bernetta, die Regisseurin und Theaterleiterin Anne Bisang, der Schauspieler und Regisseur Oscar Gómez Mata und der Musiktheater-Pionier Ruedi Häusermann. Das teilt das Schweizer Bundesamt für Kultur heute mit.

Theater Sgaramusch Dingdonggruezi 560 Foto BrunoBuehrerNora Vonder Mühll und Stefan Colombo in "Dingdonggruezi", eine "Hausbauschau für Menschen ab 5"
© Bruno Bührer

Der Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring ehrt eine Persönlichkeit oder Institution des Schweizer Theaterschaffens. Die Preissumme beträgt 100.000 Schweizer Franken. Aus den Begründungen des Schweizer Bundesamtes für Kultur:

"Das Theater Sgaramusch wurde 1982 von Urs Beeler gegründet. Seit über 20 Jahren leiten heute Nora Vonder Mühll und Stefan Colombo das professionelle Kinder- und Jugendtheater. Die beiden künstlerischen Leiter und Schauspieler bringen anregende Stücke ohne didaktischen Zeigefinger auf die Bühne, die auch für Erwachsene sehenswert sind. Beharrlichkeit und Kontinuität zeigen sie in immer neuen Ideen und haben gleichzeitig den Mut Stücke gegen den Mainstream zu kreieren. Mit dieser Auszeichnung soll ihr langjähriges Schaffen honoriert und gleichzeitig auf die Wichtigkeit des Kinder- und Jugendtheaters in der Schweizer Theaterlandschaft hingewiesen werden."

Kinder- und Jugendtheater unter Druck

Der Zürcher Tages-Anzeiger schreibt zu der Auszeichnung: "1999 war das Gründerpaar des Basler Vorstadttheaters, Ruth Oswalt und Gert Imbsweiler, mit dem Reinhart-Ring geehrt worden. Seither aber ging der Preis nicht mehr in die Kindertheaterszene." Stefan Colombo, Ko-Leiter des Sgaramusch, sagte dem Tages-Anzeiger, es sei ein wichtiges Zeichen, dass das Theater für junge Menschen nun wieder ins Rampenlicht gerückt werde: Die Bedingungen fürs Kinder- und Jugendtheater seien in den letzten Jahren deutlich härter geworden. Vielerorts sei die Unterstützung massiv gekürzt worden. Stefan Colombo: "Auf den Dörfern müssen sie sparen, das spüren wir sehr." Auch Familienvorstellungen seien weniger gefragt, seit die Familien so sparen müssten. Diese Situation schlage sich auch auf die Inhalte durch: "Das Kindertheater wird wieder herzig. Man fürchtet sich davor, anzuecken, Leute abzuschrecken. Angst macht brav."

Fünf Schweizer Theaterpreise 2018

Für fünf Schweizer Theaterpreise wählte die eidgenössische Jury für Theater in diesem Jahr Preisträgerinnen und Preisträger aus, die seit langem und nachhaltig in der Schweizer Theaterszene wirken und solche, die Theater vermitteln und zugänglich machen.

Festival wildwuchs

"Das inklusive Festival wurde 2001 gegründet. Es präsentiert alle zwei Jahre internationale Kunst und Kultur in Basel, experimentiert mit neuen Tanz-, Performance- und Theaterformen und ermöglicht Menschen aus allen Lebensbereichen die volle und aktive Teilnahme am kulturellen Leben der Stadt. Seit 2013 kuratiert Gunda Zeeb das Festival. Ausgezeichnet wird wildwuchs, das alle erdenklichen Grenzen einreisst, als vorbildliches Beispiel für die Bedürfnisse von "Kultur inklusiv"."

Gabi Bernetta

"Die Kulturmanagerin wirkt seit 25 Jahren hinter den Kulissen und schafft Rahmenbedingungen, die ein künstlerisches Arbeiten überhaupt erst möglich machen. Dazu gehören junge Talente genauso wie mittlerweile bekannte. Ausgezeichnet wird Gabi Bernettas Engagement auch für das neu gegründete jungspund – Theaterfestival für junges Theater St. Gallen und für die kritische Sorgfalt, die sie "ihren" Künstlerinnen und Künstlern zukommen lässt."

Anne Bisang

"Die Regisseurin und Theaterleiterin engagiert sich seit 30 Jahren offensiv und emanzipiert für das Theater in der Westschweiz. Sie leitete von 1999 bis 2011 die Comédie de Genève, seit 2013 ist sie künstlerische Leiterin des Théâtre populaire romand (TPR) in La Chaux-de-Fonds und wirkt von dort aus vielfältig vernetzend. Ausgezeichnet wird die Ausdauer und Unbeirrbarkeit auf ihrem langen Berufsweg."

Oscar Gómez Mata

"Der Schauspieler und Regisseur Oscar Gómez Mata zeichnet seit 20 Jahren mit seiner Compagnie l’Alakran einen eigenen Regiestil zwischen Komik und Ernsthaftigkeit, zwischen komödiantischer Direktheit und Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft. Sein Theater spielt mit dem Hier und Jetzt und einer aktiven Rolle des Publikums. Ausgezeichnet wird er für diese intelligente Empörung, mit der er eine besondere Beziehung zum Publikum herstellt."

Ruedi Häusermann

"Der Musiker und Regisseur Ruedi Häusermann schafft seit 25 Jahren eine eigene musiktheatralische Sprache. Zusammen mit Jan Ratschko und Herwig Ursin kreierte er den Unterhaltungsabend "Kapelle eidg. Moos", eine musiktheatralische Erfindung, die mehrere Jahre sowohl an fast allen kleineren Bühnen der Deutschschweiz als auch am Schauspielhaus Zürich zu sehen war. Ausgezeichnet werden Ruedi Häusermann und "Kapelle eidg. Moos" für ihren Erfindergeist, der dem Ländler eine neue Bühne gab."

Jury und Preisverleihung

Die Schweizer Theaterpreise vergibt die Eidgenössische Jury für Theater. Ihr gehören an: Gianfranco Helbling, Direktor des Teatro Sociale in Bellinzona; Mathias Balzer, Kulturredaktor bei der bzBasel; Danielle Chaperon, Professorin für französische Literatur an der Université de Lausanne; Anne Fournier, Redaktorin bei Radio SRF 1; Markus Joss, Leiter der Abteilung Zeitgenössische Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin; Nicolette Kretz, Leiterin der Berner Theaterfestival AUAWIRLEBEN; Kaa Linder, Redaktorin bei Radio SRF 2; Thierry Luisier, Generalsekretär der Fédération Romande des Arts de la Scène.

Die Preisverleihung in Anwesenheit des Bundespräsidenten Alain Berset findet am 24. Mai im Rahmen des 5. Schweizer Theatertreffens im Schauspielhaus Zürich statt. Die Preissumme beträgt jeweils 30.000 Schweizer Franken für Einzelpersonen und 50.000 Schweizer Franken für Ensembles und Organisationen.

(Schweizer Bundesamt für Kultur / Tages-Anzeiger / jnm)

 

 

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