Service / No Service

1. Juni 2018. Mit einem Paukenschlag endete das diesjährige Berliner Theatertreffen: Fabian Hinrichs, Schauspieler und Alleinjuror des Alfred-Kerr-Darstellerpreises, rechnete in seiner Laudatio mit dem Regietheater ab. Zu viel "Servicepersonal" habe er in den Inszenierungen des Theatertreffens gesehen, kaum eigenständige Schauspiel-Künstler. Ist diese Spezies in ihrem Fortbestand bedroht? Um Hinrichs' Rede geht es in der Mai-Ausgabe von Der Theaterpodcast. Und es geht ein weiteres Mal um Machmissbrauch im Theaterbetrieb: In Köln wurden Mobbing-Vorwürfe laut, in Cottbus hat das Musiktheater-Ensemble mit seinem Protest die Absetzung der Leitungsebene erreicht.

Elena Susanne 560 AnjaSchaefer uElena Philipp (nachtkritik.de) und Susanne Burkhardt (Deutschlandfunk Kultur) © Anja Schäfer

 


Folge 5 – die Themen:

"Bist Du Künstler oder arbeitest Du im Service?" Die Antwort auf diese Frage entscheidet Fabian Hinrichs zufolge über das Schauspiel im 21. Jahrhundert. Schlecht sei dessen Situation: allerorten gehorsame Handwerker auf den Bühnen, lauter Regiekonzepte und inszenierte Proseminare – aber keine Menschen, kaum einer dieser Schauspiel-Künstler "mit einer ganzen Welt in einem Kopf und in einem Körper". Wie ist Hinrichs’ Generalabrechnung einzuschätzen? Und wo sekundiert oder widerspricht ihm der Schweizer Regisseur Milo Rau, der als Redner bei der Kerr-Preis-Verleihung ebenfalls über den "Schauspieler des 21. Jahrhunderts" sprach?

Nachdem im Februar dieses Jahres das Wiener Burgtheater-Ensemble in einem Offenen Brief den Machtmissbrauch durch den vorherigen Intendanten Matthias Hartmann angeprangert hatte, gehen zunehmend auch andere Theatermitarbeiter*innen an die Öffentlichkeit. Am Schauspiel Köln soll die Gattin des dortigen Intendanten eine "Schattenintendanz" errichtet haben. Seit Jahren herrsche am Haus eine toxische Atmosphäre der Angst, wie ehemalige und derzeitige Mitarbeiter*innen dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel erzählten.

Am Staatstheater Cottbus wandten sich das Orchester und die Gesangs-Solist*innen gegen Willkür und Ausfälligkeiten des Generalmusikdirektor Evan Christ. Daraufhin trat der Theater-Intendant Martin Schüler zurück, am Staatstheater und in der Trägerstiftung gab es Entlassungen auf Leitungsebene. Inwiefern diese Vorfälle von einer zunehmende Ermächtigung der Theaterensembles künden, darüber sprechen Susanne Burkhardt und Elena Philipp im Theaterpodcast mit der Cottbusser Rundfunk-Journalistin Sylvia Belka-Lorenz.



Ein Podcast in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur

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Kommentare  
Theaterpodcast: Einladung
Sehr geehrter Herr Fritsch, ich bin ein grosser Fan Ihrer Arbeit, die ich lebendig humorvoll und einzigartig im deutschsprachigem Theater finde!! Darf ich mir erlauben, Sie ganz herzlich an die Falckenberg Schule nach München einzuladen, um einen aktuellen Eindruck der Ausbildung zu erleben. Ihre Ausbildung liegt doch einige Jahrzehnte zurück, ich denke in den 60ern des letzten Jahrhunderts. Denn auch die Ausbildung heute hat sich sehr verändert. Bestimmt nicht nur bei uns, wo es um eine Mündigkeit der Spielerinnen geht, um Handwerk um ein gemeinsames Denken, was Theater heute sein kann und leisten sollte!! ich freue mich auf Ihren Besuch bei uns und hoffe auf ausgiebige Gespräche!!
Theaterpodcast: oberflächlich
Liebe Frau Phillip, die "martialischen Worte", die Sie in Ihrem Podcast Hinrichs zuschreiben, sind natürlich von Friedrich Hölderlin, aus seinem "Hyperion", einem der bedeutendsten literarischen Zeugnisse der letzten Jahrhunderte und von Hinrichs in der Rede auch als Quelle angegeben. Dieses Übersehen ist nur ein Beleg für die doch im Ganzen enttäuschend oberflächliche Reflektion über die verschiedenen inhaltlichen Felder, die in Hinrichs-Rede sehr differenziert, fundiert und eher sachlich als wütend auftauchen. Auch der Poetik-Begriff von Hinrichs ist ärgerlich verkürzt dargestellt- es geht ihm ganz offensichtlich und nachlesbar nicht um l'art pour l'art (denn das betreiben ja die, die "Schulaufsätze bebildern", wie er schlagend darlegt), sondern um das "Zweckmässige ohne Zweck", um das Nicht-Geordnete, das Gemeinschaft schaffen kann in einem "kultischen Raum" Theater. Seine Überlegungen zur Ästhetik zielen hierauf ab: "Eine große Verwirrung in den Geisteswissenschaften seit ihrer Entstehung im frühen 19. Jahrhundert liegt in der Annahme, dass weil unsere Instrumentarien die Begriffe, also cartesianische Instrumente sind, müssen auch die Objekte ausschließlich cartesianische sein. Alles, was Gegenstand der Geisteswissenschaften sein könnte, und eben also auch Gegenstand der Theaterkritik, wird durch die Konzentration auf Sinnzuschreibungen, auf Interpretierbares ausgeschlossen, alle ästhetische Erfahrungen, die nicht im Lesen bestehen. Der ästhetischen Erfahrung der Stimme, des Körpers, der eigenen Schönheit von Schauspielern kommen wir mit Sinnzuschreibungen nicht nahe." Ein solcher Ästhetik-Begriff unterscheidet sich fundamental von dem einer Susanne Kennedy (kopierter Ästhetizismus) uA und kennzeichnet eben den "künstlerischen" Schauspieler. Wenn jemand aber gerne in weisungsbefugten Zusammenhängen arbeitet, kann er trotzdem noch Schauspieler genannt werden, aber eben nicht künstlerischer Schauspieler. Da ist ja das Tolle (neben anderem Tollen) an der Rede von Hinrichs, dass er dies herausgearbeitet hat. Allerdings sind seine Gedanken zum Thema auch ziemlich komplex und eine kritische Würdigung setzt also Zeit und Verständnis voraus. Sie ist keineswegs ein "Wutausbruch", sie ist eine Rede, wie sie -so ja auch eine Teilnehmerin der Kommentare hier- "so noch nie in D. gehalten wurde".
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