Persönlichkeitsrechte vor Kunstfreiheit

Berlin, 20. Juli 2018. Der mittlerweile eineinhalb Jahre währende Rechtsstreit um die Inszenierung Fear geht in eine weitere Runde. In der Urteilsverkündung am vergangenen Mittwoch hat das Berliner Kammergericht in einer Berufungsverhandlung die Klage der Publizistin Gabriele Kuby gegenüber Regisseur Falk Richter und der Berliner Schaubühne in weiten Teilen abgewiesen, wie die Schaubühne in einer Pressemitteilung darlegte. Nur in einzelnen Punkten gab das Gericht Kuby – anders als in erster Instanz – recht.

Fear1 280 Arno Declair uSzene aus "Fear" an der Berliner Schaubühne © Arno DeclairRichters Stückentwicklung "Fear" lief von Oktober 2015 bis Mai 2017 an der Schaubühne, thematisierte u.a. das Erstarken des Rechtspopulismus um die "Demo für alle", Pegida und AfD und nannte dabei auch verschiedene Protagonistinnen der rechtspopulistischen Bewegung beim Namen: Hedwig von Beverfoerde, Eva Herrmann, Beatrix von Storch, Birgit Kelle und eben Gabriele Kuby. Im Stück hieß es unter anderem: "Ich bin Gabriele Kuby ... und hetze gegen Juden." Kuby, die 1997 zum Katholizismus konvertierte und sich in Büchern und Vorträgen gegen Homosexualität, Gender Mainstreaming und Abtreibungen ausspricht, sah hierin eine Schmähung, die ihre Persönlichkeitsrechte verletze und hatte deshalb vor dem Landgericht Berlin geklagt. In erster Instanz unterlag sie.

Schmerzensgeldansprüche und Schadensersatzansprüche der Klägerin wurden vom Gericht auch diesmal zurückgewiesen. Das Gericht hat weder die Verwendung eines Portraitfotos beanstandet noch eine Passage, in der Kuby und von Storch als krasse katholische Fundamentalistinnen bezeichnet werden. Untersagt worden ist laut Schaubühne lediglich die Verwendung eines kurzen Ausschnitts eines Samples mit Fetzen einer Originalrede der Klägerin innerhalb eines in der Inszenierung gezeigten Videos von Björn Melhus sowie Teile eines Satzes, "in denen eine Schauspielerin einen Albtraum schildert, in der diese träumt, in den Körper der Frau Kuby eingesperrt zu sein."

Entsprechend dieses Urteils hat Kuby den weitaus größeren Teil der Kosten des Rechtsstreits zu tragen: auf die Klägerin entfallen 69 Prozent, auf die Schaubühne und Falk Richter je 15,5 Prozent der Kosten. Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen, die Beklagten könnten dagegen jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Die Schaubühne und Falk Richter behalten sich vor, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen und wollen nach Vorliegen des vollständigen Urteils prüfen, "ob das Gericht in seiner Entscheidung die Gesichtspunkte der Ausübung der Kunstfreiheit hinreichend berücksichtigt hat und ob möglicherweise die sich aus der Kunstform 'Theateraufführung' ergebenden besonderen Beurteilungsgesichtspunkte verkannt wurden".

(Tagesspiegel / Schaubühne / ape)

 

Diese Meldung wurde um 19:17 stark überarbeitet und um die Informationen aus der Pressemitteilung der Schaubühne ergänzt. In ihrer ursprünglichen Form stützte sie sich auf die verfälschende Darstellung des Tagesspiegels, die sich offenbar einseitig auf die auf dem Presseportal news aktuell zugängliche Pressemitteilung der Vertreterin von Gabriele Kuby stützte und mit "Schaubühne verliert Rechtsstreit mit Gabriele Kuby" überschrieben ist. Wir bitten um Entschuldigung, uns in der ersten Fassung dieser Meldung allein auf diese uns sonst als seriös bekannte Quelle verlassen und nicht gründlicher nachrecherchiert zu haben.

 

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