Presseschau vom 5. August 2018 – Warum zwei Inszenierungen von Regisseur Robert Lepage in Kanada abgesagt wurden
"Eine katastrophale Doktrin"
"Eine katastrophale Doktrin"
5. August 2018. Zwei Inszenierungen des kanadischen Regisseurs Robert Lepage wurden kurzfristig abgesetzt. Es handelt sich um die Arbeiten "Kanata" und "SLAV". In ersterer geht es um den Umgang Kanadas mit seinen Ureinwohnern. "SLAV" beschreibt die FAZ (3.8.2018) als musikalische Erinnerung an die Zeit afroamerikanischer Sklavenarbeit. Die Inszenierung stand schon vor einem Monat in der Kritik. Wir berichteten.
"Nun haben ausgerechnet Proteste der betreffenden Communitys die Aufführung beider Stücke verhindert. Der Grund: In den Produktionen spielen keine oder – in den Augen der Kritiker – zu wenig Schauspieler mit, die den jeweiligen Minderheiten angehören", so die FAZ. Kritiker disqualifzieren die Arbeiten als Beispiel kultureller Aneignung des Kulturguts von Minderheiten durch Weiße.
Kollision zweier Modelle
Eberhard Spreng kommentiert den Fall im Deutschlandfunk (4.8.2018). Er sieht in dem Fall die Kollision zweier unvereinbarer Gesellschaftsmodelle: "Der US-amerikanische Kommunitarismus und der europäische Universalismus, dem sich auch das französische Quebec verbunden fühlt. Der Eine wacht über die Gleichberechtigung kultureller und ethnischer Gemeinschaften, der Andere über die unverbrüchlichen Rechte des Individuums jenseits aller Fragen der Zugehörigkeit zu irgendwelchen Minderheiten."
Das Tragische an den Absetzungen der Inszenierungen sei, "dass hier Fronten zwischen zwei Parteien entstanden sind, die trotz unterschiedlicher Hautfarbe ganz ähnliche politischen Ziele teilen und ganz ähnliche Sensibilitäten für historische Verantwortungen. Was sie aber radikal unterscheidet, ist ihre Haltung zur 'kulturellen Aneignung'." Diese seine eine "wissenschaftlich umstrittene, künstlerisch aber katastrophale Doktrin". Geschichten, Legenden und Mythen seien ein von der Menschheit geteiltes Material, das jedem Künstler offen stehen müsse. "Lepage sagt völlig richtig, er beharre auf dem Recht, auf dem Theater über alle und alles zu sprechen."
(Deutschlandfunk / FAZ / miwo)
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