Presseschau vom 3. September 2018 – Der Tagesspiegel zweifelt am DAU-Großprojekt der Berliner Festspiele
"Russischer Finanz- und Kunstkomplex"
"Russischer Finanz- und Kunstkomplex"
3. September 2018. Unter Thomas Oberenders Leitung haben sich die Berliner Festspiele "der Immersion verschrieben", schreibt Rüdiger Schaper im Tagesspiegel. Allerdings sei durch die bisherigen Aktivitäten der Festspiele nicht klar geworden, "was 'Immersion' eigentlich bedeutet. Oder so viel: Das Immersive lebt von Vernebelung." Und habe etwas Autoritäres. "Immersion als inszenierte Vereinnahmung – mit oder ohne 3D-Brille, aber mit Ansage", so Schaper. "Nicht wenige Konsumenten finden das schick, verwechseln Gängelung mit Teilhabe. Das immersive, partizipative Spiel ist abgekartet und oft banal."
Am neuen geplanten Immersions-Großprojekt der Berliner Festspiele "DAU" hat Schaper aber noch weitere Kritik: Bei der Pressekonferenz des Projekts, das mit Geld aus Russland realisiert werden soll, sei weder ein Wort der Unterstützung für den Regisseur Kirill Serebrennikow gefallen noch der Fall Oleh Senzow angesprochen worden, beides Künstler, die in Russland derzeit nicht arbeiten können und unter (Haus-)Arrest stehen.
"Man muss sehen, was da geschieht", schreibt Schaper nun: "Die Berliner Festspiele und viele andere Persönlichkeiten des Kulturlebens begeben sich hinein in einen russischen Finanz- und Kunstkomplex und schweigen zum Elend ihrer Kollegen im Putin-Reich." Auch darum, dass Charkiw, wo die Filmarbeiten zu dem Projekt stattgefunden haben, am Rande des Kriegsgebiets in der Ostukraine liege, sei es bei der Pressekonferenz überhaupt nicht gegangen.
Die "DAU"-Unterstützer verbeugten sich, vermutet Schaper, "vor der Allmachtsfantasie eines Künstlers, der eine Sehnsucht nach totalitären Strukturen erfüllt". Hinter dem Projekt stehe das Geld eines Unternehmers, der mit Mobilfunklizenzen in Russland reüssiert hat. "Das geht dort nicht ohne Kontakte der Geheimdienste", so Schaper. "All das ist nicht unbedingt illegal, schon gar nicht in Russland, aber das muss nicht der ideale Partner für eine vom Bund finanzierte Einrichtung wie die Berliner Festspiele sein."
(sd)
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(Teile des Kommentars wurden nachträglich gekürzt, da sie nicht den Kommentarregeln von nachtkritik.de entsprechen. Kommentarkodex unter https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102. D. Red., mit Dank an "Fragender")
1. Lebensgefährliche Grenzüberschreitungen gibts nicht, denn Grenzmauern sind nur ein PR-Spiel von und für Kino das über Unfreiheit geht.
2. Ohne Geld kommt man weder rein noch raus aus dem geförderten Kultur-Kessel.
3. Wenn d a s DAU hier ein nur ein Spiel ist, ist das anderswo und war das in echt damals auch nur ein Spiel.
4. Das Einreißen von Grenzmauern ist KEINE politische Leistung, weil ihr Errichten oder ihr auf Leben und Tod verteidigtes Bestehen ja nur ein Spiel ist.
5. Wenn man etwas derart Komplexes als Spiel zun Nacherleben für uns aufbauen kann, kann man das mit anderen, von den Älteren offenbar vollkommen übertrieben dargestellten politischen Gegebenheiten, ebenfalls machen. Zum Beispiel: mit Krieg. Haben wir ja auch leider nicht selbst erlebt.
...Das ist ja alles so wahnsinnig intelligent konzipiert, dass die Youngsters am liebsten ihre Eltern werden umbringen wollen, wenn die ihnen die Kohle für den Eintritt in die eigenfinanzierte Ummauerung ihrer Hirne verweigern sollten...
MfG - Stadtindianer
Dass und die nach wie vor nicht wirklich klare Offenlegung der Finanzierung durch eine Stiftung des russischen Geschäftsmann Sergeij Adoniev, von dem Herr Oberender auch weiterhin vollkommen überzeugt ist, dass er kein Oligarch ist, lassen einen nahezu erschrecken, über die Blauäugigkeit und Sensationsgier der Berliner Festspiele. Wenn man sich nur ausreichend informieren würde, dürfte einem schon allein davon schlecht werden, wie dieser Mann sein Vermögen gemacht hat. Nicht dass das auch andere im Westen tun, ist das Problem (das wäre auch ein ganz anderes, über das allerdings auch hier keiner ernsthaft nachdenken würde), sondern überhaupt das zunehmende Fremd-Sponsoring in der Kunst, auch wenn man sich hier unabhängig wähnt und stolz ist, keine Steuergelder ausgeben zu müssen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass man zuschnappt, wenn einem so ein Projekt unter die Nase gehalten wird, für das man keine komplizierten Anträge auf Fördergelder stellen muss, wer auch immer da als Vermittler fungiert hat. Auch das ist bisher nicht bekannt, außer dass sich bestimmte Kunstmanager, Filmregisseure und Parteileute kaum noch einkriegen vor Begeisterung. Nun bekommt Berlin nach einem Fake-Schloß auch noch eine temporäre Fake-Mauer. Aber weder die noch eine Einheits-Wippe vor der Nachbildung des Hohenzollernpalastes werden die Leute zum Nachdenken über Demokratie bringen, oder die Gründe und Auswirkungen der deutschen Teilung begreifen lassen. Wenn nur Herr Oberender das in seiner Kunstbeflissenheit begreifen würde. Die Politik ist froh, das nicht leisten zu müssen und das Problem gut in den Händen von Kunstschaffenden zu wissen.