Dau-Projekt in Berlin wird nicht genehmigt
Probleme mit Technik und Sicherheit
Berlin, 21. September 2018. Das immersive Kunstprojekt "Dau", das der Filmemacher Ilya Khrzhanovsky mit den Berliner Festspielen im Oktober in Berlin realisieren wollte, wird nicht genehmigt. Das melden unter anderem der Tagesspiegel und der RBB. Auf einer Pressekonferenz der zuständigen Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) und Stadträtin Sabine Weißler wurde als Begründung das Sicherheitskonzept genannt. Zudem hätten Unterlagen gefehlt, so etwa die Zustimmung der Anwohner. Eine Sprecherin der Berliner Festspiele reagierte verwundert. Den Veranstaltern sei die NIchtgenehmigung "völlig anders" begründet worden.
Hinter "Dau" verbirgt sich ein Groß-Filmprojekt, bei dem Ilya Khrzhanovsky über mehrere Jahre auf einem abgeschlossenen Set in der Ukraine drehte. Das fertige Filmmaterial sollte nun in Berlin uraufgeführt werden. Dazu sollte wiederum eine abgeschlossene stalinistische Retro-Welt aufgeboten werden für Performances und Filmvorführungen. Zum Zwecke der Absperrung dieses Kunstraums an der Straße Unter den Linden war ein Nachbau der Berliner Mauer vorgesehen. Sowohl die Finanzierung des Projekts als auch der Bezug auf die Berliner Mauer hatten Proteste in Teilen der Berliner Kulturszene hervorgerufen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte sich ebenso für das "Dau"-Projekt ausgesprochen wie Berlins Oberbürgermeister Michael Müller und Kultursenator Klaus Lederer.
Grütters zeigt sich in einer Pressemitteilung enttäuscht über die Nichtgenehmigung. "Für Sicherheitsbedenken muss man Verständnis haben, für eine lebendige Auseinandersetzung über Kunstwerke ebenfalls. Die Debatte im Vorfeld dieses Kunst-Experiments trug allerdings bedenklich hitzige und von Vorurteilen geprägte Züge. Ich hätte mir mehr Offenheit gewünscht, gerade auch gegenüber den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt."
Update, 21, September 2018, 14:50 Uhr: In einer am Nachmittag versandten Pressemitteilung widersprechen die Berliner Festspiele der öffentlichen Darstellung, das Projekt habe eine behördliche Absage erhalten. Stattdessen sei die Erlaubnis für die Veranstaltung wegen fehlender Antragsunterlagen nicht erteilt worden. Die Mitteilung über diesen Beschluss stelle keine formelle Ablehnung des Antrags dar. Man gehe davon aus, dass "die Unvollständigkeiten innerhalb der früher vom Bezirksamt Mitte öffentlich genannten Frist bis zum 28.09.2018 beseitigt werden können".
(tagesspiegel.de / RBB / chr / miwo)
Sehr großes Bedauern bei Iljoma Mangold in der Zeit (21.9.2018), der die Filme des Ilya Khrzhanovsky in der Preview für Handverlesene schier atemberaubend fand.
Auf Deutschlandfunk Kultur (21.9.2018) hingegen zeigt Lea Rosh sich erleichtert über die Entwicklungen: "Wir haben gesagt, das ist kein Eventspielzeug, eine solche Mauer. Und wissen Sie, das Ulkige ist daran, in Paris und in London soll das ohne Mauer stattfinden. Warum müssen wir dann in Berlin, die wir eine Mauer hatten, eine Mauer kriegen?"
Auf Spiegel online (21.9.2018) findet Hannah Pilarczyk, die Entscheidung tauge nicht als Menetekel hauptstädtischer Weltoffenheit: "Dafür wabert das Projekt schon zu lang als amorphe Eventmasse durch Berlin".
"Die geplante und nun abgesagte Wiedererrichtung der Berliner Mauer ist nur ein Akzent innerhalb eines größeren Tumults", ordnet der Berliner Festspielchef Thomas Oberender den Vorgang in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (22.9.2018) ein. "Sie legt den Finger nicht nur in eine Wunde der Geschichte auf den sie teilenden Wiedervereinigungsprozess der Deutschen mit den Deutschen." "Wo waren diese Wächter der wahren Erinnerung, als der Palast der Republik abgerissen wurde?" fragt er ausserdem. "Warum verhöhnten die Mitarbeiter der Stasi-Gedenkstätte in Berlin Hohenschönhausen nicht die Opfer des Stalinismus, als sie im Zuge ihrer Stalin-Ausstellung im Juni dieses Jahres die Replika eines historischen Stalin-Denkmals für einen Fototermin in der ehemaligen Stalinallee wieder aufstellen ließen?"
(jnm / sle)
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https://www.tagesspiegel.de/kultur/in-berlin-gescheitertes-kunstprojekt-dau-kommt-nach-paris/23818072.html