Die Norm blickt auf das Andere
17. Oktober 2018. In der FAZ informiert Elena Witzeck über die Debatte über Diversität auf deutschen Bühnen. Seit etwa zwei Jahrzehnten werde die von den Postcolonial Studies ausgehende Theorie einer illegitimen Aneignung der Kultur von Minderheiten an Universitäten behandelt.
In Nordamerika habe sie inzwischen nicht nur Kunst und Kultur, sondern auch den Alltag der Menschen erreicht. Im Theater, wo Menschen dazu ermutigt werden sollen, sich in andere Kulturen und andere Identitäten hineinzuversetzen, ist das Thema aus Sicht von Elena Witzeck besonders brisant. Doch wenn jetzt vermehrt von Gefahren für die Kunstfreiheit die Rede ist, frage beispielsweise die Regisseurin Helena Anta Recke: "Wessen Kunstfreiheit eigentlich?"
Wenn Recke, die selbst dunkelhäutig sei, ins Theater gehe, könne sie sich – wie Witzeck schreibt – mit dem Dargestellten selten identifizieren. Das liege an der Perspektive von Regisseurinnen und Regisseuren, "die als Angehörige einer Mehrheit eine Minderheit betrachten und diese dann für ihresgleichen inszenieren. 'Die Norm blickt auf das Andere', nennt Recke das."Theater diverser zu denken und neue Perspektiven zuzulassen bedeute für sie nicht, etwas zu verbieten. Über die Angst vor Zensur und den spezifisch deutschen Umgang mit Fremdheit wundert sich die Regisseurin. Dass jemand, der nicht weiß ist, nicht aus diesem Land stammen könne, müsse eine historisch bedingte Wahrnehmung sein: "Man bedenke, wie lange es gedauert hat, bis ein Politiker in Deutschland das Wort 'Einwanderungsland' in den Mund nahm."
(sle)
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