Theater Dessau unterstützt Auftritt der Band "Feine Sahne Fischfilet"
Ethischer Kompass
23. Oktober 2018. Das Anhaltische Theater und die Stadt Dessau-Roßlau unterstützen den Auftritt der Punk-Band "Feine Sahne Fischfilet" in der sachsen-anhaltischen Stadt. Das teilt das Theater am Montag, dem 22. Oktober per Presseaussendung mit. Vor dem Wochenende hatte das Theater Dessau die Unterstützung eines Auftritts noch abgelehnt.
Ursprünglich sollte das Konzert der linken Punk-Band als Veranstaltung des TV-Senders ZDF am 6. November 2018 im Bauhaus Dessau stattfinden. Die Stiftung Bauhaus vermietet seit sieben Jahren die Aula des berühmten Gebäudes an das ZDF für die Aufzeichnung von öffentlichen Klubkonzerten mit angesagten Musiker*innen. In der Vergangenheit sind im Rahmen dieser Konzertreihe u.a. der Rapper Sido und Jennifer Rostock aufgetreten, wie die Mitteldeutsche Zeitung Halle berichtet. Die Programmhoheit für die Reihe liegt normalerweise beim ZDF.
Diesmal jedoch hatte die Stiftung Bauhaus von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und am vergangenen Donnerstag das "Feine Sahne Fischfilet"-Konzert abgesagt. "Politisch extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere finden am Bauhaus Dessau keine Plattform, da diese die demokratische Gesellschaft – auf der auch das historische Bauhaus beruht – spalten und damit gefährden", hieß es dazu in einer Erklärung der Stiftung. Gegenüber dem Sender MDR betonte die Bauhaus-Stiftung wenig später, sie habe vor allem Gegengewalt von rechten Extremisten befürchtet. Das Bauhaus beobachte schon länger, dass es mehr und mehr zur Projektionsfläche rechtspopulistischer Aktionen werde.
In einer Pressemitteilung von Montagabend bekräftigte man nochmal, dann man "den Neonnazis keine Plattform bieten wollte" und kündigte an, die Kritik, vor den Rechten eingeknickt zu sein, zum Anlass für eine öffentliche Debatte zu nehmen, wie man sich für eine offene Gesellschaft und gegen Ausgrenzung engagiert.
Aufforderung zu klarer Haltung
Für ihre Absage des Konzerts war die Stiftung scharf kritisiert worden. So forderte der diesjährige Vorsitzende des Bauhaus Verbundes, der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), die Institution nach ihren eigenen Erfahrungen in der Nazi-Zeit und der DDR zu einer klaren Haltung gegen alle Einschüchterungsversuche auf. Rainer Robra, Kulturminister von Sachsen-Anhalt und zudem Vorsitzender des Stiftungsrates der Bauhaus Stiftung Dessau, hingegen verteidigte die Entscheidung der Stiftung Bauhaus in einem Gespräch mit MDR Kultur.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters positionierte sich gegen die Absage, in ihrer Erklärung klang aber auch Kritik an der Band "Feine Sahne Fischfilet" an: Kunstfreiheit genieße in Deutschland durch Artikel 5 im Grundgesetz hohen Verfassungsrang. "Deshalb darf niemals der Eindruck entstehen, dass der Druck der rechtsextremistische Szene ausreicht, ein Konzert zu verhindern." Der Fall von Kollegah habe aber auch gezeigt, "was für dramatische Konsequenzen es hat, wenn Hass und Gewalt verharmlost werden oder dazu aufgerufen wird." Die Rapper "Kollegah" und "Bang" war für Lieder mit antisemitisch, frauenverachtend und homophob eingestuften Inhalten in diesem Jahr mit dem Musikpreis Echo ausgezeichnet worden. Auch der Band "Feine Sahne Fischfilet" wurde gelegentlich vorgeworfen, in ihren Liedtexten Gewalt zu verherrlichen, u.a. in ihrem Song "Staatsgewalt", der über Gewalt gegen Polizisten fantasiert. "Die Verantwortung der Künstler für ein von rechtsstaatlichen Werten geprägtes Miteinander" sei für die Verteidigung der Kunstfreiheit unverzichtbar, so die Staatsministerin in ihrer Erklärung weiter. "Verwerfungen wie die aktuellen zeigen, wie dringend nötig auch in der Pop-Musikwelt ein ethischer Kompass ist."
Der Auftritt wird stattfinden
Nachdem das ZDF und Feine Sahne Fischfilet im Anschluss an die Absage des Konzerts erklärt hatten, man wolle nach einem alternativen Standort in Dessau suchen, hatte das Anhaltische Theater Dessau den Informationen des Magazins "Der Spiegel" zufolge in der vergangenen Woche zunächst mitgeteilt, es stehe als alternativer Veranstaltungsort nicht zur Verfügung. Diese erste abschlägige Antwort auf eine kurzfristige Medienanfrage sei schlecht überlegt und falsch gewesen, so das Anhaltische Theater nun. "Nach der heftigen öffentlichen Diskussion um den abgesagten Auftritt der Band Feine Sahne Fischfilet hat die Theaterleitung verstanden, dass der Diskurs über Kunst nur geführt werden kann, wenn die Kunst sich unbedingt in aller Freiheit präsentieren kann." Daher habe man inzwischen Kontakt mit der Band aufgenommen, "um Entschuldigung gebeten und den Akteuren in Dessau, die sich um einen alternativen Spielort bemühen, Hilfe und Beteiligung, sei es im Theater oder anderswo, angeboten." Auch die Stadt Dessau-Roßlau begrüße den Auftritt in ihren Mauern. Der Auftritt werde am 6. November in Dessau stattfinden. "Näheres werden die Veranstalter in Kürze mitteilen. Auch beim Publikum bitten wir um Entschuldigung für die viel zu lange Leitung."
(MDR / Anhaltisches Theater Dessau / Der Spiegel / sle)
Im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit (online 24.10.2018) blickt Bauhaus-Direktorin Claudia Perren mit Bedauern auf die fehlerhafte Kommunkation ihres Hauses rund um die Konzert-Absage: Man habe aus Denkmalschutz-Gründen das Konzert abgesagt, nicht aus aus politischen oder künstlerischen Erwägungen und auch nicht auf Druck der AfD hin.
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Es wäre zu wünschen, daß das Bauhaus den Weg aus der Defensive findet. Dazu gehört allerdings auch das eigene Schweigen zu brechen, eventuell um Hilfe zu fragen, oder sich um schützende Strukturen zu bemühen. Es darf nicht sein, daß die Bedrängnisse von rechts bereits so stark gefordert sind, daß sie nurmehr mit Rückzug beantwortet werden können. Ich bin mir sicher, daß andere Kulturhäuser, Vereine und nicht zuletzt der engagierte Teil der Zivilgesellschaft Halt bieten können, auch wenn das ZDF wieder weg ist.