Erfolgreiche Wiederentdecker

26. Oktober 2018. Der Preis der Deutschen Theaterverlage "für die Gestaltung innovativer Spielpläne und die besondere Förderung des zeitgenössischen Schaffens" geht in diesem Jahr an Theater&Philharmonie Thüringen. Das teilt das Theater per Presseaussendung mit.

Jährlich wechselnd verleiht die Stiftung des Verbandes Deutscher Bühnen- und Medienverlage einem Schauspiel- oder Opernhaus aus dem deutschsprachigen Raum den Preis. Nachdem der Preis 2017 ans Deutsche Theater Göttingen ging, ist dieses Jahr wieder das Musiktheater dran. In der Jurybegründung wird die "über Jahre hinweg konsequent umgesetzte Spielplanpolitik" von Kay Kuntze gelobt, der die Häuser in Gera und Altenburg seit 2010/11 leitet. Kuntzes Spielplanpolitik arbeite "der zunehmenden Verengung des Repertoires auf vermeintlich publikumswirksame Titel systematisch entgegen" und habe dem Theater große Anerkennung gebracht. "Nicht nur von Seiten der Medien und der Politik, sondern vor allem auch von Seiten des Publikums, das den Kurs von Theater&Philharmonie Thüringen mit stetig wachsenden Auslastungszahlen bestätigt."

Oedipe Gera 560 Ronny RistokSzenenbild aus "Oedipe" mit Sebastian Soules (Oedipe), Kai Wefer (Theresias) © Ronny Ristok

Ein wichtiger Schwerpunkt liege auf der Beschäftigung mit Komponisten des 20. Jahrhunderts, denen die Wirkung aufgrund politischer und ästhetisch-ideologischer Gründe versagt blieb. "Bei den erfolgreichen Wiederentdeckungen, Erst- und sogar Uraufführungen von Werken Weinbergers, Haas', Braunfels', Sommers, Tals, Gnesins u.a. sorgte die Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur für überregionale Verbreitung und Nachhaltigkeit. Mit Weinbergs 'Die Passagierin', Udo Zimmermanns 'Weiße Rose', Sieberts 'Untergang der Titanic' und der Wiederaufnahme von Enescus 'Oedipe' bekennt sich das Theater Altenburg-Gera in der aktuellen Saison zur historischen Verantwortung deutscher Kulturschaffender im gegenwärtigen europäischen Kontext."

Der Jury gehörten die Autoren Rebekka Kricheldorf und Lutz Hübner, der Komponist Prof. Manfred Trojahn sowie die Bühnenverleger Thomas Maagh (Verlag der Autoren) und Frank Harders-Wuthenow (Boosey & Hawkes) an. Die Preisverleihung wird am 10. Februar 2019 in Gera im Rahmen der Wiederaufnahme der Oper "Oedipe" von George Enescu stattfinden.

Über eine weitere Neuigkeit aus dem Theater berichtet die Thüringische Landeszeitung: Die Trägergesellschaft soll umbenannt werden. Statt "TPT Theater & Philharmonie Thüringen" soll sie künftig "Theater Altenburg Gera gGmbH" heißen und damit wieder die Namen der Städte beinhalten.

(Theater und Philharmonie Thüringen/Stiftung des Verbandes Deutscher Bühnen- und Medienverlage/sd)

 

 

 

 

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Kommentare  
Preis der Theaterverlage 2018: hochverdient
Das ist hochverdient! Seit einigen Jahren Reise ich regelmässig aus Berlin an, wegen der ungewöhnlichen Programme und der oft hohen Qualität der Aufführungen. Stücke wie Hans Sommers RÜBEZAHL oder Per Nørgards NUIT DES HOMMES waren für mich sehr spannende Entdeckungen, die es meines Wissens nirgends sonst zu sehen gibt. Die sehr beeindruckende OEDIPE Aufführung habe ich auch gesehen, darum der Hinweis auf die fehlerhafte Bildunterschrift: Auf dem Bild ist Sebastian Soules (Oedipe) zu sehen und nicht Johannes Beck.

(Vielen Dank für den Hinweis auf die Bildunterschrift, wir haben den Fehler korrigiert. d. Red.)
Preis für Gera/Altenburg: Stolz
Vor einem Jahr hat ein politisch rechtsorientiertes „Bürgerforum Altenburger Land“ zum Boykott unseres Theaters aufgerufen. Glücklicherweise ohne spürbare Konsequenzen. Dass im Gegenteil nun unser Theater, nach dem Theaterpreis des Bundes 2017, mit diesem Preis ausgezeichnet wird, erfüllt uns mit Stolz und Genugtuung. Unser Theater ist ein weltoffener Ort des gesellschaftlichen Diskurses - Und das ist auch gut so!
Preis für Gera/Altenburg: weiter so
Zum Glück sind seit einigen Jahren die Diskussionen um Spartenschliessungen vorbei. Dieser Preis zeigt einmal mehr, was für ein leistungsstarkes Theater in Gera-Altenburg steht. Ich hoffe, dass die politisch Verantwortlichen das genauso wahrnehmen und alles dafür tun, dass wir hier weiterhin so ein interessantes und vielseitiges Theater erleben können.
Preis für Gera/Altenburg: Zur rechten Zeit
Gera schickt sich an, „Kulturhauptstadt Europas“ zu werden. Das klingt zwar wahnwitzig, angesichts der großartigen, durch diesen und andere Preise gewürdigte Arbeit am Theater aber nicht abwegig. Insofern kommt der Preis zur rechten Zeit.
Preis für Gera/Altenburg: Provinz?
Ein weiterer Beleg dafür, dass in der sogenannten „Provinz“ das interessantere Theater gemacht wird.
Preis für Gera/Altenburg: Quote Ost?
Nach der Oper Chemnitz geht dieser Preis erst das zweite Mal in seiner Geschichte an ein Theater in den neuen Bundesländern. Auch bei anderen Preisen, wie zB dem FAUST sind die „Ost-Theater“ nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Was sind die Ursachen dafür? Die Qualität? Die Lobby? Das Marketing? Geringere finanzielle Mittel? Netzwerke? Zuschauerverhalten?
Preis für Gera/Altenburg: Presserückbau
@Othello: Einer der wichtigsten Gründe dafür dürfte der Presserückbau in den neuen Bundesländern sein. Hier sind viele Redaktionen aufgelöst oder zusammengelegt worden, so dass kaum noch über Premieren berichtet wird. Die überregionalen Magazine schicken auch kaum Journalisten in die östlichen Provinzen und wenn, dann auf Kosten der Theater, die sich das oft nicht leisten können. Dass ein Theater wie Gera/Altenburg den OEDIPE macht finde ich großartig, habe ich aber auch erst durch diesen Tweet erfahren.
Preis der Theaterverlage 2018: Eventbuden?
Den „ost-theatern“ wird ja oft vorgeworfen, dass Sie nach der Wende zu reinen Event- und unterhaltungsparks verkommen sind. Dass der Preis so selten an Theater in den neuen Bundesländern geht, könnte das bestätigen.
Preis der Theaterverlage 2018: Osttheater müssten mehr Geld bekommen
@ Immigrant: Und warum sind sie zu reinen Eventbuden und Unterhaltungsparks geworden? Der Preis könnte das Gegenteil bestätigen und tut es hier auch. Es geht wohl eher darum, dass alle Theater im Osten mehr Geld bekommen müssten. Apropos, wie viele Theater aus dem Osten haben sich der Erklärung der "Vielen" angeschlossen? Könnte das einer mal kurz statistisch auflisten?
Peis der Theaterverlage 2018: durch Theater Gera gefordert
@#8 eine "Eventbude" ist das Theater Gera höchstens im positives Sinne, weil man dort auch als jahrelanger Abonnent immer wieder überrascht wird. Und das nicht nur mit primär unterhaltenden Stücken. Wir waren kürzlich zum Beispiel sehr begeistert von Tschaikowskys MAZEPPA, ein zwar ganz düsteres Stück, aber hochaktuell und packend dargeboten. Wir freuen uns, dass die Theaterleitung uns immer wieder mit solchen Stücken fordert und sind schon sehr gespannt auf die PASSAGIERIN. Toll das dieser Preis nach Gera ging. Wir finden das sehr verdient, unabhängig von der Ost-West-Thematik.
Preis der Theaterverlage 2018: Haustarif
Dass der Theaterpreis nach Gera/Altenburg geht, ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass dieses Theater seit Jahrzehnten einen Haustarif hat. Die Mitarbeiter verzichten auf einen Teil ihres Gehalts, um den Spielbetrieb des unterfinanzierten 5-Sparten-Hauses zu erhalten und weiteren Stellenabbau zu vermeiden.
Preis der Theaterverlage 2018: Und Nachtkritik?
@Desdemona: Das gilt auch für dieses Forum. Kann mich gar nicht erinnern, dass Nachtkritik jemals über Altenburg/Gera berichtet hat.

(Lieber Jago,
das ist nur bedingt richtig, bitte hier:
https://nachtkritik.de/index.php?option=com_alphacontent&view=detail&catid=224&Itemid=106
und hier:
https://nachtkritik.de/index.php?option=com_alphacontent&view=detail&catid=225&Itemid=106
Gruß
jnm)
Preis der Theaterverlage 2018: Pardon!
@ Nachtkritik: ich ziehe meine Anmerkung zurück.
Preis der Theaterverlage 2018: Ermutigung
Diesen Preis kann man auch als Ermutigungspreis sehen.
Das Theater Altenburg/Gera macht sich seit Jahren stark für eine lebendige Erinnerungskultur.
Letztes Jahr wurde z. B. zusammen mit palestinensischen und israelischen Jugendlichen ein Stück entwickelt über die Vertreibung einer jüdischen Altenburger Kaufmannsfamilie, immer wieder werden z.T. völlig unbekannte Opern von NS-verfolgten Komponisten aufgeführt, beeindruckend war auch die Puppentheater-Produktion „Die große Reise“ über Jorge Sempruns Deportation ins Konzentrationslager.
In der Reihe „Wider das Vergessen“ hatten gerade „Cabaret“ und die „weiße Rose“ Premiere. Demnächst folgen „Kaiser von Atlantis“ und „Die Passagierin“ - alles Stücke, in denen Ursachen und Folgen des Nationalsozialsismus eine zentrale Rolle spielen.

Mit dieser Spielplanpolitik hat sich das Theater nicht nur Freunde gemacht. Das Thügida-nahe Altenburger Bürgerforum hetzt massiv gegen das Theater und hat sogar in sehr aggressiver Form zum Theaterboykott aufgerufen. Eine große Debatte entzündete sich im vergangenen Jahr zum Beispiel an der Frage, ob man dem Hauptmann von Köpenick mit einem Farbigen besetzen darf (der prompt für seine schauspielerische Leistung für den FAUST-Preis nominiert wurde).

Es ist gut, dass sich das Theater davon nicht schrecken lässt und dieser Preis vielleicht ermutigt, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
Preis für Gera/Altenburg: Politische Einflussnahme
Im nächsten Jahr stehen Landtags- und Kommunalwahlen in Thüringen an. Wenn der Trend sich fortsetzt, wird die AfD stärkste oder zweitstärkste Partei und möglicherweise in Regierungsverantwortung kommen.
Theater wie in Altenburg-Gera, die schon vom AfF-nahen Altenburger Bürgerforum mit einem Bann belegt wurden, könnten dann gerade wegen ihrer durch diesen Preis gewürdigten, kosmopolitischen Ausrichtung zunehmend auf dem Prüfstand stehen.
Preis für Gera/Altenburg: Frage an #15
@15 ...ich verstehe nicht ganz, was Sie mit Ihrem Statement aussagen wollen...? das Theater Altenburg-Gera steht eben scheinbar für die Werte ein, die es für richtig hält; unabhängig von politischen Strömungen. Damit ist es das, was ein unabhängiges Theater sein soll und hat den Preis zu Recht erhalten...

Wünschen Sie es sich anders?
Preis der Theaterverlage 2018: Sorge
@16. Da habe ich mich ungeschickt ausgedrückt. Ich wollte lediglich meiner Sorge darüber Ausdruck verleihen, dass heute Preise für eine Programmatik verliehen werden, die vielleicht morgen politisch unterbunden wird: Es war in Altenburg der Spitzenkandidat der AfD, der zum Boykott des Theaters aufgerufen hat!

Natürlich ist es gut und hochverdient, dass der Preis nach Gera-Altenburg geht.
Preis für Gera/Altenburg: 10. Februar
Die Preisverleihung findet übrigens an 10. Februar im Rahmen der Wiederaufnahme von "Œdipe" im Theater Gera statt. Ich bin dabei.
Preis der Theaterverlage: Nach Gera
@13: Danke für den Hinweis, ist vielleicht mal endlich eine Reise nach Thüringen wert. Also: auf nach Gera!
Preis der Theaterverlage: nette Verstecke
an "Gregor": Thüringen ist m.E. immer eine Reise wert und das schon seit Jahrhunderten!: Schöner Mischwald, interessante Kunscht- und Künstler-Cluster, schöne Frauen und Männer, Wanderwege, die bis heute nicht laufend durch Eigentümer-Zäune unterbrochen werden, echte Thüringer Klöße, streitbare Philosophen, Bürger - selbst nicht-lesende!, die sich nächtens die Hacken wund laufen, um gefährdete Buchgeschichte aus einer brennenden Barock-Bibliothek zu retten, gute Antiquariate, profunde Musikgeschichte, interessante Architekturgeschichte, romantische Aussichten und nette Verstecke für Liebende, die nicht gesehen werden wollen- (was ja heutzutage schon superromantisch ist, wo Gesehenwerden im Zustand des Fühlens so etwas wie Daseinsberechtigung überhaupt zu sein scheint...)
Preis für Gera/Altenburg: Interview
Interessantes Interview mit dem Indentanden anlässlich der Preisverleihung

https://m.otz.de/web/mobil/kultur/detail/-/specific/Preis-der-deutschen-Theaterverlage-in-Gera-an-Theater-Philharmonie-Thueringen-1222423151?zgtforceua=mobile&service=amp
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