Neues von Gott

von Shirin Sojitrawalla

München, 28. Oktober 2018. Um herauszufinden, wo man steht, ist es nie verkehrt, sich zu fragen, woher man gekommen ist. Und sei es auch nur, um den Moment zu bestimmen, an dem alles aus dem Ruder gelaufen ist, wie es Wiebke Puls zu Beginn des Abends einmal ausdrückt. Zu diesem starting point führt der neue Abend von Yael Ronen. An den Anfang, zum Schöpfungsmythos in Form der Genesis, des 1. Buches Mose also, aber auch zu den Anfängen der Akteure auf der Bühne. Doch zuallererst zum frühzeitig zu Ende gegangenen Neuanfang an den Münchner Kammerspielen.

Dazu tritt das sechsköpfige Ensemble von der linken Seitenloge auf und schubst Damian Rebgetz in die Mitte, wo er einen Verlust verkündet. Er wird München verlassen. Das ist der Startpunkt für eine sensationelle Rede über das Experiment an den Kammerspielen unter Lilienthal als Paradiesgarten und das Theater als Religionsersatz. In seiner bekannt lässig hysterischen Art karikiert Rebgetz sich dabei selbst, beschimpft das Publikum, zwirbelt sich in ein lachend jammerndes Lamento und beweist spielend, dass Pointen auf Englisch schneller zünden.

Solo zum Abschied

Während Rebgetz sich in sein Solo quatscht, übt sich Wiebke Puls als sinnstiftende Übersetzerin und, wie der Rest des Ensembles auch, in der Kunst, nicht zu lachen. Danach zappeln sich alle durch grundsätzliche Fragen nach Gott und Religiosität, verbrüdern dabei nach Yael-Ronen-Art womöglich selbst Erlebtes mit letzten Fragen. Die Suche nach dem eigenen und dem göttlichen Vater mündet in manch hübsche Erkenntnis: "Gott ist gar nicht religiös." Das alles spielt sich noch vor dem Eisernen Vorhang ab. Der verschwindet dann und gibt die Bühne für zwei riesige Scheiben frei, die sich voneinander entfernen, bis sie aussehen wie eine aufgeklappte Taschenuhr. Die obere Scheibe ist ein Spiegel und ermöglicht eine quasi göttliche Perspektive auf die armen Erdenwürmer auf der unteren Scheibe, die mit unterschiedlichen Projektionen gefüttert wird. Zu Anfang sieht man etwa ein einzelnes trauriges Spermium herumirren, später dann ein synchronschwimmendes Spermien-Rudel. Immer mal wieder werden Gemälde, oft biblischer Szenen, hergenommen, in die sich die Schauspieler förmlich hineinbewegen. Betörende Bilder, die Kraft aussenden und stolzes Pathos.

Genesis2 560 DavidBaltzer uEin Bühnenbild von Wolfgang Menardi © David Baltzer

Zuweilen wirken die Scheiben wie Planeten inmitten der Unendlichkeit, dann wieder gleichen sie kunstvollen Vignetten. Die Bühne von Wolfgang Menardi beschert dem Abend in jedem Fall gravierende Hingucker und bettet alte und neue Mythen in traumspielerische Bildwelten, die auch von Amit Epsteins Kostümen für jede Gelegenheit leben, egal ob Sommerfrische, Tierkreiszeichen oder Mummenschanz.

Aus der Idee, einzelne Motive und Begebenheiten der Genesis zum Startpunkt einer erneuten Befragung zu machen, schält sich dann ein sehr disparater Abend, der sich um die ersten Tage der Menschheit bemüht. Da plagt sich der Herrgott als alleinerziehender Vater, Adam und Eva fechten Geschlechterdiskurse aus und die neu erlebte Scham erfindet den Körper neu. Doch oftmals geht es schon weiter, bevor ein Gedanke zu atmen beginnt. Das verhindert nicht, dass der Abend in seinen besten Momenten brüllend komische und zart ergreifende Glaubensbekenntnisse liefert. In seinen fadesten Momenten indes überflügelt er kaum laues Kabarett. Mal ist Adam schwul, mal der liebe Gott, Zeynep Bozbay gibt Lilith als Gangsterbraut und Schauspielerin mit zu wenig Text, Daniel Lommatzsch eine sich selbst in den Schwanz beißende Schlange.

Das Fremde und das Eigene

Wiebke Puls erzählt gegen Ende dann aus einem Leben, das ihr eigenes sein könnte, spricht vom Erwachsen- und Verlassenwerden. Heraus kommt einer dieser waghalsigen Yael-Ronen-Momente, die das Fremde im Eigenen ebenso schonungslos wie großzügig offenbaren. Unvergesslich auch das Angesicht von Samouil Stoyanov, der als allgewaltig donnernder Herrgott erheblichen Eindruck macht, während Jeff Wilbusch als rastafarimäßig hereinschlurfender Kain mit "Paradies-Migrationshintergrund" bloß Jugendclub-Charme umgibt.

Die Sehnsucht nach Heiligkeit und traumatisch abwesende Väter sind (ge)wichtige Themen, die der Abend umkreist. Oft aber gehen sie in einem aufgekratzten Palaver unter, das ablenkt von den Wesentlichkeiten der überlieferten Geschichten. Wann immer aber es der Inszenierung gelingt, von den Grundfesten menschlicher Existenz, von Einsamkeit, Wahnwitz und Not zu erzählen, ist der Glaube ans Theater groß.

 

#Genesis/A Starting Point
von Yael Ronen und dem Ensemble
Inszenierung: Yael Ronen, Bühne: Wolfgang Menardi, Kostüme: Amit Epstein, Video: Stefani di Buduo, Musik: Yaniv Fridel, Ofer (OJ) Shabi, Licht: Jürgen Tulzer, Dramaturgie, Johanna Höhmann, Künstlerische Mitarbeit: Niels Bormann.
Mit: Zeynep Bozbay, Daniel Lommatzsch, Damian Rebgetz, Wiebke Puls, Samouil Stoyanov, Jeff Wilbusch.
Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, keine Pause

www.muenchner-kammerspiele.de

 

Kritikenrundschau

"Mit sehr viel Humor aber auch mit einer großen Ernsthaftigkeit arbeitet sich Yael Ronen mit ihrem Ensemble an unserem Schöpfungsmythos ab", so Sven Ricklefs , der für den Bayerischen Rundfunk wie für den Deutschlandfunk berichtet (29.10.2018). Dabei zeige sie den Mut zum Pathos großer Bilder ebenso wie zugleich die notwendige Respektlosigkeit, um für heilige Mythen überraschende Varianten zu finden. Ronens Theater erweitere wieder einmal den Blick aus dem Privaten auf das Allgemeine, das Politische oder in diesem Fall das Kulturelle und zeige so einen unmittelbaren und nachvollziehbaren Weg auf, über verschiedene biographische Details Zugang zu erhalten zum großen Ganzen. "Das ist ihr wieder einmal auf wirklich großartige, sehr komische aber auch sehr berührende Weise gelungen."

"Die Regisseurin und ihre etwas untertourige Truppe bedienen sich ausführlich aus dem Gemischtwarenladen im Garten Eden, packen verstaubte Mythen aus zerknitterten Tüten, springen durch die biblische Geschichte und finden dabei nie so richtig den Anschluss an unsere Gegenwart", schreibt Bernd Noack auf Spiegel Online (29.10.2018). Von einer Szene ist der Rezensent angerührt. Der Abend im Ganzen gerate Ronen aber ein bisschen "tantig harmlos" und "comedy-schnippisch". Am Ende gebe es fürs Ensemble "großen Applaus, für Yael Ronen dagegen heftige Buhs". 

Als "extrem unterkomplex, in manchen Szenen sogar himmelschreiend banal" bezeichnet Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (29.10.2018) den Abend. Ein Sammelsurium an Fragen werde "jugendlich munter in die Witzarena geschmissen und auf Pointe getrimmt", so Dössel, die "Brainstorming-Herkunft" merke man ihnen noch an. "So hoch hinauf zu einem göttlichen Wesen sich die Inszenierung auch schwingt, eine Metaebene erreicht sie nicht." Damian Rebgetz habe als einziger "jene ich-performerische Coolness, Leichtigkeit und Glaubwürdigkeit, die so ein autobiografisch gespeister, quer- und queerdenkender Abend braucht", schreibt die Kritikerin: "Rebgetz ist echt komisch und legt zum Beispiel als schwuler Adam mit der souveränen Wiebke Puls als blondinenwitzige Eva eine comedyreife Paradies-Szene hin“. Wolfgang Menardi wiederum habe für Ronens "spaßige Bibelstunde eine grandiose Bühne gebaut, eigentlich muss man sagen: einen eigenen Kosmos erschaffen", begeistert sich Dössel. "Was wäre auf dieser Bühne alles möglich! Ein Welttheater."

 

Kommentare  
Genesis, München: großartig
Großartiger Theaterabend!!
Ohne Worte.
Genesis, München: Woody Allen
Yael Ronens Vorhaben kann nur scheitern - dachte man, als die Ankündigung erschien, sie wolle sich wie immer mit einem Kollektiv das Thema Genesis vornehmen. Das Team hat, auch dank der hervorragenden SchauspielerInnen (plus einem Performer), die Kurve gekriegt; mit an Woody Allen erinnerndem Humor, eingebunden in die lebensweltlichen Rekluse einer sich selbst spiegelnden Bühne und geerdet durch die ständige Überblendung von Biologie und Religion, Existenz und Alltagsbanalität und vor allem durch die gelungene Anbindung an persönliche Erfahrungen der Spielenden. Das Publikum der zweiten Aufführung war durchaus begeistert, aber es blieb der Eindruck, dass man sich unter Niveau amüsiert hat. Mutmaßlich wäre jedoch ein Thema wie Genesis kaum besser zu theatralisieren, ohne dass es ganz falsch anmuten würde.
Genesis, München: grandioser Abend!
Bühne, Inszenierung, Sound, Ensemble: grandios! Eine wunderbare Premiere.
Genesis, München: selten so berührt!
Was ein wundervoller Abend!
Besonders berührend waren die (vermeintlich) privaten Textpassagen von Wiebke Puls, Damian Rebgetz und Jeff Wilbusch (!) am Ende.
Immer, wenn es persönlich wurde, gewann der Abend an Tiefe und man geht mit viel Inspiration und Rührung nach Hause.
Danke für die Ehrlichkeit!

Großartig!
Ein verdienter Applaus für das wunderbare Ensemble, Regie und Bühne!
Ich war selten so berührt.
Genesis, München: andere Sicht
Schließ mich eher hier an:

https://www.juedische-allgemeine.de/mobile/article-view?id=33128
Genesis, München: Wahnsinn
Wahnsinn was für ein toller Abend... Tolles Ensemble
Unglaublich......
Genesis, München: Wow
Ja, die Kammerspiele haben auch unter Lilienthal ihre großen Momente, ganz große, und dieser Abend ist einer davon, ein wunderbares Ensemble chargiert zwischen sehr komischen und tief anrührenden Momenten, sinnliches Theater, wem das, wie einigen Kritikern, zu wenig intellektuell ist, der/die soll halt in religionswissenschaftliche Fachvorträge gehen, da wären so manche ohnehin besser aufgehoben als im Theater.
Der Abend ist ein wunderbarer Kunstgenuss und ein genau so großes Ereignis wie das Ensemble ist diese Bühne!!! WOWWOWWOW
Genesis, München: enttäuschend
Was hätte man alles aus diesem Abend machen können! Ein eigentlich tiefes Thema wurde hier ziemlich infantil zu einem Comedyabend herabstilisiert. Das Niveau war quälend niedrig, was sicherlich nicht den Schauspielern anzulasten war, sondern dem schlechten Stück, das weder Höhen noch Tiefen zu bieten hatte. Flach wie die Scheibe, die sich hier auf der Bühne dreht, ist der eigentlich in seiner Komplexität von Schönheit nur so strotzende und anspruchsvolle Stoff in dieser Inszenierung abgehandelt worden. So als hätte diese Produktion nicht verstanden, von was sie hier erzählt, bietet sie keine Erkenntnis, nur seichte Unterhaltung. Lustig war es aber stellenweise. Immerhin.
#Genesis, München: guter Abend
New York Times https://www.nytimes.com/
Schließe mich dieser Kritik an.
Famoses Spiel Ehrliches Spiel
Richtig guter Abend.
#Genesis, München: großartig
WOW. Einfach großartig!!!


https://www.nytimes.com/2018/11/21/theater/german-plays-social-issues-deutsches-theater-muenchner-kamerspiele.html
Genesis, München: lauwarm
41 Euro für lauwarme Ursuppe
Genesis/Münchner Kammerspiele: Das Bühnentheater beginnt mit dem Sturz eines Intendanten-Gottes und nach diesem Abend frage ich mich: Warum nicht schon früher? Gäbe es einen ‚Goldenen Windbeutel‘ für Theater-Klappentexte, für die Werbelegenden in der Programmvorschau, bei denen viel versprochen und dann wenig gehalten wird, die Kammerspiele würden Preise über Preise einheimsen.
Der Regie etwa hat es gefallen, Adam den ganzen Abend über, bis auf ein ‚Papa‘, ein, besonders im Zustand der Erregung derart vernuscheltes und unverständliches Englisch sprechen zu lassen, dass dies nur als Dominanz einer Grammatik über sämtliche Regionalsprachen gedeutet werden kann und damit analog zum Geltungsanspruch eines Schöpfungsmythos, der gleiche Weltgeltung ‚first’ beansprucht.
‚Genesis‘ wird inszeniert als dysfunktionale, verqueere Familiensippe, alleinerziehender Vater, flüchtige Gattin, schwuler Sohn, frigide Tochter, ungeliebter Enkel und verstoßene Tochter, Brudermord und allerlei Kindheitstraumata, dass man meint, der Regie würde als Ideal das Familienbild der CSU vorschweben.

Auffällig ist das vollkommene Aussparen von Religion und deren Organisation in den Weltkirchen, also die Politisierung von Spiritualität: Äußerst seltsam für ein Haus mit einem derart prominent vorgetragenem politischen Anspruch. Damit bleibt diese ‚Genesis‘ ein reines Bühnengeschehen, ein laues Spektakel, praktisch eine Nummern-Revue, viel Rauch, viel buntes Kostüm, Wut, Geschrei, Betroffenheit und eine ordentliche Prise Sexpraktik, so unterhaltsam, dass diese ‚Genesis‘ nach all den Theaterexperimenten (1968, Tiefer Schweb …) dankbarst aufgenommen wird als Gelegenheit, dem Ouroboros der eigenen Gedankenschleifen wenigstens für anderthalb Stunden entfleuchen zu können.
Natürlich kann man ein Städtisches Theater zur Experimentierwerkstatt umdeklarieren; an meinen 41 Euro aber ist keine Spur von Probegeld. Das ist harte Währung. Ich finde, wer gutes Theater sehen will, muss sich nach drüben orientieren, ins Resi.
Genesis, München: lustig
lustig Tiefer Schweb als Theaterexperiment zu bezeichnen.
Genesis, München: Kabinettstückchen
Der zweiten Stückentwicklung von Yael Ronen, die sie wie üblich gemeinsam mit ihrem Ensemble für die Münchner Kammerspiele erarbeitet hat, wurde einiges vorgeworfen: zu disparat sei der Abend, zu viele lose Fäden habe er und inhaltlich komme er oft nicht über eine kabarettistische Nummernrevue hinaus. All das ist leider richtig.

Aber "#Genesis. A Starting Point" hat trotz dieser berechtigten Kritik viel zu bieten, was diesen Abend sehenswert macht: Zuerst sind hier die kleinen Kabinettstückchen zu nennen, sympathische, präzise Miniaturen wie die Auftritte von Daniel Lommatzsch als Schlange.

Wer sich "#Genesis. A Starting Point" entgehen lässt, verpasst außerdem die tolle Schluss-Szene, als Wiebke Puls zart zu "Knocking on heavens´s door" ansetzt und das gesamte Ensemble einstimmt.

Denkwürdig macht "Genesis. A Starting Point" vor allem der Anfang. Der Eiserne Vorhang ist noch runtergelassen und verstellt den Blick auf Menardis Paradies-Landschaft, die Kostüme von Gott, Adam, Eva und ihren Kindern sind noch unter Alltags-Klamotten versteckt. Rebgetz setzt zu einer Bilanz seiner Zeit an den Münchner Kammerspielen an, erzählt von den großen Hoffnungen, mit denen er aus Berlin kam und ins Ensemble einstieg. In nur wenigen Minuten beschreibt er das Unverständnis auf beiden Seiten, die Ablehnung des Münchner Publikums gegen Lilienthals Experimente an den Kammerspielen und seine Enttäuschung, die ihn jetzt wieder in die Arme seiner alten Geliebten Berlin, Münchens Dauerrivalin, treibt.

Die resignierte Publikumsbeschimpfung von Rebgetz ist der ungewöhnliche Auftakt einer Inszenierung und Kommentar zur emotional aufgeladenen, praktisch vom ersten Tag der Intendanz von Lilienthal an schwelenden Debatte, ob seine Vorstellungen von Theater, die er am Berliner HAU schärfte, ins konservativere München passen.

Gleich danach ergreift Wiebke Puls das Wort, preisgekrönter Publikumsliebling, ein vertrautes Gesicht und eine Konstante des Hauses. Sie ist schon seit 2005 im Ensemble an der Maximilianstraße engagiert, war schon in der Ära Johan Simons beim Theatertreffen zu sehen, wurde dort in diesem Jahr in der Ära Lilienthal mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet und versprach in "#Genesis. A Starting Point", dass sie hierbleiben und weiter für ihre künstlerischen Vorstellungen kämpfen wird.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2018/12/26/genesis-munchner-kammerspiele-theater-kritik/
#Genesis, München: selten lebendig
Der Abend gibt (...) keine Antworten. Was er tut, ist Geschichten zu erzählen und zu hinterfragen. Er verwirbelt Individuelles und Universelles, Persönliches (Wahres oder Erfundenes?) mit Überliefertem, Kosmisches mit Banalem. Er holt das Göttliche herunter auf das Alltägliche, verpflanzt die Schauspieler*innen-Menschlein in Renaissance-Gemälde, lässt am Ende den Michelangelo-Gott entschwinden und ersetzt ihn durch eine schwarze, weibliche Göttin, die am Schluss die Menschen aber auch ratlos zurücklässt. Ronen und ihr Ensemble testen Bilder, klopfen sie auf Wahrheit und Relevanz ab, aber auch auf ihren toxischen Einfluss aufs heute, stellen neue, heutige an ihre Stelle, gendergerechte, queere, aus der alten Ordnung fallende. Die Väter, die sie herausfordern, sind das Überlieferte, sind die alten Geschichten, die Bilder, die sich eingebrannt haben ins kollektive Bewusstsein. Aber es sind auch die eigenen Standpunkte, die „neuen“ Erzählungen, die Abweichungen vom Überkommenen.

Dass an dem sich von Narrativ zu Narrativ, von Episode zu Episode hangelnden Abend nicht jede Szene zündet, sich manches in komödiantischer Pointenseligkeit versendet und sich die eine oder andere Redundanz einschleicht, liegt in der Natur der Sache. Wer wie Yael Ronen und ihr Ensemble ein so diverses Geflecht aus Quellen, Einflüssen und Vorlagen miteinander zur Reaktion bringen will, muss in Kauf nehmen, dass hier und da etwas verpufft. Und doch ist #Genesis einer der stärksten ronen-Abende der letzten Jahre – auch weil im immer wieder der Spagat gelingt zwischen dem Persönlichen, Biografischen und dem Universellen, Allgemeingültigen. Und auch weil er keine „Schuld“ zuweist, weril er die verschiedenen Ebenen auf Augenhöhe belässt. Nicht die Religion, nicht die „Gesellschaft“, nicht der Mann oder der Vater sind allein verantwortlich über überlieferte Normen und Unterdrückungsmechanismen. Die Schöpfung ist ein ständig sich wiederholender Akt, einer, der sich stets auch anders denken, neu zusammensetzen lässt, der nicht, nun ja, gottgegeben ist. Der aber Anstrengung verlangt, Auseinandersetzung – mit dem Erlernsten wie mit der eigenen Positionierung. Das Verhältnis zum Vater – als Person, Konzept oder Synonym für alles Weitergegebene – bleibt ungelöst, aber nicht unangetastet. Das Theater als Schöpfungslabor – hier ist es auf eine erregende Weise lebendig, wie es selten der Fall ist.

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2019/10/07/im-schopfungslabor/
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