Presseschau vom 22. Dezember 2018 – Der Bund interviewt die Stiftungsratspräsidentin des Konzert Theaters Bern Nadine Borter

Sozial kompetente Person gesucht

Sozial kompetente Person gesucht

22. Dezember 2018. Im Interview mit Sophie Reinhardt und Lena Rittmeyer von der Berner Tageszeitung Der Bund sagt die Stiftungsratspräsidentin des Konzert Theaters Bern Nadine Borter zur laufenden Suche nach einem neuen Intendanten (nach dem Rücktritt von Stephan Märki im Juli 2018), man suche keinen Regie führenden Intendanten: "Regie zu führen, ist eine grosse Aufgabe und an viele Ressourcen gebunden. Aus Sicht des Stiftungsrats kommt das darum bei der neuen Intendanz nicht infrage, die eine genügend grosse Führungsaufgabe zu erfüllen hat."

Man suche per Findungskommission "für unser 'Berner Modell' eine Person mit Leadership-Qualitäten, was nicht mit Machtkonzentration zu verwechseln ist." Im "Berner Modell" sei die Macht eben "nicht konzentriert bei einer Person, vielmehr sind die Kompetenzen in einer breiten Führungsstruktur verankert. (...) Wir wissen zwar auch, dass die Struktur anfällig ist für Konflikte, die bleiben aber lösbar", so Borter. "In ein altes Intendantenmodell wollten wir nicht zurückgehen. Darüber hinaus bedeutet der nächste Schritt für uns nicht, alles zu verändern, sondern auch beizubehalten, was erfolgreich lief."

Auf die Frage "Wie verhindern Sie, dass die neue Person zu viel Macht ausübt?": "Das ist eine Kulturfrage, deshalb ist uns Führungskompetenz so wichtig. Es soll eine sozial kompetente Person sein. Wir brauchen eine visionäre Intendanz, die unser Haus transversal und nicht autoritär, also gemeinsam mit den Mitarbeitenden, weiterbringt."

Nach Stephan Märkis Rücktritt sei ein Verhaltenskodex erarbeitet worden, der nächstes Jahr veröffentlicht werden solle. Zum Offenen Brief von 20 Stadträten mit der Forderung nach Aufklärung darüber, wie es zu Märkis Rücktritt kam, sagt Borter: "Wir bleiben im Dialog – auch mit der Politik – in dieser wichtigen Sache. Wir wollen uns ständig verbessern, auch aus Fehlern lernen. Aber wir wollen auch darauf schauen, was gut war in der Vergangenheit. Finanziell ist das Haus in einer stabilen Position, was ein Erfolg ist."

Ab 2020 erhält das KTB eine höhere Förderung: "Die Hälfte, also 300 000 Franken, fliesst in die künstlerische und partizipative Innovation. Insbesondere sollen damit Projekte der Vermittlung und der kulturellen Teilhabe ermöglicht werden. Die andere Hälfte soll für Massnahmen beim technischen Personal verwendet werden, vor allem für zwingende und bereits realisierte Stellenaufstockungen."

(sd)

 

 

Kommentare  
Presseschau Bern: Widerspruch
Was soll das heissen, nicht in ein „Intendantenmodell zuruckgehen“? Auf der Podiumsdiskussion der Zeitung Bund im Sommer hat der als Experte geladene Herr Bosshardt erklärt es handele sich eigentlich um ein lupenreines Generalintendantenmodell, nur anders benannt. Die Geschäftsleitung hat am Ende so viele Kompetenzen wie die Spartenleiter an jedem anderen Stadttheater auch: solange sie der Intendant machen lässt. Merkt Frau Borter (im Interview hinter leicht zu umgehender Paywall) nicht, dass es ein Widerspruch ist, wenn sie von autonomen Sparten redet, aber einen Letztentscheider fordert? Der Widerspruch springt ins Auge. Wenn das System perfekt ist und nicht verantwortlich für die Konflikte der letzten Jahre, heisst das dann, dass Märki eben die soziale Kompetenz fehlte.
Presseschau Bern: Hallenser Modell?
Wenn ich das richtig sehe, wird in Bern genau das Modell angestrebt, das in Halle gerade kläglich scheitert. Ein selbst künstlerisch nicht tätiger steht den künstlerisch tätigen vor. Ob das gut geht?
Presseschau Bern: Provinz
@1 Muss ich zustimmen, klar wird im Interview: die Frau versteht nichts von Theater. Es ist schlimm, dass in Bern wieder niemand das Sagen hat, der was davon versteht. Noch schlimmer ist dass Frau Borter auch nichts von Leitung versteht. Sie diffamiert die Leitungsequipe der letzten Jahre, die es scheinbar nur nicht drauf hatte, im anspruchvollen Berner Modell „sozial kompetent“ zusammenzuarbeiten. Während die Luzerner im gleichen Zeitraum schon die erste Runde der Findung hinter sich haben, hat Bern nicht einmal die Ausschreibung. Im November wurde von der Presse enthüllt, dass Märki die ihm zugesagte Inszenierung nicht machen darf. Das war seit Monaten unter der Hand bekannt, aber vertraglich nicht geklärt, nicht kommuniziert und macht deshalb Kosten. Totalversagen von Stiftungsrat und Borter auf Kosten der Steuerzahler, tiefste Provinz, willkommen in der Schweizer Hauptstadt!
Presseschau Bern: Schade!
Woher kommt eigentlich dieser Irrglaube Regisseure seien sozial inkompetente Egomanen? Die gab es sicher und gibt es mitunter sicher auch noch. Aber soziale Kompetenz und Regieführen schließen einander nicht aus, sondern beeinflussen sich eher positiv.
Schade ums Theater Bern, wenn hier nun ein zwar sozial kompetenter aber künstlerisch impotenter Direktor gesucht wird. Die Regieführenden Intendanten lernen ihre Häuser von innen heraus, aus der Arbeit heraus kennen und können künstlerische Prozesse besser einschätzen und begleiten und können daher - soziale Kompetenz vorausgesetzt- die besseren Intendanten sein.
Mit jetzigen Vorgabe scheiden viele interessante Regisseure vonn vorneherein aus. schade.
Presseschau Bern: Machtstrukturen
Es ist wirklich fast unbeschreiblich, was da abgeht. Sehr anstrengend ist es nun auch, alle Belege zusammenzuklauben zu müssen, die bereits 2010 genau den gleichen CEO-Irrglauben des Stiftungsrates belegten. Die Wortwahl 2010 bezüglich dem damals gesucheten „Super-CEO“, der die vier Sparten anleiten werde, war die fast identische. Bereits 2010 wurde versprochen, dass der Leiter auf „gar keinen Fall“ inszenieren werde (als wäre das irgendwie eine relevante Fragestellung. Ob das Modell taugt, ist nicht abhängig davon, ob der Intendant „inszeniert“ - was für ein Ablenkungsstrategie). Natürlich inszenierte dieser 2011 gewählte Super-CEO Stephan Märki (der sich innerhalb kürzester Zeit selber zum „Intendanten“ kürte - natürlich dann trotzdem). Aber dieses „Inszenieren oder Nicht“ ist ohnehin nicht die hier relevante Fragestellung. Relevant ist der immer noch vorhandene Glaube, es sei möglich, dass ein CEO mit diesem Mini-Budget vier Sparten erfolgreich anführen zu können (mit Spartenleitern, die hohe Machtbefugnis haben) und der Glaube, als würde dieses sehr chaotische, wirre Leitungs-Modell (das nun mehrfach seine Untauglichkeit bewiesen hat) irgendwie doch funktionieren. Irritieren tut auch, dass Georges Delnon und Marcel Brühlhardt wieder über den Intendanten mitbestimmen werden (die schon 2011 Märki wählten und auch jahrelang seine seltsame Führungskultur duldeten, entweder als Intendant oder als Chef des Bühnenverbandes SBV). Irritieren tut, dass der selbe Georges Delnon aktuell auch in Luzern in der Findungskommission sitzt (ein Theater, das knappe 30 Minuten von Bern entfernt ist, hallo??). Irritieren tut, dass dieses Georges Delnon einen sehr ähnlichen Fall gerade initiert hat, wie ihn Stephan Märki mit Stephanie Gräve initiert hatte.. und das in Hamburg an der Staatsoper - und auch da Abfindungszahlen in grosser Höhe zu verantworten hat. Wie kann es sein, dass in Bern eine solche Loyalität zu solchen Machtstrukturen und Machttechniken existiert, die defintiv Machtstrukturen des letzten Jahrhunderts reproduzieren und nun auch Fehler der letzten Wahl in Bern reproduzieren? Diesen Fragen wird in diesem spannenden Jahr 2019 nachzugehen sein. Hier noch der Beleg zu Delnons Fall in Hamburg. Der stammt leider von keinem der seriösen Rechercheportale wie dem „Spiegel“ (haha, kleiner Scherz), sondern von der seltsamerweise - in diesem Fall - sehr frech und „machtkritisch" recherchierenden Bild-Zeitung: https://www.bild.de/regional/hamburg/urteil/intendant-muss-15000-euro-schmerzensgeld-zahlen-56199406.bild.html

Belege:

Delnon bereits in Findungskommission 2010:
https://www.derbund.ch/bern/stadt/Klare-Fakten-noch-vor-Abstimmung-/story/14388925

Der Super-CEO werde nicht selber inszenieren (siehe Seitenspalte mit Überschrift: Das Haus inszenieren)
https://www.derbund.ch/kultur/theater/Der-Vorteil-des-Autorennfahrers-/story/28742095?track

Kritik am CEO-Modell an der Regionalkonferenz (seite 11):
https://www.dropbox.com/s/1xvq36t2kylrnpk/Tagungsbericht%20Tagung%20Perspektiven%20der%20regionalen%20Kultur%202010.pdf?dl=0
Presseschau Bern: kein CEO
Nein, lieber Samuel Schwarz, so ist es ja nicht gedacht mit der Leitung. Kein CEO wird gesucht, sondern eine irgendwie künstlerisch arbeitende Person. Die aber nicht Regie führt. Die aber irgendwie für das Geschäftliche verantwortlich ist. Die aber irgendwie auch in künstlerischen Fragen das letzte Wort hat. Die irgendwie eine eigene Vision hat aber die Vision irgendwie demokratisch umsetzt. Kennt noch jemand die berühmten drei Affen, die früher als Briefbeschwerer auf Schreibtischen standen? So ist das in Bern, nur dass eben mit vielen Worten nichts gesagt wird. Läuft auf das Nämliche hinaus.
Presseschau Bern: unklare Bedingungen
Genau das meinte ich - lieber Robert - mit „chaotisch und wirr“. Je nach Laune oder Rechtfertigungsdruck wird aus der gesuchten Person mal CEO, dann IntendantIn, dann VisionärIn, dann eine pedantische „HäftlimacherIn“, dann mal ein kaufmännisches Genie. Wer sich für ein solches Amt bei solch krud unklaren Bedingungen allen Erntes bewirbt, muss ziemlich verzweifelt auf Jobsuche sein.
Presseschau Bern: schlecht beraten
Wenn man nicht weiss was man sucht findet man irgendwas. Schade, dass der Stiftungsrat nicht die Gelegneheit nutzt, neu zu denken. Mit alten Strukturen zu brechen. Eine spannendere Auswahl bei der Findungskommision wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen. Bern bleibt Provinz, statt sich mit starken Spartenleitern neu zu erfinden. Frau Borter habe ich mehr zugetraut, nach ihrem klaren Start. Offensichtlich ist sie schlecht beraten.
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