Dresden kippt?

9. Februar 2019. Der Dresdner Stadtrat hat am Freitag in einer Sondersitzung über ein unter den Fraktionen umstrittenes Programm abgestimmt, das sozialen und kulturellen Projekten der Kommune zugute kommen sollte. Die Sondersitzung war nach einem Eilantrag von SPD, Linken und Grünen auf Sicherung der Mittel aus der Liquiditätsreserve (43 Millionen Euro) der Stadt einberufen worden. Hintergrund des Eilantrags war die Tatsache, dass bereits zugesicherte Fördermittel für Projekte aus den Bereichen kommunale Kultur, Soziales und Gleichstellung in den inzwischen beschlossenen Doppelhaushalt 2019/20 nicht aufgenommen wurden.

Im Vorfeld der Abstimmung hatte das Landesbüro Darstellende Künste Sachsen einen von zahlreichen Dresdner Kulturschaffenden unterzeichneten Offenen Brief verbreitet, in dem vor neuen Allianzen zwischen AfD und CDU im Stadtrat gewarnt wurde: "Bei den bisherigen Abstimmungen traten CDU, FDP, Bürgerfraktion und AFD bereits geschlossen auf. Ein Abstimmungsverhalten, das schon jetzt reaktionäre Züge aufweist, wie sich etwa in der konzeptionellen Rückkehr zur autofreundlichen statt fahrradfreundlichen Stadt am 24. Januar 2019 zeigte", heißt es in dem Schreiben. "Auch für noch ausstehende Entscheidungen befürchten wir eine geschlossene Haltung dieses rechts-konservativen Bündnisses und sind in Sorge darüber, wie diese Entscheidungen nachhaltig das soziale und kulturelle Leben in Dresden beeinflussen werden.

Freitag wurde einigen der Projekte dann doch eine Förderung zugestanden. So wird einem Bericht der Dresdner Neuesten Nachrichten zufolge das Societaetstheater für das Projekt "Zu Hause in Prohlis" mit 33.000 Euro zusätzlich pro Jahr unterstützt. "Zur Wahrheit gehört, dass auch die AfD- und NPD-Stadträte den Punkten ihre Zustimmung gaben", so das Blatt. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) habe ebenfalls zugestimmt. Gleichzeitig lehnten CDU, FDP, Bürgerfraktion, AfD und die fraktionslosen Rechtsextremen dem Bericht zufolge zusätzliche Mittel für die Gleichstellungsbeauftragte, die Kinder- und Jugendbeauftragte, 2,6 Millionen Euro mehr für Jugendhilfe und 2 Millionen mehr für Kultur ab. 100 000 Euro mehr für das Heinrich-Schütz-Konservatorium wurden ebenso gestrichen wie die Aufstockung des Kleinprojektefonds um 100 000 Euro und des Sozialetats um 1,32 Millionen Euro. Dafür wurde mit breiter Mehrheit ein Plus von 400 000 Euro bei der institutionellen Kulturförderung beschlossen. Die Abstimmungs-Ergebnisse nach Anzahl der Stimmen aufgeschlüsselt finden sich hier.

(Dresdner Neueste Nachrichten / Die Grünen Dresden / Landesbüro Darstellende Künste Sachsen e.V. / sd / sle)

 

(In einer früheren Version des Textes wurde irrtümlich eine falsche Quelle zitiert. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.)

 

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Kommentare  
Abstimmung Dresden: falsche Fakten
Schade an der ganzen Diskussion ist, dass bei der verständlichen Polemik gegen CDU/FDP/Bürgerfraktion/AfD im Stadtrat Dresden, vor Ort und auch in im obigen Artikel mit so viel falschen Fakten hantiert wird.
Der genannte Bericht in der Süddeutschen und auch die dort angeführten Bemerkungen der AfD und von CDU-Mann Böhme-Korn stammen vom September 2017, als es im Stadtrat um das LHP "Wir entfalten Demokratie..." ging.
Das Paket von Linken/Grünen/SPD, über das gestern abgestimmt wurde, war nicht unmittelbar Bestandteil des Lokalen Handlungsprogramms "Wir entfalten Demokratie", sondern das waren gewünschte Nachbesserungen von RGR für den Haushalt 2019/2020 in den Bereichen Soziales und Kultur, die zum größten Teil auch essentiell nötig sind.
Der Schönheitsfehler dabei ist wiederum, dass die Bürgermeister*innen-Positionen für Kultur, Soziales und Finanzen von den Linken bzw. der SPD besetzt sind, sie sind damit also unmittelbar dafür verantwortlich, dass die fehlenden Mittel nicht im Haushaltsentwurf der Verwaltung enthalten war, der im Dezember mit breiter Mehrheit verabschiedet wurde und insbesondere von den Linken als Fortschreibung Rot-Grün-Roter Haushaltspolitik reklamiert wurde.
Da RGR bis November 2018 die Mehrheit im Stadtrat hatte, ist man davon ausgegangen, dann mit dieser Mehrheit im Stadtrat nachbessern zu können, was man in der Verhandlung des Entwurfs mit dem FDP-Oberbürgermeister und den CDU-Bürgermeistern nicht durchsetzen konnte. Völlig legitim so weit. Dennoch facht diese "Schizophrenie" natürlich nun die Häme derer an, die durch den Seitenwechsel dreier SPD- und eines Linken-Abgeordneten wieder Oberwasser bekommen haben.
Die RGR-Mehrheit ist futsch und ich persönlich finde es erschütternd, was gerade im Bereich der Freien Darstellenden Künste nun nicht kommt oder wieder sehr unsicher geworden ist.
Andererseits muss aber auch gesagt werden, dass alle Geschäftsbereiche im Haushalt 2019/2020 einen Aufwuchs verzeichnen. Wir haben den größten Haushalt dieser Stadt aller Zeiten.
Was ich nicht verstehe: Warum haben die Kulturbürgermeisterin und die Sozialbürgermeisterin von den Linken denn nicht selber die Bedarfe in den Haushaltsentwurf eingebracht und dafür gekämpft, wenn die nun geforderten Aufwüchse so dringend sind, dass jetzt bei deren Ablehnung von "sozialer Kälte" und "von einem eisigen Wind, der durch den Stadtrat weht" die Rede ist???
Es ist komplex.
Dennoch sollte man die Hoffnung nicht aufgeben.
Vom gewünschten Paket gingen letztlich vier Posten durch: das Projekt "Zuhause in Prohlis" des Societaetstheaters, 400.000 € mehr institutionelle Förderung bei der kommunalen Kulturförderung, die Unterstützung der Dresdner Nachtcafés und die Sicherstellung der Geburtshilfe.
Und der Rest des Geldes ist ja noch nicht verloren, er bleibt ja in der Liquiditätsreserve erhalten.
Und es müssen in einer Tippeltappel-Tour wieder endlos Einzelanträge her, für die in allen Fraktionen von den Betroffenen Lobby-Arbeit betrieben werden muss.
Natürlich sehe ich auch mit Entsetzen, dass die AfD nun tatsächlich in dieser Stadt mitbestimmt und oft zum Zünglein an der Waage werden kann.
Aber der Grabenkampf-Sound von "Dresden kippt!" baut leider auch keine Brücke für andere Kooperationen jenseits von RGR, die aber im Moment nötig sind, um fraktions- und "lager"-übergreifend Entscheidungen zu treffen.
Willkommen in den mühseligen Ebenen der Demokratie.
Ich wünsche uns allen Größe, Weitsicht, Toleranz und kultivierte Diskurse in dieser Stadt.


(Lieber Dresdener, Sie haben recht! Wir haben die Meldung geändert und bitten, den Fehler zu entschuldigen. Freundliche Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt)
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