Moderne Menschendramen

6. März 2019. Die Theaterautorinnen Ulrike Müller, Katja Hensel und Teresa Dopler sind heute in den Kammerspielen Hamburg als Gewinnerinnen des Waldorf-Dramawettbewerbs geehrt worden. Das teilte der Bund der Freien Waldorfschulen in einer Presseaussendung mit.

Ausgeschrieben anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Waldorfschulen, suchte der vom Bund der Freien Waldorfschulen getragene Wettbewerb nach Theatertexten, die "das Menschsein in der heutigen Zeit" thematisieren und über ausreichend viele Rollen für Schulensembles verfügen. Dotiert ist der Waldorf-Dramawettbewerb mit 25.000 Euro. 

Der 1. Preis mit 13.000 Euro ging an Ulrike Müller für "Prinzip Arche", ein Stück über den Untergang und Rettung der Menschheit. Die Figuren, die Müller in ihrer "lakonischen Anklage" zeige, "haben Vitalität, Kraft und Würde und dabei eine Brüchigkeit, die sehr berührt". Die Autorin "pflanzt mit dieser Kraft ihrer Figuren ein Vertrauen in diese Menschen und damit auch in uns Menschen“, heißt es in der Laudatio auf Ulrike Müller, "dass sie ihre – und wir unsere – komplexe, düstere Wirklichkeit irgendwie und irgendwann schon meistern werden".

Für das Stück "Youtopia – ohne uns könnten wir hierbleiben", in dem eine Gruppe Jugendlicher im Möbelhaus gesellschaftliche Verweigerung wie Utopiemomente erprobt, erhielt Katja Hensel den mit 7.000 Euro dotierten 2. Preis. "Ihre Figuren haben Kontur, sind klug und haben Geheimnisse und sie sind wahnsinnig komisch", befindet die Laudatio auf Katja Hensel. Deren "lässig vor sich hin" swingende Jugendsprache verleihe pathetischen Ideen Leichtigkeit.

Den 3. Preis mit 5.000 Euro erhielt Teresa Dopler für den Text "Unsere blauen Augen" über Werbung und Erfolgsdruck, Flucht und Eigenheime in der Provinz, Wünsche und Scheitern. "Mit einer warmen Stimme" erzähle Dopler vom Verlust des Paradiesgartens. "Bilder, Figuren und ihre Sprache sind dabei poetisch, bezaubernd, ja, herzerwärmend lustig und tröstlich", so die Laudatio auf Teresa Dopler. Dopler "schärft die Wahrnehmung von Natur in ihren unendlichen Details und Kreisläufen, in ihrer Weisheit und Stärke. Die große Leistung der Autorin ist ihr Mut zur Schlichtheit, ihr Vertrauen in ihre Bilder- und Sprachwahl, und ihre Liebe zur Natur in eine Form zu bringen."

"Schauspieler werden sie lieben", heißt es in zwei der drei Laudationes über die drei prämierten Stücke – "worauf kommt es denn sonst in einem leider immer noch oft blutleeren und totdekonstruierten Theater an, wenn nicht auf die Lebendigkeit von Schauspielern in lebendigen Rollen und Figuren?".

Ausgewählt wurden die Gewinnerinnen von einer Jury, der die Schauspielerinnen Karoline Eichhorn und Katja Weitzenböck, der Schauspieler, Theaterregisseur und Hörspielsprecher Samuel Weiss sowie der Dramatiker und Autor Moritz Rinke angehörten.

(Bund der Freien Waldorfschulen / eph)

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Kommentare  
Waldorf-Wettbewerb: Essenzialismus
"Worauf kommt es denn sonst in einem leider immer noch oft blutleeren und totdekonstruierten Theater an, wenn nicht auf die Lebendigkeit von Schauspielern in lebendigen Rollen und Figuren?"
Ja, gute Nacht Marie. Die Angehörigen eines elitären, weißen Zirkels freuen sich über gute Rollen für (männliche!) Mimen und beklagen dabei en passant das böse totdekonstruierte, blutleere Theater. Es verschlägt einem schier die Sprache. Der dank Subventionen ermöglichte formale Pluralismus auf deutschsprachigen Bühnen, der international sehr hoch geschätzt wird, wird im Handstreich von diesem Zirkel als unlebendig abqualifiziert. Tot ist Theaterschaffen in Gänze doch wohl eher, wenn sich dessen VertreterInnen einzig auf essenzialistische Spiel- und Denkweisen festlegen.
Vielleicht hängt diese abschätzige Beschreibung des (ganzen) Theaterschaffens ja auch einfach damit zusammen, dass dieser Essenzialismus den Waldis schön eingehämmert worden ist. Man beachte nur mal die strukturell vorgesehenen Möglichkeiten für beide Elternteile voll berufstätig zu sein in einer waldorfpädagogischen Betreuung von Kindern und kommt dann vielleicht auf eine entsprechende Abneigung der derartigen "Geschulten" gegenüber szenischen Dekonstruktionen von Geschlechter-, Menschen- oder anderen Bildern in einer Gesellschaft. Aber gut, das sind sicher nur Ressentiments derer, die nicht zu den happy few gehören...
Waldorf-Wettbewerb: Die und wir
Ja, mich erinnert dieses "Die anderen und wir"-Denken auch sehr an meine Waldorf-Schulzeit, wo gerade die Theateraufführungen auf eine Tradition Bezug nahmen, die schon damals das Stadttheater längst hinterfragt hatte. Das Stadttheater scheint sich zumindest selbst kritisch betrachten zu können, für die Anthroprosophie ist Dekonstruktion wohl eher der Tod. Schade.
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