Zustand: zerrüttet

Schwerin, 22. März 2019. Die Mecklenburgische Staatskapelle und das Schauspielensemble des Mecklenburgischen Staatstheaters fordern in einem offenen Brief von den Trägern des Theaters (darunter das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Stadt Schwerin) "eine Interimsintendanz bzw. die sofortige Auflösung der Doppelfunktion Intendant und Geschäftsführer, wie es vielfach üblich ist", um "den enormen Zeitdruck aus dem Findungsvorgang für einen neuen Intendanten zu nehmen, aber vor allem um weiteren strukturellen und öffentlichen Schaden vom Mecklenburgischen Staatstheater abzuwenden".

Der Hintergrund: Lars Tietje übernahm zur Spielzeit 2016/17 die Generalintendanz des Mecklenburgischen Staatstheaters. Seit er im Januar 2018 den Mitarbeiter*innen beim Opernball "eigenmächtige politische Äußerungen" untersagte, ist das Verhältnis zwischen Intendant und weiten Teilen der Belegschaft zerrüttet. Im November 2018 erschien ein erster offener Brief des Schauspielensembles, auf den Tietje mit einem Katalog von "Sofortmaßnahmen" reagierte. Auch die Träger des Theaters vermittelten.

Seit der Verkündung dieser "Sofortmaßnahmen vor drei Monaten" herrsche "lähmender Stillstand" am Mecklenburgischen Staatstheater, argumentiert nun der neue offene Brief. "Von Verbesserung des Betriebsklimas kann keine Rede sein." Das Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Intendanz sei nach wie vor weitgehend zerrüttet.

Der offene Brief bilanziert eine Krise: "Mehr als 20.000 Zuschauer weniger jährlich, katastrophale Einbrüche bei den Abos, Tosca, Theaterball und Sponsoren, sowie die Zerrüttung und Marginalisierung unseres Theaters nach innen und außen sind die bisherige Bilanz dieser Intendanz. Mit der schleichenden Beseitigung des Repertoires – Merkmal und Grundprinzip eines Stadt- und Staatstheaters – beschädigt der Intendant zu schützendes Weltkulturerbe. Die Folgen sind noch nicht absehbar."

(geka)

 

Mehr dazu: ein Bericht im Kulturjournal auf NDR 1 Radio MV (22. März 2019)

 

mehr meldungen

Kommentare  
Offener Brief Schwerin: Cottbus, Halle, Schwerin...
- welche Ensembles wollen als nächstes ihre Leiter loswerden?
Offener Brief Schwerin: Hinweis NDR-Kulturjournal
https://www.ndr.de/kultur/Theater-Streit-in-Schwerin-geht-weiter,theaterschwerin172.html
Offener Brief Schwerin: Von innen
Nach der Wende schien in den neuen Bundesländern der größte Theaterfeind die mangelhafte Finanzierung durch die öffentliche Hand zu sein. Mittlerweile schaffen sich die Theater im Osten von innen heraus ab.
Offener Brief Schwerin: falsche Argumente
Halle und nun Schwerin- es muss an dem System liegen, das dort installiert wurde vor paar Jahren. Dass die Mitarbeiter/-innen aber selbst den Besucherrückgang stark thematisieren, ist falsch. Sie sollten inhaltlich argumentieren, nicht wirtschaftlich!
Offener Brief Schwerin: Masochisten vor!
Ich muss Harlekin rechtgeben. Cottbus und Halle haben nach den Orchesterbriefen als Theaterstandort sehr gelitten. Schwerin droht nun wohl ähnliches. Wer soll sich überhaupt noch finden , diese kaputten Theater zu leiten? Masochisten vor!
Offener Brief Schwerin: Rechtsfreier Raum
Sind Intendanten eigentlich vogelfrei?
Diese Orchesterbriefe sind doch Mobbing vom feinsten. Zustände!
Offener Brief Schwerin: in Schwerin immer begeistert
Bei vielen unseren Besuchen in Schwerin und im dortigen Theater waren wir immer total begeistert von den Aufführungen. Wir hoffen daß das auch in Zukunft so bleibt und nicht durch die Querelen mit dem Intendanten/Geschäftsführers leidet.
Offener Brief Schwerin: Bravo!
Wie toll,dass sich Künstler nicht mehr alles gefallen lassen und in diesem Falle Schauspieler eine Verantwortung wahrnehmen,die diesem Beruf doch immanent ist!!Toll,dass die bloße Erpressung mit befristeten Verträgen nicht mehr ausreicht,um Leute mundtot zu machen.Und umso bemerkenswerter,da Herr Tietje doch das ganze Schauspielensemble ausgetauscht hat!Als gebürtiger Schweriner weiß ich sehr gut wie eng die Verbindung zwischen Stadt/Publikum und Theater war.Dieses Gut zu missachten ist in jedem Falle unklug.Und:selbst wenn die Strategien des Intendanten die richtigen wären:Wenn er ihnen im Hause - und,noch wichtiger:im Publikum - keine Akzeptanz verschaffen kann,dann ist er trotzdem - gescheitert.Den Schweriner Theaterschaffenden wünsche ich weiterhin viel Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit!
Offener Brief Schwerin: Ja, bravo!
denn jeder weiß doch, dass die solisten die letzten sein werden, die von einem intendantenwechsel profitieren. umso anerkennenswerter ihre klare haltung. ein jahr zieht sich diese diskussion nun schon hin. jedem, der sich ein erhellendes bild der lage machen möchte, sei gunnar deckers beschreibung der situation, erschienen in der februar-ausgabe von "theater der zeit" ans herz gelegt.
Offener Brief Schwerin: Programm
mein nachbar und ich gehen gerne und oft gemeinsam ins theater. schauspiel und oper. im dezember, januar und februar dieser spielzeit, war das einzige angebot des schauspiels der "sommernachtstraum" in vier oder fünf vorstellungen. sonst nichts!! hatten wir schon gesehen. pech gehabt, na dann halt oper! im dezember: hänsel und gretel. im januar die premiere von "andre chenier". und seit dem? nichts!! eine einzige oper steht auf dem spielplan! operette und musical dafür reichlich.
diese entwicklung muß aufgehalten werden!
Offener Brief Schwerin: Bitte
Das Schweriner Theater ist viel viel besser als früher. Vorstellungs Qualität und Niveu eifach hoch!
Bitte weiter so! Bitte nicht zurück wie früher. Bitte bleiben noch Herr Tietje!
Die Leute, Orchester und Schauspieler, schaden Theater.
Offener Brief Schwerin: endlich
Ich finde es grossartig, dass die Ensembles sich nicht mehr alles bieten lassen. Es geht nicht an, dass Tyrannen der gesamten Belegschaft das Leben zur Hölle machen.
Weiter so. Richtig so.
Intendanten haben nicht nur eine künstlerische Funktion, sondern sie haben auch die Aufgabe ein Theater menschlich zu führen. Wenn sie das nicht können, ist es wichtig dies zu bennnen. Mutig
Offener Brief Schwerin: wie weiter
Ich bin immer gerne zu Besuch bei Freunden in Schwerin, ein Abend im Theater ist dabei immer obligatorisch gewesen. Schade, dass die Situation so auswegslos erscheint, und die Spannungen noch weiter zugenommen haben!

Dahersollten sich alle Verantwortlichen darüber verständigen, wie es weiter gehen soll. Wenn sich ein Großteil von Orchester und Ensemble ( und all der anderen Angestellten natürlich, die alle großartige Arbeit leisten!) so eindeutig äussern, sollte das ernst genommen werden!

Gewiss ist eine Absetzung des Intendanten kein einfacher Schritt, und eine Interimsintendanz auch nicht ein Versprechen auf sofortige Besserung. Dennoch scheint es hier das beste Mittel, um ein so wundervolles Theater wieder auf die Bahn zu bringen!
Offener Brief Schwerin: Hinweis NDR-Kulturjournal
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/kulturjournal/Streit-im-Theater-Schwerin,kulturjournal6680.html
Offener Brief Schwerin: Fragen
Generell eine berechtigte Frage: brauchen unsere Kulturinstitutionen mehr Mitbestimmung oder Mitwirkung? Aber wenn, dann: Es gibt mehr Sparten am Mecklenburgischen Staatstheater als die Staatskapelle und das Schauspielensemble. Und auch die Abteilungen: Technik, Werkstätten, Verwaltung etc werden offenbar nicht befragt. Dabei wären das kompetente Ansprechpartner, wenn es um die Frage der Vorstellungsanzahl mit verknappten Mitteln geht. Interessant auch: Chor und Ballettensemble, zeitweise auch laut in der Kritik, haben das jüngste Schreiben offensichtlich nicht mit unterzeichnet. Was das Orchester angeht: Herrscht da wirklich Einigkeit? Ein Intendant kann wechseln, im Orchester sitzt man gemeinsam ein Leben lang. Wer, der anders denkt, ist mutig genug, sich da momentan offen zu äußern? Meinungsbilder, die durch herausstechende Stimmen geprägt werden, sind mit mit Umsicht zu genießen. Hoffentlich verleiht die anstehende Mitarbeiterbefragung all denen, die nicht gefragt werden, die Art oder den Zeitpunkt der öffentlichen Diskussion falsch finden oder Angst haben, sich offen zu äußern, ihre Stimme und es kann ein Bild entstehen, das die tatsächliche Stimmung im Hause wiedergibt. Mit dem Ergebnis kann (und muss) dann gearbeitet werden.
Offener Brief Schwerin: Antwort an Anette
Hallo Annette, in Schwerin haben nur Orchester und Schauspiel einstimmig dem Schreiben zugestimmt. Tanz und Chor waren nicht einstimmig anderer Meinung, aber nicht einstimmig zustimmend. Die technischen Bereiche halten sich zurück. Leider. Oder noch. Das kann ich nicht beurteilen.
Jedenfalls ist die absolute Mehrheit der darstellenden Künstler gegen die Strategie des Intendanten, falls man politische Unterwürfigkeit als Strategie bezeichnen mag. Das ein Leiter, der sein Team für den Erhalt seines Vertrages mehr als offensichtlich opfert, vom Team weder geschätzt noch gestützt wird, dürfte nicht überraschen.
Ja, es ist gut, dass sich die Zeiten ändern und sich die Mitarbeiter positionieren. Dies kann, wie in der metoo-Debatte, übers Ziel hinaus schießen, macht die Debatte damit aber noch nicht zu einer unrichtigen.
Offener Brief Schwerin: Dominant
Sehe das wie Anette: Anti-Stimmungen lassen sich immer leichter initiieren als pro-Stimmungen und sind im Kollektivdruck immer dominant.
Offener Brief Schwerin: Innerbetrieblich lösen
Innerbetriebliche Spannungen sollten innerbetrieblich angegangen werden, nicht durch Forderungen nach Austausch der handelnden Personen. Es gilt doch nach wie vor: Wem etwas nicht gefällt, der sollte gehen und wenn er das nicht macht, sein Möglichstes dafür tun, dass es besser wird. Brandbriefe mit Rücktrittsforderungen jedenfalls sind betriebsschädigend.
Offener Brief Schwerin: Befristet
#8 meines Wissens sind Intendantenverträge befristet, die von Orchestermusikern nicht!
Offener Brief Schwerin: "Unterfordert"
Wir waren am Sonntag im Schweriner Staatstheater und waren begeistert von der fantastischen Jekyll und Hyde Vorstellung. Bei den Eintrittspreisen ist es mir ehrlich gesagt ziemlich egal, ob sich Orchestermusiker dabei “unterfordert” gefühlt haben. Für uns war die Vorstellung jedenfalls jeden Euro wert und wird uns lange in guter Erinnerung bleiben.
Offener Brief Schwerin: gesellschaftliche Verantwortung
Seit zwei Jahren komme ich häufig ins Theater nach Schwerin und habe schon viele tolle Stücke gesehen. Am letzten Wochenende „Hexenjagd“. Ich war begeistert, von der Aktualität und Umsetzung des Stückes und den großartigen Schauspielern. Besonders ausdrucksstark und überzeugend fand ich die „Mary“. Ich hoffe, dass sich die Führungsriege des Theaters seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist und weiterhin - so gut umgesetzte - sozialkritische Stücke ins Programm nimmt und nicht zu einer weiteren gesellschaftlichen und politischen Verflachung beiträgt. Das Theater-Ensemble trägt bereits seinen Teil dazu bei: mutig !!!!
Kommentar schreiben