"Mobbing gedeiht in Vetternwirtschaft"

Juliana da Costa José im Interview mit Sophie Diesselhorst

11. April 2019. An den Bühnen Halle schwelt seit Längerem ein Personalkonflikt. Im Zentrum die Spartenleiter Matthias Brenner (Schauspiel), Florian Lutz (Oper) und der Geschäftsführer Stefan Rosinski. In den letzten Wochen eskalierte der Streit: in Offenen Briefen und in Medienberichten über die PR-Managerin Juliana da Costa José, die nach drei Tagen Arbeit an den Bühnen Halle das Haus wieder verließ. Im Interview mit Sophie Diesselhorst spricht Juliana da Costa José über das Binnenklima und die Probleme am Haus.

Juliana da Costa José, Sie waren Ende März für eine Woche in der Presseabteilung der TOOH Halle angestellt und haben nur drei Tage am Haus verbracht – bis herauskam, dass ein Nacktfoto von Ihnen unter der Belegschaft in Umlauf gebracht worden war. Ein paar Tage später war das Foto in der Bild-Zeitung zu sehen unter der Überschrift "Referentin mit Nacktfoto aus der Oper gemobbt"...

Ja, ich habe der Bild-Zeitung die Freigabe zur Verwendung erteilt, weil ich vor Wut fast geplatzt bin. Dieses Foto hat den absoluten Tiefpunkt einer ohnehin schon schwer belastenden Horrorwoche für mich markiert. Ich war auf Empfehlung aus dem Umfeld von TOOH-Geschäftsführer Stefan Rosinski nach Halle geholt worden, weil die Presseabteilung zu kollabieren drohte. Ich komme aus der Rockmusik und habe weder Affinität noch Interesse an einer irgendwie gearteten Karriere in Theater oder Oper. Abgemacht war, dass ich als PR-Profi für zwei Monate dort aushelfe und gleichzeitig analysiere, was in der Presseabteilung schiefläuft. Das größte Problem war ziemlich schnell klar: Zwei Stellen reichen für ein Fünf-, eigentlich Sechs-Sparten-Haus nicht im Geringsten aus. Außerdem gab es keine klare Arbeitsteilung. Mir wurde erstmal alles hingeschoben, was ewig liegengeblieben war. Ich sollte mich um Newsletter, Social Media kümmern – aber ohne Rechner, auf kaputtem Stuhl und mit einem Internet, das ständig zusammenbrach, mit Kollegen, die schon länger nur noch auf Sicht fahren.

Wie haben Sie das Betriebsklima am Haus sonst wahrgenommen? In Offenen Briefen und Statements war zuletzt – nach der Berichterstattung über Ihr Foto – die Rede von "gefährdetem Betriebsfrieden".

Die Atmosphäre ist total vergiftet, ja. Es herrscht eine unerträgliche Lagerbildung, die tiefstes Misstrauen sät. Wenn du neu da reinschneist wie ich, wird schnell und eifrig nach Beweisen gesucht dafür, auf welcher Seite du stehst. Aber es ist kein Streit aus Leidenschaft, sondern aus Angst. Mein Eindruck war, dass die Mitarbeiter sich eigentlich alle danach sehnen, dass dieser Krieg endlich zu Ende ist. Ich glaube, das geht nur, indem Interessen transparent gemacht werden. Und zwar nicht nur die der künstlerischen Leitungen und der Geschäftsführung im offiziellen Machtkampf.

Juliana da Costa Jose 560 sd uFlucht ergriffen: Die PR-Managerin Juliana da Costa José war drei Tage an den Bühnen Halle © sd

Ein ganz grundsätzliches Problem liegt meiner Ansicht nach aber auch in der Vetternwirtschaft. Es sind zu viele miteinander verwandt, verschwägert oder sonst irgendwie emotional voneinander abhängig. Wichtige Positionen werden blockiert durch Leute, die nicht wegen ihrer beruflichen Qualifikationen angestellt wurden und nach so langer Zeit inzwischen leider unkündbar sind – dadurch wird Leistung vermindert und verhindert.

Sie haben nur drei Tage am Haus gearbeitet. Was ist an diesen drei Tagen passiert?

Am ersten Tag wurde ich durchs Haus geführt und allen vorgestellt, die Intendanten von Oper und Neuem Theater Florian Lutz und Matthias Brenner habe ich allerdings nicht persönlich kennengelernt, weil sie an dem Tag nicht im Haus waren. Am zweiten Tag habe ich mich in die Arbeit gestürzt – und der Theaterpädagogin, Puppenspielerin und Frau des Spartenleiters Puppentheater Sylvia Werner von meiner Idee einer Transparenz-Offensive erzählt.

Sie sind langjährige Wikipedianerin und haben bereits im Februar einen Artikel zu Stefan Rosinski auf der Informationsplattform erstellt und auch die Artikel von Florian Lutz und Matthias Brenner bearbeitet, bevor Sie nach Halle gekommen sind...

Ja, das wurde dann zum Streitpunkt, weil ich es selbst offen gelegt habe. Ich habe Sylvia Werner im Gespräch über die Transparenz-Offensive Beispiele meiner Wikipedia-Arbeit gezeigt. Auf einmal lag die Aufmerksamkeit darauf, und am nächsten Tag beschwerte sich Matthias Brenner in einem MDR-Interview darüber, dass ich seinen Artikel durch meine Hinzufügungen ins Negative gewendet hätte. Bei mir selbst hat er sich aber nicht gemeldet mit seiner Beschwerde.

Tatsächlich haben Sie Stefan Rosinskis Artikel ziemlich oberflächlich und neutral gehalten, bei Florian Lutz und Matthias Brenner ist der Ton Ihrer Hinzufügungen wesentlich kritischer...

Ja, weil ich mit Rosinski bereits persönlich gesprochen hatte. Zu den beiden anderen hatte ich nur die Medien als Quelle, aber auch sie sollten im Rahmen der Transparenz-Offensive die Möglichkeit haben, mit mir ihre Artikel zu gestalten, da Primärquellen immer besser als Sekundärquellen sind. Grundsätzlich: Ich hätte nie unter meinem echten Namen etwas editiert, wenn ich vorgehabt hätte Lutz oder Brenner vorsätzlich zu schaden. Ich bin seit 2005 Wikipedianerin, war national und international Funktionärin. Ich kenne alle schmutzigen Tricks. Wenn ich wollte, gäbe ich den 1a-Troll und niemand käme mir drauf. Ich gehöre in Halle keinem Lager an – und habe Rosinski auch gesagt, dass ich in seinem Artikel noch Passagen ergänzen werde zu den Problemen, die er an mehreren Arbeits-Orten gehabt und verursacht hat.

Worin hätte denn Ihre Transparenz-Offensive bestanden?

Eine eigene Webseite, auf der alle beteiligten Positionen ihre Interessen und Konflikte klar darlegen, die außerdem offen ist für Fragen von außen, so dass man eine Übersicht bekommt und sich die Öffentlichkeit ein Bild machen kann, so habe ich mir das gedacht. Damit irgendwann die Kunst wieder in den Fokus rücken kann. Aber das ist ganz klar nach hinten losgegangen, spätestens nach Brenners Interview. Außerdem habe ich an meinem zweiten Arbeitstag als automatische administrative Sicherheitssofortmaßnahme nach ungeklärten Löschungen auf der Facebook-Seite der TOOH mehrere Passwörter auf Null gesetzt, ohne das vorher mit meinen Kollegen zu besprechen – weil das alles überhaupt nicht richtig abgesichert war und die Passwörter überall fröhlich herumflogen. Meine Kolleg*innen fühlten sich davon ziemlich überfahren. Am Freitag leitete mir dann Stefan Rosinski einen Screenshot des Oben-ohne-Fotos weiter, das unter den Mitarbeiter*innen kursiere. Ich habe das Foto im Rahmen einer feministischen Kampagne vor Jahren selbst gepostet – später gelöscht, aber nicht gründlich genug.

Wer hat das Foto verbreitet?

Ich weiß es nicht. Irgendwer, der weiß, was eine wayback-machine ist, muss es sichtbar gemacht und verbreitet haben – um mir zu schaden oder mich in dem schwelenden Konflikt zu instrumentalisieren. Vermutlich beides.

Der Betriebsrat der TOOH hat in einer Stellungnahme vergangenes Wochenende behauptet, das Bild sei höchstens einem kleinen Kreis bekannt gewesen.

Das stimmt nicht. Ich weiß von mehreren Seiten, dass es überall herumgereicht wurde. Natürlich will es am Ende keiner gesehen haben, weil es strafbar ist, das Bild weiterzuverbreiten, und alle, die es geteilt haben, dran wären, wenn es zu einer Anzeige käme.

Haben Sie selbst gekündigt, nachdem Sie von der Verbreitung des Fotos erfahren hatten?

Ich habe mit Stefan Rosinski einen Auflösungsvertrag gemacht – nachdem mir noch nachträglich aus meinem Arbeitsbereich mitgeteilt worden war, dass ich grundsätzlich nicht ins Team passen würde. Mit dem Argument wurde ihrerzeit übrigens auch die umstrittene Kündigung der Musiktheater-Pädagogin Barbara Frazier begründet. Mobbing gedeiht in Vetternwirtschaft, und es tut sich hier ganz klar ein Muster auf.

Werden Sie Anzeige stellen wegen der Verbreitung des Fotos?

Ich habe mich noch nicht entschieden. Gerade denke ich: eher nein. Die haben genügend Probleme, und ich sehe meine Karriere woanders als in der selbsternannten Hochkultur.

Vielen Dank für das Gespräch.

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