"Ich bin nicht Brad Pitt!"

von Sascha Westphal

Düsseldorf, 18. Mai 2019. Vier Tribünen umgeben eine quadratische, etwa einen Meter hohe Plattform aus schwarz lackiertem Holz. Ein Ring für die Männer, die sich in Chuck Palahniuks Roman "Fight Club" in dunklen Kellern treffen und dort in enthemmten Zweikämpfen prügeln, bis einer aufgibt. Die Assoziation drängt sich beim Einlass auf. Das Publikum wird Teil dieser verschworenen Gemeinschaft frustrierter, zielloser junger und nicht mehr ganz so junger Menschen, die sich nur noch im archaischen Kampf Mann gegen Mann lebendig fühlt. Erst später, als Tyler Durden, dieser selbsternannte Prophet der Zerstörung, von den riesigen Scheiterhaufen spricht, auf denen die Leichen verbrannt wurden, bekommen die Raumsituation und Fabian Wendlings Bühnenarrangement noch eine zweite, viel bedrohlichere Dimension. Diese Holzkonstruktion ist Opferstätte und Scheiterhaufen in einem.

Aggressives Anwerben

Zunächst aber setzt Roger Vontobel in seiner Adaption des 1996 erstmals erschienenen und 1999 von David Fincher verfilmten Romans auf Komplizenschaft. In der hinteren linken Ecke des Raums steht zwischen zwei Tribünen ein kleines Podest, auf dem sich drei Musiker und eine Sängerin, Sonja Beißwenger, versammelt haben. Noch während die Zuschauerinnen und Zuschauer in den Saal kommen, beginnen sie zu spielen. Fetzen eines Konzerts, das von Anfang an eine Stimmung rauschhafter Aggressivität heraufbeschwört. Es hat etwas Verführerisches, wie Sonja Beißwenger als Marla Singer auf dieser Minibühne herumstöckelt und hin und her wankt. Die Coolness des Kaputten als Brennstoff für eine Sehnsucht, die alle Grenzen hinter sich lässt.

Irgendwann verlischt dann das Saallicht, und Eddy Runtler tritt auf, der Ich-Erzähler des Romans, dem Palahniuk gar keinen Namen gegeben hat. Eddy Runtler, ein Anagram, das die Nähe zwischen diesem mittleren Angestellten eines Autokonzerns und seinem Freund, dem anarchistischen Außenseiter Tyler Durden, betont. Ein erster Hinweis auf die große Wendung, die natürlich allen, die den Roman oder den Film kennen, vertraut ist.

FightClub2 560 Thomas Rabsch u Kilian Land als Eddy Runtler, dem mittleren Angestellten, dem die große Zerstörung einheim kommt in "Fight Club" © Thomas Rabsch

Mit der grauen Anzughose, dem weißen Businesshemd und dem gelockerten grauen Schlips ist Kilian Lands Eddy sofort als einer aus der gesichts- und geschichtslosen Armee der Büroangestellten zu erkennen. Ein, um den Titel eines anderen, schon 1955 veröffentlichten US-amerikanischen Romans zu zitieren, "Man in the Gray Flannel Suit", einer der keine Eigenschaften, aber wenigstens eine große Eigentumswohnung im fünfzehnten Stock eines direkt am Park gelegenen Hochhauses hat.

Scheiterhaufen nach der Explosion

Obwohl das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ganz stimmt. Von der schicken Wohnung sind nach einer Explosion nur rauchende Trümmer und Erinnerungen geblieben. Also beginnt Eddy von der Einrichtung seines Appartements, alles aus dem Ikea-Katalog, und von seiner Leidenschaft für Senf zu erzählen. Eine eigentlich närrische Situation, ein äußerlich gestrandeter und innerlich haltloser Mann doziert über die Herstellung unterschiedlichster Senfsorten. Aber Kilian Land verleiht ihr eine anrührende Grandezza.

fight club4 560 thomas rabsch uLinks Wolfgang Michalek als Tyler Durden, der verweichlichten Männern in "Fight Club" ihre Männlichkeit zurückgeben will © Thomas Rabsch

Dieser Angestellte, der Tag für Tag den Wert von Menschenleben berechnen muss, ist eben kein lächerlicher, sondern ein bedeutungsloser Mann mit einem bedeutungslosen Leben in einer letzten Endes bedeutungslosen Welt. "Ich bin nicht Brad Pitt", das ist Eddys erster Satz, den später auch Tyler Durden in Gestalt von Wolfgang Michalek wiederholen wird. Damit ist fast schon alles gesagt.

Wenig Coolness, viel Apokalypse

Anders als David Finchers Film, in dem Brad Pitt den Begründer des "Fight Club" verkörpert hat, meidet Roger Vontobel alles Glamouröse und damit auch alles Pop-Kultische. Er sucht das Alltägliche und findet darin einen apokalyptischen Kern. Nicht zufällig stolziert Wolfgang Michalek bei seinem ersten Auftritt von oben aus den Zuschauerreihen herunter ins Zentrum des Raums.

Sein Tyler Durden, der den verweichlichten Männern in grauen Flanellanzügen ihre Männlichkeit zurückgeben will, zunächst durch den "Fight Club", später durch sein terroristisches "Projekt Chaos", kommt aus dem Publikum, an das er sich dann ganz direkt wendet, um Mitglieder für seinen Club zu werben. Dass er selbst dem heroischen Ideal eines kämpferischen Mannes, der als Jäger durch die Welt zieht, so gar nicht entspricht, spielt dabei keine Rolle. Natürlich wirkt diese schwammige Körperlichkeit, die Wolfgang Michalek bei seinen Auftritten geradezu ausstellt, erst einmal grotesk. Aber sie nimmt dieser Figur nichts von ihrer Gefährlichkeit, im Gegenteil.

Schreckensgemälde

Im Spannungsfeld der beiden Männer, die trunken sind von Blut und Schlägen, Gewalt und archaischem Denken, bleibt Sonja Beißwengers Marla Singer nur die Rolle der Zuschauerin und des Opfers. Wenn sie zu Beginn in Eddys Welt eindringt und sie zum Einsturz bringt, ist das eine Chance, die er verstreichen lässt. Er folgt lieber dem Verführer und Rattenfänger Tyler. Also steigert sich Sonja Beißwenger in einer grandiosen Shownummer in eine düster-poetische Selbstmordphantasie hinein.

In der traurigen, zerstörerischen Männerwelt, die Roger Vontobel in seiner zwischen Farce und Schreckensgemälde, Konzert und Performance oszillierenden Inszenierung skizziert, bleibt sie die ewige Ophelia, eine Figur wie aus dem zweiten Teil von Heiner Müllers "Hamletmaschine". Der Rest ist allerdings nicht Schweigen. Sie bleibt am Ende zurück und stimmt einen melancholischen Song an. Ein Trauergesang für eine Welt, der es einfach nicht gelingt, sich von dem Wahn des Männlichen zu lösen.

 

Fight Club
nach dem Roman von Chuck Palahniuk
unter Verwendung der deutschen Übersetzung von Fred Kinzel
Uraufführung
Regie: Roger Vontobel, Bühne: Fabian Wendling, Kostüme: Tina Kloempken, Musikalische Leitung: Keith O’Brien, Licht: Jürgen Kolb, Dramaturgie: Robert Koall.
Mit: Kilian Land, Wolfgang Michalek, Sonja Beißwenger, Keith O’Brien (git), Jan-Sebastian Weichsel (b), Manuel Loos (dr, elec).
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.dhaus.de

Kritikenrundschau

"Wie alltägliche Menschen freiwillig in die Hölle gehen – das beleuchtet die Inszenierung. Allerdings quält sich die Performance über Strecken hinweg, in denen viel gelabert wird", schreibt Michael-Georg Müller von der Westdeutschen Zeitung (19.5.2019). "Fazit: Aggressive, mächtig dröhnende Gewalt-Performance mit starken Darstellern und Momenten und vereinzelten, lyrischen Einsprengseln. Leider auch mit pädagogischem Zeigefinger, der aufgesetzt wirkt. Und: 30 Minuten zu lang!"

"Gewiss, der Uraufführungsabend hatte ein paar kleine Wackler und fordert mit seiner Textlawine und den teilweise brutalen Szenen Ensemble und die Zuschauer bis zur Erschöpfung. Für stehende Ovationen reichte es am Ende aber doch noch. Zurecht", so Stephan Hermsen in der Neuen Ruhr Zeitung (19.5.2019). "Es lohnt sich, über diesen Düsseldorfer Fight Club zu sprechen."

"Ein teils vulgärer, teils tiefgründiger Schauspielerabend" sei Vontobels Inszenierung, so Bertram Müller in der Rheinischen Post (19.5.2019). "Die Moral von der gewaltsamen Geschicht' drängt sich in den letzten Szenen der zweistündigen Aufführung allzu stark auf und nimmt der Inszenierung viel von ihrer überwältigenden Unmittelbarkeit."

Kommentare  
Fight Club, Düsseldorf: polarisierend
Schade, dass in der Kritik nicht auf die extrem gespaltene Meinung seitens des Premierenpublikums eingeht. Rund die Hälfte der Premierenbesucher*innen gibt Standing Ovations, Bravo-Rufe und machen mit Trampeln mächtig Lärm. Dagegen die andere Hälfte, die einfach da sitzt und die Darsteller*innen mit höchst einfachem Applaus in den Feierabend schickt. Polarisierende Darbietung!
Fight Club, Düsseldorf: bravo/buh
Ist polariesierend nicht, wenn die einen Bravo rufen und die anderen Buh? Was Sie beschreiben, habe ich auch erlebt, aber nicht polarisierend, sondern betroffen oder einfach nicht ganz so enthusiastisch - was ja immer noch gut ist.
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