Hallo Wien, gibt's hier WLAN?

von Martin Thomas Pesl

Wien, 7. Juni 2019. Einmal passierte der Versprecher tatsächlich, und Kay Voges sagte "Volksbühne". Nachdem der 47-jährige angekündigt hatte, seine Intendanz am Schauspiel Dortmund über das Jahr 2020 hinaus nicht zu verlängern, weil er nach einer größeren Stadt, einem größeren Haus strebe, hatten ihn die deutschen Feuilletons eher dort avisiert, in Berlin an der Volksbühne.

Dass es auch das Volkstheater werden könnte, hatte irgendwie niemand auf dem Schirm. Dabei geht es sich, wie wir in Wien sagen, perfekt aus: Die kommende Spielzeit wird die letzte der aktuellen Intendantin Anna Badora sein. Und da es mit der Bestellung für ihre Nachfolge nun wirklich sehr, sehr knapp wurde, war es ganz praktisch, jemanden zu finden, der eh Zeit hat und nicht Hals über Kopf aus einem bestehenden Vertrag aussteigen muss.

Lustvolle Österreicher

Am heutigen Freitagmorgen stellte sich Kay Voges bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Rathaus vor. Dass sein Name schon am Vorabend durchgesickert und zunächst auf der Website des Magazins "News" veröffentlicht worden war, führte am Ende des Termins zu einem recht peinlichen Detektivspiel eines Kultur-/Tratschjournalisten und einem viel zu langen Geplänkel mit Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, wer die Information geleakt haben könnte. Kay Voges blickte nachdenklich vor sich hin und fragte sich womöglich zum ersten Mal, wo er da nur hineingeraten war?

Kay Voges 560 Marcel Urlaub uEin "Piefke" als neuer regieführender Intendant: Kay Voges wurde 1972 in Düsseldorf geboren. © Marcel Urlaub

Im Burgtheater fand parallel zur Pressekonferenz die Bauprobe für Voges' Inszenierung "Dies Irae" statt, die dort laut gestern veröffentlichtem Spielzeitheft noch diesen Winter Premiere haben wird. Es wird bis auf weiteres seine einzige dort bleiben, obwohl sein langjähriger Wegbegleiter Alexander Kerlin unter Martin Kušej Dramaturg wird. Denn zumindest im ersten Jahr möchte Voges ganz für das Volkstheater da sein. Mit ihm im Leitungsteam werden auch seine Dortmunder Stellvertreterin Mirjam Beck und der Komponist Paul Wallfisch sein. Überhaupt, das ist eine Neuerung, soll es sehr musikalisch werden am Volkstheater. Außerdem wolle er "lustvolle österreichische Autor*innen" zeigen, er sei ein großer Fan von Jelinek, Schwab und Bernhard.

Technischer Fortschritt

Nachdem er verraten hatte, erst vor zweieinhalb Wochen von der Jury angerufen und zur Bewerbung aufgefordert worden zu sein, verlas Voges ein vorbereitetes Statement zum Theater als Ort für alle, ein Bekenntnis zum Ensembletheater. Er versuchte es mit Charme, als er zugab, das Volkstheater sei noch schöner als das Schauspielhaus Hamburg, und sich selbst demütig als "Piefke" bezeichnete, der nun in aller Ruhe die Stadt, das Theater, die Gewerke und das Ensemble kennenlerne wolle. Eigentlich sollte es nicht überraschen, dass Voges vorhat, einige Schauspieler*innen zu behalten – "um das Ensemble zu vergrößern und mit weniger Gästen zu arbeiten", wie er sagte. De facto verblüfft es aber, herrscht doch im Haus seit einem Jahr allgemeine Endzeitstimmung.

Borderline1 560 Birgit Hupfeld uKay Voges' Erfolgsinszenierung aus dem Jahr 2016: Die Dortmunder "Borderline Prozession" wurde 2017 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. © Birgit Hupfeld

Voges gilt ja als der Mann, der das digitale Zeitalter ins Theater und das Theater ins digitale Zeitalter gebracht hat. Diejenigen, die von ihm als Regisseur technisch ausgeklügelter Arbeiten wie Die Parallelwelt oder Die Borderline Prozession gehört haben, beruhigten er und Kaup-Hausler: Es werde Schauspieltheater geben, mit "Menschen aus Fleisch und Blut". Möglicherweise werde er mit seiner in Dortmund gegründeten Akademie für Digitalität und Theater kooperieren und junge Regiehandschriften in der Nebenspielstätte Volx/Margareten zeigen. Was aber die Ausstattung betrifft, wolle er das Volkstheater zum "fortschrittlichsten Theater Österreichs" machen. Angesichts des dringend renovierungsbedürftigen Hauses, in dem derzeit die Internetverbindung ausgerechnet in der Technikkabine am schlechtesten funktioniert, hört sich das im ersten Moment wie ein großartiger Witz an.

Nicht nur deshalb ist das fast ein surrealer Moment. Wie Voges mit seiner wohltemperierten, angenehmen Stimme zu den Wiener*innen spricht wie ein Schauspieler oder Nachrichtenmoderator. Wie er müde und nervös wirkt und trotzdem versucht, im Fragenhagel halbwegs konkrete Antworten zu geben. Und dass dieser Intendant – erstmals seit 1948 ein Deutscher – jetzt überhaupt da ist.

Wiener Großbaustellen

Die Ernennung der neuen Direktion war lang herbeigesehnt und von vielen Diskussionen begleitet worden. Als Kulturstadträtin Kaup-Hausler vor seit gut einem Jahr ihr Amt auf einem SPÖ-Ticket des neuen Wiener Bürgermeisters antrat, musste sie sich sofort mit drei Großbaustellen beschäftigen, die sie der Reihe nach abarbeitete: Tomas Zierhofer-Kin verließ die Wiener Festwochen, Nicolaus Schafhausen die Kunsthalle, und Anna Badora erklärte, sich nicht um eine Verlängerung ihrer Intendanz am Volkstheater zu bemühen. Grund war neben harscher Kritik an dem in ihrer Amtszeit zunehmenden Publikumsschwund die chronische Unterdotierung des 130 Jahre alten Stadttheaters. "Die stärkste Kraft in Wien ist die, die verhindern will, dass sich etwas verändert", ätzte sie einmal.

BADORA A lupi spuma uDie aktuelle Intendantin Anna Badora ist seit 2015 im Amt. Zuvor leitete sie das Schauspielhaus Graz. © Lupi Spuma

Es ist Kay Voges zu wünschen, dass er sich bald mit ihr auf einen langen Kaffee zusammensetzen kann. Badora hat versucht, das unter ihrem Vorgänger Michael Schottenberg eher auf gefällige Unterhaltung und Klassikerpflege abzielende Programm durch ein politischeres zu ersetzen, neue Regiehandschriften zu zeigen und das Volkstheater wieder in die überregionalen Feuilletons zu bringen. Letzteres ist ihr gelungen, aber zu dem Preis, dass die Abonnent*innen in Scharen davonliefen. Für den tiefenentspannten Aufbau eines neuen Stammpublikums fehlten letztendlich Zeit und Nerven. "Auch bei mir wird die Auslastung nicht sofort auf 85 Prozent steigen", erklärte übrigens Voges. "Das muss sich entwickeln."

Beratung mit der Stadtgesellschaft

Polit-Quereinsteigerin Veronica Kaup-Hasler, zuvor selbst Intendantin (beim Steirischen Herbst), hat eine originelle, aber zeitaufwändige Art gewählt, ihre Baustelle Volkstheater in Angriff zu nehmen. Sie setzte sich ein paar Monate lang täglich um neun Uhr morgens in ein Café, wo man sich mit ihr verabreden konnte, um über das Volkstheater zu reden. Im Haus selbst veranstaltete sie Podien, an denen Kaliber wie Daniel Wetzel von Rimini Protokoll, Stefan Bläske vom NT Gent oder Barbara Mundel (demnächst Münchner Kammerspiele) dem etwas ratlosen Publikum etwas über Stadttheaterformen der Zukunft erzählten. Nicht öffentlich, aber intensiv wurde indes in der Stadt auch gefragt, ob das Volkstheater überhaupt noch einen eigenen Spielbetrieb brauche, oder ob es als Haus für eingekaufte Tourneeproduktionen nicht besser aufgehoben wäre.

VT ARCHITEKTUR 13 c Lupi Spuma uDas Volkstheater Wien wurde 1889 im 7. Bezirk erbaut © Lupi Spuma

Es folgte eine angesichts der aufgeregten Diskussionen relativ normale Ausschreibung, und eine Jury wurde ernannt, der unter anderem die schon erwähnte Barbara Mundel, Noch-Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann und Lukas Crepaz, der kaufmännische Direktor der Salzburger Festspiele, angehörten. Die Jury ersuchte Kaup-Hasler jedoch nach einigen Hearings, den Findungsprozess zu stoppen, da unter den gegebenen finanziellen Bedingungen (12,4 Millionen Euro Jahressubvention) keine seriösen Kandidat*innen zu finden seien.

Die Stadt stellte zwei weitere Millionen in Aussicht, sollte sich auch der Bund mit einer Million beteiligen. Der kleine Erpressungsversuch beim damaligen Kulturminister Blümel (ÖVP) scheiterte, die zwei Millionen der Stadt kommen nun trotzdem dazu. So konnte der Prozess fortgesetzt werden, ein Dreiervorschlag wurde der Kulturstadträtin unterbreitet. Die Belegschaft des Theaters wurde indes mit Recht unzufrieden, weil sie aufgrund der nun praktisch zwischen die Intendanzen gerutschten Generalsanierung des Hauses längere Arbeitslosigkeit befürchtete.

Der Ruf "Weniger Mut!"

Diese könnte nun tatsächlich eintreten. Kaup-Hasler gab bekannt, dass Voges – als Puffer sowohl für seine knappe Vorbereitungszeit als auch für den Zeitplan der Sanierung – erst im Januar 2021 starten darf. Das wird noch Diskussionen geben. Auch nachdem der designierte Intendant schon das Rathaus verlassen hatte, um sich im Volkstheater selbst vorzustellen, wurde die Kulturstadträtin bestürmt. Mag sein, dass Voges in Dortmund sein Theater füllt, hieß es, aber das habe ja auch nur 500 Plätze und nicht 900 wie das Volkstheater. "Weniger Mut!", rief tatsächlich einer. Mit Experimenten werde man doch das Publikum nicht zurückbringen.

Leicht wird es Voges also schon deshalb nicht haben, weil alle in Wien lange genug Zeit hatten, sich zu überlegen, wer der einzig perfekte Intendant ist: die Burgschauspielerin Maria Happel, der Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer, oder vielleicht ein Kollektiv? Einige Vorteile gegenüber seiner Vorgängerin hat Voges aber: Ihm steht ein frisch saniertes Haus und immerhin ein bisschen mehr Geld zur Verfügung. Und: Während man 2015 Anna Badora noch hoffnungsvoll zutraute, das kolossal regietheaterfeindliche Volkstheaterpublikum abzuholen und zu interessanterem Theater zu erziehen, glaubt man mittlerweile nicht mehr, dass das überhaupt geht. Voges hat also nichts zu verlieren, sondern kann sich im Gegenteil als Zauberer profilieren, der den Phönix Volkstheater aus der Asche holt. Vorausgesetzt, er findet ein WLAN-Netz.



Presseschau

"Voges gilt selbst als Pionier der Aufrüstung des Theaters mit Digitalem und audiovisuellen Medien", schreibt Thomas Kramar in der Presse (7.6.2019). Voges wolle das Volkstheater als "Arbeitertheater" gegen das stärker auf Repräsentation abonnierte Burgtheater positionieren; "weniger Sekt als vielleicht Bier aus der Flasche", zitiert Kramar aus der Pressekonferenz und gibt zu bedenken: "Voges kommt aus Dortmund, wo das Schauspielhaus gerade 60.000 Besucher pro Jahr hat und wo es nicht wie in Wien eine Vielzahl von meist experimentell ausgerichteten Kleinbühnen gibt, die viel von dem, was sich Voges wünscht, schon längst machen – und zwar meist ohne damit das ersehnte neue Publikum anzulocken. Und gerade das klein- und bildungsbürgerliche Publikum, das Wien zur Theaterstadt macht, hängt an traditionellen Formen. Wird Voges offen genug sein, um das in Wien zu lernen?"

Als "Kind des Stadttheaters" stellt Margarete Affenzeller im Standard (7.6.2019) vor. "Zwar gehe es ihm darum, das Volkstheater 'für die digitale Moderne fit zu machen', eine 'Factory für Theaterkunst' zu etablieren, aber dennoch soll es hier 'richtiges Schauspielertheater' geben". Für zweieinhalb Wochen Vorbereitungszeit klängen Voges' Pläne für das Volkstheater "schon ziemlich konkret", schreibt Affenzeller. "Vermutlich setzt Voges nun konzeptuelle Grundpfeiler, die er für die Volksbühne Berlin im Talon hatte, nun in Wien um."

"Voges steht für Stück- und Stoffbearbeitungen mit reichlich Einsatz von Multimedia und Musik", schreibt die Feuilletonleiterin der Wiener Zeitung (7.6.2019) Christina Böck. "Dass ich Intendant vom Volkstheater werden darf – Theater für das Volk –, kommt meiner Idee von Theater entgegen", zitiert sie Voges aus der Pressekonferenz. Theater sehe Voges als "Raum für 'Denkreflexion und Diskurs für die Stadt', es sei für alle da, von Jung und Alt, Arm und Reich, mit und ohne Zuwanderungsgeschichte. Das Theater sei ein Ort zum Feiern und Reflektieren, eine 'friedenserhaltende Maßnahme'".

In der Sendung "Rang 1" auf Deutschlandfunk Kultur (8.6.2019) im Interview mit Susanne Burkhardt spricht Kay Voges über die Gründe seiner Entscheidung fürs Volkstheater Wien und sein Vorhaben das Haus zum "Volkstheater für die digitale Moderne" zu machen.

 

 

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Kommentare  
Voges nach Wien: mit Knickleuchten
WLAN? - Im Moment leider nicht, Kay, aber wir bilden eine Signal-Menschenkette mit Knickleuchten! - Liebe Grüße und Glückwunsch, Dein Wien.
Voges nach Wien: bewusst unmodern
Die Frage wird sein; wieviel Publikum, lässt sich wo in Wien finden, für 'das modernste Theater Wien's'.
Und wo geht das Publikum hin, dessen Geschmak partout nicht modern werden will??
Die gibt es ja in dieser Stadt, davon schwärmt der angereiste Tourist, davon kann man sich in den Kaffeehäusern überzeugen.
Davon haben 'Die Altagsgeschichten' von Elisabeth Spira beständig erzählt.
Wo sollen die ins Theater, wenn Theater für Alle da sein soll.
Oder müssen die erst besseren Geschmack lernen, erst moderner werden.
Wien ist doch deshalb eine vielgerümte Theaterstadt, weil es tatsächlich für Alle was gibt.
Und das 'altmodische', 'unmoderne' nicht nur von Privattheater, wie in deutschen und Schweizer Städten angeboten wird, sondern eben auch von den subventionierten grossen Häusern.
Wien ist zum Teil der Zeit hinterher, aber deswegen gibt es in Wien auch noch bezahlbaren Wohnraum, weil die Wiener eben NICHT dem neoliberalen Irrsinn aufgesessen sind und ihre Gemeindebauten eben NICHT verkauft haben. Schöne Grüsse nach Berlin.
Einem Intendanten des Volkstheater Wien (nicht die Volksbühne Berlin!) empfiehlt sich auf jeden Fall die Lecture von Didier Eribon.
Voges nach Wien: nicht elitär
Kay Voges kann für Wien nur eine Bereicherung sein! Er hat es innerhalb kürzester Zeit mit bahnbrechenden Inszenierungen geschafft, das Dortmunder Theater zu einem Ort zu machen, in dem die Kunst auf die grossen Fragen unserer Zeit trifft. Er hat das Theater zu einem „Volks“theater gemacht, in dem jeder Besucher zum Denken angeregt wird, sogar (oder vielleicht gerade) diejenigen, die glauben, an dem Gedanken festhalten zu müssen, dass sie nur „klassische“ oder „altmodische“ Inszenierungen sehen wollen. Kay Voges macht kein elitäres Theater (der Meinung wäre Didier Eribon sicherlich auch)! Ganz im Gegenteil, in seinen Stücken geht es nicht mehr um Kategorien wie klassisch und modern, die sollten wir im Übrigen sowieso längst hinter uns gelassen haben. Diese Kategorisierungen in modern, altmodisch usw. schränken nicht nur die Spielräume der Kulturschaffenden ein, sondern auch den Horizont des Publikums. Stücke wie die Borderline Prozession hingegen SIND für jeden Besucher nur eine Bereicherung.
Kay Voges nach Wien: kritischer Kommentar
Hallo nachtkritik, bitte meinen Kommentar veröffentlichen, auch wenn er kritisch ist, danke

(Lieber Neill, kritische Kommentare veröffentlichen wir gerne, besagter war uns aber zu deutlich ad personam gerichtet. Sachlich kritischer Zweitversuch? Dank & Grüße aus d. Red.)
Voges nach Wien: knappe Erwiderung
@Yasemin #3 - nein, nicht für jeden (und jede).
Voges nach Wien: ein Baiser
Gut, zweiter Versuch: ich denke bei Inszenierungen von Kay Voges immer an ein Baiser, das nach etwas Verweildauer schnell in sich zusammenfällt. Mir ist unverständlich, was an diesen Inszenierungen "modern" sein soll. Bildschirme, Leinwände, Projektionen? Das gibt es doch alles seit über 20 Jahren. Simultan-Theater? Ach Gott, wichtig ist doch eher, was sich simultan abspielt. Wenn in Dortmund und in Berlin jeweils "Sturm der Liebe" parallel gezeigt und angeblich sich gegenseitig beeinflussend gezeigt wird, potenziert sich doch eher der Muff und der Kitsch. (...) "Denkreflexionen" sagt Herr Voges doch tatsächlich. Wenn er nicht einen verantwortlichen Posten hätte, wäre es zum Kichern. "Denkendes Nachdenken"- aha! Und "Schauspielertheater- gemacht von Regisseuren- jaja! Zum Glück ist der Lederer nicht drauf reingefallen. Was ist "modern" am Internet? Was ist "modern" daran, "Whatsapp" in einem Stück zu sagen (wie bei Simon Stone)? Es ist der Versuch, modisch zu sein, wie eine Boutique in Bergisch-Gladbach das ja auch versucht.
Voges nach Wien: Nachfrage
@Neill: Welche Arbeiten von Voges haben Sie gesehen?
Voges nach Wien: Klischees
@Neill. Was sind denn Sie für einer? Wenn man Ihr Posting liesst, könnte man meinen, Sie seien der Boutique-Besitzer aus Bergisch-Gladbach, von dem sie hier so abfällig fabulieren. Schließlich kennt offenbar keiner dessen Intentionen so gut wie sie. Schon die Bemühung dieses nicht sehr originellen Klischees zeigt ja eigentlich, wes' Geistes Kind Sie sind. Von dem, was Kay Voges in den letzten Jahren umtrieb und woran er in Dortmund forschte, haben sie ziemlich offensichtlich weder eine Ahnung oder auch nur ansatzweise etwas verstanden. Davon kündet jede Zeile ihres ignoranten und unintelligent um sich schlagenden Postings.
Voges nach Wien: Antwort
Vier Sachen, aus beruflichen Gründen, sonst wären es nur zwei geworden, denn jedesmal habe ich mich leider gelangweilt: Die Parallelwelt, Der Theatermacher, Das 1. Evangelium,
Endstation Sehnsucht.
Voges nach Wien: Ja dann...
@Neill: Dann sehen Sie es so, respektiere ich. Vielleicht sind Sie beruflich weniger in Österreich unterwegs, dann wäre ja der Wechsel nach Wien zumindest subjektiv ein Grund zur Freude :-)
Voges nach Wien: same same same
voges am volkstheater: toll. jetzt inszeniert er am burgtheater, wo sein ehemaliger chefdramaturg aus dortmund ist und seine arbeit betreut, dann geht er über die strasse ins volkstheater als intendant. alles austauschbar. alles dasselbe. keine produktive konkurrenz, kein ideologischer oder ästetischer konflikt mehr denkbar. same same same. das ist kapitalismus wie er muss. das genderthema noch beiseite gelassen, wo kämen wir da hin, wenn jetzt noch eine frau in wien intendantin würde?
Voges nach Wien: nur für Kritiker
Dieses nichtssagende und vor allem unsäglich teure Digitalgedöns gönnen wir den Österreichern. Wie man ja zuletzt auch in Dortmund gesehen hat, wollen das ja auf Dauer eh nur Kritiker sehen, und die können ja hinfahren. Und damit schalten wir zurück zum Theater.
Voges nach Wien: kein einfaches Pflaster
Also ich gönne Voges seinen neuen Intendantenposten und wünsche ihm viel Glück und Erfolg in Wien. Das ist ja kein einfaches Pflaster. Hoffentlich inszeniert er in den nächsten Jahren auch weiterhin wenigstens ab und zu an deutschen Bühnen.
Voges nach Wien: Nicht so geifern ...
@ #8 : Also gegen Ihren Beitrag, war der von Neill tatsächlich fundierter und weniger polemisch. "Was sind denn Sie für einer?" Z-z-z, das tut doch nichts zur Sache.
Voges nach Wien: kritischer Journalismus?
Es ist keine Verpflichtung eines Mediums wie "Nachtkritik", "kritischem", "objektivem oder gar "investigativem" Journalismus den Vorzug zu geben, aber es ist doch schade, wenn "hausnahe" Journalisten über ein Theater schreiben, egal ob in der Rück- oder Vorschau. So war Martin T. Pesl vor Kurzem auf der Bühne des Volkstheaters (Rote Bar) in einer Produktion einer befreundeten Schauspielerin zu sehen, arbeitet seit Längerem auch als Übersetzer für das Haus - u. a. aktuell für die kommende Eröffnungsproduktion von Miloš Lolić "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" (und hat zu allem immer auch einen Eintrag auf seiner facebook-Seite, sodass man davon wissen kann und sollte) und hat einen eigenen VT-Eintrag (wenn auch - noch - ungefüllt: www.volkstheater.at/person/martin-thomas-pesl/). Es wäre wichtig, gerade in diesen heiklen, auch sehr emotionalisierenden Fällen, hier doch Kolleg*innen mit mehr Distanz um ihre Einschätzungen zu bitten. Es macht schlichtweg kein gutes Bild, von einem, wie auch immer "freien Mitarbeiter" - in die eine oder andere Richtung - Hauptartikel zu lesen, denen dann an Objektivität und Distanz mangelt. Gerne als persönliches Beitrag, wie wir auch alle, die hier "Kommentare" posten dürfen oder auf der eigenen fb-Site, aber bitte, bitte nicht als Beitrag, der, dessen muss sich ein erfahrenes Medium wir Ihres auch bewusst sein, dann doch "Meinung machend" sein will

Immer wieder wird die Intendanz Badora als "positiver" Gegenentwurf zur Intendanz Schottenberg ausgespielt - so auch hier. Nur leider fehlen vielen, v. a. den jüngeren Kolleg*innen, wohl auch die (zeit-)"historischen" Erfahrungen. Im Fall "Badora versus Schottenberg" ist das besonders augenfällig. Hier wird einiges gerne vergessen, übersehen, übergangen, ignoriert.
Um die folgende Analyse genauer zu definieren, hier nur drei von vielen mehr an Punkten, die es im Detail anzusehen gelte:

1. das Haus intern + Mitarbeiter*innen
2. Spielorte + Publikum
3. das Konzept + der Spielplan

1. Das Haus intern
(...)

2. die Spielstätten und "ihr" Publikum
Auch hier wird immer wieder Badoras Leitung gegen jene ihres Vorgängers aus-gespielt. Und auch hier wäre es spannender, fairer und produktiver, sich die letzten Jahre genauer anzusehen.
Michael Schottenberg hatte bereits 2005 den Versuch gestartet, im Hundsturm in Margarten eine avancierte 2.kleinere Spielstätte zu etablieren. Doch es war damals ein historisch "falscher" Zeitpunkt: 2003 führte der damalige noch nicht allzu lange im Amt sitzende Wiener Kulturstadtrat die "Wiener Theaterreform" ein - die Studienverfasser waren es auch, die dann zu den ersten "Theaterkuratoren" der Stadt avancierten. Ziel war vorrangig, die bis dahin z. T. 20, ja 30 Jahre v. a. als Privattheater geführten Klein- und Mittelbühnen in städtischen Besitz (zurück-)zugewinnen. Insofern kam der Versuch Schottenbergs zu diesem Zeitpunkt denkbar falsch - "zu früh" aus heutiger Perspektive, denn heute ist man, siehe Wiener Festwochen oder auch Impulstanz, das heuer im VOLX "gastiert", froh über Spielorte außerhalb des hippen "Stadtzentrums", und zugleich haarscharf falsch, war der neue Ort doch eben ungewollt, aber umso massiver "Konkurrent" zum stadteigenen neuen Sparten-Spielorte-Modell. Schottenberg gestaltete daraufhin den Schwarzen Salon zur 2. jungen Spielsätte aus und entwickelte zudem Projektreihen für Rote Bar, "Hitlerzimmer" (sehr klug mit kritischen und oft beeindruckend mutigen Erinnerungsprojekten - heute ist hier eine unbenutzte Bibliothek). Junge Regisseur*innen wie Miloš Lolić inszenierten hier zum ersten Mal (2012 "Magic Afternoon"; 2014 "Die Präsidentinnen") - unter Badora inszeniert also auch dieser nicht "mutig" zum ersten Mal, sondern sie hat ihn, wie so vieles, aus der Intendanz Schottenberg "übernommen". Und auch die nächtlichen Reihen in der Rote Bar wurde von Badora nicht "erfunden", sondern von ihr schlichtweg weitergeführt und umbenannt.

Michael Schottenberg gab die Vision eines zweiten, avancierten Spielortes am Hundsturm, der ab dem Scheitern des ersten Versuches als Probenraum erhalten blieb, nicht auf: (...) dieses Mal zog Schottenberg seine Idee durch: 2013 eröffnete die Spielstätte in den Räumen des ehemaligen Eisenbahnergewerkschaft-"Saales und "-Kinos" mit großem Erfolg: Viel beachtete Künstler*innen, u. a. Lars Schmid/Red Park, Otmar Wagner, Judith Nika Pfeifer, Isabelle Kresse oder Jasmin Hafedh, gehörten zum Eröffnungsprogramm, Sara Ostertag und das Ensemble makemake bespielten gleich einen Monat lang unter dem Titel "Der Hundsturm bellt" das Haus wie auch die gesamte Region, Kooperationen mit freien Gruppen und Künstler*innen wie progetto semiserio, Renald Deppe und Lukas Kranzlbinder (Musiktheater), Fanny Brunner oder Jutta Schwarz im Bereich Performance (auch sie "unter" Badora nahtlos wieder ans Haus geholt), daneben mehrere Workshops wöchentlich mit Jugendlichen vor Ort und in ganz Wien, partizipative und edukative künstlerische Projekte folgten in den kommenden zwei Jahren ... heute wird, wenn etwa Ostertag nun erneut am "VOLX" inszeniert, davon kein Wort verraten! Mit Absicht?! Und wenn ja, warum? Vonseiten Badora ist die Antwort klar: Weil vieles, wenn auch unter neuen Schlagworten (VOLX oder "Junges VT") schlichtweg (und danklos) übernommen wurde.

Vonseiten der journalistischen Beobachter*innen ist dieses Nicht-Thematisieren, ja so tun, als wäre dies alles unter Schottenberg nicht realisiert worden, doch einigermaßen verwunderlich, ja lädt dazu ein, sich zu fragen, ob hier mehr als nur Ignoranz dahintersteckt (im Mindesten "Freunderlwirtschaft", im schlimmeren Falle ...?)

Liebe*r Transparenz -
Martin Thomas Pesl ist Übersetzer und Kritiker, er schreibt seit
2011 für uns über Theater. Als er vor zwei Jahren begann als
Übersetzer Theaterarbeiten am Volkstheater zu übertiteln, haben
wir entschieden, dass er dortige Premieren nicht mehr rezensiert, um
Vorwürfe, wie Sie sie nun erheben, zu vermeiden. Anders lag es mit
der Pressekonferenz, auf der Kay Voges als neuer Intendant
vorgestellt wurde. Hier ging es um eine Einschätzung der
Personalie, die nicht unmittelbar mit dem derzeitigen
künstlerischen Programm zu tun hat, auch nichts mit der Arbeit von
Michael Schottenberg, wie Sie sie hier als verkannt beschreiben. Wir
haben Pesl beauftragt als jemanden, der die Stadt Wien und die
Theaterszene gut überblickt, und stehen zu dieser Entscheidung.

Die Kürzungen in Ihrem Kommentar wurden entsprechend unserer Regel vorgenommen, keine unüberprüfbaren Tatsachenbehauptungen zu veröffentlichen.

Mit besten Grüßen,
nachtkritik-Redaktion
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