Höchste Ehre

12. Juni 2019. Karin Bergmann, scheidende künstlerische Geschäftsführerin des Wiener Burgtheaters, wird Ehrenmitglied des Hauses, wie es in einer Pressemitteilung bekannt gibt.

1986 kam Karin Bergmann mit Claus Peymann ans Burgtheater, wechselte sieben Jahre später an die Vereinigten Bühnen Wien, kehrte 1999 über die Volksoper zusammen mit Klaus Bachler als dessen Stellvertreterin an die Burg zurück – und blieb bis zur ersten Spielzeit von Matthias Hartmann. 2014 wurde sie zum dritten Mal an das Burgtheater geholt, um das Haus als künstlerische Geschäftsführerin nach der Krise 2013/14 zu konsolidieren.

Bergmann 560 LukasBeck uKarin Bergmann © Lukas Beck

Die Ehrenmitgliedschaft ist die höchste Ehrung des Burgtheaters. Am 19. Juni 2019 findet die Überreichung des ministeriellen Dekrets um 17 Uhr im Großen Pausenfoyer des Burgtheaters statt. Die Laudatio hält Bergmanns designierter Nachfolger Martin Kušej.

(Burgtheater Wien / sd)

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Kommentare  
Karin Bergmann: Traditionsverweigerung
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Anlässlich der Verleihung des Iffland - Ringes an Jens Harzer am 17.6.2019 im Burgtheater, trat auch die scheidende Direktorin Karin Bergmann in Erscheinung. „Die Verweigerung von Objektivierbarkeit, Messbarkeit und Maßstäben“ halte das Theater lebendig, sagte sie.
Was bedeutet es, was Karin Bergmann da sagte? Meiner Meinung ist das nichts anderes als eine eigenmächtige Behauptung, die jede um Rationalität bemühte Kritik für potentiell untauglich erklärt und noch dazu die eigene Traditionsverweigerung zur vitalen Urkraft erhebt. Ein unverhohlenes Zeugnis der Selbstherrlichkeit.

Weiter zur Ring-Verleihung: Die Laudatio auf Jens Harzer hielt Peter Handke. Im Interview danach erklärte dieser, dass er bei seinem ersten Bühnenerlebnis Oskar Werner und Albin Skoda gesehen habe, und dass die Begegnung mit Jens Harzer vor ein paar Jahren auf der Bühne in Salzburg eine ähnlich prägend-berührende Erfahrung gewesen sei wie seinerzeit jene mit Werner/Skoda. Eine solche Erfahrung münde in ein Wir-Erlebnis, das mit keinem anderen Wir-Erlebnis wie es das Theater verschaffe, zu vergleichen sei. Was sagt man dazu!?

So tönt ausgerechnet der Begründer des postmodernen Theaters – ist er das etwa nicht? –, dessen Epigonen seit Uraufführung der „Publikumsbeschimpfung“ (1966) vornehmlich darum bemüht zu sein scheinen, neuartige, möglichst normsprengende Theatervorstellungen auf die Bühne zu stellen, je weiter weg vom tradierten Theater, desto besser. Seither hat sich eine Verformungs-Lust und eine Neuinterpretations-Wut allem Althergebrachten gegenüber etabliert, die scheinbar von niemandem näher hinterfragt wird. Absolute Verfügungsfreiheit wird dem Theater zugestanden, Ansprüche von außen an das Theater selbst lehnt es ab.

Martin Kušej hat ja schon angekündigt, dass unter ihm ein anderer Wind wehen wird. Bei ihm wird man jedes Mal 10 Euro zahlen müssen, sobald man von der „Burg“ spricht, das verbitte er sich.

Ich sagte schon einmal, dass m. E. eine übergeordnete Instanz, die darüber wacht, was auf der Bühne geschehen soll/darf/muss, etabliert werden sollte. Das wäre in vielerlei Hinsicht orientierungsstiftend und weiterführend. Dabei könnte auch einmal geklärt werden, ob das (Burg-) Theater eigentlich auch ideelle Pflichten hat, nicht nur das Rechte.
Karin Bergmann: Ehre für Peymann
Also das ist doch schon etwas merkwürdig, daß es zu dieser Entscheidung kam. Müssten hier nicht ganz andere geehrt werden? Nicht zuletzt Claus Peymann, der mutig dem braunen Sumpf getrotzt hat, in dem Österreich zuletzt fast zu versinken drohte und unter dem das Burgtheater so österreichisch war wie nach ihm niemals wieder. Aber nun ausgerechnet Frau Bergmann zu ehren, da habe ich doch etwas Bauchweh.
Karin Bergmann: das Wir-Erlebnis
@#1
Lieber/Liebe Ava,

leider widerspricht sich Ihr Standpunkt mit gängigen Annahmen der Theaterwissenschaft, die von Handke und Bergmann lose in den Laudatien verarbeitet sind.
Unbestreitbar ist Theater ein subjektives Erlebenis. Objektive Analysemethoden können das sinnlich-poetische Erleben des Einzelnen nicht ersetzen, höchstens Hilfestellung bei der Beschreibung bieten.
Das Wir-Erlebenis ist im Theaterwissenschaftlichendiskurs spezfisches Phänomen des Theaters. Durch die Zuschauer-Darsteller-Situation wird es hervorgerufen und kann (subjektiv) in besondererweise Wahrgenommen werden.

Erschreckend ist aber ihr vierzeiliger Aufruf zum Ende Ihres Kommentars. Wer soll denn eine solche Funktion übernehmen? Jemand Fachfremdes verfügt nicht über die ausreichende Kompetenz und die Funktion des Intendanten gibt es schon. Desweiteren wird dem Theater so die Autonomität und die künstlerische Freiheit genommen. Kurz es ist vogelfrei für politische und idologische Vereinahmung.
Äquivalent könnte man auch einen "Aufpasser" für die unkontrollierbare Presse fordern.
Karin Bergmann: Peymann ist bereits Ehrenmitglied
Frau oder Herr Röbeling: Ihr Bauchweh in Ehren, aber Claus Peymann ist Ehrenmitglied des Burgtheaters. Da beklagt man bei jeder Auszählung die Unterrepräsentation von Frauen, und wenn dann eine Frau geehrt wird, erzeugt das Bauchweh. Woher diese Missgunst? Hat Frau Bergmann auch nur eine Sekunde lang den Eindruck erweckt, als begebe sie sich in den braunen Sumpf, der in Österreich auch blau oder türkis sein kann?
Karin Bergmann: wider Vereinnahmung
# 3

Vom Wir-Erlebnis sprach ja nicht ich, Herr Albrecht, sondern Peter Handke. Was das ist, Wir-Erlebnis, das weiß eigentlich eh jeder, ganz ohne (theaterwissenschaftlich gestützte) Theorie, das ist ja das Bemerkenswerte und, für Viele, das Gefährliche.

„Erschreckend“? Ich? Nein nein, ich bin lieb und gut. Ausgegorene Vorstellungen zu einer „übergeordneten Instanz“, die über dem oder das Theater wacht, habe ich nicht, z. B. dafür gibt es ja das großartige Forum nachtkrtik.de.

„Vogelfrei“? „Für politische und ideologische Vereinnahmung“? Das (Burg-) Theater? Ja, vogelfrei ist es, sehr richtig und sehr kühne Formulierungen, Herr Albrecht. Deshalb halte ich ja es für unbedingt schützenswert.
Karin Bergmann: Peymann als Ansporn
ad 2 und ad 4)

Ich möchte mich dem Lob für Claus Peymann anschließen und finde, dass Ehrenmitgliedschaft schon habend hin oder her eigentlich viel zu wenig auf die Leistungen Peymanns als Burgtheaterdirektor in der jetzigen Phase hingewiesen wird.

Als Ansporn, aber auch als Forderung an Direktoren was man mit einem Theater an moralischer und politischer Arbeit leisten kann, ohne dabei zu langweilen. Eine Spur Ironie, Provokation und viel Spiel- und Diskussionsfreude war immer dabei.

Wirklich das Wasser reichen, konnte ihm bis jetzt niemand. Kusej sollte es wenigstens versuchen und anstreben.
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