Künstlerkollektiv ZPS klagt gegen Bundeszentrale für politische Bildung
Bitte nicht aufmucken?
29. Juni 2019. Philipp Ruch, Frontmann des Künstler*innenkollektivs Zentrum für politische Schönheit (ZpS), hat Klage gegen die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) eingereicht. Das berichten diverse Medien, darunter die taz. Den Berichten zufolge sieht Ruch sich durch die Ausladung von einem Kongress der Bundeszentrale für politische Bildung stigmatisiert. Die BpB hatte Ruch eingeladen, im März 2019 in Leipzig im Rahmen des 14. Bundeskongresses Was uns bewegt. Emotionen in Politik und Gesellschaft an der Diskussion Bitte schön aufmucken! Kunst als Politik und politische Bildung teilzunehmen.
Im Februar 2019 wurde Ruch unter Hinweis auf "strafrechtliche Ermittlungen" wieder ausgeladen. Dies bezog sich auf ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Chemnitz, die Ermittlungen gegen das ZpS aufgenommen hatte. Es ging um die Aktion Soko Chemnitz im Dezember 2018. Auf einer Webseite hatte das ZPS mit Fotos und Steckbriefen dazu aufgerufen, mutmaßliche Neonazis zu identifizieren. In diesem Kontext wurden Belohnungen für die Erkennung ausgelobt. Vorbild der Aktion waren von der AfD inspirierte "Denunziationsportale". Kurz darauf hatte Ruch erklärt, die Aktion sei eine Falle – ein sogenannter Honeypot – gewesen. Innerhalb von drei Tagen sei durch Besuche Rechtsextremer auf der Soko-Chemnitz-Seite ein "riesiger Datenschatz" entstanden. "Durch einen Algorithmus könnten nun die Verbindungen Rechtsextremer in Deutschland abgebildet werden". Inwieweit auch dies lediglich eine Behauptung war, ist unklar. Es gehört zu den künstlerischen Strategien des ZPS, Medien, Kommunikations- und Informationstechniken des Digitalzeitalters als Elemente für mediale Inszenierungen zu nutzen.
Das Verwaltungsgericht Köln soll nun feststellen, so der Bericht der taz, dass die Ausladung Ruchs vom Kongress der BpB Persönlichkeitsrechte sowie seine Kunstfreiheit verletzt habe und damit rechtswidrig gewesen sei. Die Ausladung und die nachfolgende Kommunikation hätten ihn an den Pranger gestellt, zitiert die taz aus der Klageschrift. Dabei sei der öffentliche Eindruck erweckt worden, dass Ruch und seine Kunst "außerhalb des für Austausch und Diskussion auf dem Bundeskongress zulässigen Spektrums liegen und nicht mehr diskursiv erörtert werden sollten".
(taz / sle)
Mehr dazu: Ein Kommentar zur SOKO Chemnitz von Sophie Diesselhorst und Esther Slevogt (12/2018)
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Wenn Ph. Ruch damit vor Gericht gewinnt, dass das "außerhalb liegen" kein Ausladungsgrund ist, wäre das dann nicht ein Freifahrtschein für alle Rechten, um sich einklagen zu können? Das halte ich für eine ernsthafte Frage. Oder soll überprüft werden, welche Meinung "außerhalb liegt" und welche nicht? Auch das ist nicht ungefährlich, weil dann Gerichte entscheiden können, dass eine rechte Meinung nicht "außerhalb liegt" und darum zugelassen werden muss.
Lesen bildet. Also bitte auch den verlinkten taz-Artikel dazu lesen. Da ist die Frage wohl ausreichend beantwortet. Der Anwalt Ruchs beruft sich ja gerade auf das eingeklagte Recht einer rechtskonservativen Meinung Die Bundeszentrale für politische Bildung hatte sich seinerzeit von dem bestellten Beitrag des Politikwissenschaftlers Konrad Löw "Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte" für die Zeitschrift Deutschland-Archiv wegen Löws Rückgriff auf antisemitische Stereotypen distanziert und die Ausgabe einstampfen lassen. Dagegen hatte Löw bezüglich der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte geklagt und gewonnen. Also mit der Meinungsfreiheit ist es dann doch nicht ganz so einfach, wie sich das manche gerade so vorstellen, wenn sie extreme Meinungstendenzen einfach mal eben verbieten wollen. Auf das Ergebnis der Klage Ruffs bin ich daher sehr gespannt.