Presseschau vom 4. Juli 2017 – Debatte um Theaterfinanzierung in Schleswig-Holstein

"Seit Jahren unterfinanziert"

"Seit Jahren unterfinanziert"

4. Juli 2019. Nach dem Rücktritt von Christian Schwandt als geschäftsführendem Direktor des Theaters Lübeck aufgrund der mangelnden finanziellen Unterstützung seines Hauses durch das Land ist in Schleswig-Holstein eine Debatte um die Theaterfinanzierung in Gang gekommen.

Die Ministerin mahnt Kooperationspläne an

"Die Kultur in Schleswig-Holstein ist seit Jahren unterfinanziert", zitieren die Schleswiger Nachrichten (3.7.2019) die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Karin Prien. Knackpunkt sind die tariflich stetig steigenden Personalkosten der Häuser. Am Schleswig-Holsteinischen Landestheater machen die Personalkosten 18 Millionen Euro (bei 21,3 Millionen Euro Etat inklusive Eigeneinahmen, Stand Spielzeit 2016/2017) aus, rechnet der Intendant des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters Peter Grisebach den Schleswiger Nachrichten vor. "Wenn die Finanzierung der öffentlichen Hände (…) nicht auskömmlich ist, dann müssen alle Beteiligten sich über neue Wege Gedanken machen, auch die Theater selbst", wird Ministerin Prien weiter zitiert. "Das geschieht ja auch. Beispiele sind die mustergültigen Kooperationen der Theater Kiel und Lübeck im Bereich des Balletts. Bevor es zu Angebotsänderungen oder gar Reduzierungen kommt, tun wir alles, um eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen", so Prien.

Ein Vorschlag zu Zielvereinbarungen

In der heutigen Ausgabe der Schleswiger Nachrichten (4.7.2019) schlägt der Kieler Professor für Angewandte Kulturwissenschaft Stephan Opitz Zielvereinbarungen für die Theater vor, um "Breite, Tiefe und Intensität eines Bühnenangebots in einer Stadt zu vermessen" und daraus mit dem "Betrieb eine betriebswirtschaftliche Rechnung abzuleiten". Auf fünf Jahre solle dann verbindlich festgelegt werden: "Wir erwarten die Umsetzung dieser und jener Ziele bei einer aus unserer Sicht möglichen Eigenwirtschaftsquote von X Prozent (letztere bildet die Grundlage für die Höhe der Subvention aus öffentlichen Mitteln). Wir verpflichten uns auf diese oder jene Tarifverträge." Zudem solle der Deutsche Bühnenverein darauf hinwirken, dass interne Strukturen an den Häusern renoviert werden: "Ein solches Gestrüpp von unterschiedlichen Tarifverträgen, von gewaltigen Spannen zwischen Chefgehältern, elenden Gagen von Sängern oder Schauspielern, im Verhältnis dazu prima bezahlten Bühnenarbeitern oder gar Musikern und Chorleuten gibt es nirgendwo sonst", so Opitz.

(Schleswiger Nachrichten / chr)

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Schleswig-Holstein: Theater und Geld
Werden die Theater in Schleswig-Holstein „kaputt“ gespart? Die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft ist weltweit einmalig in seiner Dichte und Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen. Bestehend aus Genres, wie Schauspiel, Figurentheater, Kindertheater, Oper, Operette, Musical, Tanz, Konzert und Performances unterschiedlichster Art. Die künstlerische Vielfalt von Theatern und Orchestern findet ihren Raum in den Stadt-, Staatstheatern und Landesbühnen sowie in Privattheatern und freien Gruppen. Außerdem in Musik- und Theater-Festivals und Sinfonieorchestern. Theater und Orchester agieren künstlerisch jenseits der Notwendigkeit rationalen Handelns und wirken durch emotionale Erfahrung, durch das Spiel mit dem Unerwarteten, Experimentellen, Unbekanntem und Neuem. Die Theaterensembles und Orchester sind Akteure in gesellschaftspolitischen und ästhetischen Gegenwartsdebatten unseres Gemeinwesens. Die Qualität der deutschen Theater und Orchester liegt in deren Fähigkeit, auf neue soziale, kulturelle, politische Entwicklungen und sich daraus ergebenden Problemen und Verhältnissen flexibel zu reagieren. Sie begreift solche Veränderungen als Herausforderung, um sich immer neu zu erfinden. Das geschieht durch die Entwicklung neuer Dramaturgien, Ästhetiken und Theaterformen, wie die Verlagerung der Aufführungen in den öffentlichen Raum. Das Verhältnis zwischen Akteuren und Zuschauern wird stets neu definiert. Dies macht Theater und Konzert zum Ereignis der Kunst, Reflexion, spielerischen Erlebens, Erfühlens und Erdenkens der Welt und zu einem lebendigen Dialog. Aus diesen Gründen hatte das Auswärtige Amt im März 2018 der UNESCO den Antrag zur internationalen Anerkennung der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit überreicht. Vorbedingung für eine UNESCO-Nominierung war die Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes im Jahre 2014. Über die Aufnahme dieser Kulturform in die internationale UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes entscheidet nun ein Zwischenstaatlicher Ausschuss im Dezember 2019. Sollte diese Aufnahme Ende des Jahres erfolgen, ergeben sich folgende Verpflichtungen: Das UNESCO-Abkommen fordert, dass das immaterielle Kulturerbe „fortwährend neugestaltet“ wird. Es legt der Politik in Art. 13 Verpflichtungen „zur Sicherstellung der Erhaltung, Entwicklung und Förderung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes“ auf. Die UNESCO fordert „geeignete rechtliche, technische, administrative und finanzielle Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zum immateriellen Kulturerbe zu gewährleisten“. Kurz vor diesem Ziel wird deutlich, wie Theater und Orchester in Schleswig-Holstein vor einem finanziellen Fiasko stehen („Die Theater und das liebe Geld. SN vom 3.7.2019). Selbst Ministerin Karin Prien zuständig für Kultur bekennt „Die Kultur ist in Schleswig-Holstein seit Jahren unterfinanziert – da gibt es nichts zu beschönigen“ und die möglicherweise Steigerung von 2,5% im Kulturhaushalt ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, bei ständig steigenden Personalausgaben. Schleswig-Holstein (69 EURO pro Kopf) bildet mit Rheinland-Pfalz (64,3 EURO pro Kopf) das Schlusslicht in der Kulturförderung Deutschlands. Der Ausstieg Dithmarschens aus dem Gesellschaftervertrag mit dem SH-Landestheater hat einen Verlust von 204 000 EURO pro Jahr zur Folge. In Heide und Meldorf wird das Landestheater die Schulkooperationen nicht mehr aufrechterhalten können, was besonders bedauerlich ist, weil dort die Jugend mit Theater in lebendige Berührung kam. Die Theater im Norden sind existenziell gefährdet, wenn die Landesregierung sich nicht für eine adäquate Finanzierung entscheidet. Will man die Theater „kaputt“ sparen, bevor man immaterielles UNESCO-Kulturerbe wird? Möge das Land erkennen, was auf dem Spiel steht und die Theater und Orchester im Norden Deutschlands retten.
Schleswig-Holstein: Erfreulich
Das ist äußerst erfreulich, daß die SHZ an dieser Stelle tatsächlich nachgehakt hat und NK diesen Erzählstrang hier weiter verfolgt . An dieser Stelle wäre es natürlich schön, endlich einmal etwas Konstruktives zu einem solchen Artikel seitens der beteiligten Akteure zu vernehmen, von den Theatern, dem im Artikel ausdrücklich adressierten Bühnenverein (es muß ja nicht Herr Grandmontagne sein, eine Stimme des Nordsprengels täte es gewiß auch schon), anderen Kennerinnen und Kenner, denn hier ist doch gerade so eine Art Aufbruch- und Reformstimmung , auch Seitens der Presse, engagiert darüber zu berichten, zu spüren (täuscht mich das ?).Es ist schon krude, wenn gemäß SHZ vom 1. Juli plötzlich die 3,5 % - Steigerung aus MV, ausgerechnet MV, möchte man da beinahe stöhnen, geradezu als "Neidmarke" ausgewiesen werden, auch wenn der Fakt natürlich besagte Aussage zu einer allgemein günstigen Großwetterlage, die Sache(n) jetzt konkreter anzugehen, eher untermauert ! Hat man in MV Hausaufgaben gemacht, die man in SH noch nicht gemacht hat ? Und wie verhält sich das zum obigen Artikel (ist die Entscheidung in MV demgemäß etwa ein Tropfen auf den heißen Stein, eine Verschiebung des Grundproblemes ?) ??
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