Korridor des bourgeoisen Horrors

von Georg Kasch

Salzburg, 31. Juli 2019. Die sind ja alle verrückt hier! Zappeln und grabbeln, tänzeln wild, harken mit ihren Fingern die Luft. Krallen sich am Fenster fest, wuseln, taumeln oder hängen schlaff in der Ecke, als wolle jemand alle Hospitalismus-Symptome in ein Bild bannen. Dann wieder geistern sie herum wie müde Zombies, die bei aller Überspanntheit merkwürdig lasch wirken.

Sackgasse ohne Entkommen

"Sommergäste" sollen das sein, also die Figuren jenes Stücks, das bei seiner Uraufführung 1905 deshalb ein Skandal war, weil Maxim Gorki sein Publikum als untätige, ziellose Spießer und Schwätzer spiegelte. Anwälte, Ingenieure, Ärzte öden einander wortreich in der Sommerfrische an, suchen ihr Heil in abgeschmackten Gefühlsprojektionen oder im Seitensprung. Am Ende gelingt es nur Warwara, Frau des Gastgebers, aus der geschlossenen Feriengesellschaft auszubrechen.

sommergaeste 5 560 monika rittershaus uEingesperrt im Korridor: die Sommergäste © Monika Rittershaus

Hier reicht es dazu nicht mal bei ihr. Eingesperrt sind diese Salzburger "Sommergäste" in Raimund Orfeo Voigts schier endlosem Korridor. Drei Mal zieht er langsam am Betrachter vorüber mit seinem Treppauf und Treppab, der 70er-Jahre-Holzvertäfelung, dem Teppichboden. Ein hermetischer Ort, der das Leben nach draußen verbannt. Drei mal aber endet er mit einer Sackgasse, aus der am Ende nur Rjumin entkommt, als er sich eine Kugel in den Bauch jagt.

Mit Sektglas in der Saline

In diesem Wiederholungssetting plärren und krähen Abziehbilder der gehobenen Mittelklasse ihre Belanglosigkeiten heraus – man trägt elegante Kleidchen und gut sitzende Anzüge zu Sektglas und aufgesetztem Gelächter. Vermutlich sollen das wir sein. Aber die Drittklassigkeit, mit der sich Schauspieler wie Sascha Nathan, Martin Schwab und Thomas Dannemann (die es alle besser können) durch ihre Rollen wurschteln (und es geht hier noch deutlich schlimmer), verbietet jede Identifikation.

sommergaeste 2 560 monika rittershaus uFeste feiern in der Ausweglosigkeit © Monika Rittershaus 

Zugegeben: Regisseur Evgeny Titov, der erst spät für die erkrankte Mateja Koležnik einsprang und zumindest Ausstattung und Team übernehmen musste, hatte vermutlich sehr eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten. Außerdem ist die ehemalige Solereinigungshalle in Hallein mit ihrer Riesentribüne nicht leicht zu bezwingen. Aber hätte Titov nicht wenigstens diese Sprechkatastrophe verhindern, das seltsam gedämpfte Deklamationspathos bändigen können? Trotz Mikroports versteht man oft nur die Hälfte und hängt dann an den englischen Untertiteln.

Magische Momente, angedeutet

Manchmal ahnt man Titovs Stärken, etwa wenn er langsam den Fokus vom expressionistischen Gedichtvortrag Kalerijas auf ein Gespräch im Vordergrund verschiebt. Oder wenn gegen Ende drei der männlichen Hauptrollen unsäglich Sexistisches über Frauen reden – ein (dazuerfundener) kleiner Junge hört zu, und man befürchtet, dass dieses misogyne Geschwätz seine Wirkung bei ihm nicht verfehlen wird.

sommergaeste 1 560 monika rittershaus uLiegen, Lieben, Lachen: Genija Rykova und Dagna Litzenberger Vinet © Monika Rittershaus 

Für den feministischen Blick auf die "Sommergäste", den Dramaturgin Janine Ortiz im Programmheft ankündigt, reicht es allerdings nicht, dafür bleiben die Frauenfiguren viel zu blass. Genija Rykovas Warwara ist eine marmorne Zauderin auf High Heels, Mira Parteckes Olga eine Hysterieexplosion, Marie-Lou Sellems Marja vor allem schlecht gelaunt – vielleicht, weil ihr ein Großteil ihrer Liebesgeschichte zum viel jüngeren Wlas gestrichen wurde. Einmal singen sie ein russisches Lied – ein kurzer, magischer Moment, der allerdings durch Intonationsprobleme zunichte gemacht wird, noch bevor Gerti Drassls Kalerija den Augenblick planmäßig sprengen kann.

Insgesamt 15 Schauspieler*innen stehen auf der Bühne, dazu fast ebenso viele Statisten. Sie alle sind gefangen im falschen Leben, im falschen Theater. Und wir mit ihnen – öde 135 Minuten lang.

 

Sommergäste
von Maxim Gorki
Übersetzung von Arina Nestieva
Regie: Evgeny Titov, Bühne: Raimund Orfeo Voigt, Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer, Licht: Tamás Bányai, Video: Philipp Haupt, Musik: Moritz Wallmüller, Dramaturgie: Janine Ortiz.
Mit: Primož Pirnat, Genija Rykova, Gerti Drassl, Paul Behren, Sascha Nathan, Dagna Litzenberger, Matthias Buss, Mira Partecke, Thomas Dannemann, Marko Mandić, Marie-Lou Sellem, Maresi Riegner, Martin Schwab, Dominic Oley, Felix Kammerer.
Premiere am 31. Juli 2019
Dauer: 2 Stunden 15 Minuten, keine Pause

www.salzburgerfestspiele.at

 

Kritikenrundschau

"Ei­ne bis ins De­tail prä­zi­se, dem Stoff und sei­nen Dar­stel­lern in­nig zu­ge­wand­te In­ter­pre­ta­ti­on von Gor­kis prä­re­vo­lu­tio­nä­rem Kon­ver­sa­ti­ons­stück" und "ei­ne groß­ar­ti­ge En­sem­ble­leis­tung" hat Simon Strauss gesehen und schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2.8.2019): "Ti­tov (...) lässt Gor­kis Dra­ma sou­ve­rän über die Zei­ten hin­weg als Pa­ra­de­bei­spiel ver­lo­ge­nen Ge­sell­schafts­le­bens wir­ken. Was er als – in sei­ner Ge­ne­ra­ti­on be­son­ders auf­fäl­li­ge – Ga­be be­sitzt, ist das Ge­fühl für dra­ma­tur­gi­schen Rhyth­mus. (…) Je­der Auf­ritt, und sei es auch nur der ei­nes sich über­ge­ben­den Stu­den­ten, wirkt ge­nau in­sze­niert. Nichts ist schlud­rig, höchs­tens man­ches zu we­nig ei­gen­ar­tig ge­stal­tet." Mit die­sem Re­gis­seur setze sich "ei­ne wei­te­re jun­ge Stim­me vom Club der iro­ni­schen De­kon­struk­teu­re ab und be­gibt sich auf die Su­che nach dem Ide­al des emp­find­sa­men Aus­drucks", so Strauss: "Das deut­sche Thea­ter kann sich über die­sen Neu­zu­gang freu­en. Und sich als Nächs­tes ei­nen Tsche­chow von ihm wün­schen."

"Titov (…) gelingt (...) eine in sich schlüssige Deutung der Endzeitdialoge, mit denen Gorki den hysterischen Todeskampf seines Personals instrumentiert", schreibt Jürgen Berger in der taz (2.8.2019). Auch wenn nicht zu übersehen sei, dass Titov kaum Zeit für schauspielerische Feinheiten hatte. "Er spitzt szenisch zu und sorgt dafür, dass 15 SchauspielerInnen sich mit aller Wucht den nervösen Verrenkungen einer Schickeria hingeben, die spürt: Unsere Zeit ist abgelaufen", so Berger: "Das hat schon was."

"Der Abend gerät zum Zwitter. Titovs panische Horde trifft auf das elegische, für Kolezniks geplante Inszenierung bereitgestelltes Bühnenbild: einer jener unpersönlichen Transiträume, wie sie Regiepuristen wie Michael Thalheimer oder eben Koležnik für ihr raumdefiniertes Arbeiten brauchen", schreibt Margarete Affenzeller in Der Standard (2.8.2019): "Die Grobheit entspricht ganz dem grotesken Tonfall Gorkis. Aber sie bleibt im vordefinierten, fast somnambul intendierten Raum fremd, meist dysfunktional." Am Ende blieben einem so "die Nöte der Sommergäste in ihrer Unstimmigkeit und Lachhaftigkeit auch herzlich egal. Man möchte ihnen zurufen: So geht doch und kümmert euch um den Klimawandel oder tretet den 'Omas gegen Rechts' bei!"

"Titov (…) verzichtet auf alle Ambivalenzen, die die Figuren im Stück noch haben könnten, und stutzt sie auf Karikaturen zurecht, die jedoch nie lustig sind", schreibt Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung (2.8.2019). "Mal tanzen alle Techno. Fürchterlich. Meist saufen, heulen, brüllen sie. Grässlich. Und Titovs protofeministische Idee zielt wohl darauf, Rykova und auch Sellem umso mehr leuchten zu lassen, je stärker er ihr Umfeld in ein trübes Licht setzt. Aber das ist zu dumm!"

Das Interesse der Inszenierung für ihre eigenen Möglichkeiten halte sich in Grenzen, schreibt Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau (2.8.2019). "Titov (…) wurde in Salzburg als Mann für die echten Gefühle gehandelt. Weiter davon kann sich eine 'Sommergäste'-Inszenierung nicht entfernen." Nicht Unbehagen, sondern grelle Überspanntheit regiere, "dies von Anfang an und so ostentativ, dass man ganz verlegen wird", so von Sternburg. "Eine seltsame Sache überhaupt, wie gerade die Frauenfiguren zu Projektionen werden. (…) Sind die Frauen Projektionen, sind die Männer nicht einmal das." Und zum Schluss: "Es ist erstaunlich, dass das Menschliche an diesem Abend so durchgängig behandelt wird, als wäre es fade und bräuchte dringend der Aufpeppung durch Manierismen und das eine oder andere Quickie am Rande."

"Titov legt diese untergehende Gesellschaft als chauvinistische Männergesellschaft an und versucht Gorkis Drama so auch einen feministischen Twist zu geben", sagt Andreas Klaeui im Schweizer Rundfunk und Fernsehen (2.8.2019), aber das gelinge nicht: "Die Absicht ist zwar klar, aber in der Umsetzung übers Ganze scheitert es dennoch, vor allem weil er die Frauenfiguren paradoxerweise grad nicht stärkt, sondern eigentlich recht klischiert zeigt, als so hysterische Hausfrauen oder blaustrümpfige Furien, während die Männer insgesamt eher Schwächlinge sind." Gorkis Stück habe ja nicht nur einen politischen Aspekt, in dieser vorrevolutionären Zeit, "sondern es ist auch ein sehr fein verwebtes Panorama einer Gruppe von Menschen, fast wie bei Tschechow, aber härter, sozusagen Tschechow ohne Tschechow, ohne die Melancholie", so Klaeui: "Das geht jetzt bei Evgeny Titov in Salzburg komplett unter, was auch an den sehr unterschiedlichen Schauspielerleistungen liegt, aber auch an dieser hyperaktiven Inszenierung."

"Evgeny Titovs Inszenierung ist ein Isenheimer Altar der Erbärmlichkeit, bei dem es auf die Einzelwesen kaum ankommt", schreibt Peter Kümmel in einer Doppelbesprechung in der Zeit (8.8.2019). Der "Schaueffekt“ der Bühne wird gewürdigt, aber die darstellerische "Komplexitätsreduktion" kritisiert: Titovs "Sommergäste" wie auch "Jugend ohne Gott" von Ostermeier wirkten "wie Zeugnisse einer Gesellschaft, der die Geduld und die Zeit ausgehen: Mit Nuancen wollen sie sich nicht aufhalten. Was sie grob zeichnen, sollen wir selbst fein ausschraffieren. Denn der tiefere Gehalt beider Aufführungen liegt in ihrer Zeugnishaftigkeit: Dies sind Kunstprodukte von Menschen, die verstanden haben. (…) Sie legen es darauf an, dass wir so nicht weitermachen."

"Der soziale Impetus verpufft in der Redundanz des Bühnengeschehens. Und das ist eigentlich ein Stillstand", schreibt Bernd Noack in der Neuen Zürcher Zeitung (2.8.2019). "Die Sätze werden verschluckt, die Figuren retten ihre hingetuschten Charaktere in die nächste Szenerie, die schon wieder von der nachrückenden bedrängt wird."

Kommentare  
Sommergäste, Salzburg: Kinetisches Bühnenbild
Ein Beispiel dafür, was passiert, wenn sich ein Bühnenbildner von seinem Kollegen Pierre Andee Weitz zu sehr inspirieren lässt: eine endlos sich bewegende, 70er Jahre Konferenzhotel Atmosphäre verströmende Optik, die auf die Nerven geht und die Schauspieler verschleiert (im doppelten Sinne, denn es gab ein Gazevorhang vor der Bühne). Was hat diese Optik mit dem Stück zu tun, leben heutige Kleinbürger in solche Datschen? Jeder hat eine Soloszene, dadurch, dass diese im Niemandsland erfolgen, wird Gorkis Dramaturgie klar erkennbar. Nichts überrascht mehr ... Vielleicht hätte Mateja Koleznik eine nüchternere, emotionslosere Spielweise gewählt, also eine persönlichkeitsärmere Vorgehensweise, wie das Bühnenbild suggeriert.
Eine Frage: wurde zum Endphase der Proben etwas geändert? Im Programmbuch ist Paul Behren mit einem Kleid zu sehen, auf der Bühne nicht. War er vielleicht in einer früheren Phase der Proben in die auflehnerische Frauengruppe zugeordnet gewesen und weil sich jetzt am Ende keiner mehr auflehnt, diese Idee dann zu blöd gewesen wäre?
Sommergäste, Salzburg: starker Eindruck
Ich kann die Kritikpunkte nur bedingt teilen. Zugegeben, mitunter hätte auch mich etwas mehr Artikuliertheit bei einigen Protagonisten vom Zwischendurch-Lesen der Untertitel abgehalten, aber hier von Drittklassigkeit der Schauspieler zu schreiben, empfinde ich doch als recht unangebracht. Gerade Sascha Nathan als Suslow z.B. hat bei mir einen recht starken Eindruck hinterlassen, ebenso der fein ziselierte Martin Schwab, gerade wenn er nicht "dran" war. Dass Thomas Dannemanns Schalimow etwas blass oder lustlos daherkommt, haben für mich die starke Genija Rykova und Gerti Drassl allemal wettgemacht. Bühne ist Geschmack, für mich hat das "Drehkarussell" sehr gut funktioniert, den - wenn ich es mal so sagen darf - nondeskriptiven Raum (von mir aus hätten auch die Fenster weg gekonnt) empfand ich als überaus passendes Setting für das bourgeoise: Wir tun nichts, aber wir reden schrecklich viel. Ich empfand es, trotz weniger Abstriche, als einen gelungenen Theaterabend.
Sommergäste, Salzburg: überragendes Talent
Schwer erträglich ist die Herablassung, mit der der Kritiker den wesentlichen, hoch spannenden Theaterabend des jungen Regisseurs Evgeny Titov kleinzureden versucht. Ein überragendes Talent wird endlich auf einem beachteten Podium sichtbar, und Sie, Herr Kasch, haben nichts Besseres zu tun als ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen? Ist das Kritik, wie sie sie verstehen - ein Vernichtungsversuch? Wieviele Inszenierungen mit großem Ensemble haben Sie denn schon erfolgreich bewältigt, dass Sie sich berechtigt fühlen, solche Wortkeulen zu schwingen? Man sei im“ falschen Theater“?! Aber Sie kennen das Richtige? Warum schenken Sie es uns dann nicht? Wenn die Theaterwelt sich immer so sicher wäre wie Sie, wo das große „Richtig“ und das große „Falsch“ liegen...ich bezweifle, ob wir in den letzten Jahrhunderten jemals eine ästhetische und inhaltliche Revolution auf den Bühnenbrettern erlebt hätten. Sie müssen Titovs Sicht auf die „Sommergäste“ ja nicht mögen, aber geben Sie der Arbeit wenigstens den Respekt für außerordentliches Regiehandwerk - unter noch dazu bekannt erschwerten Bedingungen - den sie verdient. Nennen Sie mir doch die jungen Kollegen , die mit einem derart großen Ensemble auch solch zwingende Bilder entwickeln können, die von der Kraft und Treffsicherheit ihrer Komposition mit den berühmtesten Genremalern der internationalen kunsthistorischen Museen mithalten können-während sie gleichzeitig über ihr mutiges Konzept ein radikal gültiges Portrait des Zeitgeists liefern?! Öde 135 Minuten hatten Sie? Ich nicht! Waren Sie vielleicht in der falschen Vorstellung, Sie Armer?
Sommergäste, Salzburg: Kritik und Schmierentheater
Liebe Doina Weber, leider ist Herr Kasch nicht der Einzige, der die Aufführung negativ kritisiert. In der Süddeutschen Zeitung gibt es allerdings eine Kritik, die auch mir die Sprache verschlagen hat. Sie ist weiter oben zusammengefasst. Dort beschreibt der Kritiker die Aufführung als "fürchterlich","gräßlich" und "dumm". Wahrscheinlich wäre ihre Kritik am Journalismus, der hier einem groben Schmierentheater gleicht, eher angebracht.
Sommergäste, Salzburg: falscher Umgang
Sie haben doppelt Recht: es geht immer noch schlimmer und - Ja, die Kritik in der Süddeutschen schlug dem Fass den Boden aus. Natürlich ist das ein Missstand, der sich im Journalismus bereits lange eingeschlichen hat, generell wert wäre diskutiert zu werden , und der sich natürlich zu unangebrachten Machträuschen steigert, seit die „After-Kunst“ auch noch durch parallele Juror- Funktionen tatkräftig über Sein und Nichtsein von darstellenden Künstlern entscheiden kann.
Aber: bei den großen Printmedien wundert mich gar nichts mehr, da hoffe ich auch kaum noch auf Änderung. Aber dass dieses sympathische, ein wenig schräge, mir irgendwie als Insider erscheinende und so transparent zugängliche Online-Blatt Nachtkritik so mit Newcomern umgeht... das tat weh. Hat mich traurig überrascht.
Sommergäste, Salzburg: bedauerliche Asymmetrie
Danke, Doina Weber, für Ihre Kommentare! Das Beschämende ist doch, dass der Kritik von Herrn Kasch ihre Lustlosigkeit schon anzumerken ist, noch ehe man die Aufführung gesehen hat. Trotzdem hätte sie uns fast dazu gebracht, unsere Karten weiterzugeben, wer will schon 135 öde Minuten sehen, aber dann erschien glücklicherweise die Kritik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die schon als Text eine Qualitätswelt zwischen sich und die Kritik von Herrn Kasch legt. Herr Kasch scheitert ja bereits an der Beschreibung. Wie die Gruppen- und die Soloszenen zusammenhängen und auseinander hervorgehen, wie sich die Gruppenszenen im Verlaufe des Abends wandeln, das bekommt er offenbar gar nicht mit und kann daher nicht zum eigentlichen Geschäft des Kritikers, zu einem Deutungsversuch, vorstoßen. Es ist schlichte, schlecht geschriebene Nörgelei. Nicht einmal die angebliche Drittklassigkeit der Schauspieler wird plastisch. Und Herr Kasch bleibt bei allem merkwürdig kurz, ein weiteres Indiz für Lustlosigkeit. Hätten Evgeny Titov und seine Schauspieler es sich auch nur annähernd so leicht gemacht wie Herr Kasch mit dieser Kritik, dann wäre es tatsächlich ein Skandal gewesen. Bei denkfaulen Kritiken bleibt der Skandal allerdings aus, eine bedauerliche Asymmetrie. Hier war jedenfalls kein falsches Theater zu sehen, sondern eine Kritik hat, hoffentlich ohne Absicht, die Verfälschung eines Theaterabends betrieben.

(Liebe Frau Benndorf, Ihr Kommentar ist nun veröffentlicht. Sie erheben Vorwürfe gegen den Kritiker, ohne diese wirklich zu begründen. Kommentare ad personam werden bei uns nicht veröffentlicht, Ihr Kommentar erweckt – zumal nach den vorangegangenen Kommentaren – den Eindruck, Sie wollten nicht zur Kritik etwas sagen, sondern zum Kritiker. Bitte kehren Sie, und diese Bitte geht auch an die anderen Kommentator*innen, doch nun zum Gegenstand zurück und setzen Sie Georg Kaschs Kritik gerne eine eigene Interpretation der "Sommergäste" entgegen. Mit freundlichen Grüßen, die Nachtkritik Redaktion)
Sommergäste, Salzburg: (un)begründete Kritik
Liebe Redaktion, danke, dass Sie den Kommentar letztlich doch nach ganz gebracht haben. Sie sagen, dass ich unbegründete Vorwürfe erhebe. Das mag sein, hängt aber sehr davon ab, was als begründet oder nicht begründet anzusehen ist. Einer meiner Hauptpunkte ist ja, dass Herr Kasch selbst mangelhaft begründet. Wenn man Schauspieler als "drittklassig" bezeichnet, sie "wurschteln" lässt und hinzzusetzt: "und es geht hier noch deutlich schlimmer", das aber nicht beschreibt, so ist das mindestens so sehr unbegründet und ad personam wie das, was ich geschrieben habe. Ich würde mir wünschen, dass die Kritik, ehe sie solche Dinge unbegründet hinschreibt, einen Augenblick innehält und über ihre Verantwortung gegenüber Personen ebenso nachdenkt, wie es die Nachtkritikredaktion anscheinend tut, wenn sie Kommentare über ihre Kritiker bringt bzw. nicht bringt.
Mit freundlichem Gruß Friederike Benndorf
Sommergäste, Salzburg: Kritiker kritisieren
PS Warum sollen wir Kommentatorinnen eigentlich nur über die "Sommergäste" und nicht auch über die Kritik dazu reden? Sie ist genauso ein Gegenstand, der in der Welt ist, wie die Aufführung und setzt sich genauso der Kritik aus.
Sommergäste, Salzburg: Kritik kritisiert
Die Kritik ist ein Instrument, eingeführt im Zuge Demokratisierung. Man darf sagen, wie man das gezeigte findet. Das gezeigte war zu dieser zeit in feudalen Strukturen, also am Hof. Heute ist das Gezeigte nicht mehr am Hof, aber natürlich in Macht- und Geldstrukturen und die Kritik darf sagen, wie sie das findet. Das geht intelligenter und weniger intelligent. Wenn ein Kritiker eine Inszenierung grässlich und dumm findet, frage ich mich, warum er das nicht formulieren darf? Jede Kritik ist subjektiv, darin kann man sich einig werden? Die Sommergäste haben mich jetzt intelligenzmässig weder gefordert noch mit einem Inszenierungsgedanken erfreut. Vielleicht ging es dem Kritiker genauso?
Sommergäste, Salzburg: Geschmack
Lieber Halleiner, der Kritiker der SZ darf natürlich schreiben, was er will. Nur weiß ich nicht, warum ich für seine Kritik, die fast ausschließlich aus reinen Behauptungen und einfachen Geschmacksurteilen besteht, soviel Geld bezahlen soll. Die Bild-Zeitung argumentiert ja ähnlich und ist deutlich preisgünstiger! Vielleicht sollte ich dort ein Abo beziehen.
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