Die Jury hat entschieden

Wien, 25. November 2019. Am Sonntagabend wurden im Theater an der Wien zum 20. Mal die Nestroy-Preise für die besten Leistungen der vergangenen Theatersaison in Österreich vergeben, sowie die beste Aufführung im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet.

Die Preisträger*innen in den folgenden Kategorien sind:

Beste Aufführung im deutschsprachigen Raum
Dionysos Stadt; Inszenierung: Christopher Rüping, Münchner Kammerspiele

Beste Regie
Johan Simons mit Woyzeck von Georg Büchner, Koproduktion Burgtheater, Schauspielhaus Bochum, Akademietheater Wien

Beste Schauspielerin
Steffi Krautz als Blanche DuBois in Endstation Sehnsucht von Tennessee Williams, Volkstheater Wien

Bester Schauspieler
Steven Scharf als Lucas in Medea von Simon Stone nach Euripides, Burgtheater und als Franz Woyzeck in Woyzeck von Georg Büchner, Koproduktion Burgtheater, Schauspielhaus Bochum, Akademietheater

Beste Darstellung einer Nebenrolle
Evi Kehrstephan als Anna in "Biedermann und die Brandstifter" von Max Frisch, Volkstheater Wien

Bester Nachwuchs weiblich
Anna Rieser als Grace in "Dogville" von Lars von Trier, Landestheater Linz

Bester Nachwuchs männlich
Moritz Beichl mit der Inszenierung "Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war" von Paulus Hochgatterer, Uraufführung, Landestheater Niederösterreich

Beste Ausstattung
Raimund Orfeo Voigt für "Der einsame Weg" von Arthur Schnitzler, Theater in der Josefstadt und für Sommergäste von Maxim Gorki, Salzburger Festspiele

Spezialpreis
3 Episodes of Life von Markus Öhrn, Uraufführung, Koproduktion Wiener Festwochen und Institutet, koproduziert von Kampnagel und Künstlerhaus Mousonturm

Beste Off-Produktion
"The Bruno Kreisky Lookalike a Sitcom in 10 Episodes" von Toxic Dreams, Text und Regie Yosi Wanunu, Uraufführung, Koproduktion Toxic Dreams und WUK performing arts

Beste Bundesländer Aufführung
Die Revolution frisst ihre Kinder! ein Film- und Theaterprojekt von Jan-Christoph Gockel & Ensemble, Uraufführung, Kooperation Schauspielhaus Graz, Africolognefestival

Bestes Stück - Autorenpreis
Sibylle Berg für Hass-Triptychon – Wege aus der Krise, Uraufführung, Koproduktion Wiener Festwochen, Maxim Gorki Theater Berlin

Lebenswerk
Andrea Breth

Publikumspreis
Thomas Frank

 

trophaeeMit dem NESTROY-Preis werden seit dem Jahr 2000 herausragende Leistungen der österreichischen Bühnen ausgezeichnet. Dazu gehören auch Eigenproduktionen der Frühjahrs- und Sommer-Festivals (Wiener Festwochen, Salzburger Festspiele, Bregenzer Festspiele).

Der Preis für die "Beste Aufführung" wird überregional vergeben, "um zu dokumentieren, dass sich das österreichische und speziell das Wiener Theater als Teil der deutschsprachigen Theaterwelt versteht", wie es offiziell heißt

Die achtköpfige Jury wird jährlich vom Wiener Kulturstadtrat bestellt, in diesem Jahr: Karin Cerny (Profil), Wolfgang Huber-Lang (apa), Peter Jarolin (Kurier), Eva Maria Klinger (freie Journalistin), Wolfgang Kralicek (Theater heute / Süddeutsche Zeitung), Petra Paterno (Wiener Zeitung), Ulli Stepan (Vorsitzende der Jury ab Saison 2019/2020).

(nestroypreis.at / miwo)

 

Mehr zum Thema: Alle Nominierungen für die Nestroy-Preise 2019

 

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Kommentare  
Nestroy-Preise: Drama
Auch bei diesem Preis, der 20 Jahre lang schon vergeben wird, sind Frauen als Sängerinnen Programm und Dramaturginnen werden nicht ausgezeichnet, während Chinesen und N-Word besungen werden.... in welchem Jahrhundert ist dieses Wien eingeschlafen?
Nestroy-Preise: kollektives Verdrängen
In diesem Land ist alles möglich! Kollektives Verdrängen gehört hier einfach dazu. Warum ich nach diesem Lied nicht aufgestanden bin und Türen knallend raus, ist mir selbst ein beschämendes Rätsel... Abendregie und alle Verantwortlichen sollten den Zack Zack Zack zurücktreten.
Nestroy-Preise: Welches Lied?
@1 und @2 um welches Lied handelte es sich denn? Und wer hat es gesungen?
Nestroy-Preise: fürs Publikum produzieren
ad Mechthilde Reiner
Vielleicht werden Dramaturginnen und Dramaturgen deshalb nicht ausgezeichnet, weil als der Preis geschaffen wurde doch noch das Einverständnis herrschte, dass die Stückdramaturgie die Arbeit des Autors ist. Die Visualisierung des Stückes dann die Arbeit der Regie/Bühnenbild/Kostümbild und vor allem der Schauspieler ist und Dramaturgen eine unterstützende Arbeit an der Produktion leisten und keine eigenkreative.

Ich bin im vorigen Jahrhundert in Wien geboren, in diesem aber nicht entschlafen. Manchmal wünsche ich mir das fast bei Theaterbesuchen, zumindest aber die Zeit zurück, in der für Publikum produziert wurde und nicht nur zur Selbstbefriedigung der Eitelkeiten so mancher Kunstschafferinnen und Kunstschaffer.
Nestroy-Preise: katastrophaler Faux-pas
@2 - Auch ich saß beschämt im Parkett - beschämt ob meiner Angepasstheit. Aber "man" will halt nicht eine Veranstaltung sprengen, "man" ist zu gut erzogen - und ich wollte natürlich auch wissen, ob unsere Koproduktion mit dem Schauspielhaus Graz "Die Revolution frisst ihre Kinder!" am Ende einen Preis bekommt (hat sie!!).
@3 - Das Lied war "Der Novak lässt mich nicht verkommen" von Hugo Wiener aus dem Jahr 1954.
Weil es mir aber keine Ruhe ließ, habe ich zwei Tage später Prof. Patay (Präsident des Wiener Bühnenvereins und Veranstalter der Preisverleihung) u.a. geschrieben: "Umso schlimmer empfand ich den kapitalen Faux-pas mit dem Chanson "Der Novak lässt mich nicht verkommen". Kennen Sie das, wenn man denkt: Das ist jetzt nicht wahr, das passiert jetzt nicht wirklich? Wie können Sie - war Herr Hagg dafür verantwortlich? - wie können Sie in dieser Zeit, mitten in der metoo-Auseinandersetzung, einen Tag vor dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ein solches Lied mit einem Menschenbild aus dem vorletzten Jahrhundert auf die Bühne bringen? Das dann darin gipfelt, dass sie gerne nackt vor Negern (!!) und Chinesen tanzen will - der Mann es ihr aber verbietet. Die Sängerin tat mir leid, die vom Programmmacher so ins offene Messer laufen gelassen wurde - die das kesse Mäuschen geben musste ohne einen Funken Ironie oder kritischer Haltung. So ein Lied kann man doch heute nicht mehr eins zu eins bringen".
Nestroy-Preise: Ungeist feiert Urständ'
Hugo Wiener musste Österreich verlassen. Seine gesamte Familie wurde im KZ ermordet. Das war nicht im vorletzten, sondern im vergangenen Jahrhundert, und die Mörder, von denen einige noch leben, haben Schlimmeres getan als eine Kabarettnummer, eine Persiflage zu schreiben auf eine Frau, die der fürsorgliche Novak daran hindert, "verrucht" zu sein. Man muss die Rollenverse nicht mögen und das Lied nicht singen, wenn man zwei Wörter, unabhängig vom Zusammenhang, für ein Tabu hält. Aber schämen sollte man sich, wenn man das partout will, eher dafür, dass in Österreich der Geist, der Hugo Wiener ins Exil getrieben hat, wieder fröhliche Urständ' feiert. Vor und nach dem Nestroypreis, wen immer er auch treffen mag.
Nestroypreise: unökonomische Haltung?
Wenn man Bernhards Zitat über Preise neu denkt, in dem es heißt: „Preise sind wie Hämorriden. Jeder Arsch kriegt einen.“ So müsste es heute heißen: „Preise sind wie Fashionlables. Jedes großkonzeringes Servicepersonal kann sie vergeben und nur DienstleisterInnen machen sich was draus.“ Theaterleute- so denke ich- sollten doch eigentlich zu mehr in der Lage sein... Wo ist hier eine starke unökonomische Haltung von vermeintlich kunstverschriebenen TheatermacherInnen zu erkennen?
Es gäbe da so viele Möglichkeiten doch außer kleinlauten Einsichten hier und da lese und erkenne ich leider nichts...
Nestroypreise: Umdichtung
vielleicht sollte man den "Nowak" krass um dichten:

ich hab einen Mann den nicht viele möchten
der nicht immer mich bewahrt vor allem schlächten
ein jeder kennt ihn No-fuck ist sein Nahme
ihm dank ichs nicht, dass ich heut bin Nee-Dame

Ob angezogen oder als a nackter
der No-fuck hat am ganzn Leibe Kahn-Charakter
ich hätt schon längst ein böses End bekommen
denn der No-fuck lässt mich gern verkommen . . .

Ich hätt an vielen Dingen mein Vergnügen
ich möcht so gern in allen Gossen liegen
ich möchte öfter sinnlos mich besaufen
doch möcht ich nicht mit einem Freudenmädchen raufen

Ich möchte einmal
nein viele Mahl Schön-Männer doll fairbrauchen
ich möcht statt Memphis Marihuana in der Pfeife rauchen
ich hab auch längst schon Morphium genommen
denn mein No-fuck lässt mich allzugern verkommen . . .

Ich möcht auch öfters bei Vollmond a Vanpir sein
und möcht Geliebte von einem Fuck-irr sein
Ich möchte schlechte Austern mit der Schale fressen
Ich möchte mit einem Stinker-Walfisch mich vergessen
mit einer argen Hure mich bemessen


Ich habe mir das alles schon immer vorgenommen
denn mein Liebster, No-fuck lässt mich gern verkommen . .

Der No-fuck ist beileibe gar kein Segen
doch andrereseits lässt er mich nichts bewegen
da stand ein Inserat in einer Zeitung
es sucht von einem schmutzgen Nachtlokal die Leitung

ein junges Mädchen nicht gar zu brav mit einem schlampgen Wesen
das gerne nackert vor N-Wort und schlitzaugerten Chinesen
den Posten hab ich gleich bekommen
denn mein No-fuck der lässt mich gern verkommen . . .
Nestroy-Preise: Nicht Ihr Ernst, Herr Rothschild!
@6:Ist nicht ihr Ernst, oder, verehrter Thomas Rothschild?! Weil die Familie von Hugo Wiener im KZ ermordet wurde, sollen einem rassistische und sexistische Elemente in seinem Lied nicht peinlich sein dürfen? Was ist denn das für eine verquere Moral? Ich bin mit den Liedern von Cissy Kraner aufgewachsen, und ich fand sie ganz wunderbar. Aber der Witz vom Novak-lied ist nun mal, dass die Frau, die da singt, so unglaublich dumm ist, dass sie nicht einmal weiß, dass ein Nachtlokal, in dem N**** und Chinesen verkehren, eine üble Unterweltlocation sein muss und sie vom Novak vor diesen schwarzen und gelben Viechern gerettet werden muss. Wenn man diese Nummer ohne irgendeinen Kontext bei einer Gala bringt, dann ja wohl deswegen, weil man hofft, dass die Leute das auch heute noch lustig finden werden- und das wiederum kann einem ja wohl mit Fug und Recht peinlich sein! Dass Nazis viel Schlimmeres als das sagen und tun: wohl wahr. Aber deswegen sollte man nichts mehr auf der Welt kritisieren dürfen, schon gleich gar nicht, wenn irgendwelche Menschen beteiligt sind, die Opfer von Verfolgung sind oder waren? Da könnten wir unsere sieben Zwetschgen ja gleich komplett einpacken, Herr Kollege! Nix für ungut!
Nestroy-Preise: Ironiesignale gefordert
Ich halte Herrn Rothschilds Einwand für völlig richtig. Zumal der Text des Liedes ja nicht identisch ist mit der Meinung des Liedschreibers, sondern hier singt ein "lyrisches Ich". Es ist eine ROLLE! Zwar ist das Lied von 1954, aber vielleicht würde diese Dame oder der Herr Nowak ja heute auch noch in Sachen "Unterweltlocation" Worte benutzen, die in den Ohren aufgeklärter Menschen rassistisch klingen. Und warum ist das Lied sexistisch? Es handelt sich bei der Dame keineswegs um ein "kesses Mäuschen". Und wenn man das Lied so singt, wie die Cissy Kraner (die Frau von Wiener), ist das auch klar und eine super Nummer: https://www.youtube.com/watch?v=zA8xERVHXh8. Würde sich nahtlos in die "Dreigroschenoper" einfügen. Es kommt dabei aber natürlich sehr auf die Interpretation an. Max Raabe zum Beispiel singt in seinen Programmen das wesentlich problematischere Lied "Ich lass mir meinen Körper schwarz bepinseln". Ich würde das auf keinen Fall tun, aber er macht es mit seiner so deutlich ironischen Haltung, dass es eigentlich nicht missverstanden werden kann.
Nestroy-Preise: Hinweis
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