Stürme der Entrüstung

30. Dezember 2019. Designierte und amtierende Theaterleiter werden gestürzt. Das Ringen um Machtverhältnisse, Diversität und Geschlechtergerechtigkeit auf und hinter den Bühnen dauert an. Leuchtturm-Intendanzen in Wien und Zürich starten, andere prominente Direktionen werden besetzt. Die Klimakrise lässt sich nicht mehr weggleugnen. Und es gilt, Abschied von großen Theatermachern zu nehmen: Bruno Ganz und Johan Kresnik. Das war das Theaterjahr 2019.

 

Januar

Am 24. Januar kracht eine Meldung aus Köln ins junge Jahr: Carl-Philipp von Maldeghem soll Intendant am Schauspiel Köln werden. Nicht nur in den nachtkritik.de-Kommentaren, auch in der Kölner Lokalpresse bricht ein Sturm der Entrüstung los. Zu provinziell findet man den Mann vom Landestheater Salzburg. "Die Wahl nimmt noch mehr wunder angesichts der semi-offiziellen Liste weiterer möglicher Kandidaturen, darunter die Regisseurinnen Karin Henkel, die während der höchst erfolgreichen Kölner Ära Beier häufig und preisgekrönt inszeniert hat, sowie Jette Steckel", kommentiert Nachtkritiker Andreas Wilink die Entscheidung. Gerade einmal sieben Tage später wird sich Maldeghem vom Kölner Amt zurückziehen.

DAU 4 560 Phenomen IP 2019 Photographer Olympia OrlovaBilder vom DAU-Filmset © Phenomen IP 2019, Olympia Orlova

Derweil ist der in Berlin mehrfach an den Hürden der Bürokratie und des Bürgerprotests gescheiterte russische Regisseur Ilya Khrzhanovsky mit seinem sagenumwobenen Mega-Projekt "DAU" nach Paris umgezogen. Für uns vor Ort war Michael Wolf: "Hätten sie die Chose doch nur abgesagt!", schrieb er seufzend im Angesicht des schrumpfenden Scheinriesen. "Am Donnerstag verweigerten die Pariser Behörden aus Sicherheitsgründen die Zulassung für das Großevent 'DAU'. Was für eine Gelegenheit, den Crétins von der Präfektur das Scheitern in die Schuhe zu schieben. Ohne jemals eröffnet zu werden, wäre 'DAU' als Mythos, als Sammlung von Gerüchten und Legenden in allerbester Erinnerung geblieben."


Februar

Am 15. Februar stirbt Bruno Ganz. Er war der Fixstern einer ganzen Theatergeneration um und nach 1968, Protagonist der Schaubühne von Peter Stein und darüber hinaus – natürlich – Engel im Filmklassiker "Himmel über Berlin" von Wim Wenders. Einer von vielleicht zwei Handvoll deutschsprachiger Filmschauspieler von Weltruf. Obendrein war er auch Träger der höchsten Insignie der hiesigen Schauspielkunst: des mythisch funkelnden Ifflandrings. Dessen wechsel- und unheilvolle Geschichte erzählt Esther Slevogt in ihrer Kolumne "Aus dem bürgerlichen Heldenleben". Von Bruno Ganz wird der Ifflandring im März per Vermächtnis an Jens Harzer weitergereicht werden.

Iffland Ring 560 Reinhard Werner uDer Iffland-Ring © Reinhard Werner

Derweil brauen sich an der Saale über dem Opernintendanten Florian Lutz die Gewitterwolken des Hallenser Führungsstreits zusammen. Länger schon liegen die Spartenleiter von Oper und Schauspiel mit dem Geschäftsführer der Bühnen Halle Stefan Rosinski im Clinch. Am 22. Februar wird die Nichtverlängerung des Opernchefs im Aufsichtsrat beschlossen, Regine Müller kommentiert den Fall anlässlich der Opernpremiere "Ariadne auf Naxos" (von Richard Strauss): "Florian Lutz steht für innovatives, manchen provozierendes, oft politisches, immer verspieltes, engagiertes Theater. Nichts für Theatergänger mit stramm konservativen Ansichten, die von 'werktreuen' Aufführungen der 'Klassiker' träumen und keinerlei Eingriffe ins Material wollen." Später im Jahr wird vermeldet, das Florian Lutz ans Staatstheater Kassel weiterzieht. Der ebenfalls im Leitungkonflikt unterlegene Schauspielleiter Mattthias Brenner bleibt in Halle.


März

Anfang März geht's im 12. Theaterpodcast von Deutschlandfunk Kultur und nachtkritik.de darum, ob sich die Theater in die Kulturkämpfe der AfD verwickeln lassen. Die Frage veraltet schnell, als die AfD bei den Landtagswahlen im Herbst des Jahres erstarkt. Man kann ihre Forderungen abwehren, entziehen kann man sich ihnen nicht. Auch die Ausladung des Zentristen für politische Schönheit Philipp Ruch von einem Kongress, den das Innenministerium bezahlt, wird von manchem als vorauseilender Gehorsam gegenüber der AfD aufgefasst.

Internat3 560 Birgit Hupfeld uGekürt, aber nicht gezeigt: "Das Internat" von Ersan Mondtag fehlte beim Berliner Theatertreffen. Lief aber im Mitschnitt auf nachtkritik.de © Birgit Hupfeld

Das Berliner Theatertreffen muss derweil bekanntgeben, dass es im dritten Jahr in Folge eine der Auswahlinszenierungen nicht zeigen kann – Ersan Mondtags "Das Internat" vom Schauspiel Dortmund –, weil das Bühnenbild in den für die Gastspielvorbereitungen zur Verfügung stehenden vier Tagen nicht aufbaubar ist. nachtkritik.de schafft Abhilfe und zeigt im Mai parallel zum Theatertreffen einen Mitschnitt der Hauptprobe. Gute Schlagzeilen hat Dortmund dennoch zu bieten: Die Akademie für Theater und Digitalität startet.


April

Ähnlich wie in Halle erlebt auch das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin einen Leitungskonflikt. Georg Kasch beleuchtet den Fall und beschreibt die Anatomie des Schweriner Theaterkrachs. Der Schauspieler Axel Sichrovsky, der die Schweriner Interna als Gast des Hauses kennt, nimmt den Text zum Ausgangspunkt für einen Essay über Angst und Kommunikationsmissstände zwischen Intendanz und Schauspieler*inen. Noch vor den Theaterferien im Sommer wird bekanntgegeben, dass Schwerins Generalintendant Lars Tietje seinen Vertrag nicht über 2021 hinaus verlängert.

In Thüringen stellt sich heraus, dass die Staatsanwaltschaft Gera bereits seit 2017 gegen die Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit (ZpS) wegen des Verdachts der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" ermittelt. Offenbar eine Reaktion auf die Aktion "Deine Stele" am Wohnhaus des AfD-Politikers Björn Höcke in Bornhagen/Thüringen. In einem Offenen Brief verteidigen namhafte Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Publizist*innen die Kunstfreiheit gegen staatliche Verfolgung, die Ermittlungen gegen das ZpS werden kurz darauf eingestellt.

Eisbaer 560 AWI MarioHoppmann Die Klimakrise ist eines der großen Themen des Jahres. Auch auf nachtkritik.de. © Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann

Im Zuge der "Fridays for Future"-Bewegung wird die Klimakrise zum bestimmenden Thema 2019. Der Dramaturg Christian Tschirner beginnt die Auseinandersetzung auf nachtkritik.de mit seinem Essay über den unheilvollen Zusammenhang von schlechter Klimapolitik und rechter Demagogie. Dem Klimathema widmet sich auch der Theaterpodcast (16) über nachhaltige, klimasensible Produktionsweisen an Theater. Im Oktober wird nachtkritik.de eine Konferenz "Klima trifft Theater" in der Heinrich Böll Stiftung Berlin mitveranstalten (hier die Dokumentation). Ein Interview mit Meeresbiologin Antje Boetius schließt sich an. Unser großes Klima-Dossier fasst alle Beiträge zusammen.


Mai

Der ultimative Wonnemonat für alle Theaternasen! Reich an Festivitäten wie den Ruhrfestspielen, den Wiener Festwochen oder dem Berliner Theatertreffen. Letzteres sorgte bereits am letzten April-Tag für den Knaller und kündigte für die kommenden Jahre eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent für die Regiepositionen der eingeladenen Gastspiele an. Die Kommentare prasseln erwartungsgemäß zahlreich, viel Zustimmung gibt es, manchem aber erscheint der Vorgang auch wie der Untergang des Abendlandes. nachtkritik-Redakteurin Esther Slevogt schreibt: "Für solche Strukturen, die sich so tief in Mentalitäten und Sphären des Unbewussten fressen, braucht es auch schon mal die Brechstange." Auf der Konferenz "Burning Issues" stecken die Theaterfrauen ihre Claims ab, nachtkritik.de berichtet in einem Kollektivtext.


Burning Issues V 560 Sophie WanningerDie 2. Konferenz zur Geschlechtergerechtigkeit "Burning Issues" im Rahmen des Berliner Theatertreffens © Sophie Wanninger

Zum Theatertreffen selbst bittet nachtkritik.de wie im letzten Jahr externe Expert*innen, sich die Gastspiele anzuschauen. Die Schrifstellerin Berit Glanz (für den Festivalauftakt mit Hotel Strindberg), der Stadtsoziologe Andrej Holm (über "Oratorium") oder der Comic-Zeichner Kai Pfeiffer (für "Dionysos Stadt"), um nur einige wenige zu nennen, stehen auf der Gästeliste.

Heftig prallen am Schauspiel Frankfurt Intendant Anselm Weber und Star-Regisseur Ulrich Rasche aufeinander. Es geht um Machtfragen in Leitung und Inszenierung. Esther Slevogt hat den Fall durchleuchtet und warnt davor, Ästhetiken wie das Chortheater von Rasche und die ihnen entsprechenden Produktionsweisen unter Generalverdacht zu stellen.


Juni

Dass René Pollesch doch mal endlich das Ruder der Berliner Volksbühne übernehmen soll, danach wurde schon in den kargen Jahren der Castorf-Ära gerufen. Mitte Juni 2019 ist es soweit: Pollesch wird als Volksbühnen-Intendant ab der Spielzeit 2021 benannt. Bei der Pressekonferenz euphorisiert ein "Back to the Roots"-Gefühl den Raum. Pollesch verkündet allerdings den Aufbruch in neue Zeiten: Er will sich klar von Castorf unterscheiden, die Volksbühne plant er als Autorentheater, und sie soll "jünger, weiblicher, diverser" werden. "In der Riege der assoziierten Künstler*innen wird sie das ganz gewiss", schreibt Christian Rakow in seinem Kommentar und fasst zusammen, dass bei aller Euphorie auch Fragen offen bleiben: "Wird es ohne Interpretationstheater gehen? Ohne die Klassiker auf den Spielplänen, die auch theaterfernes Publikum locken? Werden schreibende, aber nicht-regieführende Künstler*innen gewonnen werden können?"

Kay Voges 560 Marcel Urlaub uVon Dortmund nach Wien: Regisseur Kay Voges wechselt 2020 in die Intendanz des Volkstheaters Wien © Marcel Urlaub

Ein Regisseur, der lange als Geheimtipp für die Intendanz der Volksbühne gehandelt wurde, geht derweil ans Volkstheater Wien: Kay Voges. "Während man 2015 Anna Badora noch hoffnungsvoll zutraute, das kolossal regietheaterfeindliche Volkstheaterpublikum abzuholen und zu interessanterem Theater zu erziehen, glaubt man mittlerweile nicht mehr, dass das überhaupt geht. Voges hat also nichts zu verlieren, sondern kann sich im Gegenteil als Zauberer profilieren, der den Phönix Volkstheater aus der Asche holt", schreibt Martin Thomas Pesl in seinem Kommentar zur Ernennung. Abseits der Metropolen sorgt derweil das Landestheater Schleswig-Holstein für ein Oho-Erlebnis, indem es seinen designierten Schauspieldirektor noch vor Amtsantritt verhindert.


Juli

Rassistische Vorfälle an einem Kinder- und Jugendtheater? Offenbar: ja. Anfang Juli wird öffentlich, dass am Berliner Theater an der Parkaue eine Schauspielerin wegen einer offen rassistischen Atmosphäre die Produktion "Die Reise um die Erde in 80 Tagen" verlassen hatte. Ehemalige Mitarbeiter*innen schreiben in einem Offenen Brief von einer Atmosphäre der Angst am Haus. Drei Monate später wird der Vertrag des Landes mit Intendant Kay Wuschek einvernehmlich aufgelöst, die Hintergründe hat die Berliner Zeitung aufgeschrieben.
VBGipfel1 560 Immo Braeutigam uRegenschirm-Installation beim "Alternativen Volksbühnengipfel" vorm Mensch Meier in Berlin-Friedrichshain. © Immo Bräutigam
Beim Alternativen Volksbühnen-Gipfel zeigen sich die ehemaligen Besetzer*innen der Volksbühne und verhandeln etwas wirr und ergebnislos ihre stadtsoziologischen Visionen für neue Stadt-Kunst-Räume. Sophie Diesselhorst berichtet unter dem Titel "Räume hacken, aber welche?"

Ende des Monats verstirbt einer der Großen der Berliner Volksbühne und der deutschsprachigen Bühnenlandschaft: Tanztheater-Pionier Johann Kresnik.


August

Die fristlose Kündigung Adolphe Binders als Intendantin des Wuppertaler Tanztheaters ist unwirksam. Das entscheidet – als zweite Instanz – das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Die Justiz setzt damit einer beispiellosen Schlammschlacht ein vorläufiges Ende. Der Kündigung voraus gingen Gerüchte über vermeintliches Fehlverhalten Binders. Die Quelle war der von der Stadt Wuppertal beauftragte PR-Berater Ulrich Bieger. Er räumt nun ein, das Material sei im Rahmen eines "Jour fixe" zusammengestellt worden. Teilgenommen haben sollen unter anderen Stadtdirektor Johannes Slawig, Kulturdezernent Matthias Nocke und der damalige Tanztheater-Geschäftsführer Dirk Hesse. "Wenn dies stimmt, dann handelt es sich dabei um den geplanten Rufmord einer ungeliebten, aber laut Vertrag eben nicht so leicht zu kündigenden Intendantin im Auftrag der Stadt", schreibt die von Anfang an mit der Affäre befasste Kulturjournalistin Nicole Bolz bei uns.

DionysosStadt Comic Kai Pfeiffer TT 2019Aus dem Comic von Kai Pfeiffer zum Theatertreffen-Gastspiel der Inszenierung des Jahres

Bei der Jahres-Bestenliste von Theater heute wie bei vielen anderen Ehrungen (Deutsche Bühne, Faust-Theaterpreis, Nestroy-Theaterpreis) räumt eine Inszenierung 2019 kräftig ab, die beim Berliner Theatertreffen für Furore gesorgt hatte: das zehnstündige Antiken-Spektakel "Dionysos Stadt" in der Regie von Christopher Rüping.


September

Wie unterschiedlich Intendanzstarts aussehen können, demonstrieren im September das Wiener Burgtheater und das Schauspielhaus Zürich: Hier ein großer Regiename mit bewährter Marschtechnik, dort ein so vielstimmiges Best-of-Recycling wider die Überproduktion. Nach Lektüre der Nachtkritiken geht der Punktsieg an Zürich.

BurgZuerichIntendanzeröffnungen: Ulrich Rasche mit "Die Bakchen" am Burgtheater Wien (© Andreas Pohlmann) | Leonie Böhm mit "Kasimir und Karoline" in Zürich (© Reto Schmid)

Dass sich Theater im Wesentlichen jenseits dieser Metropolen abspielt, betont Silvia Stolz in ihrem Essay über kulturelle Vielfalt in der Fläche, die sie bedroht sieht. Ihre Liste der Herausforderungen für reisende Landestheater wie für Bespieltheater ist ziemlich beeindruckend.

Noch beeindruckender, dass der russische Regisseur Kirill Serebrennikow nach Jahren des Hausarrests wieder reisen darf! Jetzt kann er endlich all die Projekte zwischen Berlin und Stuttgart realisieren, die bislang auf Eis lagen.


Oktober

Im Oktober erscheint Thomas Schmidts Studie zu "Macht und Struktur im Theater", in der er erstmals empirisch untermauert, dass Machtmissbrauch kein vereinzeltes Problem schwarzer Schafe, sondern strukturell verbreitet ist. Im Interview fordert er das Ende der "One-Man-Show des Intendanten". Ein Dringlichkeitsschub für die Forderungen des Ensemble-Netzwerks, das sich zur jährlichen Großversammlung in der Berliner Volksbühne trifft. O-Töne von Thomas Schmidt und Entgegnungen der Bühnenvereins-Intendantin Kathrin Mädler (Memmingen) bietet der Theaterpodcast (19).

Die Literaturnobelpreise für 2018 und 2019 erhalten Olga Tokarczuk und Peter Handke. Erstere Ehrung geht förmlich unter, denn der Protest gegen Handke für seine Stellungnahmen zu den Jugoslawien-Kriegen schäumt lang und weit über die Feuilletongrenzen hinaus. Wir versammeln die prominentesten Stimmen in der Chronik der Handke-Debatte.

Glauben 3 560 William Minke uDiskursmacher und Discomacher: Tatort-Kommissar und Volksbühnen-Veteran Fabian Hinrichs glänzt im Show-Palast an der Spree © William Minke

Auf nachtkritik.de stacheln zwei Kolumnen den Diskussionsfuror der Kommentator*innen an: Wolfgang Behrens bekennt sich zur Texttreue (Evergreen!) und Michael Wolf fordert, dass Schreibprofis statt regieführende Dilettanten Romane adaptieren sollen.

Und in Berlin erfreut man sich am medienwirksamen Gastspiel der Volksbühnen-Heroen René Pollesch und Fabian Hinrichs im Friedrichstadt-Palast, wo es eine Anti-Show im Show-Olymp gibt. Im Theaterpodcast (20) spricht Fabian Hinrichs über die Arbeit.


November

Im November steht das 30. Jubiläum des Mauerfalls an. Im Interview empfiehlt der Regisseur Leander Haußmann dem Westen, den Osten endlich als sein Spiegelbild zu begreifen und plädiert für Versöhnung. nachtkritik.de-Redakteur Nikolaus Merck nimmt das Jubiläum zum Anlass für eine Theaterreise durch Sachsen und Thüringen. Dort schüttelt er den Kopf über "Die klägliche Klage der Ohnmacht".

adk Symp PostdramatischesTheater1 560 Marcus Lieberenz bildbuehnede uEin Buch und die Bewegung, der es den Namen gab, werden gefeiert: das Postdramatische Theater. Im Bild: Alexandra Marinho de Oliveira, Koku G. Nonoa und Patrick Primavesi in Berlin © Marcus Lieberenz | bildbuehne.de

Auch das Postdramatische Theater feiert Jubiläum. Vor 20 Jahren erschien Hans-Thies Lehmanns prägende Studie dazu. "Im deutschsprachigen Raum hat das postdramatische Theater mittlerweile viel von seiner Vitalität verloren. International ist die Bedeutungskurve nach oben gestiegen", stellt Simone Kaempf aus Anlass eines Symposiums in der Berliner Akademie der Künste fest. Besonders wo gesellschaftlicher oder politischer Umbruch herrsche, liefere das Buch Muster, offenes und widerständiges Theater zu machen.


Dezember

Das Jahr geht so unruhig zu Ende, wie es angefangen hat. In Darmstadt schwelen länger schon Konflikte am Haus, Leitungspersonal wurde auffallend oft ausgetauscht, ein anonymer "Hilferuf" erreichte die Presse, jetzt wird der Geschäftsführer beurlaubt. Für nachtkritik.de hat sich Esther Boldt am Staatstheater umgeschaut und findet "eine komplexe Gemengelage: eingefahrene Strukturen; Mitarbeiter*innen, die sich mit der künstlerischen Arbeit nicht identifizieren können und den Aufstand proben – oder die Intrige; eine Presse, die mitunter vorschnell reagiert; ein engagierter Intendant, der nicht abgeben kann – und der sich weigert, zu bestimmten Vorgängen und Vorwürfen klar Stellung zu beziehen (…)."

Budapest 560 TordaiBence FBAus Protest gegen das ungarische Kulturförderungsgesetz halten sich Abgeordnete der Opposition schwarze Masken vors Gesicht. © Tordai Bence / Facebook 560 TordaiBence FB

In Berlin scheitert die Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit mit ihrer Aktion "Sucht nach uns!", für die nach eigenen Angaben echte Totenasche von Holocaustopfern ausgegraben und ins Berliner Regierungsviertel gebracht worden sein soll. Der Aufschrei durch alle politischen Lager ist enorm. Das ZpS entschuldigt sich, übergibt die Asche einem Rabbiner und arbeitet unwesentlich kleinlauter als sonst weiter am "zivilgesellschaftlichen Zapfenstreich" gegen die AfD und jedweden Faschismus.

In der Welt um uns herum wird um die Demokratie und die Freiheit des Theaters gekämpft: In Hongkong, von wo der Theatermacher Pat To Yan im E-Mail-Interview berichtet. Oder in Ungarn, wo die Fidesz-Regierung nach den verlorenen Kommunalwahlen die Kulturszene unter Kuratel stellt. Und zwar just, nach dem sich die unabhängige Szene auf einem Festival präsentierte, wovon in einem Long-Read Esther Slevogt berichtet: Tages des Zorns.

(Redaktion)