Kunstwelt unterstützt Berlins Hausbesetzer-Szene
Schlupflöcher im Kapitalismus
Berlin, 18. Januar 2020. Zahlreiche Kulturschaffende unterstützen eine Kampagne zum Erhalt bedrohter alternativer Projekt in Berlin. Unter dem Titel "Kein Haus weniger! – Ein offener Brief alternativer Berliner Haus- und Kulturprojekte" wird in der Kampagne der Erhalt des queerfeministischen Hausprojekts Liebig 34 in Berlin-Friedrichshain und weiterer Projekte gefordert. Insgesamt 140 Projekte und Organisationen stehen auf der Liste von "Kein Haus weniger".
Zu den Unterstützer*innen des Projekts zählen laut Mitteilung der Aktivist*innen rund 70 Kulturschaffende, darunter Elfriede Jelinek, Thomas Oberender, Donna Haraway und Didier Eribon. Die Kampagne soll am kommenden Montag, dem 20. Januar 2020, im Gartenhaus des Berliner Ensembles vorgestellt werden.
Im Tagesspiegel erklärt sich der Regisseur Leander Haußmann solidarisch: "Wenn die Stadt so weitermacht, werde ich wieder Kommunist". Intendant Thomas Oberender von den Berliner Festspielen lässt sich mit den Worten zitieren: "Ich kann nicht Taylor Mac zu den Berliner Festspielen einladen und zuschauen, wenn das queer-feministische Kollektiv in der Liebig 34 geräumt werden soll." Und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek sagt auf Nachfrage des Tagesspiegels: "Ich unterstütze schon aus hygienischen Gründen solche Initiativen immer. Man muss jedes Schlupfloch sofort besetzen, jeden Zentimeter, den ein gieriger Kapitalismus einen Augenblick lang unbeobachtet lässt."
Das queerfeministische Projekt Liebig 34 war jüngst auf der Premiere von René Polleschs neuem Stück (Life on earth can be sweet) Donna am Deutschen Theater Berlin mit einer Protest-Demo aufgetreten. Pollesch zählt ebenfalls zu den Sympathisanten der Kampagne.
(keinhausweniger.info / tagesspiegel.de / chr)
Update am 20. Januar 2020: Bei einer Pressekonferenz im Berliner Ensemble wird die volle Liste der Unterstützer*innen mit weiteren Statements prominenter Kulturschaffender präsentiert. Der Regisseur Ersan Mondtag solidarisiert sich mit den Worten: "Es macht mich nicht nur traurig, sondern unfassbar wütend zu beobachten, wie Berlin Stück für Stück in seiner kulturellen und vielfältigen Substanz durch den Wahn des neoliberalen Monsters zerstückelt und aufgefressen wird. Wir müssen um jeden bedrohten Quadratzentimeter kämpfen, sonst frisst uns das Monster am Ende auf." Die Philosophin Donna Haraway sendet die Worte: "I want to enthusiastically add my name to the list of supporters and send a message of solidarity and sisterhood. You have been 'staying with the trouble' in such important and creative ways, and housing is a core thread in caring for each other and our earth. Here's to making kin!" Zu den Unterstützer*innen zählen neben den oben Genannten der Liste zufolge die Autorin Sibylle Berg, der Dramaturg Carl Hegemann, der Regisseur Jürgen Kuttner, der Regisseur Volker Lösch sowie der Autor Wolfram Lotz, der Regisseur und Intendant Milo Rau sowie der Dramatiker Kevin Rittberger.
(sd)
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Was ich nicht verstehe: Wirksame Hygienemaßnahmen bestehen nach meinem Verständnis aus mehr als Händewaschenvordem(eigenen)Essen… Ich weiß also nicht, warum ich diese Listen unterschreiben sollte? Damit an bestehende Institutionalisierung angepasste Kulturpolitiker ihre Gesinnungshäkchen machen können, damit sie parteipolitisch für künftige Entscheidungen vorsorgen können? Ich kann auch nicht sagen: „Kein Haus weniger räumen. – Jaja, ich bin auch dafür und möchte auch in dieser schmucken Reihe stehen – nach dem Motto: hinterPollesch,dasisdochwas!!! Was ist das für ein kompromisslerisches Denken, wenn es um das prinzipielle Recht auf Kunstausübung, auf Wohnen und die Unantastbarkeit der Menschenwürde geht? Ich werde mich durch meine Unterschrift, der guten Gesellschaft hinzugesellen wollend, die ökonomischen Strukturen und die mittlerweile gebeugten Gesetzesrahmen, die ihnen ihr Bestehen in vollem Umfange sichern und die Apparate der Staatsräson, die gegen Protest gegen diese Vorgänge in Einsatz gebracht werden auf keinen Fall als „Monster“ bezeichnen. Das ist kein Alptraum für ausgesucht empfindsame Seelen, den wir ästhetisch verwerten könnenwollensollen, den wir in Berlin und anderswo in unseren neokapitalliberalen, Demokratie aushöhlenden, Gesellschaften erleben. Sondern eine sich zunehmend militarisierende, imperialistische Realität. Und das ist auch kein ästhetisch mehr oder weniger beeindruckendes „Monster“ aus einem Horror- oder Fantasy-Film. Sondern eine zu durchschauende und – auch von Künstlern - beschreibbare und darstellbare, staatstragende Ökonomie mit Menschenrechte verachtenden Auswirkungen.
Ich wäre sehr froh, wenn mir meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen aus dem Theater- und Literaturbetrieb erklären -und damit intellektuell helfen, würden, warum ich diese Liste trotz der vorgenannten Einwände unterschreiben sollte. Ich brauche leider immer gute Gründe für meine Unterschrift unter irgendeinem Schreiben, sonst funktioniert meine Schreibhand nicht.