Die Auserwählten 2020

23. Januar 2020. Das virtuelle nachtkritik-Theatertreffen 2020 ist entschieden! Die Leser*innen von nachtkritik.de haben aus den 45 Vorschlägen, die ihnen die nachtkritik-Autor*innen und -Redakteur*innen vorgelegt hatten, ein Tableau aus 10 Inszenierungen gewählt. Insgesamt stimmten 6296 Wähler*innen ab (im Vorjahr 5693) und vergaben 9.894 Stimmen (Vorjahr 10.026).

Wie im vergangenen Jahr war es nicht möglich, mehrfach aus demselben Netzwerk abzustimmen. Dieses Blocking macht das Ergebnis homogen. Wir wurden von verschiedenen Nutzer*innen darauf hingewiesen, dass ihre Rechner vom System blockiert wurden. In der Kürze der Zeit ließ sich die Fehlerquelle nicht abschließend bestimmen. Wir gehen davon aus, dass von dem Fehler alle Produktionen gleichermaßen betroffen sind, zumindest gibt es keine ungewöhnlichen Ausreißer nach oben oder unten. Insofern wollen wir die zehn Arbeiten, die die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten, noch einmal gebührlich in Bild und Ton präsentieren.

Das Ergebnis sind die folgenden zehn Inszenierungen in alphabetischer Reihenfolge (mit den Begründungen der Nominierung für die Leser*innen-Wahl).

 

Blackbird
von David Harrower, Regie: Manfred Langner, Theater Trier
Premiere am 4. September 2019

Die Inszenierung verweigert eine eindeutige Schuldzuweisung und wird zum bemerkenswert verdichteten Kammerspiel über emotionale (Selbst-)Zerfleischung.
(Rainer Nolden)

 

Coriolan
von William Shakespeare, Regie: Tilmann Köhler, Düsseldorfer Schauspielhaus
Nachtkritik vom 18. April 2019

Alle sind sie Clowns: Volk, Volksvertreter, Aristokraten. Verfremdung wie aus dem Lehrbuch, nur lustiger.
(Gerhard Preußer)

 

Das große Heft
von Agota Kristof, Regie: Sara Ostertag, Kosmos Theater Wien
Nachtkritik vom 3. Dezember 2019

Ein Gesamtkunstwerk, das vor Schönheit, Grausamkeit und Lebenslust geradezu explodiert. Eine rauschhafte Symphonie.
(Gabi Hift)

 

Das Recht des Stärkeren
von Dominik Busch, Regie: Florian Fiedler, Theater Oberhausen
Nachtkritik vom 7. März 2019

Eine inhaltlich und ästhetisch multiperspektivisch schillernde Produktion.
(Jens Fischer)

 Mädchen01 280 Irene Kleinschmidt Siegfried W  

Das schweigende Mädchen
von Elfriede Jelinek, Regie: Marco Štorman, Theater Bremen
Nachtkritik vom 14. Juni 2019

In einer beeindruckend zwischen Winz- und Großformat oszillierenden Bilderfolge senkt Marco Štorman uns hinein in Elfriede Jelineks Ringen um den NSU-Komplex.
(Tim Schomacker)

 

 

Hamlet
von William Shakespeare,
Regie: Johan Simons, Schauspielhaus Bochum
Nachtkritik vom 15. Juni 2019

Die Inszenierung tanzt mit Irritation und Widersinn, Verrat und Verlust, Spaß und Spott, Tod und Verzweiflung und gewinnt so Schönheit, Anmut und Befremden.
(Andreas Wilink)

 

Italienische Nacht
Ödön von Horváth, Regie: Calixto Bieito, Schauspiel Stuttgart
Nachtkritik vom 21. September 2019

Eine phänomenale, kraftvolle Horváth-Umsetzung, auch was das Bühnenbild und die Einbindung von Musik angeht. Ein darstellerisch großartiger Abend.
(Verena Großkreutz)

 

Warten auf Godot
von Samuel Beckett, Regie: Sandra Strunz, Nationaltheater Mannheim
Premiere 19. Oktober 2019

Sandra Strunz denkt Becketts Endzeit-Drama mit dem Mannheimer Ensemble konsequent in die zerfallende Spaßgesellschaft und in die Klimakrise weiter.
(Elisabeth Maier)

 

Wer hat meinen Vater umgebracht
nach Édouard Louis, Regie: Michael Letmathe,
Theater Münster
Premiere am 21. Dezember 2019

Michael Letmathe hat Édouard Louis’ zorniges Romanessay in einen zutiefst berührenden Monolog verwandelt.
(Sascha Westphal)

 

Wie geht es weiter – die gelähmte Zivilgesellschaft
von Martin Gruber und Aktionstheater Ensemble, Regie: Martin Gruber, Theater Kosmos Bregenz
Nachtkritik vom 4. Juni 2019

Österreichs interessanteste freie Gruppe mit jedem Stück ein Kandidat für das nachtkritik.de-Theatertreffen.
(Thomas Rothschild)

 

Kommentare  
Ergebnis nk-Theatertreffen: 20 Prozent
Frauenquote: 20 %. Zumindest hier wird sich das echte tt unterscheiden …
Ergebnis nk-Theatertreffen: unartig
Hm. Heißt das nun, dass 80 Prozent derer, die an dieser Abstimmung teilgenommen haben, Machos sind? Oder dass auch Frauen unartig für Inszenierungen von Männern gestimmt haben, weil sie sie besser fanden? Übrigens: wie hoch ist die Quote behinderter Autoren? Interessiert Sie nicht? Warum bloß...
Ergebnis nk-Theatertreffen: zuerst die Lebenden
Es ist mehr als erfreulich, dass die Lebend-Autor*innen-Quote mit Jelinek, Busch, Harrower und Louis in der Auswahl des nachtkritik- Theatertreffens bei 40%, bei einem erweiterten Autorenbegriff mit Gruber & Co. sogar bei stattlichen 50% liegt! Dies ist nicht nur eine Wertschätzung lebender und auf unsere Gegenwart reagierender Autorinnen und Autoren, sondern auch eine Anerkennung für alle Theaterschaffenden, die sich auf dieses ungleich größere Wagnis einlassen. Kann ein Song von Beyoncé, kann ein Track von Eminem neben Beethovens Fünfter bestehen? Ich weiß es nicht - aber vielleicht ist die Frage ja falsch gestellt? Vielleicht sollte man einfach das eine tun, und das andere nicht lassen? „Zuerst die Lebenden“ schiene mir nicht die schlechteste Haltung, die sich Jurys im Hinblick auf Autor*innen wieder öfter zu Herzen nehmen könnten.
Ergebnis nk-Theatertreffen: desinteressierte tt-Jury
Interessiert mich auch, lieber Herr Rothschild. Interessiert aber die echte tt-Jury mit ihrer Frauenquote auch nicht. Genauswenig wie eine "Provinz"quote, eine Migrationsquote oder welche Quote auch immer.
Ergebnis nk-Theatertreffen: Provinz
Erfreulich ist, dass die sogenannte „Provinz“ bei dieser Auswahl angemessen vertreten ist. Die Fixierung der Kritiker*innen und vieler Nutzer*innen dieser Seite auf die immer gleichen Metropolen-Theater und die immer gleichen Regie-Handschriften ( Castorf, Pollesch, Mondtag, Kennedy, Rau…) nervt mich schon lange. Es lebe die Diversität der Regionen!
Ergebnis nk-Theatertreffen: sinnfrei und konkurrenz-schürend
Wieso veranstaltet Nachtkritik nicht sinnvollere und konstruktivere Dinge (und Rankings)?
z.B. eine zeitgemäße, kreative, multimediale Plattform des Austausches und der Bewertung, wo sich Menschen aktiv und regelmäßig über Theaterabende unterhalten und austauschen können.

- Was genau bringen diese nachgeahmten Schnellschüße? Wieso unterstützt Nachtkritik nicht förderliche, progressivere nachhaltige Methoden der Bewertung und des Zusammenwachsens anstatt Wettbewerbssamen zu säen?

Diese Abstimmung ist sinnfrei, patikular- bis un-demokratisch, Konkurrenz schürend und genauso repräsentativ/un-repräsentativ wie das Theatertreffen selbst.
Ergebnis nk-Theatertreffen: kein Ort, Haltung
Provinz ist kein Ort, sondern eine Haltung.
Ergebnis nk-Theatertreffen: Ostdeutschland
Ostdeutschland ist tot.
Ergebnis nk-Theatertreffen: Quote
Um fair zu sein (über die Quote behinderter Autor*innen mag ich jetzt nichts sagen, ein Fall von Whataboutism) - bei flüchtiger Betrachtung der letzten Jahre findet sich häufiger eine Frauenquote von 0%, einmal eine AndreasKriegenburgQuote von 20% und zweimal eine MiloRauQuote von 20%. Im Kampf um Parität hat folglich Milo Rau die besten Chancen.
Ergebnis nk-Theatertreffen: nichtssagend ...
... ist auch in diesem Jahr nicht zu steigern.
Ergebnis nk-Theatertreffen: let it be
Ja, lasst es sein! Bitte! Da sitzen die Menschen an ihren Computern und geben den Ort und das Theaterstück ein. Es geht nicht um Qualität, es geht nicht um Theater. Nein, es ist pure Manipulation. Jeder will sein Theater vertreten sehen. Und so spielt man ein Spiel. Also liebe Nachtkritik, lasst es sein. Das ist eine sinnlose Schau. ich bin eigentlich froh, dass Berlin sich nicht daran beteiligt. Und das Gejohle "Endlich Provinz!" "Frauenquote!" "Castorf, Kriegenburg, auch sie fehlen!" Nein, sie fehle alle nicht. Man muss nur ins Theater gehen. Wer in Deutschland hat diese Inszenierungen gesehen? Wer kann also urteilen. Warum soll überhaupt jemand urteilen? Dann doch lieber das richtige Theatertreffen. Da hat man auch noch etwas davon, man kann hingehen udn sich etwas anschauen. Lasst es wirklich sein udn findet echt eine neue Form des Austausches. Das hier ist altbacken und gehört in den Müll.
Wohlgemerkt diese Art der Präsentation. Bestimmt waren alle Inszenierungen gut und fanden befürwortende Zuschauer. Doch diese Präsentation haben sie nicht verdient.
nachtkritik-Theatertreffen: warum?
Und warum, Herr Laages, nominieren Sie dann selbst ein Stück, wenn dich alles so nichtssagend ist? Oder ist die Auswahl nichtssagend, weil Ihr Vorschlag es nicht unter die letzten 10 schaffte?
NK-Theatertreffen 2020: Tipp
Mein Tipp: Die Jury wird die Quote nicht exakt erfüllen. Vermutlich mehr als 50%. (Denkbar Lenks Menschenfeind, Rupprechts Ode, Böhms Yung Faust, Bauers Germania.)
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