"Is she hot or not?"

10. März 2020. Nackte auf der Bühne? Gehören für viele längst zum Klischee des zeitgenössischen Theaters. Als die junge Eva Mattes 1976 in "Othello" nackt über die Bühne gejagt wurde, taugte das zu einem echten Theaterskandal. Mit seiner "Blut-und Fäkalien"-Orgie "Macbeth" löste Regisseur Jürgen Gosch noch 2005 die legendäre "Ekeltheaterdebatte" aus. Auf den FAZ-Großkritiker wirkte das Enthüllen damals wie ein "Verbrechen": "Das Theater, das sich mit 'dem Leben' (meist nichts weiter als ein Synonym für Nacktheit) verwechselt, schändet die Phantasie", schrieb Gerhard Stadelmaier.

Pornografisierte Körper in Zeiten von #MeToo

15 Jahre später sprechen Susanne Burkhardt und Elena Philipp im Theaterpodcast #23 mit dem Schauspieler Ernst Stötzner, der damals im "Macbeth" nackt über die Bühne tobte. Was hat sich seitdem verändert – durch #MeToo, durch Debatten um Machtmissbrauch und Gleichberechtigung? Wie wirkt ein nackter Körper auf der Bühne in unserer pornografisierten Gesellschaft? Florentina Holzinger, gefeierte Choreografin und Performerin und als zweiter Gast im Studio, hat sich nie als Grenzüberschreiterin oder "radikal" verstanden, sondern wundert sich über aggressive Interpretationen ihrer zum Theatertreffen eingeladenen Ballett-Stunt-Zirkus-Show "Tanz" und die extreme Provokation, die offenbar noch immer vom nackten weiblichen Körper auf der Bühne ausgeht.

 

 

"Is that a gun in your pants or are you just happy to see us?"

Bei der Österreicherin (Jahrgang 1986) fliegen nackte Frauenkörper an Haken durch die Luft, werden Geschlechtsteile groß auf Videoscreens projiziert. Offensichtliche Voyeure im Publikum – einmal ausgemacht – müssen sich Fragen gefallen lassen wie: "Is that a gun in your pants or are you just happy to see us?"

Mit Florentina Holzinger und Ernst Stötzner erkunden Susanne Burkhardt und Elena Philipp im Theaterpodcast #23 das Nacktsein auf der Bühne – was es erzählt, wie es Zuschauererwartungen unterläuft ("Is she hot or not?") und welche Grenzen man performativ überhaupt noch überschreiten kann.

Kommentare  
Theaterpodcast: erzwungene Beobachtung
Zuschauer schämem sich zumeist nicht der Beobachtung von nackten Darstellern auf der Bühne, weil sie selbst so gschamigt sind. Sondern dafür, dass sie von den Darstellenden gezwungen werden, von den Mit-Zuschauern beim Beobachten von Nacktheit beobachtet werden zu können.
Zu Florentina Holzinger gehen also Menschen, die es nicht stört von den Mit-Zuschauern als VoyurInnen eingeordnet zu werden.
Ich bezweifle ganz stark, dass Leute, die Nacktheit als gewollte "Grenzüberschreitung" auf der Bühne - bis auf Ausnahmen, wo sie Motiviertheit dazu aus dem Stoff heraus wahrnehmen können - ekelerregend finden, zwangsläufig solche sein müssten, die beim Sex ein Extra-Zelt unter einer Bettdecke aufbauen oder sich eine Schlafbrille dabei aufsetzen und keine Erfahrung mit ihren Körpern machen oder haben oder ähnlich - das ist auch ein Klischee. Eines über Publikum von Theatermenschen, die sich gerne gegen ihre eigenen Präsentationsängste das Publikum nackt vorstellen möchten, es aber gar nicht mit Fantasie können...
Das war der bisher gschamigste und oberflächlichste Podcast der beiden Damen. Und das bei diesem relevanten Thema. Schade.
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