"Tyrannis" am Staatstheater Kassel

Weil die meisten Theater nicht mehr spielen können, stellt nachtkritik.de einen digitalen Spielplan aus Livestreams und Aufzeichnungen von Inszenierungen zusammen. Am 16. und 17. März zeigen wir einen Mitschnitt von Ersan Mondtags "Tyrannis" am Staatstheater Kassel, das im Dezember 2015 herauskam und 2016 auch zum Berliner Theatertreffen und zum Festival Radikal Jung eingeladen war.

anmo stream tyrannis 1P

 

Über "Tyrannis – von den Berliner Festspielen anlässlich des Theatertreffens 2016:

Im dunklen Wald ruft der Muezzin, der Vater kehrt mit der Axt nach Hause und geht in den Keller, ein sehr dickes Mädchen erschüttert das Haus mit trotzigem Aufstampfen. In "Tyrannis" von Ersan Mondtag ist ständig Märchenstimmung, aber von der unheimlichen Art. Die rothaarige Familie mit ihren Avatar-Bewegungen, die man per Überwachungskameras in ihren Zimmern und live in einer sonderlichen Wohnküche beobachtet wie im Menschenzoo, spricht nicht, lebt nach festen Ritualen und verbirgt Geheimnisse. Sind schreckliche Dinge in der Vergangenheit geschehen oder erwarten die zombiehaften Einfamilienhausseelen sie erst? Assoziationen an Horrorfilme und Computerspiele, David Lynch und Brüder Grimm, aber auch an Kleinbürgerenge à la Fassbinder und das verschämte Personal von Christoph Marthaler stellen sich bei der geduldigen Betrachtung von Mondtags Zimmerweltträumen ein. In der bildmächtigen Verdichtung, die der (...) Performer und Regisseur aus diesen Einflüssen komponiert, entsteht ein intimer Grusel des Alltags in berückend eigensinniger Atmosphäre.

 

Die Nachtkritik von Michael Laages zur Kasseler Premiere am 10. Dezember 2015. Laages sah "die brachiale Stil-Behauptung eines jungen Regisseurs", die es schaffe, das Publikum "mehr als zwei Stunden hin eng in szenische Vorgänge hinein zu zwingen, deren Sinn und Zweck und Ziel im Nachhinein kaum zu bilanzieren sind." Wie die Kritikerkolleg*innen es fanden, lesen Sie in der Kritikenrundschau.

Mehr über den Regisseur Ersan Montag im nachtkritik-Lexikon.

 

Tyrannis
Inszenierung, Bühne und Kostüme: Ersan Mondtag, Komposition und Sound-Design: Max Andrzejewski, Dramaturgie: Thomaspeter Goergen, Video & Schnitt: Jonas Grundner-Culemann.
Mit: Sabrina Ceesay, Jonas Grundner-Culemann, Enrique Keil, Eva-Maria Keller, Philipp Reinhardt, Kate Strong.
Dauer: 2 Stunden 10 Minuten, keine Pause

www.staatstheater-kassel.de