Presseschau vom 19. April 2020 – Spiegel-Interview mit Themis-Vertrauensstelle für Betroffene von Machtmissbrauch

"Die Angst ist groß"

"Die Angst ist groß"

19. April 2020. Der Spiegel interviewt eine Juristin und eine Psychologin von der im Mai 2018 gegründeten Vertrauensstelle für Betroffene von Machtmissbrauch und sexueller Belästigung im Kulturbereich Themis – Maren Lansink und Marina Fischer berichten nach einer Evaluation der bisherigen Fälle erstmals in der Öffentlichkeit von der Arbeit der Vertrauensstelle.

255 Personen hätten sich seit Gründung der Vertrauensstelle im Mai 2018 an die Themis gewandt. "Es ging um alle Formen von Machtmissbrauch. Von den schwächsten Formen wie Anstieren, sexualisierten Blicken auf Geschlechtsteile über anzügliche Bemerkungen bis hin zu schweren Straftaten. Innerhalb des ersten Jahres sind uns elf Vergewaltigungsvorwürfe am Arbeitsplatz gemeldet worden. Zwei Fünftel der uns gemeldeten Vorkommnisse waren körperliche Belästigungen."

90 Prozent der Personen, die sich gemeldet haben, seien Frauen. "Der überwiegende Teil der uns gemeldeten Fälle sind Belästigungsvorwürfe, die höchstens zwei Jahre zurückliegen. Selbstverständlich sind uns auch sogenannte Altfälle gemeldet worden, deren Anzahl war jedoch mit nur 
fünf Fällen verschwindend gering."

Was die Berufe der Betroffenen angehe, so meldeten sich vor allem Schauspielerinnen. Masken- und Kostümbilderinnen hätten aber den meisten Körperkontakt mit den Schauspielern, "die sind morgens als erste am Set, bleiben am längsten und sind dann oft mit dem Hauptdarsteller allein. Sie sind besonders gefährdet."

Grenzüberschreitungen, die zu Machtmissbrauch führen können, würden oft damit begründet, dass das nun mal "im Wesen der Kunst liege". Auch die Vorstellung, "dass jemand gebrochen werden muss, um erblühen zu können, ist so weit verbreitet wie falsch. Manche Theaterfürsten behandeln ihr Personal wie Leibeigene."

Die Beschwerden konzentrierten sich nicht auf ein paar "schwarze Schafe", "aber wir hören immer wieder, dass die Namen der Mehrfachtäter in der Branche bekannt sind. Betroffene und potentiell Betroffene wissen, wer häufiger belästigt. Der Ruf eilt den 
Leuten voraus." Erst in neun Fällen seien 
arbeitsrechtliche Beschwerden eingeleitet worden. "Wir sind da ganz am Anfang, die Angst ist groß."

(sd)

Hier geht's zu unserem Dossier Geschlechtergerechtigkeit und Frauen im Theater.

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