Das Theater der feinen Unterschiede

von Francis Seeck

25. Juni 2020. Seit Kurzem wird im Kulturbereich vermehrt über soziale Ungleichheit gesprochen: Der Begriff Klassismus (engl. classism), der analog zu Rassismus und Sexismus eine Diskriminierungs- und Unterdrückungsform beschreibt, etabliert sich langsam auch im Deutschen – und wird immer seltener mit der Kunstepoche Klassizismus verwechselt (vgl. Seeck/Theißl 2020).

Auch politisch bewegt sich etwas: Im Juni 2020 in Berlin wurde erstmals der soziale Status als Diskriminierungskategorie in ein Landesantidiskriminierungsgesetz aufgenommen. Beim "Impulse"-Theaterfestival der Freien Szene Anfang Juni dieses Jahres diskutierten wir darüber, wie die oft bildungsbürgerlich dominierten Kultureinrichtungen ihren Klassismus abbauen könnten und welche Rolle soziale Herkunft in der freien Szene spielt.

Was bedeutet Klassismus?

Angelehnt an Andreas Kemper und Heike Weinbach (2009) sowie Julia Roßhart (2018) verstehe ich Klassismus als Unterdrückungsform, als Abwertung, Ausgrenzung und Marginalisierung entlang von Klasse. Klassismus beschreibt die Diskriminierung aufgrund von Klassenherkunft oder Klassenzugehörigkeit. Er richtet sich gegen Menschen aus der Armuts- oder Arbeiter*innenklasse, zum Beispiel gegen einkommensarme, erwerbslose oder wohnungslose Menschen oder Arbeiter*innenkinder.

urban 617277 960 720Ihr seid sicher im Home Office, oder? Der Schreibtisch als Statussymbol © PixabayKlassismus hat konkrete Auswirkungen auf die Lebenserwartung und begrenzt den Zugang zu Wohnraum, Bildungsabschlüssen, Gesundheitsversorgung, Macht, Teilhabe, Anerkennung und Geld.

Bei der Klassenzugehörigkeit geht es neben ökonomischem (Eigentum, Vermögen) auch um kulturelles (Bildungsabschlüsse, kulturelle Objekte) und soziales Kapital ('Vitamin B'). Der Name, der Wohnort, die Sprache und der Geschmack können ebenso Marker für die Klassenherkunft oder Zugehörigkeit sein. Auch im Kulturbereich führt Klassismus zu Ausschlüssen und prägt, wer sich zum Beispiel im Theater wohlfühlt und wer nicht.

Programm und Klasse

Daniela Dröscher, die die "Impulse"-Akademie leitete, bat mich, einen klassismuskritischen Blick auf die Programmhefte und die Webseiten der Freien Szene zu werfen. Wie wird dort Klasse verhandelt oder sichtbar? Welche Sprache und welche Bilder werden verwendet? Wer wird eingeladen und wer ausgeladen?

Aufgrund der Pandemie werden aktuell viele Veranstaltungen als Online-Formate beworben. In den Bewerbungen der Veranstaltungen wurde deutlich, dass es wohl die Annahme gibt, das gesamte Theaterpublikum würde im Home-Office arbeiten. So rufen viele auf: "Ihr seid sicher im Home Office. Schaltet euch doch von zu Hause dazu". Dabei arbeiten selbst in Zeiten der Pandemie nur knapp 24 Prozent der lohnabhängig Beschäftigten im Home Office (vgl. Mannheimer Studie). Das sind größtenteils akademische Jobs. In vielen Berufen – für Pfleger*innen, Lastwagenfahrer*innen oder Kassierer*innen – ist von Zuhause arbeiten keine Option.

Ich habe einen Blick auf die Bilder geworfen, die auftauchen. Es scheint, als hätten alle Menschen viel Platz zu Hause, mehrere Zimmer, eine Altbauwohnung, Holzdielen, einen Balkon und eine Menge an Bücherregalen.

Ein Theater schlägt vor, während des Live-Streams könnte man Pause machen, sich in sein anderes Zimmer setzen und es sich da gemütlich machen. Viele Theater schreiben: "Wir interessieren uns für euren Alltag im Lockdown". Aber ein bestimmter Alltag und eine spezielle Ästhetik scheint die Norm zu sein.

Mit wem solidarisch sein?

Auf vielen Webseiten der Freien Szene gab es Solidaritätsaufrufe: Bitte unterstützt die freiberuflichen Künstler_innen in der Krise mit einer Spende. Unsichtbar bleiben die anderen Berufsgruppen, die an Theaterproduktionen beteiligt sind. An nur wenigen Stellen werden beispielsweise die freiberuflichen Techniker*innen überhaupt erwähnt.

Überall erwähnt wurden Techniker*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen, wenn es um die Selbstverpflichtung zur Antidiskriminierung ging. So wichtig ich als Antidiskriminierungstrainer*in Bemühungen finde, gegen Diskriminierung vorzugehen, schien es mir gleichzeitig auffällig, wer an welchen Stellen mitgedacht wurde.

Sprache

Neben der Unmenge an Bücherregalen sprangen mir auch Unmengen an Begriffen entgegen, die direkt aus der Wissenschaft übernommen wurden. Organisiert wurden "Online Symposien", "Theater der Digital Natives", "Try Outs". Es ging um "Artikulationen" und "Ambivalenzen". Eine Vielzahl der Begriffe stammt aus akademischen Diskursen. An wenigen Stellen wurden die Bedeutungen erklärt oder eine weniger ausschließende Sprache verwendet.

dielenBilder, die Maßstäbe setzen: An den abgeschliffenen Dielen zeigen sich das kulturelle und ökonomische Kapital © Pixabay

Diese Sprache richtet sich an Akademiker*innen, an das Bildungsbürgertum und weniger an ein breites Publikum. Bei vielen, auch mir, blieb bei vielen Programmbeschreibungen die Frage offen: Worum geht es? Dies widersprach sich mit der Betonung, das jeweilige Projekt sei in einer Stadtgemeinschaft eingebunden und möchten auch die Leute aus dem jeweiligen Bezirk (oft Arbeiter*innenbezirke) erreichen. Sehr oft wurden englische Begriffe verwendet, ohne sie zu übersetzen, obwohl es auch eine deutsche Alternative gegeben hätte. Es sprechen doch eh alle Englisch oder?

Statussymbole

Jedes soziales Milieu verfügt über eigene Statussymbole und Marker, die den Status und die Zugehörigkeit anzeigen. Neben abgezogenen Dielen, sanierten Altbauwohnungen, minimalistisch eingerichteten Zimmern und Bücherregalen fielen auch einige andere Statussymbole in den Blick, z.B. Rennräder.

Klasse oder?

Klassengemischter wurde es in den Programmen meistens nur bei den Angeboten, die sich an Jugendliche oder Schulklassen richten.

In den Programmen wurden die Themen soziale Ungleichheit, soziale Herkunft oder Klassismus leider selten konkret angesprochen. Auffällig war eher eine Abwesenheit des Themas, bei einer gleichzeitigen Norm der Mittelklasse als Zielpublikum und Kulturschaffende.

Umso wichtiger ist es, wie bei der "Impulse"-Akademie über die eigene soziale Herkunft zu sprechen und zu verhindern, dass die Freie Szene eine geschlossene Sache für Bildungsbürger*innen bleibt.

 

Der Text basiert auf dem Vortrag, den Francis Seeck online beim Impulse-Festival des Freien Theaters 2020 hielt.


Literatur:

Blom, Annelies G., et al. Die Mannheimer Corona-Studie: Das Leben in Deutschland im Ausnahmezustand. Bericht zur Lage vom 20. März bis 31. März 2020 (2020), Universität Mannheim.

Kemper, Andreas/Weinbach, Heike (2009): Klassismus. Eine Einführung. Münster: Unrast.

Roßhart, Julia (2016): Klassenunterschiede im feministischen Bewegungsalltag. Anti-klassistische Interventionen in der Frauen- und Lesbenbewegung der 80er und 90er Jahre in der BRD. Berlin: w_orten & meer.

Seeck, Francis / Theißl, Brigitte, Hg. (2020): Solidarisch gegen Klassismus. Organisieren, intervenieren, umverteilen. Münster: Unrast.

 


Foto Francis SeeckFrancis Seeck ist Autor*in, politische Bildner*in und Wissenschaftler*in und arbeitet zu den Themen Klassismus, soziale Ungleichheit und geschlechtliche Vielfalt. Im Herbst erscheint der Sammelband "Solidarisch gegen Klassismus. Organisieren, intervenieren, umverteilen" herausgeben von Francis Seeck und Brigitte Theißl. 

Mehr Infos: www.francisseeck.net

mehr debatten

Kommentare  
Klassismus: Betonung auf "frei"
(...) Warum um alles in der welt sollte man "verhindern, dass die freie szene eine geschlossene sache für bildungsbürger bleibt"? es ist die freie szene. die betonung liegt auf "frei". da kann jeder machen, was er möchte. wenn also irgendjemand das bedürfnis hat, den inklusiven erklärbär über diese oder jene begrifflichkeit zu spielen, kann er das jederzeit tun, indem er kraft, zeit und geld in die hand nimmt. es wird aber niemals möglich sein, wenn man nun schon von intellektuellen klassen sprechen möchte, iq-gruppen mit starker differenz in einer institution zu binden. die fachliteratur ist da recht eindeutig: mehr als 15 punkte unterschied dürfen nicht bestehen, sonst sind beide seiten gravierend über- bzw. unterfordert, und bleiben am ende zuhause.

(Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf allzu starke Polemik. Mit herzlichen Grüßen aus der Redaktion: jeb)
Klassismus: Closed Shop
Lustig, daß es Mensch Seeck braucht, um der Freien Szene zu erklären, daß sie ein Closed Shop für Akademiker*innen ist. Merken die das nicht selbst? Franz Wille (theater heute) stellte schon vor Jahren fest, dass ein "Verdienst" von Matthias Lilienthal sei ins HAU das Prinzip vpn Freundeskreisen eingeführt zu haben - also Gruppen, die Ihren akademisch gebildete Freundesschar gleich als Zuschauende mitbringen - und sich in einem gänzlich geschlossenen Zirkel immer wieder gegenseitig bestätigen. Dann werden gemeinsam Tänze um das jährlich wechselnde goldene Diskurskalb aufgeführt ("Is art really useful?", Rassismus - Klausel, Terror of Capitalism). Hier jetzt die Lieblingssportart: Linke Selbstgeißelung. Führt sicher zu einigen Workshops, die Mensch Seeck und Frau Theissl dann beim Branchentreff der Freien Szene geben können. Dort wird man dann zur Abwechslung nicht von BPOC - Menschen auf Unzulänglichkeiten hingewiesen, sondern von Menschen, die Schwierigkeiten haben, das Programmgeschwurbel zu verstehen. Wenn es dazu führen würde, das ganze lesbarer zu machen, dann vielen Dank schon mal.
Klassismus: kein Kontext
Dass Theater das eigene Programm nach Ausschlüssen hinterfragen, verändern, diskutieren, finde ich wichtig. Über Klasse und Klassismus im Theater zu sprechen auch. Dafür finde ich einige Hinweise in dem Artikel hilfreich. Auch die Stadt- und Staatstheater hinken da hinterher, aber davon ist hier nicht die Rede. Leider ist von gar keinem Kontext die Rede … Was ich hier nicht verstehe: Warum das Medium der Veröffentlichung "nachtkritik", ein Medium was sich sonst eher für Prestige und Theatertreffen, und wirklich nur sporadisch für die freie Szene interessiert, ein Medium in dem zum Teil Kritiken veröffentlicht werden, in denen Zuschauer*innen von Kritiker*innen diffamiert werden (s. die Peer Gynt Kritik vom Theater Oberhausen, in dem über eine Stadt wie Oberhausen und ihr Publikum geschrieben steht: „Es ist halt Oberhausen, denkt man sich – jenes sozial gebeutelte Oberhausen, das doch eine ganze Zeit lang ein schräges, kantiges, nicht unbedingt feingeschliffenes, hochkarätiges, aber doch mitunter ansehenswertes Schauspiel hervorgebracht hat. Seufz.“ – ???) , ein weißes und gutbürgerliches Medium, NICHT von dem*der Autor*in als Plattform reflektiert wird. Was soll denn dieser Artikel auf dieser Plattform? Wen soll es zu was genau anregen? Man sieht in den Kommentaren, wie das Bashing auf die freie Szene seinen Lauf nimmt. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein. Außerdem spielen die äußerst präkeren Bedingungen der freien Szene scheinbar gar keine Rolle in den Überlegungen der Autor*in: Die unzureichende bis nicht existierende Altersvorsorge und die Armut, die Arbeitsbedingungen, die Förderstrukturen. Techniker*innen haben meistens besser bezahlte und abgesichertere Jobs, auch im freien Theater. Das alles existiert auch, genau so wie die verschwurbelte Sprache in den Programmen. Wie steht das im Verhältnis zueinander? Frau kann sich nicht immer nur Mini-Ausschnitte aus etwas zurechtlegen, um Thesen und Argumentationen zu unterstützen. Leider hilft so eine Einsicht an der Oberfläche niemandem weiter. Schade!
Klassismus: Dank
Danke an Francis Seek fürs Augenöffnen!
Danke an Daniela Dröscher für den Start der Debatte!
Klassismus: manche Kreise
Interessanter Beitrag, sehr willkommen. Ich würde mich auch der beschriebenen Klasse (Akademiker, Home Office, Altbau) zuzählen. Verstehe die Programmheft-Texte aber auch nicht, und manchmal ist es mir auch peinlich, dass ich den neuen Klamotten-Code verschlafen habe.

Gern beschäftigen sich manche Kreise dann ja auch noch besonders gern mit Theater im Theater und ihren eigenen Erfahrungen - die dann genau von diesem hier beschriebenen Klassismus geprägt sind.

Der Vorwurf, dass das nicht für alle Freie Theater gilt, ist natürlich richtig, aber auch nicht gerade weiterführend.
Klassismus: Rettet die Bücherregale!
auch wenn jetzt sicher wieder jemand "klassismus" schreit, es muss einfach mal sein: rettet die bücherregale! und alle bücher darin! schämt euch ihrer nicht! erst kamen die digitalfetischist*innen mit "braucht man doch gar nicht mehr", dann die marie-kondo-sekte mit "mach dich frei", und jetzt heißt es auf einmal überall:"bösesböses klassismus-symbol" --- darum ein spontaner unanalytischer subjektiver aufschrei: bücherlesen hat mein leben gerettet! auch wenn ich eben wegen des bücherlesens die ganze kindheit und jugend durch massiv gemobbt wurde. und zwar von den reichen kids. und auch wenn's nach fahrenheit 451-kitsch klingt: bücher sind immernoch auch freiheit, denkraum, phantasie, rettung für alle nerds der welt. und wenn jetzt im zoom-zeitalter in wohnungen von prekären kunst-, kultur- & wissenschaftsarbeiter*innen all diese bücherregale sichtbar werden, dann hat das auch damit zu tun, dass viele von denen aufgrund der sozialdemokratischen bildungspolitik der 70er und 80er wohl als erste ihrer familien studieren konnten, aber da kein erbe im hintergrund mitspielt, die wenigen wohnungsquadratmeter, die sie sich leisten können, eben durchweg mit büchern pflastern müssen. gerade weil sie sich nicht einfach cool von einem teil ihrer geschichte trennen wollen .....
Klassismus: I-Quotient?
@1: Was hat Theatermachen/-gucken mit IQ zu tun?
Klassismus: das ist doch...
...schonmal ein Anfang, besten Dank für den Artikel! Natürlich kann er nicht auf einen Schlag alle Aspekte abdecken. Aber viele wichtige Dinge werden endlich mal angesprochen. Die Diskrepanz zwischen Attitüde / Elitarismus und Lebensbedingungen ist in der Kulturszene wirklich bemerkenswert. Ein einziges Aus- und Abgrenzen, andere auf die Plätze verweisen und sich selbst profilieren - das ist tragisch und erzeugt so viel Reibungsverlust. Da wird schon innerhalb der eigenen Schicht andauernd ein Gefälle konstruiert. Sprache, Habitus, Rennräder... nicht anders als "mein Haus, mein Boot, mein Auto..." bei den eher Spiessbürgerlichen. Um so bitterer ist das, wenn man die prekäre Lebensbedingungen und die problematischen Förderstrukturen nicht endlich konsequent thematisiert, sondern versucht, mit Attitüde zu kaschieren. Oder zulässt, dass sie von Kulturverwalter*innen, Politiker*innen und auch vom Publikum einfach weggelächelt werden. Leute, einfach mal vom Rössl absteigen... Zu Fuss verliert man nichts, man gewinnt nur Bodenhaftung...
Klassismus: Intelligenzfrage
@7 theater ist ein kommunikationsprozess. die eine seite vermittelt, die andere empfängt. die fähigkeit, empfangenes zu verstehen und zu verarbeiten, bemisst man im allgemeinen über iq-punkte. menschen unterschiedlicher gruppen auf dem iq-spektrum führen unterschiedliche lebensweisen, und bevorzugen unterschiedliche arten von freizeitgestaltung, und es gibt absolut keinen grund, die natürliche gruppenbildung einzuschränken, indem man jetzt die soziale gruppe, welche weiß, was in ihrem konsens "ambivalent" bedeutet, dazu nötigt, für jedes wort, das von jeder vielleicht niedrigeren iq-gruppe nicht gekannt wird, den erklärbär zu spielen.
Klassismus: Einordnung und Kontext
Liebe Kommentierenden, liebe*r esfragtsich,
weil die Frage nach dem Kontext und der Einordnung entstanden ist, hier ein Hinweis: Der Vortrag von Francis Seeck war Teil der Impulse-Akademie "Zeige deine Klasse", in der sich zahlreiche Vortragenden und Diskutierenden vier Tage lang dem Themenkomplex "Soziale Herkunft und Freies Theater" angenommen haben. Zwei Wochen lang sind auf unserer Homepage Materialien und Videovorträge einiger Referent*innen abzurufen. Hier lassen sich sicherlich noch viele Einordnungen, Kontextualisierungen und Querverbindungen zu den in dieser Kommentardiskussion aufgekommenen Themen herstellen.

https://www.impulsefestival.de/festival/akademie-2-zeige-deine-klasse-online (Material und Vorträge jeweils unter den schwarzen Balken zum Aufklappen)
Klassismus: trotzdem kein kontext
huhu, kurz nochmals in einem satz zusammengefasst: klassismus ist kein freie-szene-spezifisches-problem, wie das hier bemüht wird. keine kulturinstitution, städtisch, staatlich oder freie szene ist frei von klassismus. kenne sowohl stadttheater als auch freie szene, in der freien szene gelingt es in großen teilen sogar besser sehr gezielt und spezifisch diverses publikum anzusprechen. ich finde es okay, dass man als kleines experiment sich ein paar webseiten und programmtexte anschaut, ein paar überlegungen und bemerkungen dazu anstellt, sie im rahmen einer "akademie" (räusper, räusper, das klingt auch etwas akademisch) als teil von vielen anderen vorträgen diskutiert, aber ich finde es banane, dass man sie dann nachtkritik rausgibt, damit nachtkritik auf facebook der freien szene eine diagnose erstellen kann: "Kein Wunder, dass die Freie Szene es nicht aus ihrer bildungsbürgerlichen Filterblase hinausschafft." (nur um dann zwei stunden später irgendwas zu streamen, in dem männer männer inszeniert haben LOL). aber hey, es können alle schmunzeln über dielen, miet-altbauwohnungen, fahrräder und bücher. wie die freie kulturlandschaft es schaffen kann einen festen platz in der gesellschaft zu haben, der als systemrelevant und förderwürdig anerkannt wird UND inklusiv, divers, rassismuskritik, nicht klassistisch zu sein - darüber diskutiert dann keiner hier, sondern ob er*sie bücher oder dielen hat. aber zum thema dielen und bücher: als migrantin die 5 nebenjobs gleichtzeitig im studium gehabt hat und sehr wohl weiß, was soziale scham ist, verstehe ich das ehrlich gesagt nicht, wie eine miet-wohnung oder ein fahrrad zum statussymbol erklärt werden, ist das wieder was very german, was ich nicht kapiere? ich finde das lächerlich, ich habe beides, aber ich bin arm. ich kann mir kein opern-ticket einfach so leisten, dabei arbeite ich täglich zwischen 8 und 14 stunden in der freien szene, verdammt!
Klassismus: IQ und Herkunft
@9 Kann sein, dass es Leute gibt, die Theater eher rational wahrnehmen, als sinnlich. Finde ich seltsam - aber ok. Bleibt allerdings die Frage, was der IQ mit der Herkunft zu tun hat. Welche Klasse hat welchen IQ und warum? Wer hat das gemessen? Welche Statistik ziehen Sie heran?
Klassismus: nicht elitär, sondern kompetent
@12 das hat mit rationalität contra sinnlichkeit nichts zu tun, sondern einfach damit, dass ein höhere iq eine andere vorstellung von sinnlichkeit mit sich führt. und es geht auch nicht darum, hier iq-konzepte zu hinterfragen, da der bodensatz doch klar ist: führt einer ein leben, in welchem er genug grips hat, "ambivalenz" googeln zu können, wenn er es zum ersten mal in einem podcast hört, oder sitzt er dann heulend und hilflos vor dem bildschirm. da kann man die menschheit einfach abseits von iq-konzepten einfach in nachschlagende und nichtnachschlagende unterteilen, und hat dann für den speziellen fall schon ein hinreichendes gripskonzept. fragen der herkunft spielen da auch überhaupt keine rolle, das ist ja das schöne am iq. selbst das geschlecht wird dabei völlig egal - wenn man im iq als aspekt der openness-dimension der big-5-personality-traits hochbepunktet abschneidet, weist man auch in den anderen dimensionen ähnliche werte auf, wie andere mit ähnlicher iq-zahl, und innerhalb dieses ähnlichkeitsrahmens finden sich die leute eben zusammen. was nun keineswegs bedeuten soll, dass die freie szene nun besonders hohe iq-zahlen belegen würde. damit menschen rein ihrer quantität nach miteinander auskommen, braucht es hohe sozialverträglichkeitswerte, und die stehen eher in kontrast zu hohem iq. was die freie szene zu bieten hat, ist der durchschnittsmensch mit einem ganz bestimmten habitus, wie bspw. dem, den ambivalenzbegriff unhinterfragt fehlzuverwenden und sich dann, darauf angesprochen, mit einer phrase darum zu drücken. das ding ist: der durchschnittsmensch braucht für seinen habitus über begrifflichkeiten keinen erklärbär, und es ist einfach albern, die zusammensetzungsdynamik einer sich natürlich eingefundenen sozialen gruppe aushöhlen zu wollen, nur weil es menschen gibt, die ihrem konsens nicht entsprechen, weil sie in jedem fall den erklärbär brauchen. solche schwachsinnigen debatten finden im theater statt, weil es linksverblödet genug ist. bei einem stockhausenkonzert stellt sich niemand hin und sagt, mein gott, das bringt ja niemandem etwas, wenn er von musik nichts versteht, wir müssen das auch für die unkundigen zugänglich machen! denn das ist gar nicht möglich. du musst eben tausend arbeitsstunden hineinstecken, um stockhausen hören zu können, und was davon zu haben. das macht aber den stockhausenhörer nicht elitär - sondern einfach kompetent. oder man stelle sich vor, die würden beim fußball jedes mal versuchen, alles zu erklären, was an begrifflichkeiten während des spiels verwendet wird - da kann man 'ne woche vor spielbeginn anfangen. man muss den menschen einfach zumuten können, sich den kulturgenuss erarbeiten zu müssen, damit dieser überhaupt auf einem niveau stattfinden kann, das nicht für jeden ohne aufwand goutierbar sein wird.
Klassismus: a dabei?
ejb, von welchem Olymp schreibst Du denn herunter? Derart abgedroschenen, völlig unwissenschaftlichen Phrasen zum Thema Intelligenz / Intelligenzmessung habe ich echt noch nie gehört. Und 1000 Arbeitsstunden, um einen Stockhausen geniessen zu können? Deine Verwendung des Begriffes "linksverblödet" könnte eine Erklärung liefern.... Du kommst so leider alles andere als "klassy" und ernsthaft gebildet über, sorry... :-/ Beste Grüsse!
Kommentar schreiben