nachtkritikstream - "Die Zeit ist aus den Fugen" – Christoph Rüters Film über Heiner Müllers Inszenierung HAMLET/HAMLETMASCHINE 1989/90
"Die Zeit ist aus den Fugen" von Christoph Rüter
6. Juli 2020. Vom 9. Juli 18 Uhr bis 10. Juli 18 Uhr zeigten wir Christoph Rüters berühmten Dokumentarfilm "Die Zeit ist aus den Fugen" über Heiner Müllers Arbeit an seiner Inszenierung "Hamlet/Hamletmaschine" im Wendejahr 1989/90 mit Ulrich Mühe in der Titelrolle. Müller hatte das Stück als Drama eines jungen Intellektuellen angelegt, der mit der Staatsmacht in Konflikt gerät. Die Proben begannen am Deutschen Theater im August 1989.
Das Deutsche Theater lag damals in Berlin/Ost. Während der Arbeit an dem Projekt erodierte die DDR. Als die Inszenierung am 24. März 1990 Premiere hatte, war die Mauer gefallen, die DDR dem Untergang geweiht. Christoph Rüters Langzeitdokumentation begleitet die monatelangen Proben und beobachtet die sich überstürzenden Ereignisse ausserhalb des Theaters, die für die Arbeit an der Inszenierung nicht folgenlos bleiben und die Protagonisten auch jenseits des Theaters auf die Bühnen der aus den Fugen geratenen Zeit reißen.
Heiner Müllers siebeneinhalbstündige Hamlet-Inszenierung am Deutschen Theater in Berlin wurde das letzte große Theaterereignis der DDR. Müller hatte dafür Shakespeares Drama mit seiner 1976/77 entstandenen Hamlet-Reflexion "Die Hamletmaschine" verschnitten. Der junge Westberliner Dokumentarfilmer Christoph Rüter hat zwischen August 1989 und März 1990 die Probenarbeit begleitet, das Geschehen auf den Straßen Ostberlins beobachtet und ausgehend vom Hamlet-Zitat "Die Zeit ist aus den Fugen" die Rolle der an der Produktion beteilgten Künstler*innen und das Schicksal der Inszenierung, die in den Sog der Geschichte gerät, dokumentiert.
Über die Webseite des Regisseurs ist eine DVD des Films auch käuflich zu erwerben.
Die Zeit ist aus den Fugen
Buch und Regie: Christoph Rüter
Visuelle Gestaltung, Mitarbeit Buch: Stephan Guntli, Kamera: Ingo Manzke, Holger Rusch, Manfred Hulverscheidt, Rainer Lindemann, Ton: Christoph Wahl, Schnitt, Stephan Guntli, Bildschnitt: Martin Potthoff, Produktionsleitung: Karl-Heinz Dohms. WDR / West 3 1991
www.christoph-rueter-filmproduktion.de
Hamlet / Hamletmaschine
(Besetzung 24. März 1990 )
von William Shakespeare und Heiner Müller
Deutsch: Heiner Müller, Mitarbeit: Matthias Langhoff. Die Übersetzung verdankt der von Maik Hamburger / Adolf Dresen Anregungen
Regie: Heiner Müller, Bühne: Erich Wonder, Kostüme: Christine Stromberg, Maske: Wolfgang Utzt, Dramaturgie: Alexander Weigel. Musik: Einstürzende Neubauten, Wolfgang Amadeus Mozart, The Stranglers, Astor Piazzola, Arnold Schönberg, Johann Strauß.
Mit: Ulrich Mühe, Jörg Gudzuhn, Stefan Suschke, Margit Bendokat, Klaus Pionetk, Tom Porteous, Dagmar Manzel, Dieter Montag, Michael Kind, Margarita Broich, Jörg-Michael Koerbl, Frank Lienert, Thomas Neumann, Erhard Marggraf, Dietmar Sommer, Karl Kranzowski, Horst Weinheimer, Manfred Möck, Plaus Piontek, Margarete Taudte, Christian Drommer, Ralph Gerstenberg, Nordbert Helmholz, Reinhardt Hinz, Thomas Link, Rolf Treubner.
www.deutschestheater.de
neueste kommentare >
-
Medienschau Volksbühne Ranking
-
Preis für Nora Mansmann Glückwunsch
-
Medienschau Volksbühne Schaurig
-
Geht es dir gut, Berlin Verneigung
-
Medienschau Volksbühne Basler Schauspieltruppe
-
Medienschau Volksbühne Junge Generationen Vorschläge
-
Medienschau Volksbühne Ein Linksozialisierter
-
Medienschau Volksbühne Bochum unter Haußmann
-
Don Carlos, Frankfurt Kalte Realität des Mordens
-
Geht es dir gut, Berlin Bruchstückhafter Abend
Hamlet/Maschine, Shakespeare und Müller, und dem Gelingen von diesem
letzten großen Theaterereignis der DDR.
Danke
- - -
Lieber Paul Kroker,
wird der Stream Ihnen inzwischen angezeigt: Wenn nicht, aktualisieren Sie den Tab und/oder probieren Sie einen anderen Browser aus.
Viel Freude mit dem Film!
miwo (Redaktion)
Auf der Bühne Ophelia reglos in schwärzester Umhüllung.
Ihre Stimme oben aus dem Hintergrund:
Hamlet! Hamlet!
Niemals lebt der HaSS, die Ver-Achtung, der Tod.
Jeweils lebt und liebt der Nichthass, die Nicht-Verachtung,
der Nicht-Tod als Leben.
Auf stand der Tod aus Gräbern und kam ins Leben.
Niedrig lebt das Volk im Unglück der Unterwerfung.
Ich kann nicht begraben meinen Charm.
Zwischen meinen geschlossenen Schenkeln ersticke ich
diese Menschenwelt die ich niemals geboren habe.
Ich kann nicht zurücknehmen diese Welt die ich nicht geboren habe.
Wer verwandelte mir die Milch meiner Brüste in
abscheulich-tödliches Gift?
Ich stoße allen Zauber aus den ich erfahren habe
und lebe von meinem eigenen.
Wie verbleiben im Sonnenlicht die Herzen?
Zu nah der Sonne die Folter.
Ich spreche im Namen des Aufstiegs zur Welt.
Danke
In den interessantesten Momenten dieser Collage gelingt es, diese Funken zu schlagen, z.B. der Film die Arbeit an der Inszenierung mit dem öffentlichen Auftritt von Heiner Müller bei der Kundgebung am 4.11.1989 auf dem Alexanderplatz oder dem Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten Hans Modrow und Hauptdarsteller Ulrich Mühe am Nachmittag der Volkskammerwahl vom März 1990, in dem beide bewusst viele Parallelen zum „Hamlet“ ziehen.
Das macht den Film zu einem bemerkenswerten Zeitdokument über die Arbeit an einer legendären Inszenierung, von der leider nur kurze Ausschnitte zu sehen sind, und der Umbruchsituation, über die alle Akteure reflektieren.
Herzliche Grüsse aus der Redaktion, Esther Slevogt