Presseschau vom 22. Juli 2020 – Björn Bicker fordert im BR eine Stunde Null des Theaters
Eine riesen Chance
Eine riesen Chance
22. Juli 2020. "Macht die Theater zu – und fangt von vorne an", fordert Dramaturg und Autor Björn Bicker im Bayerischen Rundfunk. Er regt an, die Corona-Schließzeit als Denkpause zu nutzen, um ihre eigene Zukunft zu verhandeln. "Dann könnten sie sich ernsthaft mit Demokratie, Teilhabe und Gerechtigkeit auseinandersetzen und zwar nicht irgendwie im symbolischen Raum, sondern ganz konkret am Beispiel ihrer eigenen Wirklichkeit. Sie könten ihren Kunstbegriff hinterfragen und ihn einem Update unterziehen. Sie würden ernsthaft über Formen der künstlerischen wie betrieblichen Partizipation nachdenken, darüber, wie man seine eigenen Führungskräfte in good governance fortbilden könnte. Und sie könnten dann weitermachen und Strukturen verändern."
Bicker schlägt "runde Tische" vor "mit Abstand, in Stadien, auf Plätzen und Straßen", achtsame "Beteiligungsgremien aus der Zivilgesellschaft", um gemeinsam darüber nachzudenken, "für wen und für was unsere Theater in Zukunft gut sein sollen". Das wäre auch eine "riesen Chance" für Theaterleute, "ihre Kunstblase zu verlassen und sich selbst aufs Spiel zu setzen. Diese Debatten wären ein performatives Großereignis, ein Vorschein vom zukünftigen Stadttheater und seinem Verhältnis zu der Gesellschaft, die es ermöglicht. Sie wären Bild und lebendige Praxis des politischen Wandels in Zeiten der Pandemie: Eine von vielen möglichen Antworten auf die Krise der Repräsentation."
(geka)
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(Werte Bildungslücke,
bitte schauen Sie hier: http://www.bjoernbicker.de/5-0-Biografie.html
MfG
Georg Kasch / Redaktion)
Ich wäre trotzdem unter Voraussetzungen bereit so ein Bicker-Experiment zu wagen. Und zwar ausschließlich n a c h der erfolgten deutlichen Schrumpfung des Verteidigungshaushaltes und nach der erfolgten völligen - öffentlich nachprüfbaren und beweisbaren - Abschaffung von deutscher Beteiligung an beispielsweise bewaffneten Drohnen-Einsätzen wo in der Welt auch immer... Wenn Herr Bicker das also schon mal mit AKK geklärt hat und ich es schwarz auf weiß als durchgesetzten Bundestagsbeschluss nachprüfbar vor mir zu liegen habe, dann schaff ich auch Bicker-gerecht das Theater ab, damit es sich neu gründen kann. Aber auch NUR dann. Wiener Burgtheater-Erfahrung hin oder her.
Problematisch ist daran, dass sich zeigt, dass Theaterschaffende vor allem ein Problem mit ihrer Kommunikationskultur haben. Der Beitrag von Herrn Bicker beschreibt zunächst seine Sicht der Dinge und die zu äußern steht ihm grundsätzlich frei. Auch seine persönliche (Ideal)Vorstellung von Möglichkeiten ist zunächst nur eine Wunschvorstellung bzw. ein Vorschlag.
An dieser Stelle setzt dann die schon beschriebene reflexhafte Ablehnung ein, die oft wirkt, als wären die Ablehnenden persönlich angegriffen worden. Das ist kein Verhalten, das exklusiv für Intendant*innen oder Spartenleiter*innen reserviert ist, auch Dramaturg*innen oder Spieler*innen reagieren häufig sehr emotional wenn eine Debatte etwas Strukturelles oder gar grundsätzliches berührt.
Ich würde mir sehr wünschen, dass wir damit beginnen könnten unseren Umgang untereinander kritisch zu hinterfragen und unsere Debatten zwar engagiert aber respektvoll und sachlich zu führen. Vielleicht wäre damit für uns alle ein Stück der "Augenhöhe" hergestellt, die wir uns oft wünschen. Das schließt alle Debattierenden ein. Ansonsten werden die Diskurse alle nur weiter ermüden und als fruchtlos und aussichtslos wahrgenommen werden und wohl zu keinem befriedigenden Ende für keinen führen.
Herr Bicker wirft, ob man seinen Lösungsvorschlägen nun zustimmen möchte, sie ablehnt oder modifizieren möchte, grundsätzlich eine Frage auf, die ich wirklich relevant finde. Die Absage von Veranstaltungen und der damit unterbrochene Spielbetrieb besitzt das Potenzial das eigene Schaffen und dessen Bedingungen zu reflektieren. Der Ausgang bleibt beim Nachdenken zunächst offen. Jede*r Theaterschaffende kann dabei für sich zu dem Schluss kommen, dass alles gut ist und keine Veränderungen notwendig sind oder eben doch, das macht Herrn Bickers Äußerungen weder zu "Schwachsinn", noch hat er deswegen "es nicht verstanden".
Ich frage ich jedoch, ob ein einfaches "weiter so" der Realität standhalten können wird. Die letzten Monate haben den Theatern massive Einnahmeverluste zugefügt. Den Trägern entgehen Gewerbesteuereinnahmen, die sich in den Haushalten abbilden werden. Wie genau kann derzeit noch niemand seriös vorhersagen. Die Zuschauerräume werden noch eine ganze Weile sehr leer sein und die Hoffnung auf die Entwicklung und Anwendung eines Impfstoffes zu setzen, ist für mich leider etwas kurz gedacht.
Die Theaterhäuser werden sich, glaube ich, mittelfristig ohnehin mit gravierenden Veränderungen beschäftigen müssen und zumindest mit seinen Überlegungen der Realität ein wenig voraus zu sein, kann uns als Theaterschaffenden nie schaden.
Insofern ist das schon irgendwie Schwachsinn, was der Autor mit der riesen Theaterchance vor Augen von sich gibt - auch wenn ein grundsätzliches Austauschbedürfnis alles andere als Schwachsinn ist, wenn man mir fragt.
Man kann nämlich übrigens auch WÄHREND des Theater-Schaffens oder Kunst-Machens nachdenken oder sich ganz andere Dinge dabei vorstellen, als die, die man gerade als Kunst vorstellt! Es gibt garantiert eine Menge MalerInnen, die Blümchen, Wellen (jeder Art, auch sphärische z.B.) malen und dabei an ihren ihnen drohenden Vermieter oder an Sex denken oder sich vorstellen, wie ihr Galerist vor ihnen niederknien wird, wenn das Werk erst einmal vollendet ist! Und ich habe ehrlich gesagt noch keine, keine einzige!, Probe erlebt, in der die zusammen arbeitenden SchauspielerInnen NICHT gleich und sofort reflektiert hätten, ob diese/r oder jene/r durch sie angebotene Gang/Distanz/Berührung/Abwendung/Zuwendung/Geste/Stimmlage usw. nun zur Figur/Situation "gestimmt" hat oder nicht und warum... Die brauchen offenbar gar keine schöpferische Corona-Pause zum Reflektieren ihres Schaffens!!! - Aber gut, nehmen wir reale runde Tische... Warum aber sollen die ausgerechnet in Stadien stehen? Die gerade auch nicht so richtig durch zahlendes Publikum besetzt sind! Wenn ich auf Empfehlung des Bayerischen Rundfunks, der dem Autor die die Freiheit sich öffentlich zu äußern einräumte, an die Anwesenheit weniger diskutierender Intellektueller in Stadien denken soll - habe ich immer sofort Chile oder Argentinien und gewaltsam versperrte Ausgänge im Blick (vor dis geistige Auge natürlich, sowas kann sich nicht jeder vorstellen, aber ich kann mir vorstellen, dass ein nicht nur der eigene Blick, sondern sogar ein vorgestellter! eigener Blick ganz in echt was sehen kann!) - ich weiß ja auch nicht wieso? - Und das schärfste ist: Ich konnte mir sowas schon VOR Corona vorstellen, VOR der Schweinegrippe, VOR Sars1 und VOR der Bankenkrise, ohne in- undoder ausländisches Philosophiestudium und ohne alle solche ähnlichen verbrieften Hirnbenutzungsberechtigungsscheine - wie kommt das? Bin ich als Kind zu früh und falsch gesponsert geimpft worden? Ist so komische Fantasie am Ende vielleicht nur ein Impfschaden?