Keine Infektionsgefahr im Theater

München, 23. Oktober 2020. Auf heftigen Widerstand bei den bayerischen Theaterleiter*innen trifft die jüngste "Infektionsschutzmaßnahmenverordnung" der bayerischen Staatsregierung. Die Verordnung sieht vor, bei Überschreitung des Wertes von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen, die Zahl der Besucher von Veranstaltungen auf höchstens 50 Personen zu beschränken. Derzeit gilt eine Obergrenze von 200 Besuchern sowie eine Ausnahmeregelung für 500 Plätze im Rahmen eines Pilotversuchs im Nationaltheater, dem Gasteig und der Nürnberger Meistersingerhalle, schreibt die Münchner abendzeitung.

Mit dieser Entscheidung werde, schreibt der Landesverband Bayern des Deutschen Bühnenvereins in einer Presseaussendung, die "monatelange Arbeit der Theater und Orchester für einen Spielbetrieb auf der Grundlage sicherer Hygienekonzepte massiv erschwert". Die Verordnung konterkariere die gerade erst unternommenen Fördermaßnahmen, die der Aufrechterhaltung des Spielbetriebs dienen sollten.

Staatsregierung konterkariert Rettungsmaßnahmen

Dazu der Sprecher der bayerischen Intendanten, Jens Neundorff von Enzberg: "Es ist für uns nicht nachvollziehbar und aus unserer Sicht kulturblind, warum ausgerechnet die Zuschauerräume in Theatern und Konzertsälen, die bisher kein nachweisbarer Ort der Infektion mit dem Coronavirus waren, jetzt wieder in den Fokus der weitergehenden Maßnahmen gelangen." Die erneute massive Begrenzung des Publikums gefährde die Theater und Orchester in Bayern.

In einem Offenen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder fordern die Intendant*innen der großen Münchner Bühnen, der Gasteig, die Theaterakademie und das Lustspielhaus (stellvertretend für die freie Szene) sowie die Intendanten der Staatstheater Augsburg und Nürnberg "den Spielbetrieb mit 200 bzw. 500 Zuschauern aufrecht erhalten zu dürfen". Alles andere käme einem zweiten Lockdown gleich und bedeute eine Existenzbedrohung für alle Bühnen in Bayern. Es bestehe "keine Infektionsgefahr, da der Mindestabstand von 1,50 m und der Frischluftaustausch im Zuschauerrum bei uns allen gewährleistet ist". Bisher habe es keine nachweisliche Infektion durch einen Theaterbesuch gegeben.

 

Wir haben die Meldung am 24.10.2020  ergänzt

(www.landesverbandbayern.de / Abendzeitung / jnm)

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Kommentare  
Protest in Bayern: So eine Söderei
Übervolle S Bahnen und Straßenbahnen, Restaurants in denen kein Mindestabstand gewährleistet ist und keine Besucherlisten geführt werden, Züge der deutschen Bahn ohne Sitzplatzreservierung, Mindestabständen und verteilten Sitzplätzen (von den Schulen nicht zu reden)...und dann kommt die Bayrische Staatsregierung mit so einer Verordnung, die jegliche Nähe zum Kultur-und Theaterbetrieb vermissen lässt, wohl aber meilenweite Distanz dokumentiert. Wer klagt dagegen vor Gericht?
IN DEN LETZTEN MONATEN HABE ICH MICH NIRGENDS SICHERER GEFÜHLT,ALS IM THEATER!!!
Nirgends würde so gewissenhaft auf Gesundheit und Sicherheit des Publikums geachtet wie an diesen Orten. Danke dem Resi, den Kammerspielen im Bayuwarenland, dem Bochumer Schauspielhaus, dem Thalia Theater und Schauspielhäusern Hamburg und Frankfurt, nördlich des Weißwurstäquators.
Protest in Bayern: Keine Klagen
Es ist nun nicht zweckdienlich zu klagen, wirklich nicht. Die Häuser haben sich trotz klarer Warnungen der Wissenschaft in den Sommermonaten in ihre Innenräume und ihre 20:00 Uhr Spielkonzeptionen und ihre Schutzkonzepte verbissen, anstatt sich auf Winter vorzubereiten und neue Formen zu entwickeln, die ein rasches Reagieren und Flucht in Aussenraum möglich machen. Es ist ganz klar, was die Wissenschaft sagt und das seit Monaten: Menschenansammlungen in Innenräumen sollten - wenn die Infektionszahlen steigen - vermieden werden. Auch vor und nach dem Theaterbesuch. Wenn nun die Infektionszahlen steigen ist es nur logisch und folgerichtig, dass die Theater runterfahren müssen und die Räume grösseren Restriktionen unterliegen. Die Klagen der Theater sind unverständlich und - ja - peinlich - und kontraproduktiv. Die Theater brauchen das Wohlwollen der Politik, dass diese Zusatzmassnahmen die nun nötig sind, finanziert werden. Aber was die Theater nun nicht brauchen, sind klagenden Intendant*innen.
Protest in Bayern: Gegenrede
Was die Theater brauchen, sind klagende Intendanten, Schauspielende, Bühnenarbeitende,und klagendes, nein schimpfendes Publikum.
Es geht um die Verhältnismäßigkeit, Vergleichbarkeit, Gerechtigkeit mit anderen Bereichen wie öffentlichen Nah-und Fernverkehr, der meilenweit von den Standards der Kulturschaffenden entfernt sind und trotzdem nicht eingegrenzt werden.
Die Kulturschaffenden haben sich mit viel Fantasie und hohem Aufwand auf die Lage eingestellt. Ihnen jetzt noch pauschal vorzuwerfen, sie hätten sich ihre Situation selbst eingebrockt (20Uhr Spielkonzeptionen, Verbissenheit in Schutzkonzepte, mangelnde Vorbereitung für die Wintermonate) ist voll daneben und kulturfeindlich. Oder soll eine Vorstellung unter einem riesigen Heizpilz stattfinden? Dann aber Frischluft für alle! Cabrio-S Bahnen und -Züge, Waldschulen und Kindergärten, Winterbiergärten etc.
Das einzige, was bei längerer Fortdauer der Pandemie vielleicht überlegenswert ist, ist im Sommer durchzuspielen, oder die Sommerpause zu verkürzen, wie es das Münchner Volkstheater versucht hat. Und dann eine Winterpause zu machen. Aber viele Kulturschaffende haben eben auch Familie und Kinder und sind auch an gesellschaftliche Rhythmen gebunden und die Schulen machen eben auch nicht im Winter zu.
Die hohen Zahlen von Infektionen sind durch egoistisches Verhalten, fehlende und lasche Konsequenzen dafür, und unkoordinierte Aktionen oder Aktionismus der Politik und wirtschaftliche Interessen mit verursacht.
Und die schon in der ersten Welle vernachlässigte Kultur (mit einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Arbeitsplätzen) muss es ausbaden.
Protest in Bayern: null Infektionen
Lieber Herr Schwarz,

die Nachgewiesenen direkten Infektionen im Theatersaal beträgt genau 0.
Die Theater haben den Sommer genutzt, um für die höchste Sicherheit im Saal zu sorgen. Eine Sorge, die Aufführungen auf den Großen Bühnen gewährleisten. Neue Formate sind unabdingbar, aber sie ersetzen in keinster Weise die Zusammenkunft, die "liveness" der analogen Theateraufführung.
Protest in Bayern: mitnichten
#2 Tut mir leid, da kann ich absolut nicht zustimmen. Die Wissenschaft hat nie gesagt "Macht im Winter Kultur im Freien",
sondern eher "Sorgt überall für Abstand und für ausreichende Belüftung".
Die ganzen Sicherheitskonzepte wurden ja nach den wissenschaftlich fundierten Vorgaben der Ministerien entwickelt. Es gibt nachweislich noch nicht eine einzige Infektion, die auf einen Theaterbesuch zurück geht - gerade WEIL durch die Sicherheitskonzepte (Abstand, ständige Desinfiktion, Masken und dauerhafter Luftaustausch) die Theater momentan die sichersten Orte sind, an denen man sich aufhalten kann. Laut Wissenschaft (!) sind Reisen, Familien und Superspreader momentan für den Anstieg verantwortlich. Das Theater ist kein Rosengarten und durch die Konzepte kein Superspreader.
Durch die Belüftung ist es übrigens oft so kalt in den Häusern - ist doch fast wie draußen, wenn's Ihnen darum geht. Mehr Freilicht-Feeling im Winter geht kaum.
Die Intendant*innen sollen ruhig klagen, bei einer so kulturfeindlichen Symbolpolitik entgegen jeder Vernunft haben sie auch das Recht dazu.
Ich bin großer Unterstützer der Maßnahmen und der Meinung, man darf diese Pandemie nicht auf die leichte Schulter nehmen, das heißt doch aber nicht, dass man ALLES gutheißen muss, was die Politik vorgibt. Als wäre eine bayerische Staatstheater unfehlbar und nicht zu kritisieren. Da muss man sich doch wirklich fragen...
Protest in Bayern: Irrlichtender Populismus
...ich kann mich Herrn Jähnigen nur anschließen und muss ergänzen: Es war absehbar, dass politische Entscheidungen zwischen einem Lockdown und Maßnahmen zur Eröffnung der liebgewonnenen Vor-Cornona-Freiheit ein schmaler Grad würden.

Die bayerische Theater-Regelung ist in dieser Spannbreite das Paradebeispiel, wie eine gesellschaftliche Spaltung eingeläutet werden kann. Ja klar, Deutschland hat gelernt, dass in geschlossenen Räumen mit Menschenansammlungen die Infektionsgefahr wegen der Verbreitung der Aerosole erhöht ist. Aber: Haben wir nicht ebenso gelernt, dass dies auch dadurch beeinflusst wird, ob man jodelt oder mit Maske ruhig atmet? Stellt nicht gerade die bayerische Neuregelung die ausgefeilten und wirksam durchgeführten Hygienekonzepte der Theater infrage? Waren die Konzepte etwa eine Farce? Und warum erfahren beispielsweise bayerische Brauhäuser, die sich häufig durch große, wenig belüftete Säle und laut, gegen den Geräuschpegel ansprechende Gäste auszeichnen, keine weiteren Einschränkungen? Glaubt die bayerische Staatsregierung wirklich, dass solche Lokalitäten eine virusfreie Zone sind?

Kurzum: 50 Gäste bei einem mit regelmäßiger Frischluftzufuhr versehenen Saal von 600 bis 800 möglichen Besuchern - das ist bar jeder wissenschaftlichen Grundlage. Und für die Theater bereits im Vorverkauf nicht händelbar, geschweige denn in der Rückabwicklung, so denn die Grenze von 100 plötzlich, nach Beginn des VVK gerissen wird.

Die Summe der aufgeworfenen Zweifel hängt mich zumindest jetzt ab - fand ich viele Entscheidungen der letzten Monate doch durchaus nachvollzieh- und befolgbar. Statt einer sinnfreien Alibi-Regelung in einem ausgewählten Bereich, die nur so tut, als bliebe noch ein Rest von Freiheit, wären Regelungen gut, die vergleichbare Lebenssituationen auf wissenschaftlichen Grundlagen gleichermaßen einschränkt oder ermöglicht. Alles andere ist aktionistischer Populismus.
Protest in Bayern: Unterschiede
Die Hygienekonzepte an den Theatern sind von Land zu Land völlig unterschiedlich. So schaut es in der Schweiz, Österreich oder Deutschland unterschiedliche aus. In Deutschland gelten wohl die strengsten Konzepte. Insofern erscheint es mir auch eher unverhältnismäßig.
Protest in Bayern: Exponentielles Wachstum
Mir scheint, sie alle haben immer noch nicht begriffen, was „exponentielle Verbreitung“ eines Virus bedeutet. Wenn es bis vor einer Woche keine Ansteckungen in Theatern gegeben hat, heisst das nach der Logik des exponentiellen Wachstums der Ansteckungen noch lange nicht, dass es jetzt keine gäbe. Innenräume gehen aktuell ganz einfach nicht (für viele Menschen). Das ist ein Fakt. Ich finde es schade, dass nicht mal die Intendant*innen mit ihrer guter Bildung das verstehen und nun im völlig falschen Moment Renitenz zeigen gegen die Wissenschaft.
Protest in Bayern: stumpfe Verdrehung
#8 Wir haben das sehr wohl begriffen.
Aber dass die Wissenschaft einfach platt sagt "Haltet euch nicht in geschlossenen Räumen auf (und holt euch draußen eure Erkältungen?)", ist einfach eine völlig stumpfe Verdrehung der Tatsachen. Gerade die Wissenschaft weiß um die Faktoren von Aerosolen, Luftzirkulation, etc., und genau damit gehen die Sicherheitskonzepte um. Also, das ist sicherlich keine Wissenschaft, die Wissenschaft auf diese Art und Weise zu simplifizieren. Da tun Sie der Wissenschaft wirklich Unrecht.
Protest in Bayern: nachgerechnet
Ist das exponentielle Wachstum von Null nicht auch Null?
Protest in Bayern: Kleines Renitänzchen...
... trotz guter Bildung

Lieber Herr Schwarz,
Jetzt wird mir klar, dass ich es immer noch nicht begriffen habe,was exponentielles Wachstum des Virus bedeutet. Wenn es vor einer Woche noch keine Infektionen in Theatern gab, so k ö n n t e jetzt oder in naher Zukunft das Theater zur Brutstätte werden, also potentiell exponentiell. Das wäre auch eine Begründung eines weiteren bundesweiten Lockdowns. Wenn das ihre Argumentionslinie wäre, könnte ich sie nachvollziehen.
Ich wiederhole jetzt nicht meine Argumente und die der, meiner Meinung nach, sehr fundierten anderen Beiträge.
Ihre Argumentation ist bisher nur auf die Theater fixiert und alle oben genannten Argumentationen der Diskutierenden scheinen belanglos.
Ich lasse Ihnen gern Ihre Position und verbleibe begriffsstutzig und renitent in der Hoffnung, dass die Regelung nochmal überdacht wird und da gehandelt und schützend vorgegangen wird, wo aktuell die Cluster entstehen und aktuell Menschen geschützt werden müssen.
Protest in Bayern: Rechtsgrundlage?
Bei einem Zusammentreffen ohne Interaktion, ohne sprachliche Kommunikation der Menschen untereinander ist die Ansteckungsgefahr gering, so die Virologen, erst recht, wenn Maske getragen wird. Das gilt nicht nur für das Flugzeug, die Bahn, sondern auch für Theater und Konzertsäle. Insofern sind viele Corona-Verordnungen schlicht rechtswidrig. Näheres kann man im neusten Beitrag auf meiner Internetseite stadtpunkt-kultur.de nachlesen. Sollen wir diese Rechtswidrigkeit nun einfach hinnehmen oder nicht? Zur Gleichbehandlung wäre der Staat doch wohl mindestens verpflichtet. Und zur Schaffung einer geeigneten Rechtsgrundlage mit Entschädigungsregelung für betroffene Künstler auch. Dass sich die Theater und Orchester angesichts von Corona dennoch Strategien der Präsenz in der Öffentlichkeit jenseits der Liveveranstaltung überlegen müssen, ist dennoch richtig.
Protest in Bayern: Besondere Kunst?
Ich finde das Anliegen ja nichtmal falsch, aber die Formulierung... "Wir brauchen Sonderkonditionen für unsere besondere Kunst." Das klingt leider mal wieder sehr nach exklusiver Hochkultur für die oberen 10.000. Hauptsache, die feinen Damen und Herren können weiterhin in die Oper gehen. Dabei geht es ja um das Gegenteil: Wenn das Platzangebot weiter sinkt, geht das vermutlich zu Lasten derer, die auf Ermäßigungen angewiesen sind. Kultur wird mehr und mehr zum "besonderen" Ereignis, an dem nur Ausgewählte teilhaben können.
Protest in Bayern: realitätsfremd
@Roland Jähnigen. Ich weiss nicht in welcher Welt sie leben. Ich lebe zurzeit in einer anderen. Ich sehe Italien und Spanien als meine nahen Nachbarn, höre die Warnungen der Wissenschaft vor zu grosser Zirkulation von Menschen (das Thema ist nicht ob sie sich im Theater anstecken, sondern auf dem Weg dahin, oder in der Bar danach). Ich meine nur, es wäre höchste Zeit, dass die Theater Formate und Wege finden, wie sie ihre Kunst aufrechterhalten könnten (ohne Streams aus dem Probebunker ins CoronaHeim). Aus meiner Sicht ist das nur realistisch, wenn die Formate zeitlich anders getaktet werden, und sich neue Räume suchen, wo die Menschen in Abstand Kultur geniessen können... und doch auch Momente der Ko-Präsenz haben. Aber dieses Beharren auf Innenräume mit Sitzplätzen ist - zumindest in der Schweiz, wo ab Mitte Woche entweder null oder maximal 50 Zuschauerinnen erlaubt sein werden - unrealistisch, blind, renitent. Mag sein, dass sich der Virus im Bayern anders verhält, aber wir hier gehen nun von einem Lockdown aus und neuem Stillstand. Der Brief der Intendanten mit den „Sonderkonditionen“ wirkt, um es freundlich zu sagen, realitätsfremd ( und by the way: Erkältungen und den Coronavirus holt man sich nicht durch kalte Luft, sondern durch Viren, die von anderen Menschen kommen)
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